A. Problem und Ziel
Zur Sicherung des seemännischen Knowhow für die maritime Wirtschaft in Deutschland bedarf es verstärkter Anstrengungen. Seemännisches Knowhow ist ein Schlüsselfaktor für die Wettbewerbsfähigkeit und die Innovationskraft der gesamten maritimen Wirtschaft. Die maritime Wirtschaft ist eine Hochtechnologiebranche, die mit rund 480.000 Beschäftigten ein jährliches Umsatzvolumen von mindestens 50 Mrd. Euro erbringt.
Die Bedeutung der maritimen Wirtschaft geht weit über die Grenzen der norddeutschen Länder hinaus. Ein Großteil der Wertschöpfung der maritimen Zulieferindustrie wird beispielsweise in den süddeutschen Ländern erwirtschaftet. Die maritime Wirtschaft ist eine Zukunftsbranche und für die Exportnation Deutschland von zentraler Bedeutung.
Die derzeitigen Maßnahmen sind in Anbetracht des Kostendrucks in Folge der langanhaltenden Krise in der Seeschifffahrt nicht ausreichend, den drohenden Verlust des seemännischen Knowhows abzuwenden. Die mit der deutschen Flagge im Vergleich zu anderen europäischen Flaggen verbundenen Mehrkosten führen zunehmend zu einem Ausstieg aus der deutschen Flagge. (354 Schiffe unter deutscher Flagge mit 194 Schiffen im internationalen Verkehr http://www.bsh.de/de/Schifffahrt/Berufsschifffahrt/Deutsche_Handelsflotte/Handels fl._Mon.pdf , Stand Mai 2015). Dies hat negative Auswirkungen auf die Ausbildung und Beschäftigung unter deutscher Flagge.
Die Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen im Seeverkehr (Mitteilung C(2004)43 der Kommission vom 17.1.2004, ABl.13/3) ermöglichen die Förderung gemeinschaftlicher Seeverkehrsinteressen mit dem Ziel, das maritime Knowhow zu erhalten und die Beschäftigung europäischer Seeleute zu fördern sowie einen Beitrag zur Konsolidierung des in den Mitgliedstaaten bestehenden maritimen Sektors zu leisten und dabei für eine insgesamt wettbewerbsfähige Flotte auf den Weltmärkten zu sorgen. Es besteht nationaler Handlungsspielraum, den vorgegebenen Förderrahmen optimal zu nutzen. Dieser Förderrahmen wird derzeit nicht ausgeschöpft. Andere Mitgliedstaaten nutzen den Förderrahmen z.T. in vergleichsweise größerem Umfang.
Der Gesetzgeber muss handeln, um den Wettbewerbsnachteil der deutschen Flagge im Vergleich zu anderen europäischen Flaggen zu reduzieren und die Beschäftigung unter deutscher Flagge zu fördern. Die Erhöhung des Lohnsteuereinbehalts von 40 auf 100 Prozent ist ein geeignetes Instrument, da vergleichsweise kurzfristig Kostenentlastungen für Schiffe unter deutscher Flagge geschaffen werden und ein maßgeblicher Beitrag zur Sicherung der Beschäftigung unter deutscher Flagge geschaffen wird, wodurch seemännisches Knowhow ermöglicht wird. Zukunftsorientierte und konkurrenzfähige Unternehmen benötigen erfahrene Seeleute, die in Reedereien, bei Zulieferbetrieben, im Schiffbau, bei Dienstleistern, bei Behörden und vielen weiteren Stellen ihr exzellentes Fachwissen einsetzen.
B. Lösung
Der Gesetzentwurf sieht die befristete Erhöhung des Lohnsteuereinbehalts bis Ende 2020 von derzeit 40 auf 100 Prozent vor.
Mit der Befristung des Lohnsteuereinbehalts bis Ende 2020 wird die Möglichkeit zur Evaluierung der Maßnahme geschaffen. Gleichzeitig wird dem Maritimen Bündnis für Ausbildung und Beschäftigung in der Seeschifffahrt zwischen Bund, norddeutschen Küstenländern, Verband Deutscher Reeder und der Gewerkschaft ver.di die Möglichkeit gegeben, ggf. Alternativen der Sicherung des seemännischen Knowhows zu eruieren.
C. Alternativen
Nachhaltiger Verlust des seemännischen Knowhow mit negativen Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der maritimen Wirtschaft in Deutschland.
D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Keine.
E. Erfüllungsaufwand
E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger
Keiner.
E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Der Erfüllungsaufwand der Wirtschaft wird zum Teil reduziert.
E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand.
F. Weitere Kosten
Durch die Erhöhung des Lohnsteuereinbehalts fallen Mindereinnahmen bei Bund, Ländern und Gemeinden an. Der genaue Umfang kann nicht quantifiziert werden. Allerdings dürfte es auch bei der Beibehaltung der bestehenden Regelung künftig zu Mindereinnahmen kommen, da die Anzahl der Schiffe unter deutscher Flagge und die der Beschäftigten weiter abnehmen und damit das Lohnsteueraufkommen sinken würde.
Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes zur Erhöhung des Lohnsteuereinbehalts in der Seeschifffahrt
Der Bundesrat hat in seiner 936. Sitzung am 25. September 2015 beschlossen, den als Anlage 1 beigefügten Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen.
Anlage
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes zur Erhöhung des Lohnsteuereinbehalts in der Seeschifffahrt
Vom ...
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:
Nach § 52 Absatz 40 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Oktober 2009 (BGBl. I S. 3366, 3862), das zuletzt durch Artikel 3 Absatz 11 des Gesetzes vom 29. Juni 2015 (BGBl. I S. 1061) geändert worden ist, wird folgender Absatz 40a eingefügt:
(40a) Abweichend von § 41a Absatz 4 Satz 1 darf vom 1. Januar 2016 bis zum 31. Dezember 2020 ein Betrag von 100 Prozent abgezogen und einbehalten werden."
Artikel 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2016 in Kraft.
Begründung
A. Allgemeiner Teil
I. Anlass und Ziel des Gesetzentwurfs
Der Gesetzgeber ist der Auffassung, dass es zur Sicherung des seemännischen Knowhow für die gesamte maritime Wirtschaft in Deutschland verstärkter Anstrengungen bedarf.
Die bisherige Regelung, dass Arbeitgeber von Seeleuten auf deutschflaggigen Schiffen 40 Prozent der entstandenen Lohnsteuer einbehalten dürfen, wenn die Besatzungsmitglieder in einem mehr als 183 Tage dauernden zusammenhängenden Heuerverhältnis stehen, ist in angesichts der anhaltenden Krisensituation der deutschen Seeschifffahrt nicht ausreichend. Die im Vergleich zu anderen europäischen Flaggen verbleibenden Mehrkosten führen zunehmend zu einem Ausstieg aus der deutschen Flagge mit negativen Auswirkungen auf die Beschäftigung.
Die Erhöhung des Lohnsteuereinbehalts auf 100 Prozent ist ein geeignetes Instrument, um Beschäftigung unter deutscher Flagge zu sichern und damit die Grundlagen für das seemännischen Knowhow zu schaffen.
II. Gesetzgebungskompetenz
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich für die Änderung des Einkommensteuergesetzes aus Artikel 105 Absatz 2 i.V.m. Artikel 106 Absatz 3 GG, da das Steueraufkommen dem Bund ganz oder teilweise zusteht.
III. Vereinbarkeit mit dem Recht der EU und völkerrechtlichen Verträgen
Der Gesetzentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen, die die Bundesrepublik Deutschland abgeschlossen hat, vereinbar.
IV. Gesetzesfolgen
1. Nachhaltigkeitsaspekte
Das Vorhaben berührt keine Aspekte einer nachhaltigen Entwicklung im Sinne der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie.
2. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Für Bund, Länder und Gemeinden sind keine Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand zu erwarten.
3. Erfüllungsaufwand
Für Bund, Länder und Gemeinden ist kein zusätzlicher Erfüllungsaufwand zu erwarten.
4. Sonstige Kosten
Durch die Erhöhung des Lohnsteuereinbehalts fallen Mindereinnahmen bei Bund, Ländern und Gemeinden an. Der genaue Umfang kann nicht quantifiziert werden. Allerdings dürfte es auch bei der Beibehaltung der bestehenden Regelung künftig zu Mindereinnahmen kommen, da die Anzahl der Schiffe unter deutscher Flagge und die der Beschäftigten weiter abnehmen und damit das Lohnsteueraufkommen sinken würde.
5. Auswirkungen von gleichstellungspolitischer Bedeutung
Der Entwurf hat keine erkennbaren gleichstellungspolitischen Auswirkungen.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (Änderung des Einkommensteuergesetzes)
Der Prozentsatz der einzubehaltenden Lohnsteuer wird auf 100 Prozent erhöht. Zudem wird eine Befristung bis Ende 2020 eingefügt. Die Befristung gibt die Möglichkeit zur Evaluierung.
Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes. Das Gesetz soll am 1. Januar 2016 in Kraft treten.