914. Sitzung des Bundesrates am 20. September 2013
Der federführende Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik (AS), der Gesundheitsausschuss (G) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, der Verordnung gemäß Artikel 80 Absatz 2 des Grundgesetzes nach Maßgabe der folgenden Änderungen zuzustimmen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 2 Absatz 1 Nummer 3 ArbMedVV), Nummer 7 Buchstabe a Doppelbuchstabe cc (§ 6 Absatz 1 Satz 4 ArbMedVV)
Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
Begründung:
Die Rechtslage ist heute schon eindeutig. Hinsichtlich körperlicher oder klinischer Untersuchungen besteht keine Duldungspflicht und damit auch kein Untersuchungszwang. Durch die vom Verordnungsgeber vorgenommene Ausweitung und Klarstellung der betriebsärztlichen Aufklärungspflicht hinsichtlich der Risiken der Untersuchung vor Durchführung körperlicher oder klinischer Untersuchungen (§ 6 Absatz 1 Satz 3 ArbMedVV) wird der oder die Beschäftigte umfassend informiert und ist damit in der Lage, eine informierte Entscheidung für oder gegen die Durchführung der Untersuchung zu treffen.
Der ursprüngliche Änderungsvorschlag des Verordnungsgebers sah die Einwilligung des oder der Beschäftigten zu Untersuchungen vor. Der Verordnungsgeber stellt in seiner Begründung zwar klar, dass für die Einwilligung des oder der Beschäftigten in die Untersuchung keine Schriftlichkeit vorgeschrieben ist und dass neben der ausdrücklichen Einwilligung auch eine konkludente Einwilligung möglich ist, beispielsweise durch eindeutige Handlungen wie das Hinhalten eines Armes zur Blutentnahme. Die vom Verordnungsgeber ursprünglich vorgeschlagene Fassung der § 2 Absatz 1 Nummer 3 und § 6 Absatz 1 Satz 4 ArbMedVV kann jedoch zu Missverständnissen führen, da in die Formulierung das Erfordernis der Ausdrücklichkeit oder Schriftlichkeit der Einwilligung hinein interpretiert werden könnte. Darüber hinaus könnte diese Formulierung einzelnen Arbeitgebern, die die arbeitsmedizinische Vorsorge aus Kostengründen minimieren möchten, die Möglichkeit eröffnen, kostenintensive Untersuchungen dadurch zu unterbinden, dass sie vorab Einfluss auf den oder die Beschäftigte beziehungsweise den Betriebsarzt oder die Betriebsärztin nehmen. Das Recht auf Selbstbestimmung des oder der Beschäftigten wäre hierdurch gefährdet. Erfahrungen aus der gängigen betriebsärztlichen Praxis zeigen, dass bereits heute durch wirtschaftliche Zwänge eine unabhängige Arbeitsmedizin erschwert wird.
Um diesbezüglichen Missverständnissen vorzubeugen, wird die Formulierung zur Einwilligung so geändert, dass die arbeitsmedizinische Untersuchung nicht gegen den Willen des oder der Beschäftigten durchgeführt werden darf. Damit sind alle verbalen und nonverbalen Willensäußerungen des oder der Beschäftigten wie zum Beispiel das Wegziehen des Armes bei einer Blutentnahme erfasst. Dies entspricht auch der Regelung in § 7 Absatz 1 der (Muster-) Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte, die ein Ablehnungsrecht der Patientinnen und Patienten vorsieht. Lediglich für den Fall einer der Untersuchung folgenden Behandlung wird in § 8 der Berufsordnung eine Einwilligung verlangt. Eine solche abgestufte Regelung entspricht auch dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Selbstbestimmungsrecht und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
2. Zu Artikel 1 Nummer 7 Buchstabe b ( § 6 Absatz 2 ArbMedVV)
In Artikel 1 Nummer 7 ist Buchstabe b wie folgt zu fassen:
- 'b) Absatz 2 wird wie folgt gefasst:
"Biomonitoring ist Bestandteil der arbeitsmedizinischen Vorsorge, soweit dafür arbeitsmedizinisch anerkannte Analyseverfahren und geeignete Werte zur Beurteilung zur Verfügung stehen. Biomonitoring darf nicht gegen den Willen der oder des Beschäftigten durchgeführt werden. Impfungen sind Bestandteil der arbeitsmedizinischen Vorsorge und den Beschäftigten anzubieten, soweit das Risiko einer Infektion tätigkeitsbedingt und im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung erhöht ist. Satz 3 gilt nicht, wenn der oder die Beschäftigte bereits über einen ausreichenden Immunschutz verfügt." '
Begründung:
Die ursprüngliche Fassung des Verordnungsgebers sah die Formulierung vor, dass Biomonitoring - als Bestandteil der arbeitsmedizinischen Vorsorge - den Beschäftigten anzubieten ist.
Erfahrungen aus der gängigen betriebsärztlichen Praxis bei der Angebotsvorsorge zeigen bereits heute, dass die Angebotsvorsorge zum Teil nicht angeboten wird und in Folge dessen von den Beschäftigten nicht wahrgenommen werden kann. Der Begriff "anbieten" könnte von Arbeitgebern so interpretiert werden, dass ein Vorschlag zum Biomonitoring ins Ermessen des Arbeitgebers gestellt wird und eine Kostenübernahme zudem nicht erforderlich ist. Die explizite Formulierung eines Angebotes könnte zudem einzelnen Arbeitgebern, die die arbeitsmedizinische Vorsorge aus Kostengründen minimieren möchten, die Möglichkeit eröffnen, die Sinnhaftigkeit eines kostenintensiven Biomonitorings anzuzweifeln.
Das Recht auf Selbstbestimmung des oder der Beschäftigten wäre letztendlich gefährdet.
Durch das Einfügen des Satzes "Biomonitoring darf nicht gegen den Willen der oder des Beschäftigten durchgeführt werden." wird klargestellt, dass das Biomonitoring nicht gegen den Willen des oder der Beschäftigten durchgeführt werden darf. Damit sind alle verbalen und nonverbalen Willensäußerungen des oder der Beschäftigten wie zum Beispiel das Wegziehen des Armes bei einer Blutentnahme erfasst. Dies entspricht auch der Regelung in § 7 Absatz 1 der (Muster-) Berufsordnung für die in Deutschland tätigen Ärztinnen und Ärzte, die ein Ablehnungsrecht der Patientinnen und Patienten vorsieht. Eine solche Regelung genügt auch dem verfassungsrechtlich gewährleisteten Selbstbestimmungsrecht und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
Die Rechtslage ist heute schon eindeutig. Hinsichtlich körperlicher oder klinischer Untersuchungen inklusive Biomonitoring besteht keine Duldungspflicht und damit auch kein Untersuchungszwang. Durch die Ausweitung und Klarstellung des Verordnungsgebers hinsichtlich der Risiken der Untersuchung vor Durchführung körperlicher oder klinischer Untersuchungen (§ 6 Absatz 1 Satz 3 ArbMedVV-E) wird der oder die Beschäftigte umfassend informiert und ist damit in der Lage, eine informierte Entscheidung für oder gegen die Durchführung des Biomonitorings zu treffen.
3. Zu Artikel 1 Nummer 7 Buchstabe d Doppelbuchstabe bb (§ 6 Absatz 4 Satz 2 ArbMedVV)
Artikel 1 Nummer 7 Buchstabe d Doppelbuchstabe bb ist wie folgt zu fassen:
- 'bb) Satz 2 wird wie folgt gefasst:
"Ergeben sich Anhaltspunkte dafür, dass die Maßnahmen des Arbeitsschutzes für den Beschäftigten oder die Beschäftigte oder andere Beschäftigte nicht ausreichen, so hat der Arzt oder die Ärztin dies dem Arbeitgeber mitzuteilen und Maßnahmen des Arbeitsschutzes vorzuschlagen." '
Begründung:
Klarstellung des Gewollten: Die vom Verordnungsgeber vorgeschlagene Formulierungsänderung enthielt die Formulierung "Ergibt die Auswertung Anhaltspunkte dafür, ...". Dies könnte zu Missverständnissen führen, da Erkenntnisse sich sowohl aus der Auswertung der arbeitsmedizinischen Vorsorge als auch darüber hinaus aus anderen Erkenntnisquellen ergeben können (zum Beispiel Befunde behandelnder Ärzte beziehungswiese Ärztinnen oder Arbeitsplatzbegehungen). Sich daraus ergebende Maßnahmenvorschläge sollen auch den Arbeitgeber erreichen.
Die oben vorgeschlagene geänderte Formulierung entspricht der Zielsetzung des Verordnungsgebers.
4. Zu Artikel 1 Nummer 7 Buchstabe d Doppelbuchstabe cc (§ 6 Absatz 4 Satz 3 ArbMedVV)
Artikel 1 Nummer 7 Buchstabe d Doppelbuchstabe cc ist wie folgt zu fassen:
- 'cc) Folgender Satz wird angefügt:
"Hält der Arzt oder die Ärztin aus medizinischen Gründen, die ausschließlich in der Person des oder der Beschäftigten liegen, einen Tätigkeitswechsel für erforderlich, so bedarf diese Mitteilung an den Arbeitgeber der Einwilligung des oder der Beschäftigten." '
Begründung:
Klarstellung des Gewollten: Die vom Verordnungsgeber vorgeschlagene Formulierungsänderung enthielt den unbestimmten Rechtsbegriff "Disposition". Da dieser Begriff unterschiedlich interpretiert wird, würde eine solche Formulierung in der betriebsärztlichen Praxis zu erheblicher Unsicherheit hinsichtlich des Erfordernisses einer Einwilligung des oder der Beschäftigten zur Mitteilung an den Arbeitgeber über die Erforderlichkeit eines Tätigkeitswechsels führen. Daher soll das Einwilligungserfordernis für Tätigkeitswechsel aus solchen medizinischen Gründen gelten, die ausschließlich in der Person des oder der Beschäftigten liegen. Die Mitteilungs- und Vorschlagspflichten gegenüber dem Arbeitgeber aus § 6 Absatz 4 Satz 2 ArbMedVV bleiben unberührt.
Die oben abgeänderte Formulierung ist leichter zu handhaben und entspricht der Zielsetzung des Verordnungsgebers, einen effizienten betrieblichen Arbeitsschutz zu gewährleisten und dabei das Recht der Beschäftigten auf Selbstbestimmung zu stärken und ihr Recht auf freie Berufsausübung zu wahren.
5. Zu Artikel 1 Nummer 12 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Dreifachbuchstabe ddd (Anhang Teil 1 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe b ArbMedVV)
In Artikel 1 Nummer 12 Buchstabe b Doppelbuchstabe bb Dreifachbuchstabe ddd Anhang Teil Absatz 1 Nummer 1 sind in Buchstabe b die Wörter "Exposition besteht" durch die Wörter "wiederholte Exposition nicht ausgeschlossen werden kann" zu ersetzen.
Folgeänderung:
In Artikel 1 Nummer 12 Buchstabe c Doppelbuchstabe bb Anhang Teil 1 Absatz 2 Nummer 1 sind die Wörter 'werden nach dem Wort "besteht"' zu ersetzen durch die Wörter 'wird das Wort "besteht" durch die Wörter "nicht ausgeschlossen werden kann" ersetzen und danach' ... <weiter wie Vorlage> .
Begründung:
Der Arbeitgeber kann durch Nachweis der fehlenden Exposition auf die Vorsorge verzichten. Dies ist weitgehender als dem Arbeitgeber Ermittlungen aufzugeben, ob eine Exposition besteht.
6. Zu Artikel 1 Nummer 12 Buchstabe c Doppelbuchstabe cc Dreifachbuchstabe ccc (Anhang Teil 1 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe d ArbMedVV)
In Artikel 1 Nummer 12 Buchstabe c Doppelbuchstabe cc Dreifachbuchstabe ccc Anhang Teil 1 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe d sind die Wörter "Exposition besteht" durch die Wörter "wiederholte Exposition nicht ausgeschlossen werden kann" zu ersetzen.
Begründung:
Der Arbeitgeber kann durch Nachweis der fehlenden Exposition auf die Angebotsvorsorge verzichten. Dies ist weitgehender als dem Arbeitgeber Ermittlungen aufzugeben, ob eine Exposition besteht.
7. Zu Artikel 1 Nummer 12 Buchstabe c Doppelbuchstabe cc Dreifachbuchstabe eee (Anhang Teil 1 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe k ArbMedVV)
In Artikel 1 Nummer 12 Buchstabe c Doppelbuchstabe cc Dreifachbuchstabe eee Anhang Teil 1 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe k sind die Wörter "einschließlich der aus biologischen Arbeitsstoffen freigesetzten Stoffe," zu streichen.
Folgeänderung:
In Artikel 1 Nummer 12 Buchstabe g Doppelbuchstabe bb ist nach Dreifachbuchstabe ccc folgender Dreifachbuchstabe ddd anzufügen:
- 'ddd) Nach Buchstabe b wird folgender Buchstabe c angefügt:
"c) Tätigkeiten mit Exposition gegenüber sensibilisierend oder toxisch wirkenden biologischen Arbeitsstoffen, für die nach Absatz 1, Buchstabe a oder b keine arbeitsmedizinische Vorsorge vorgesehen ist;" '
Begründung:
Gesundheitsgefährdende Wirkungen gehen nicht nur von Stoffen aus, die von biologischen Arbeitsstoffen freigesetzt werden. Biologische Arbeitsstoffe selbst können sensibilisierende oder toxische Wirkungen haben. Deswegen werden in der Biostoffverordnung diese Eigenschaften explizit in der Begriffsbestimmung von biologischen Arbeitsstoffen genannt. Die Formulierung eines entsprechenden Untersuchungsanlasses macht daher nur im Teil 2 des Anhangs Sinn, der auf biologische Arbeitsstoffe Bezug nimmt.
Diese Verschiebung ist aus rechtssystematischen Gründen erforderlich und dient der Klarstellung.
8. Zu Artikel 1 Nummer 12 Buchstabe g Doppelbuchstabe bb Dreifachbuchstaben bbb und ccc (Anhang Teil 2 Absatz 2 Nummer 1 Buchstaben a und b ArbMedVV)
In Artikel 1 Nummer 12 Buchstabe g Doppelbuchstabe bb sind die Dreifachbuchstaben bbb und ccc wie folgt zu fassen:
- 'bbb) In Buchstabe a werden nach dem Wort "sind" die Wörter "oder für die eine vergleichbare Gefährdung besteht" eingefügt.
- ccc) In Buchstabe b werden nach dem Wort "sind" die Wörter "oder für die eine vergleichbare Gefährdung besteht" eingefügt.'
Begründung:
Nach der BioStoffV werden Tätigkeiten "Schutzstufen" zugeordnet und nicht "Risikogruppen". Die Bezeichnung "Risikogruppe" dient ausschließlich der Einstufung biologischer Arbeitsstoffe. Deshalb ist der in der Drucksache vorgesehene Ersatz des Wortes "Schutzstufe" durch das Wort "Risikogruppe" nicht zutreffend und muss gestrichen werden.