A. Problem und Ziel
- Mit Urteil vom 17. Februar 2005 (verbundene Rechtssachen C-453/02 und C-462/02) hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) entschieden, dass eine Umsatzsteuerbefreiung von Glücksspielen mit Geldeinsatz in zugelassenen öffentlichen Spielbanken EG-rechtlich unzulässig ist, wenn gleichzeitig gleichartige Umsätze außerhalb dieser Spielbanken umsatzsteuerpflichtig sind. Der EuGH erkennt eine Verletzung des umsatzsteuerlichen Neutralitätsgrundsatzes, wenn zur Abgrenzung steuerbefreiter und steuerpflichtiger Glücksspielumsätze an die Identität des Veranstalters oder Betreibers der Spiele oder Geräte angeknüpft wird.
B. Lösung
- Herstellung der umsatzsteuerlichen Neutralität durch Einbeziehung der bislang umsatzsteuerfreien Umsätze der zugelassenen öffentlichen Spielbanken, die durch den Betrieb der Spielbank bedingt sind, in die Umsatzsteuerpflicht.
C. Alternativen
D. Finanzielle Auswirkungen
- Für die Haushalte der Gebietskörperschaften ergeben sich in den Kassenjahren 2005 bis 2010 die nachfolgenden Auswirkungen:
Finanzielle Auswirkungen eines Zwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes in den Kassenjahren 2005 bis 2010
Gebietskörperschaft |
Steuermehr-/ -mindereinnahmen in Mio. EUR in den Kassenjahren |
2005 |
2006 |
2007 |
2008 |
2009 |
2010 |
Bund |
+ 6 |
+ 19 |
+ 23 |
+ 28 |
+ 32 |
+ 32 |
Länder |
+ 5 |
+ 16 |
+ 20 |
+ 23 |
+ 27 |
+ 27 |
Gemeinden |
+ 1 |
+ 1 |
+ 1 |
+ 1 |
+ 1 |
+ 1 |
Insgesamt |
+ 12 |
+ 36 |
+ 44 |
+ 52 |
+ 60 |
+ 60 |
Einzelheiten sind aus dem beigefügten Finanztableau ersichtlich.
E. Sonstige Kosten
- Den normunterworfenen Wirtschaftskreisen, insbesondere mittelständischen Unternehmen, entstehen durch die Neuregelung zusätzliche Kosten. Kosteninduzierte Erhöhungen von Einzelpreisen können nicht ausgeschlossen werden. Auswirkungen auf das allgemeine Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind jedoch nicht zu erwarten.
Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines Zwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes
Bundesrepublik Deutschland Berlin, den 6. Mai 2005
Der Bundeskanzler
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Matthias Platzeck
Sehr geehrter Herr Präsident,
hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen
mit Begründung und Vorblatt.
Der Gesetzentwurf ist besonders eilbedürftig, weil im Interesse einer zeitnahen Rechtssicherheit ein Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens noch vor der Sommerpause vorgesehen ist.
Federführend ist das Bundesministerium der Finanzen.
Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Schröder
Entwurf eines Zwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:
In § 4 Nr. 9 Buchstabe b Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Februar 2005 (BGBl. I S. 386) werden die Wörter ", sowie die Umsätze der zugelassenen öffentlichen Spielbanken, die durch den Betrieb der Spielbank bedingt sind" gestrichen.
Artikel 2
In-Kraft-Treten
Dieses Gesetz tritt am 1. Juli 2005 in Kraft.
Begründung
I. Allgemeiner Teil
Mit Urteil vom 17. Februar 2005 (verbundene Rechtssachen C-453/02 und C-462/02) hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) entschieden, dass eine Umsatzsteuerbefreiung von Glücksspielen mit Geldeinsatz in zugelassenen öffentlichen Spielbanken EG-rechtlich unzulässig ist, wenn gleichzeitig gleichartige Umsätze außerhalb dieser Spielbanken umsatzsteuerpflichtig sind. Der EuGH erkennt eine Verletzung des umsatzsteuerlichen Neutralitätsgrundsatzes, wenn zur Abgrenzung steuerbefreiter und steuerpflichtiger Glücksspielumsätze an die Identität des Veranstalters oder Betreibers der Spiele oder Geräte angeknüpft wird. Ein Mitgliedstaat, der eine solche Abgrenzung vornehme, überschreite daher seine Befugnis zur Festlegung der "Bedingungen und Beschränkungen" der Steuerbefreiung für Glücksspielumsätze gemäß Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-Richtlinie, mit der Folge, dass die festgelegten Bedingungen und Beschränkungen keine Anwendung finden.
Das Urteil ist im Hinblick auf seinen Leitsatz und seine Begründung auslegungsfähig. Für den Ausgangsrechtsstreit kann es bedeuten, dass die Umsätze außerhalb der Spielbanken wegen Verstoßes der geltenden Rechtslage gegen den Neutralitätsgrundsatz der Mehrwertsteuer von der Umsatzsteuer zu befreien wären, wenn es keine Kriterien gibt, die eine unterschiedliche Behandlung von Geldspielgeräteumsätzen innerhalb und außerhalb von Spielbanken rechtfertigen.
Im Interesse der Rechtssicherheit und der Wahrung des umsatzsteuerlichen Neutralitätsgrundsatzes unter gleichzeitiger Sicherung der Haushaltseinnahmen für Bund und Länder ist in Folge des EuGH-Urteils eine Gleichbehandlung von Glücksspielen mit Geldeinsatz in zugelassenen öffentlichen Spielbanken und gleichartiger Umsätze außerhalb dieser Spielbanken herzustellen und die bisherige Umsatzsteuerbefreiung der Geldspielumsätze innerhalb dieser Spielbanken aufzugeben. Eine Gesetzesänderung, die zwar an der bisherigen umsatzsteuerlichen Unterscheidung in § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG festhält, diese aber durch Anknüpfen insbesondere an die Gewerbeordnung oder die Art der Geldspielgeräte innerhalb und außerhalb der Spielbanken reglementiert, erscheint mit Blick auf das Neutralitätsprinzip der Mehrwertsteuer mit erheblichen EG-rechtlichen Unsicherheiten behaftet zu sein. Eine solche Gesetzesänderung war daher nicht in Erwägung zu ziehen.
Durch die Einführung der Umsatzsteuerpflicht auf die bisher umsatzsteuerfreien Umsätze der zugelassenen öffentlichen Spielbanken, die durch den Betrieb der Spielbank bedingt sind, entstehen den Betreibern dieser Spielbanken zusätzliche Kosten (u.a. Verwaltungsaufwand durch Umstellung der Abrechnungssysteme, Steuerlast). Ob bei den Regelungsadressaten infolge dessen einzelpreiswirksame Kostenschwellen überschritten werden, die sich erhöhend auf deren Angebotspreise auswirken, und, ob die Regelungsadressaten ihre Kostenüberwälzungsmöglichkeiten in Abhängigkeit von der konkreten Wettbewerbssituation auf ihren Teilmärkten einzelpreiserhöhend ausschöpfen, lässt sich zwar nicht abschätzen, aber auch nicht ausschließen. Durch eine zumindest mittelbare Weitergabe der Umsatzsteuer an den Endverbraucher (z.B. bei Serviceleistungen), könnten die Spielbanken diese Belastungen mindern. Zudem könnte den Belastungen durch eine Senkung der Spielbankabgabe, der Sonderabgaben oder der zusätzlichen Gewinnabschöpfungen entgegengewirkt werden. Mögliche Einzelpreisänderungen dürften aufgrund ihrer Gewichtung jedoch nicht ausreichen, um messbare Effekte auf das allgemeine Preis- bzw. Verbraucherpreisniveau zu induzieren. Die öffentlichen Haushalte können durch die Neuregelung per Saldo mit vergleichsweise geringen Mehreinnahmen rechnen, die jedoch keine mittelbar preisrelevanten Effekte auslösen dürften.
Im Zuge der gemäß § 2 GGO vorzunehmenden Relevanzprüfung sind unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Lebenssituation von Männern und Frauen keine Auswirkungen erkennbar, die gleichstellungspolitischen Zielen zuwiderlaufen.
Finanztableau(€)
lfd. Nr. |
Maßnahme |
Steuerart/ Gebiets körperschaft |
Volle Jahres- wirkung1) |
Kassenjahr |
|
|
|
|
2005 |
2006 |
2007 |
2008 |
2009 |
2010 |
1 |
§ 4 Nr. 9 Buchstabe b Satz 1 UStG |
USt |
|
|
|
|
|
|
|
Einbeziehung der Ums ätze der zugelassenen öffentlichen Spielbanken in die Umsatzsteuerpflicht |
Insg.3 |
+ 60 |
+ 12 |
+ 36 |
+ 44 |
+ 52 |
+ 60 |
60 |
Bund |
+ 32 |
+ 6 |
+ 19 |
+ 23 |
+ 28 |
+ 32 |
+ 32 |
Länder |
+ 27 |
+ 5 |
+ 16 |
+ 20 |
+ 23 |
+ 27 |
+ 27 |
Gem. |
+ 1 |
+ 1 |
+ 1 |
+ 1 |
+ 1 |
+ 1 |
+ 1 |
2 |
Finanzielle Auswirkungen eines Zwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes |
USt |
|
|
|
|
|
|
|
Insg.3 |
+ 60 |
+ 12 |
+ 36 |
+ 44 |
+ 52 |
+ 60 |
+ 60 |
Bund |
+ 32 |
+ 6 |
+ 19 |
+ 23 |
+ 28 |
+ 32 |
+ 32 |
Länder |
+ 27 |
+ 5 |
+ 16 |
+ 20 |
+ 23 |
+ 27 |
+ 27 |
Gem. |
+ 1 |
+ 1 |
+ 1 |
+ 1 |
+ 1 |
+ 1 |
+ 1 |
Anmerkungen:
1) Wirkung für einen vollen (Besteuerungs-)Zeitraum von 12 Monaten.
2) Die Berechnung erfolgte unter der Annahme, dass das Gesetz zum 1. Juli 2005 in Kraft tritt.
3) Die Berechnung weist Auswirkungen gegenüber der geltenden nationalen Rechtslage aus.
€ jährliche Mindereinnahmen vermieden, die bei einer Ausdehnung der Steuerbefreiung auf gewerbliche Glücksspielanbieter entstünden.
II. Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (§ 4 Nr. 9 Buchst. b Satz 1 Umsatzsteuergesetz)
Die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zur Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-Richtlinie - zuletzt das EuGH-Urteil vom 17. Februar 2005 in den verbundenen Rs. C-453/02 und C-462/02 - zeigt, dass die Anwendungsbreite der nationalen Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 9 Buchst. b UStG für Glücksspiele mit Geldeinsatz mit nicht unerheblichen Unsicherheiten belastet ist.
Von der Umsatzsteuer zu befreien sind nach Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-Richtlinie Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz unter den Bedingungen und Beschränkungen, die von jedem Mitgliedstaat festgelegt werden. Aus dieser Formulierung folgt zunächst, dass die Richtlinienvorschrift die Mitgliedstaaten nicht dazu verpflichtet, sämtliche Glücksspiele mit Geldeinsatz steuerfrei zu stellen, sondern im Gegenteil, die Mitgliedstaaten können Einschränkungen vornehmen. Die Bundesrepublik Deutschland sowie jeder andere Mitgliedstaat ist deshalb - in den Grenzen des Neutralitätsgrundsatzes - befugt, Art und Umfang der Steuerbefreiung für die erfassten Glücksspiele eigenständig zu bestimmen.
Dabei ist zum einen zu beachten, dass nach ständiger Rechtsprechung des EuGH Befreiungsvorschriften eng auszulegen sind, da Grundsatz der 6. EG-Richtlinie ist, dass sämtliche Umsätze besteuert werden.
Zum anderen dürfen aber nicht sämtliche Glücksspiele mit Geldeinsatz steuerpflichtig behandelt werden. Zu berücksichtigen ist in dem Zusammenhang, dass Wetten und Lotterien ebenfalls Glücksspiele mit Geldeinsatz im Sinne der 6. EG-Richtlinie darstellen. Dies ergibt sich aus der deutschen Sprachversion "Wetten, Lotterien und sonstige Glücksspiele mit Geldeinsatz". Noch deutlicher wird es in der englischen Sprachversion: "Betting, lotteries and other forms of gambling" und in der französischen Sprachversion: "Les paris, loteries et autres jeux de hazard ou d´argent".
Durch die den Mitgliedstaaten danach offen stehenden Bedingungen und Beschränkungen wird es ermöglicht, festgelegte Formen des Glücksspiels mit Umsatzsteuer zu belegen.
Im Hinblick auf den umsatzsteuerlichen Neutralitätsgrundsatz haben die Mitgliedstaaten nach ständiger Rechtsprechung des EuGH die Befugnis zur Einschränkung der Umsatzsteuerbefreiung so auszuüben, dass gleichartige und deshalb miteinander in Wettbewerb stehende Glücksspielumsätze umsatzsteuerlich gleich behandelt werden. Der Neutralitätsgrundsatz verbietet daher die Besteuerung bestimmter Glücksspielumsätze nicht, sofern alle gleichartigen Glücksspielumsätze erfasst werden. Daraus folgt, dass der Neutralitätsgrundsatz nicht verletzt ist, wenn Glücksspiele und Glücksspielgeräte aller Art sowohl innerhalb als auch außerhalb zugelassener öffentlicher Spielbanken gleich behandelt werden, indem sie der Besteuerung unterworfen werden. Um bei der Umsatzbesteuerung derartiger Umsätze Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden und somit die Rechtssicherheit für alle Wirtschaftsbeteiligten zu erhöhen, werden künftig nur noch die Umsätze, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen, von der Umsatzsteuer befreit. Die fortbestehende Befreiung der Wetten und Lotterien, die dem Rennwett- und Lotteriegesetz unterliegen, verletzt den Neutralitätsgrundsatz nicht, da diese Umsätze mit den übrigen Glücksspielumsätzen nicht als gleichartig anzusehen sind.
Da Deutschland Glücksspielumsätze in Form von Rennwetten, Lotterien und Oddset-Wetten, die unter das Rennwett- und Lotteriegesetz fallen, auch weiterhin steuerfrei behandelt, werden die dem Art. 13 Teil B Buchstabe f der 6. EG-Richtlinie immanenten Grenzen nicht überschritten. Damit sind auch die Ausführungen des Generalanwalts Jacobs (Schlussanträge vom 3. März 1994 in der Rechtssache C - 038/93 (Glawe), Rz. 10) berücksichtigt.
Der dargelegte Gestaltungsspielraum ergibt sich nicht zuletzt auch aus dem Leitsatz des EuGH-Urteils in den verbundenen Rs. C-453/02 und C-462/02. Der Leitsatz besagt, dass es EG-rechtlich unzulässig ist, Geldspielgeräte mit Geldeinsatz in zugelassenen öffentlichen Spielbanken von der Umsatzsteuer zu befreien, während vergleichbare Umsätze außerhalb dieser Spielbanken umsatzsteuerpflichtig sind.
Mit der vorgeschlagenen Änderung macht der Gesetzgeber mithin von dem dargelegten, den Mitgliedstaaten in Art. 13 Teil B Buchst. f der 6. EG-Richtlinie eingeräumten, Gestaltungsspielraum in zulässiger Weise Gebrauch.
Die bislang umsatzsteuerfreien Umsätze der zugelassenen öffentlichen Spielbanken, die durch den Betrieb der Spielbank bedingt sind, sind künftig umsatzsteuerpflichtig.
Zu Artikel 2 (In-Kraft-Treten)
Die Vorschrift regelt das In-Kraft-Treten des Gesetzes (Tag des endgültigen Gesetzesbeschlusses des Deutschen Bundestages).