958. Sitzung des Bundesrates am 2. Juni 2017
Der federführende Rechtsausschuss (R), der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV), der Ausschuss für Frauen und Jugend (FJ), der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In), der Ausschuss für Kulturfragen (K) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zum Gesetzentwurf insgesamt (Erfüllungsaufwand)
Der Bundesrat bittet, die Schätzung des Erfüllungsaufwandes des Gesetzes im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu überprüfen.
Begründung:
Die Begründung des Gesetzentwurfs geht davon aus, dass der Justiz der Länder durch das NetzDG ein insgesamt erforderlicher Erfüllungsaufwand in Höhe von 300 000 Euro im Jahr entsteht.
Diese Schätzung erscheint nur schwer nachvollziehbar. In der Begründung des Gesetzentwurfs ist ausgeführt, dass bei den sozialen Netzwerken jährlich mindestens 500 000 Beschwerden wegen Hasskriminalität eingehen, wovon schätzungsweise 25 000 Beschwerden an das Bundesamt weitergegeben werden. Bei diesen 25 000 Beschwerden soll es lediglich in 500 Fällen zu Bußgeldverfahren kommen, weil die übrigen Anzeigen unbegründet sein sollen. Hieraus sollen 300 gerichtliche Verfahren nach dem OWiG pro Jahr resultieren. Worauf diese Schätzungen beruhen, erschließt sich nicht. Ebenso ist anhand der Begründung des Gesetzentwurfs nicht nachvollziehbar, warum es lediglich in weniger als 100 Fällen zu einem gerichtlichen Vorabentscheidungsverfahren kommen soll.
Zudem dürften die betroffenen Verfahren auch aus qualitativen Gründen mit erheblichem Arbeitsaufwand für die Gerichte der Länder einhergehen. Hasskriminalität und strafbare Falschnachrichten in den reichweitenstarken sozialen Netzwerken können nur durch die Verhängung empfindlicher Bußgelder bekämpft werden, die nach dem Gesetzentwurf bis zu 50 Millionen Euro betragen können. Angesichts der hohen Komplexität der betroffenen Rechtsmaterie ist davon auszugehen, dass eine gerichtliche Überprüfung der verhängten Bußgelder erst im Anschluss an eine detaillierte und arbeitsaufwändige Einzelfallprüfung erfolgen kann.
Der Bundesrat bittet daher, die in der Begründung des Gesetzentwurfs zum Erfüllungsaufwand genannten Zahlen im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu überprüfen und den durch das beabsichtigte Gesetz entstehenden Erfüllungsaufwand für die Länder korrekt abzuschätzen.
Zum Gesetzentwurf allgemein
- 2. Der Bundesrat stellt fest, dass die Zielsetzung des Gesetzentwurfs, für soziale Netzwerke und Anbieter von Internetplattformen eine schnellere, umfassendere und wirkungsvollere Behandlung von berechtigten Beschwerden und Fällen von Hasskriminalität, Falschinformationen und anderen strafbaren Inhalten sicherzustellen, eine hohe Priorität und Dringlichkeit hat.
- 3. Der Bundesrat erkennt an, dass bei der effektiven Rechtsdurchsetzung im Internet Handlungsbedarf besteht. Auf entsprechende Entschließungen von Landesparlamenten, wirksam gegen strafbare Hasskommentare vorzugehen, wird Bezug genommen. Der Bundesrat begrüßt daher ausdrücklich das im Gesetzentwurf genannte Ziel, die Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken hinsichtlich der Verbreitung rechtswidriger Inhalte zu verbessern.
- 4. Soziale Netzwerke werden von Einzelnen als rechtsfreier Raum verstanden, um dort etwa schwerwiegende Beleidigungen oder Volksverhetzungen zu begehen. Die Funktionsweise des Internets, wobei es nur eines Klicks bedarf, um innerhalb von Sekunden einen Beitrag mit zahlreichen anderen zu teilen, schadet den Betroffenen umso mehr, indem sich die rechtswidrigen Eingriffe in ihre geschützten Rechte entsprechend perpetuieren. Auch hat sich gezeigt, dass freiwillige Selbstverpflichtungen sozialer Netzwerke, konsequenter gegen strafbare Inhalte vorzugehen, keine ausreichende Wirkung erzielt haben. Der Bundesrat begrüßt deshalb, dass mit dem NetzDG-E regulatorische Maßnahmen ergriffen werden sollen, um bestimmte strafbare Inhalte zeitnah aus sozialen Netzwerken zu entfernen und deren Perpetuierungswirkung entgegenzuwirken.
- 5. Dabei sind [auch] die Anbieter {sozialer Netzwerke} [grundsätzlich] stärker in die Verantwortung zu nehmen.
- 6. Der Bundesrat hat allerdings erhebliche Zweifel, ob dies mit dem Regelungsinhalt des Gesetzentwurfs rechtssicher, zweckmäßig und wirksam erreicht werden kann:
- - Der Gesetzentwurf ist in wichtigen Teilen durch unbestimmte und offene Formulierungen und Rechtsbegriffe gekennzeichnet. Unklarheiten und Bedenken bestehen weitergehend im Hinblick auf mögliche Konflikte und Überschneidungen mit dem Medienrecht bzw. der Medienaufsicht der Länder, dem Umfang der Beschränkungseffekte für Informations-und Meinungsfreiheit bzw. der verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Kompatibilität. - Der Bundesrat weist darauf hin, dass durch die sehr weite Definition des Begriffes "soziale Netzwerke" im Gesetzentwurf sowie die allgemein formulierte Anwendungsschranke von zwei Millionen Nutzern und Nutzerinnen eine quantitativ und qualitativ erheblich höhere Zahl von Anbieten, wie z.B. auch Fachportale, Online-Spiele oder Messenger-Dienste bzw. KMUs und Start-Ups, als im Gesetzentwurf prognostiziert von den Regeln des NetzDG-E erfasst wären.
- - Obwohl es grundsätzlich auch Aufgabe von Plattformbetreibern ist, zum einen die schnelle Entfernung eines Inhalts, bei dem eine Strafbarkeit im Raum steht, zu gewährleisten, zum anderen auch den Aufsichts- und Strafverfolgungsbehörden die notwendigen Informationen für ein Einschreiten an die Hand zu geben, darf die Prüfung der Rechtswidrigkeit eines Inhalts nicht ausschließlich auf die Anbieter abgewälzt werden. Dies bleibt eine primär staatliche Aufgabe: Für die verbindliche inhaltliche Prüfung von Rechtsverstößen sind die Aufsichtsbehörden bzw. gegebenenfalls die Strafverfolgungsbehörden und abschließend die Gerichte zuständig.
- 7. Gleichzeitig* darf die Prüfung der Rechtswidrigkeit eines Inhalts nicht ausschließlich auf die Anbieter abgewälzt werden. Die mit der Verfahrensvorgabe in § 3 NetzDG-E verbundene Verlagerung in den privaten Bereich widerspricht nach der Auffassung des Bundesrates rechtsstaatlichen Prinzipien. Für die verbindliche inhaltliche Prüfung von Rechtsverstößen sind die Aufsichtsbehörden bzw. gegebenenfalls die Strafverfolgungsbehörden und abschließend die Gerichte zuständig.
Zum Gesetzentwurf allgemein
11. Zu Artikel 1 (Verwaltungsrechtliche Anordnungsbefugnisse einer Aufsichtsbehörde)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Aufnahme verwaltungsrechtlicher Anordnungsbefugnisse einer Aufsichtsbehörde in das NetzDG-E zu prüfen.
Begründung:
Der Gesetzentwurf setzt zur staatlichen Durchsetzung der in ihm enthaltenen Pflichten fast ausschließlich auf das repressive Mittel des Bußgeldes. Präventive Befugnisse einer Aufsichtsbehörde, die es ermöglichen Verstöße gegen das NetzDG-E durch Anordnungen in Verwaltungsaktsform zu verhüten oder zu beseitigen, sind nicht enthalten. Darin unterscheidet sich der Gesetzentwurf z.B. vom Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, der in seinem § 20 Absatz 1 die zuständige Medienanstalt ermächtigt, die erforderlichen Maßnahmen gegenüber einem Anbieter, der gegen Bestimmungen des Staatsvertrags verstoßen hat, zu treffen. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren sollte geprüft werden, ob das Fehlen einer vergleichbaren Regelung im NetzDG-E eine Lücke darstellt, die der Effektivität der Rechtsdurchsetzung abträglich ist.
12. Zum Gesetzentwurf allgemein
Der Bundesrat ist der Auffassung, dass ein Regulierungsregime, in dem Selbstregulierungsmechanismen mit gestärkten präventiven Befugnissen der Aufsichtsbehörden bei den Ländern und einer effizienten Verfolgung durch die Strafverfolgungsbehörden kombiniert werden, das gesetzgeberische Ziel effektiver und mit geringer Eingriffsintensität erreicht werden kann. Damit würde dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit und der Meinungsfreiheit angemessen Rechnung getragen. Ein solches System sollte im Dialog zwischen Bund, Ländern und den Plattformbetreibern aufgesetzt werden.
13. Zum Gesetzentwurf insgesamt
Der Bundesrat weist darauf hin, dass marktbeherrschenden sozialen Netzwerken heutzutage als Instrument zur Teilhabe an der Kommunikation und dem öffentlichen Diskurs eine große Bedeutung bei der Ausübung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung zukommt. Soziale Netzwerke bieten eine niederschwellige Möglichkeit, um mit anderen zu kommunizieren. Zunehmend treten sie an die Stelle klassischer Telekommunikationsmittel. Auch findet eine Debatte etwa zu politischen Themen zunehmend darüber statt. Derzeit sind soziale Netzwerke im Rahmen der Privatautonomie weitgehend frei in ihrer Entscheidung, Inhalte zu löschen oder sogar den Nutzungsvertrag mit Nutzerinnen und Nutzern zu kündigen. Zusätzlich birgt die erhebliche Bußgeldbewehrung (§ 4 Absatz 2 NetzDG-E) das Risiko, dass soziale Netzwerke als sogenannter chilling effect verleitet werden, Inhalte vorsorglich zu löschen, um nicht gegebenenfalls eine Ordnungswidrigkeit im Sinne von § 4 Absatz 1 NetzDG-E zu begehen, soweit sie einen Inhalt als nicht strafbar im Sinne des NetzDG einschätzen und deshalb nicht löschen. Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, wie ein diskriminierungsfreier Zugang zu sozialen Netzwerken gewährleistet und einer vorsorglichen Löschung von Inhalten, die nicht offensichtlich rechtswidrig sind, wirksam entgegengewirkt werden kann.
Das NetzDG beschränkt die gerichtliche Kontrolle auf das sogenannte Vorabentscheidungsverfahren (§ 4 Absatz 5 NetzDG-E) für den Fall, dass die zuständige Verwaltungsbehörde ein Bußgeld verhängen möchte, weil das soziale Netzwerk einen Inhalt nicht gelöscht hat, den die Verwaltungsbehörde aber als strafbar im Sinne des NetzDG einschätzt. Demgegenüber ist für die Entscheidung über die Löschung eines Inhalts, den ein soziales Netzwerk entgegen der Ansicht des Nutzers bzw. der Nutzerin für strafbar im Sinne des NetzDG hält, keine Kontrolle im NetzDG implementiert. Der Bundesrat bittet um Prüfung, wie eine solche Kontrolle der Löschentscheidungen durch soziale Netzwerke angemessen, effektiv und möglichst auf Kosten der Betreiber gewährleistet werden kann.
14. Zu Artikel 1 (Einrichtung einer Clearingstelle)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die Einrichtung einer Clearingstelle durch die Plattformbetreiber vorgesehen werden sollte, bei denen auf Kosten der Betreiber insbesondere auch Beschwerden vorgebracht werden können, wenn eine Äußerung gelöscht wurde, obwohl sie nicht rechtswidrig im Sinne des NetzDG-E ist, das Gesetz also eine Löschung nicht verlangt.
Begründung:
Aufgrund der Bußgeldbewehrung in § 4 NetzDG-E droht die Gefahr eines sogenannten "Overblocking". Plattformbetreiber könnten sich zur Vermeidung von Bußgeldern veranlasst sehen, bei Zweifeln über die Rechtswidrigkeit von Inhalten vorschnell eine Löschung vorzunehmen, aus der sich keinerlei Sanktionen ergeben können, als zu riskieren, dass die Nichtlöschung als Indiz für die Nichterfüllung ihrer Überwachungspflicht mit der Folge der Verhängung hoher Bußgelder herangezogen werden kann.
Derjenige, der einen rechtmäßigen Inhalt in das soziale Netzwerk eingestellt hat, hat im Falle der Löschung keine rechtliche Möglichkeit, hiergegen vorzugehen. Zwar kann ein Plattformbetreiber nicht gesetzlich verpflichtet werden, bestimmte Inhalte Dritter zu verbreiten. Für den Betroffenen, der sich der Löschung eines rechtmäßigen Inhalts ausgesetzt sieht, ist die Situation aber unbefriedigend und es droht eine Gefahr für die Meinungsäußerungsfreiheit ( Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes). Daher erscheint es erwägenswert, die Plattformbetreiber zu verpflichten, auf ihre Kosten eine Clearingstelle einzurichten, bei der von einer Löschung Betroffene ihre Beschwerden vorbringen und insbesondere den Nachweis der Rechtmäßigkeit ihrer Äußerung führen können. Dies erscheint insbesondere aufgrund der durch die Bußgeldbewehrung des NetzDG-E geschaffenen Gefahren für die Meinungsäußerungsfreiheit ( Artikel 5 Absatz 1 Satz 1 des Grundgesetzes) angezeigt.
15. Zu Artikel 1 (Verhältnis des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes zum Telemediengesetz)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, wie durch geeignete Regelungen das Verhältnis zwischen dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz und dem Telemediengesetz klargestellt werden kann.
Begründung:
Das Verhältnis zwischen den Regelungen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG-E) und den Regelungen des Telemediengesetzes (TMG) muss geklärt werden.
§ 10 TMG enthält bereits jetzt Regelungen zur Haftung des Betreibers. Zwar lässt sich die Begründung des Gesetzentwurfs zum NetzDG (etwa auf Seite 19 letzter Absatz oder auf Seite 21 erster Absatz) so verstehen, dass die Gesetze nebeneinander anwendbar sein sollen. Eine ausdrückliche Klarstellung im Gesetzestext erschiene aber aus Gründen der Rechtssicherheit wünschenswert und sinnvoll.
16. Zu Artikel 1 (§ 1 Absatz 1 Satz 1 NetzDG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, wie der Begriff des sozialen Netzwerks konkretisiert und stärker eingegrenzt werden kann.
Begründung:
Nach der Begründung des Gesetzentwurfs sollen nach aktuellem Stand drei soziale Netzwerke, höchstens aber zehn berichtspflichtig gemacht werden. Die Definition des § 1 Absatz 1 Satz 1 NetzDG-E bedarf vor diesem Hintergrund einer Präzisierung. Die Formulierung "beliebige Inhalte mit anderen Nutzern auszutauschen, zu teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich zu machen" erscheint mit Blick auf die Angebotsvielfalt in Internetplattformen konkretisierungsbedürftig. Heutzutage ist es auf zahlreichen digitalen Plattformen möglich, Text-, Foto- oder Videoinhalte zu erstellen, die von anderen Nutzern eingesehen werden können. Dadurch würden weit mehr Plattformen in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen als in der Begründung des Gesetzentwurfs genannt sind, was dem Ziel des Gesetzesvorhabens zuwiderlaufen würde.
Dies gilt auch unter Heranziehung der im Gesetzes- und Begründungstext genannten Eingrenzungskriterien. So bedarf es einer Konkretisierung, was unter thematisch eingegrenzten Netzwerken - die nicht vom Netzwerkdurchsetzungsgesetz erfasst sein sollen - zu verstehen ist. Nach den Ausführungen in der Begründung des Gesetzentwurfs soll für den Themenbezug eines Netzwerkes der Austausch beliebiger Inhalte entscheidend sein. Letztlich ist es jedoch bereits mit einem einfachen Kommentarformular auf einer Webseite möglich, beliebige Inhalte zu teilen.
Auch die Begrenzung auf solche Netzwerke, die mehr als zwei Millionen Nutzerinnen und Nutzer im Inland aufweisen, schafft keine Vollzugssicherheit bei Plattformen, auf denen sich die Nutzer nicht registrieren müssen und die genaue Zahl der Nutzer daher nur schwer erfasst werden kann.
Beispielhaft sind folgende Netzwerke zu nennen, welche Gefahr laufen, auch in den Anwendungsbereich des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes zu fallen. Dies sind Sharing-Plattformen, Online-Speicherdienste, eCommerce-Plattformen, E-Mail- und internetbasierte Kurznachrichtendienste und (Online-)Chats, Auktionsplattformen, Gaming-Netzwerke, Reiseportale, Rubrikenseiten, Vergleichsportale oder Ratgebercommunities.
Zum Gesetzentwurf allgemein
- 17. Der Bundesrat bewertet den Gesetzentwurf grundsätzlich positiv. Er bittet jedoch, im weiteren Gesetzgebungsverfahren klarzustellen, dass Lernplattformen von dem Gesetzentwurf nicht betroffen sind, sondern er sich ausschließlich an große soziale Netzwerke mit Meinungsmacht richtet.
Begründung:
Im Unterschied zu sozialen Netzwerken, die Informationen öffentlich jedermann, der sich anmeldet, zugänglich machen, werden Inhalte auf den bisher bestehenden Lernplattformen definierten Lerngruppen in geschützten Bereichen im Rahmen einer Benutzer- und Kursverwaltung zur Verfügung gestellt, und es existiert eine Rollen- und Rechteverwaltung. Lernplattformen sind darauf ausgerichtet, Kurse zu organisieren, Lernmaterialien bereitzustellen und die Kommunikation in Foren oder virtuellen Klassenzimmern zu ermöglichen, meist begleitet durch einen Tutor. Allerdings ist das Design der Lernplattformen in der Diskussion. Die Verfechter so genannter sozialer Lernplattformen favorisieren einen weniger gesteuerten Austausch von Inhalten. Damit kann eine sichere Abgrenzung in der Zukunft schwerer werden.
18. Zu Artikel 1 (§ 1 Absatz 2 NetzDG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die Bagatellgrenze auf zwei Millionen registrierte Nutzer im Inland festgelegt werden sollte.
Begründung:
Die Erfassung aller Nutzer eines Netzwerks gestaltet sich technisch sehr schwierig. Zwar kann mittels Analyse-Tools der Besucherstrom auf eine Webseite beziffert werden, allerdings müssten aus den erfassten Daten die (vielen) Nutzer herausgefiltert werden, welche die Webseite mehrmals am Tag besuchen. Dies ist nicht zuverlässig über eine Filterung der IP-Adresse möglich, da ein Nutzer z.B. für den Aufruf der Seite zuhause aus dem WLAN und unterwegs aus dem Mobilnetz jeweils eine andere IP-Adresse zugeteilt bekommen kann. Diese Schwierigkeiten bei der Erfassung können durch das Abstellen auf registrierte Nutzer nicht vollständig ausgeräumt, jedoch dadurch abgeschwächt werden, dass bei der Registrierung weitere Angaben verlangt werden, die eine Bestimmung des Herkunftslandes der Nutzer erleichtern.
Im Interesse der Rechtssicherheit sowohl für die zuständige Verwaltungsbehörde als auch für die Plattformbetreiber ist daher zu prüfen, ob ein Abstellen auf registrierte Nutzer den Vollzug des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes verbessern könnte.
19. Zu Artikel 1 (§ 1 Absatz 3 NetzDG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die in § 1 Absatz 3 NetzGD-E enthaltene Aufzählung der Straftatbestände, die einen "rechtswidrigen Inhalt" im Sinne des NetzDG-E begründen, zu überprüfen. Dabei sollte insbesondere die Aufnahme der folgenden weiteren Vorschriften in Betracht gezogen werden: §§ 80a, 105, 106, 107, 108, 109d, 130a, 145d, 164, 189, 201, 201a, 238 Absatz 1 Nummer 4, §§ 240, 241a Absatz 4 StGB und § 52 Absatz 1 Nummer 4 WaffG. Auch sollte eine Streichung des § 269 StGB aus der Aufzählung in § 1 Absatz 3 NetzDG-E geprüft werden.
Begründung:
Ein zentrales Element des Gesetzentwurfs ist die Definition des Begriffs "rechtswidrige Inhalte" in § 1 Absatz 3 NetzDG-E. Denn der Großteil der im NetzDG-E enthaltenen Pflichten knüpft an das Vorliegen eines rechtswidrigen Inhalts oder einer Beschwerde über einen rechtswidrigen Inhalt an. Ausweislich der Begründung des Gesetzentwurfs soll der Katalog der Straftatbestände, deren objektive Erfüllung einen "rechtswidrigen Inhalt" im Sinne des NetzDG-E begründet, verdeutlichen, dass nicht ein Einschreiten gegen jede in sozialen Netzwerken begangene Rechtsverletzung das Anliegen des Gesetzentwurfs ist, sondern die Bekämpfung von Hasskriminalität und strafbaren Falschnachrichten. Im Gesetzentwurf wird bezüglich der einzelnen in § 1 Absatz 3 NetzDG-E aufgezählten Straftatbestände jedoch nicht begründet, wieso sie ausgewählt wurden. Es wird auch nicht begründet, wieso andere für die Bekämpfung von Hassrede und "Fake News" ebenfalls bedeutsame oder sogar noch bedeutsamere Straftatbestände nicht in § 1 Absatz 3 NetzDG-E aufgezählt werden.
Geprüft werden sollte insbesondere die Aufnahme folgender weiterer Straftatbestände in den Katalog des § 1 Absatz 3 NetzDG:
§ 80a StGB: Das Aufstacheln zum Verbrechen der Aggression ist eine schwerwiegende Hassstraftat, die durch das Einstellen von Inhalten in sozialen Netzwerken begangen werden kann.
§§ 105, 106, 107, 108 StGB: Bei diesen Vorschriften handelt es sich um Spezialfälle der Nötigung, die einen Bezug zum politischen Leben aufweisen. Drohungen gegen Verfassungsorgane und ihre Mitglieder, gegen Wahlen als zentralem Merkmal unseres demokratischen Gemeinwesens oder gegen die an ihnen teilnehmenden Wähler sind eine nicht seltene Erscheinungsform von Hassreden.
§ 109d StGB: Die Vorschrift hat mit dem in § 1 Absatz 3 NetzDG-E genannten § 100a StGB gemeinsam, dass durch unwahre Tatsachenbehauptungen öffentliche Sicherheitsinteressen gefährdet werden. Sie kann bei der Bekämpfung strafbarer "Fake News" von Bedeutung sein.
§ 130a StGB: Es erschließt sich nicht, wieso zwar das öffentliche Auffordern zu Straftaten (§ 111 StGB), die Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten (§ 126 StGB) und das Billigen von Straftaten (§ 140 StGB) in den Anwendungsbereich des NetzDG-E fallen, das Anleiten zu Straftaten aber nur, wenn es sich um schwere staatsgefährdende Gewalttaten (§ 91 StGB) handelt. Die Bekämpfung von nach § 130a StGB strafbaren Anleitungen zu Straftaten ist ein ebenso wichtiges Element zur Bekämpfung von Hassrede, insbesondere um zu verhindern, dass Hassrede in gewälttätiges Hassverbrechen umschlägt. Ein Ausufern des Anwendungsbereichs des NetzDG-E ist dadurch nicht zu befürchten. Denn § 130a StGB bezieht sich auf dieselbe abschließende Aufzählung schwerwiegender Straftaten wie der in § 1 Absatz 3 NetzDG-E genannte § 126 StGB.
§ 145d StGB: Das strafbare Vortäuschen einer Straftat kann nicht nur durch Mitteilungen unmittelbar gegenüber einer zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Behörde begangen werden, sondern auch durch an die Öffentlichkeit gerichtete Behauptungen, sofern der Täter billigend in Kauf nimmt, dass eine Behörde davon Kenntnis erlangt (vgl. z.B. Valerius, in: v. HeintschelHeinegg, BeckOK StGB, § 145d Rn. 6). Der Tatbestand hat gerade in jüngster Zeit im Zusammenhang mit der Verbreitung von "Fake News" im Internet Bedeutung erlangt (vgl. Fahl, Zur Strafbarkeit der Falschmeldung im Internet über den Tod eines Asylsuchenden, Jura 2016, 735 ff.).
§ 164 StGB: Auch die falsche Verdächtigung kann durch wider besseres Wissen im Internet aufgestellte Falschbehauptungen begangen werden (vgl. § 164 Absatz 2 2. Alternative StGB). Sie ist daher ein wichtiger Straftatbestand im Kampf gegen "Fake News".
§ 189 StGB: Nur schwer nachvollziehbar ist, wieso zwar die Beleidigung und Verleumdung Lebender, nicht aber die Verunglimpfung Verstorbener in den Anwendungsbereich des NetzDG-E fallen. Die Herabwürdigung verstorbener Menschen ist eine verbreitete und besonders perfide Erscheinungsform der Hassrede.
§§ 201, 201a StGB: Die Diffamierung anderer Menschen durch das unbefugte Einstellen von kompromittierenden Bildaufnahmen in sozialen Netzwerken ist eine weit verbreitete Vorgehensweise zur Verbreitung von Hass und zur Verletzung der Menschenwürde. Gleiches gilt für das unbefugte Veröffentlichen kompromittierender Tonaufnahmen.
§ 238 Absatz 1 Nummer 4 StGB: Diese Begehungsweise der Nachstellung ist eng mit den Straftatbeständen der Nötigung und der Bedrohung verwandt.
§ 240 StGB: Es erschließt sich nicht, wieso der Tatbestand der Bedrohung (§ 241 StGB) in § 1 Absatz 3 NetzDG-E aufgeführt ist, nicht aber derjenige der Nötigung (§ 240 StGB). Nicht selten werden gerade gegenüber Personen des öffentlichen Lebens im Netz Drohungen mit Angriffen auf die körperliche Unversehrtheit oder das Eigentum ausgesprochen. Sofern es sich bei diesen angedrohten Angriffen nicht um Verbrechen (wie z.B. Tötungsdelikte) handelt, sondern nur z.B. nur um Körperverletzungen, wären diese Drohungen nach dem Gesetzentwurf nicht vom NetzDG-E erfasst. Ein Grund für diese Differenzierung drängt sich jedenfalls nicht auf. Zwar beinhaltet die Prüfung der Verwerflichkeit im Sinne des § 240 Absatz 2 StGB wertende Elemente. Dies ist jedoch etwa auch bei dem Tatbestandsmerkmal der "Eignung zur Friedensstörung" in § 130 StGB der Fall; gleichwohl wird diese Vorschrift in § 1 Absatz 3 NetzDG-E genannt.
§ 241a Absatz 4 StGB: Das Aufstellen unwahrer Behauptungen, die den Betroffenen der Gefahr politischer Verfolgung aussetzen, ist eine schwerwiegende Erscheinungsform der Verbreitung von "Fake News".
§ 52 Absatz 1 Nummer 4 WaffG: Dieser Straftatbestand wird verbreitet bei Hass-Postings aus dem salafistischen und rechtsextremistischen Milieu beobachtet.
Auch sollte geprüft werden, ob die Erwähnung von § 269 StGB in § 1 Absatz 3 NetzDG-E sachgerecht ist.
§ 269 StGB schützt, wie auch die anderen Tatbestände der §§ 267 ff. StGB, die Sicherheit und Zuverlässigkeit des Rechts-und Beweisverkehrs. Es leuchtet nicht ohne weiteres ein, wieso gerade diese Vorschrift als einziger Straftatbestand aus dem Abschnitt "Urkundenfälschung" in § 1 Absatz 3 NetzDG-E aufgenommen wurde. Für die Bekämpfung von Hassrede und "Fake News" dürfte § 269 StGB allenfalls am Rande tauglich sein.
20. Zum Gesetzentwurf allgemein
- a) Der Bundesrat begrüßt, dass mit dem Entwurf eines Netzwerkdurchsetzungsgesetzes auch islamistische Gewalt- und Propagandainhalte als Erscheinungsformen von Hasskriminalität bekämpft werden sollen. Der Bundesrat sieht die islamistische Gewalt und Propaganda mit großer Sorge. Er ist entschlossen, islamistischer Gewalt und ihren Verbreitungsformen mit allen rechtlich zulässigen Mitteln entgegenzutreten.
- b) Der Bundesrat stellt fest, dass soziale Netzwerke vermehrt für die Verbreitung islamistischer Propaganda missbraucht werden. Inhalte wie Gewaltoder Propagandavideos lassen sich innerhalb weniger Augenblicke hochladen und erreichen in kurzer Zeit eine Vielzahl von Nutzern. Diese sorgen für eine weitere Verbreitung unter Umständen auch strafbarer Inhalte.
- c) Der Bundesrat ist der Auffassung, dass islamistische Gewalt- und Propagandainhalte entfernt werden müssen, um die Verbreitung extremistischen Gedankenguts und der konkreten Inhalte zu verhindern. Der Bundesrat bittet vor diesem Hintergrund, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob hierzu noch weitere Maßnahmen zur Eindämmung islamistischer Propaganda für alle Telemediendiensteanbieter erforderlich sind. Ferner bittet der Bundesrat, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob der Katalog der rechtswidrigen Inhalte gemäß § 1 Absatz 3 NetzDG-E im Hinblick auf Propaganda verbotener ausländischer Vereinigungen, wie zum Beispiel des sogenannten Islamischen Staats, um Straftaten nach § 20 Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 VereinsG ergänzt werden sollte.
21. Zu Artikel 1 (§ 1 Absatz 3 NetzDG)
In Artikel 1 ist in § 1 Absatz 3 nach der Angabe "bis 187," die Angabe "201a," einzufügen.
Begründung:
Sexualisierte Übergriffe im Netz, darunter insbesondere Cyber-Stalking, sind Gewaltphänomene, von denen vornehmlich Frauen und Mädchen betroffen sind. Dabei werden durch das Verbreiten von Bildaufnahmen aus dem höchstpersönlichen Lebensbereich die Intimsphäre der Opfer und ihre Persönlichkeitsrechte in besonders gravierender Weise verletzt. Je länger solches Bildmaterial verfügbar ist, desto unkontrollierter verbreitet es sich. Nur durch unverzügliche Löschung von strafbarem Bildmaterial kann der Gefahr einer Endlosviktimisierung der zumeist weiblichen Opfer wirksam begegnet werden. Die im Gesetzentwurf aufgeführten Straftatbestände beachten diese geschlechtsspezifische Betroffenheit nicht in ausreichender Weise. Daher wird empfohlen, den Gesetzentwurf um den ergänzten Straftatbestand ( § 201a Strafgesetzbuch "Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen") zu erweitern. Die juristische Handhabe von Frauen und Mädchen im Falle sexualisierter Hassreden und digitalen Übergriffen würde hierdurch wesentlich verbessert werden.
22. Zu Artikel 1 (§ 1 Absatz 3 NetzDG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob der Katalog der aufgeführten Straftatbestände vor dem Hintergrund der hauptsächlichen Zielsetzung des Gesetzentwurfs, Hasskriminalität zu bekämpfen, eingeschränkt werden sollte.
Begründung:
Nach der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 1 Absatz 3 NetzDG-E sollen mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz Hasskriminalität und strafbare Falschnachrichten bekämpft werden. Bei vielen weiteren aufgezählten Straftatbeständen besteht kein unmittelbarer Zusammenhang mit der Bekämpfung von Hasskriminalität und strafbaren Falschnachrichten.
23. Zu Artikel 1 (§ 2 Absatz 1 Satz 1 NetzDG)
In Artikel 1 ist in § 2 Absatz 1 Satz 1 die Angabe "vierteljährlich" durch die Angabe "halbjährlich" zu ersetzen.
Folgeänderung:
In Artikel 1 ist in § 6 Absatz 1 die Angabe "Vierteljahr" durch die Angabe "Halbjahr" zu ersetzen.
Begründung:
Ziel der vierteljährlichen Berichtspflicht ist laut der Begründung des Gesetzentwurfs die Etablierung einer festen Struktur und eines systematischen Prozesses für die Evaluation des Umgangs mit Beschwerden. Angesichts der umfangreichen Angaben, die nach § 2 Absatz 2 NetzDG-E in dem Bericht enthalten sein sollen, erscheint es jedoch vor dem Hintergrund der gebotenen sorgfältigen Evaluation und des damit verbundenen erheblichen bürokratischen Aufwands notwendig, den Zeitraum auf sechs Monate auszudehnen.
24. Zum Gesetzentwurf allgemein
Das NetzDG-E richtet seinen Fokus auf die Rechtsdurchsetzung durch Betroffene gegenüber den sozialen Netzwerken, soweit bestimmte strafbare Inhalte betroffen sind. Es sollten aber nicht nur Anforderungen an Anbieter von sozialen Netzwerken erhöht werden, um strafbare Inhalte schneller zu entfernen, sondern zusätzlich auch die strafrechtliche Verfolgung durch staatliche Einrichtungen vereinfacht werden. Der Bundesrat fordert deshalb, dass im NetzDG-E auch das Verfahren der Zusammenarbeit sozialer Netzwerke mit Staatsanwaltschaften und Strafverfolgungsbehörden mit definierten kurzen Reaktionszeiten verbindlich geregelt wird.
25. Zum Gesetzentwurf allgemein
Der Bundesrat ist der Auffassung, dass es auf der Grundlage gesetzlicher Regelungen auch eine Aufgabe von Plattformbetreibern ist, zum einen die schnelle Entfernung eines Inhalts, bei dem eine Strafbarkeit im Raum steht, zu gewährleisten, zum anderen auch den Aufsichts- und Strafverfolgungsbehörden die notwendigen Informationen für ein Einschreiten an die Hand zu geben. Hierfür ist ein effizientes Beschwerdeverfahren aufzusetzen, bei dem bereits bewährte Selbstregulierungsmechanismen einzubeziehen sind.
26. Zu Artikel 1 (§ 3 Absatz 2 und 3 NetzDG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, wie durch geeignete Mitteilungspflichten der Anbieter sozialer Netzwerke sichergestellt werden kann, dass die Strafverfolgungsbehörden über von Amts wegen zu verfolgende rechtswidrige Inhalte im Sinne des NetzDG-E und über die Person des Nutzers, für den der Inhalt gespeichert wurde, informiert werden.
Begründung:
Erstes Ziel bei der Bekämpfung von Hasskriminalität und strafbaren Falschnachrichten muss es sein, die Täter strafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen. Die Entfernung der rechtswidrigen Inhalte aus den sozialen Netzwerken ist eine wichtige Begleitmaßnahme, um die Auswirkungen der Straftat zu begrenzen, kann die Strafverfolgung aber nicht ersetzen. Der Bundesrat begrüßt es daher, dass der Gesetzentwurf Vorgaben für die Speicherung des entfernten Inhalts zu Beweiszwecken enthält (§ 3 Absatz 2 Nummer 4 NetzDG-E). Allerdings können diese Vorgaben nur dann praktische Wirkung entfalten, wenn die Strafverfolgungsbehörden überhaupt Kenntnis von dem betroffenen rechtswidrigen Inhalt haben. Eine solche Kenntniserlangung wird durch den Gesetzentwurf nicht sichergestellt. Während dies bei Antragsdelikten nachvollziehbar ist, da deren Verfolgung der Disposition des Verletzten unterliegt, ist bei den Offizialdelikten wünschenswert, dass die Strafverfolgungsbehörden möglichst umfassend über strafbare Inhalte informiert werden. Insbesondere bei denjenigen der in § 1 Absatz 3 NetzDG-E genannten Straftatbestände, die keine Individualrechtsgüter sondern öffentliche Interessen schützen, wird mangels eines an einer Strafanzeige interessierten Verletzen in der Regel nur eine Informationspflicht des Anbieters des sozialen Netzwerks gegenüber den Behörden eine systematische Strafverfolgung sicherstellen können. Eine solche Pflicht ist auch nicht per se unverhältnismäßig. Schon nach dem jetzigen Stand setzt der Gesetzentwurf (z.B. hinsichtlich der Löschungsregelungen in § 3 Absatz 2 Nummer 2 und 3 NetzDG-E) voraus, dass der Anbieter prüft und sich eine Meinung darüber bildet, ob ein bestimmter Inhalt seines Erachtens gegen einen der in § 1 Absatz 3 NetzDG-E genannten Straftatbestände verstößt. Wenn er diese Frage bejaht, ist eine Pflicht zur Information der Strafverfolgungsbehörden keine ungebührliche Belastung. Dem berechtigten Interesse der Netzwerkanbieter an einer Begrenzung des Erfüllungsaufwandes kann durch die konkrete Ausgestaltung der Informationspflicht Rechnung getragen werden. So wäre es z.B. denkbar, dass die Meldung in elektronischer Form an das Bundesamt für Justiz erfolgt und dieses die Identifikation der zuständigen Strafverfolgungsbehörde sowie die Weiterleitung der Mitteilung dorthin übernimmt.
Zu prüfen wäre auch, ob Verstöße gegen die Mitteilungspflicht mit einem Bußgeld bewehrt werden sollen.
27. Zu Artikel 1 (§ 3 Absatz 2 Nummer 2 und 3 NetzDG)
Die im NetzDG-E vorgesehenen starren Verfahrensfristen von 24 Stunden bzw. sieben Tagen für die Sperrung rechtswidriger Inhalte tragen einer juristisch fundierten Prüfung nur eingeschränkt Rechnung. In Verbindung mit den hohen Bußgeldern (bis 50 Millionen Euro für Unternehmen und bis fünf Millionen Euro für einzelne Mitarbeiter) könnte zudem ein Anreiz gesetzt werden, gemeldete Inhalte im Zweifel sofort zu löschen, was zu einer neuen Gefährdungslage für die Meinungsfreiheit führen kann. Der Bundesrat regt daher an, im weiteren Gesetzgebungsverfahren das im NetzDG-E vorgeschlagene Instrumentarium unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit zu optimieren.
28. Zu Artikel 1 (§ 3 Absatz 2 Nummer 2 und 3 NetzDG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob bei den Fristen zur Löschung von rechtswidrigen Inhalten weitere Ausnahmen vorgesehen werden sollten.
Begründung:
Die Überprüfung eines gemeldeten Inhalts auf seine Rechtswidrigkeit bedarf nicht unerheblicher juristischer Anstrengungen, da sich nur wenige gemeldete Beiträge als offensichtlich rechtswidrig herausstellen. Selbst ein vordergründig rechtswidriger Inhalt wie die Abbildung einer Hakenkreuzflagge kann ein Auszug aus einem Geschichtsbuch oder einer historischen Dokumentation sein, welcher der Berichterstattung über historische Vorgänge des Zeitgeschehens dient. Im Bereich der Straftaten gegen die persönliche Ehre zeigte sich die Schwierigkeit einer Beurteilung in jüngster Vergangenheit bei der Diskussion um das Böhmermann-Gedicht, die sich in einer längeren Prozessdauer widerspiegelt.
Durch die vorgegebenen Fristen von vierundzwanzig Stunden bzw. sieben Tagen darf es nicht zu rein vorsorglichen Löschungen aus Zeitdruck kommen, insbesondere da gerade bei der Siebentagefrist keinerlei Ausnahmen im Gesetz vorgesehen sind. Der Gesetzentwurf will die Betreiber nicht zu willkürlichen Löschungen verpflichten, sondern nur zur Löschung solcher Inhalte, die sich nach einer eingehenden Prüfung als tatsächlich rechtswidrig herausstellen. Um sicherzustellen, dass ausschließlich rechtswidrige Inhalte entfernt werden und eine rechtlich fundierte Überprüfung der gemeldeten Beiträge möglich bleibt, bietet sich die Schaffung von Ausnahmetatbeständen an. Allein durch die Einstellung weiterer Mitarbeiter zur rechtlichen Beurteilung kann dem Problem der Löschfristen angesichts der zahlreichen Beiträge in sozialen Netzwerken und der fehlenden Begrenzung des Gesetzentwurfs auf inländische Beiträge nicht wirksam begegnet werden. Diese können im Internet Größenordnungen von mehreren Milliarden pro Tag erreichen.
29. Zu Artikel 1 (§ 3 Absatz 4, § 4 Absatz 1 Nummer 4 bis 6 NetzDG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren eine inhaltliche Konkretisierung der bußgeldbewehrten Verpflichtungen aus § 3 Absatz 4 NetzDG-E zu prüfen.
Begründung:
Das in Artikel 103 Absatz 2 des Grundgesetzes verankerte Bestimmtheitsgebot gilt nicht nur für Straf-, sondern auch für Bußgeldtatbestände. Danach kann eine Tat nur dann sanktioniert werden, wenn die Strafbarkeit oder Bußgeldbewehrung gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde. Dies verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Ahndung so genau zu umschreiben, dass sich Tragweite und Anwendungsbereich der Normen durch Auslegung ermitteln lassen. Dies schließt zwar die Verwendung unbestimmter, auslegungsbedürftiger Rechtsbegriffe nicht aus, um der Vielgestaltigkeit des Lebens Rechnung zu tragen. Jedenfalls im Regelfall muss der Normadressat aber anhand der gesetzlichen Regelung voraussehen können, ob ein Verhalten strafbar oder als Ordnungswidrigkeit zu ahnden ist (vgl. BVerfG NJW 2005, 349).
Mit Blick auf die nach § 4 Absatz 1 Nummer 4 bis 6 NetzDG-E bußgeldbewehrten Verpflichtungen aus § 3 Absatz 4 NetzDG-E ist vor diesem Hintergrund Folgendes anzumerken:
Gemäß § 4 Absatz 1 Nummer 4 NetzDG-E handelt ordnungswidrig, wer entgegen § 3 Absatz 4 Satz 1 NetzDG-E den Umgang mit Beschwerden nicht oder nicht richtig überwacht. Da die entsprechende Gebotsnorm lediglich vorsieht, dass der Umgang mit Beschwerden von der Leitung des sozialen Netzwerks durch monatliche Kontrollen überwacht werden muss, ist unklar, welche Anknüpfung dem Tatbestandsmerkmal "nicht richtig" zugrunde liegen soll. Insoweit ist eine inhaltliche Präzisierung der Kontrollpflichten erforderlich.
Nach § 4 Absatz 1 Nummer 5 NetzDG-E handelt ordnungswidrig, wer entgegen § 3 Absatz 4 Satz 2 NetzDG-E eine organisatorische Unzulänglichkeit nicht oder nicht rechtzeitig beseitigt. Insoweit ist - ungeachtet der zweifelhaften Bestimmtheit des Tatbestandsmerkmals - nicht erkennbar, welche (weiteren) "organisatorischen Unzulänglichkeiten" der Entwurf hiermit im Blick hat, wenn und weil bereits mit den Vorschriften von § 4 Absatz 1 Nummer 2 und 3 NetzDG-E das Vorhalten bzw. Zurverfügungstellen der relevanten Verfahren und Mechanismen umfassend sanktioniert wird.
Gemäß § 4 Absatz 1 Nummer 6 NetzDG-E handelt ordnungswidrig, wer entgegen § 3 Absatz 4 Satz 3 NetzDG-E eine Schulung oder eine Betreuung nicht oder nicht rechtzeitig anbietet. Da die entsprechende Gebotsnorm lediglich vorsieht, dass den mit der Bearbeitung von Beschwerden beauftragten Personen von der Leitung des sozialen Netzwerks regelmäßig, mindestens aber halbjährlich deutschsprachige Schulungs- und Betreuungsangebote gemacht werden müssen, bleibt offen, welchen konkreten Inhalt die genannten Angebote haben müssen. Eine inhaltliche Präzisierung der korrespondierenden Pflicht wäre auch hier angebracht.
30. Zu Artikel 1 (§ 3 Absatz 2 Nummer 6 NetzDG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die Verpflichtung der Betreiber sozialer Netzwerke, Kopien rechtswidriger Inhalte unverzüglich zu entfernen oder zu sperren, mit europäischem Recht vereinbar ist, und erforderlichenfalls Konkretisierungen vorzunehmen.
Begründung:
Artikel 15 Absatz 1 der Richtlinie 2000/31/EG ("eCommerce-Richtlinie") verbietet den Mitgliedstaaten, Diensteanbietern allgemeine Pflichten aufzuerlegen, die von ihnen gespeicherten oder übermittelten Daten zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Es bestehen Zweifel, dass die Entfernung von Kopien rechtswidriger Inhalte in jedem Fall ohne eine laufende aktive Überwachung des gesamten Datenverkehrs möglich ist. So stellt sich die Frage, wie der Begriff der Kopie zu verstehen ist. Wird ein und derselbe rechtswidrige Inhalt unter verschiedenen Meldungen in einem sozialen Netzwerk veröffentlicht, stellen sich alle diese Postings als Veröffentlichung dieses einen rechtswidrigen Inhalts dar. Wird jedoch nur eines der Postings als rechtswidrig gemeldet, könnte der Betreiber des sozialen Netzwerks nicht ohne aktive Überwachung herausfinden, ob der Nutzer gleichlautende Inhalte (mithin Kopien) unter anderen Meldungen veröffentlicht hat.
31. Zu Artikel 1 (§ 3 NetzDG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, wie der von einer Entfernung oder Zugangssperrung eines inkriminierten Inhalts betroffene Nutzer die Möglichkeit zur Stellungnahme bzw. zum Widerspruch erhält.
Begründung:
Der Entwurf des NetzDG, speziell § 3, enthält umfassende und detaillierte Vorgaben zur Berücksichtigung der Einwände von Beschwerdeführern. Der betroffene Nutzer wird entsprechend § 3 Absatz 2 Nummer 5 nur über die Entscheidung (mit Begründung) informiert. Eine Möglichkeit der Stellungnahme oder des Widerspruchs ist nicht vorgesehen. Dies ist weniger ein Problem bei offensichtlich rechtswidrigen Inhalten als ein Problem bei (nur) rechtswidrigen Inhalten. Für diese ist deshalb auch aus gutem Grund eine Prüffrist von bis zu sieben Tagen vorgesehen.
Die korrekte Feststellung der Rechtswidrigkeit ist für die Vielzahl der unter § 1 Absatz 3 NetzDG-E angeführten Tatbestände selbst von versierten Fachleuten nicht immer zweifelsfrei zu leisten.
Da eine nicht erfolgte Löschung oder Sperrung eines beanstandeten Inhalts mit einem hohen Bußgeld bewehrt ist, kann davon ausgegangen werden, dass Inhalte vorsichtigerweise auch gelöscht werden, wenn diese nicht die Kriterien der Rechtswidrigkeit erfüllen. Die rechtsstaatlichen Prinzipien gebieten es, dass einem Betroffenen die Möglichkeit zur Stellungnahme bzw. zum Widerspruch gegeben wird.
32. Zu Artikel 1 (§ 4 Absatz 2 NetzDG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die angesetzte Höchstgrenze für die Verhängung von Bußgeldern eine rechtssichere Handhabung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes ermöglicht, oder ob eine Herabsetzung angezeigt ist.
Begründung:
Die hoch angesetzte Obergrenze von bis zu 50 Millionen Euro schafft einen großen Spielraum bei der Verhängung eines Bußgeldes, vor allem solange die allgemeinen Verwaltungsgrundsätze gemäß § 4 Absatz 4 Satz 2 NetzDG noch nicht erlassen wurden. Selbst nach der Entscheidung, was ein "leichter" und was ein "schwerer" Verstoß ist, verbleibt ein sehr großer Rahmen, innerhalb dessen sich die zuständige Verwaltungsbehörde bewegen muss. Es erscheint fraglich, ob dies noch verhältnismäßig ist.
33. Zu Artikel 1 (§ 4 Absatz 5 NetzDG)
In Artikel 1 ist § 4 Absatz 5 zu streichen.
Begründung:
Die Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen für den Erlass eines Bußgeldbescheides ist ureigenste Aufgabe der für die Verfolgung und Ahndung der Ordnungswidrigkeit zuständigen Verwaltungsbehörde. Die Gerichte werden nur auf einen Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid tätig.
Hiervon weicht § 4 Absatz 5 NetzDG-E für den Fall ab, dass ein Bußgeldbescheid auf die Rechtswidrigkeit eines nicht entfernten oder gesperrten Inhalts gestützt werden soll. Die Vorschrift sieht hierfür ein "Vorabentscheidungsverfahren" vor dem Gericht, das über einen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid zu entscheiden hätte (also: dem Amtsgericht Bonn als Sitz des Bundesamtes für Justiz, § 68 Absatz 1 OWiG), vor. Gegenstand des Vorabentscheidungsverfahrens soll die Frage sein, ob der umstrittene Inhalt den objektiven Tatbestand einer der in § 1 Absatz 3 NetzDG-E genannten Strafvorschriften erfüllt. In der Einzelbegründung zu § 4 Absatz 5 NetzDG-E heißt es hierzu, dass nach der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes allein die Gerichte dazu berufen seien, über die Strafbarkeit einer Handlung zu entscheiden.
Diese Begründung trägt verfassungsrechtlich nicht. Aus Artikel 92 des Grundgesetzes folgt nur, dass die Verhängung von Kriminalstrafen den Gerichten vorbehalten ist (vgl. BVerfGE 22, 49 <80 f.
>). Das Bußgeldverfahren ist aber kein Strafverfahren; daher können Ordnungswidrigkeiten von einer Verwaltungsbehörde verfolgt werden (vgl. BVerfGE 8, 195 <207>). Den rechtsstaatlichen Erfordernissen ist dadurch Rechnung getragen, dass gegen den Bußgeldbescheid auf Einspruch eine gerichtliche Entscheidung erfolgt (vgl. BVerfGE 8, 195 <207 f.
>).
Das Verfahren nach § 4 NetzDG-E ist ein Bußgeldverfahren. Es ändert seinen Charakter nicht deshalb, weil bei der Bußgeldentscheidung inzident geprüft werden muss, ob das Verhalten eines Dritten (hier: des Nutzers, der einen bestimmten Inhalt eingestellt hat) objektiv einen Straftatbestand erfüllt.
Dass Verwaltungsbehörden bei ihren Entscheidungen als inzidente Vorfrage die Erfüllung objektiver Straftatbestände prüfen müssen, ist nicht selten. Ein gerichtliches "Vorabentscheidungsverfahren" hat der Gesetzgeber dennoch nirgendwo vorgesehen. Dies gilt auch in Fällen, die mit dem vorliegenden Sachverhalt insoweit vergleichbar sind, als es auch in ihnen um die Erfüllung bestimmter objektiver Straftatbestände durch Medieninhalte als Voraussetzung für den Erlass eines Bußgeldbescheides geht (vgl. § 24 JugendmedienschutzStaatsvertrag). Überzeugende Gründe, ein solches "Vorabentscheidungsverfahren" nun gerade im NetzDG-E erstmals vorzusehen, sind nicht ersichtlich.
Für eine Klärung grundsätzlicher Fragen darüber, welche Äußerungen in sozialen Netzwerken strafbar sind und welche nicht, wäre eine erst- und letztinstanzliche Entscheidung eines Einzelrichters am Amtsgericht (vgl. § 4 Absatz 5 NetzDG-E in Verbindung mit § 68 OWiG) auch nicht das geeignete Instrument. Das Einspruchsverfahren gegen den Bußgeldbescheid, an dessen Ende der betroffene Netzwerkanbieter mittels einer Verfassungsbeschwerde auch das Bundesverfassungsgericht anrufen kann, ist diesbezüglich weitaus wirksamer.
Selbst für den Einzelfall könnte die Vorabentscheidung keine Rechtssicherheit schaffen, denn sie wäre nach § 4 Absatz 5 Satz 2 NetzDG-E nur für die Verwaltungsbehörde bindend, nicht aber für den Netzwerkanbieter oder das Gericht, das später über einen Einspruch gegen den Bußgeldentscheid zu entscheiden hat. Es bestünde daher die Gefahr divergierender Entscheidungen im Vorabentscheidungsverfahren und im Einspruchsverfahren.
34. Zu Artikel 1 (§ 5 Satz 2 NetzDG)
In Artikel 1 ist in § 5 Satz 2 nach den Wörtern "ist eine" das Wort "deutschsprachige" einzufügen.
Begründung:
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht die Verpflichtung der Betreiber aller sozialer Netzwerke vor, für Auskunftsersuchen einer inländischen Strafverfolgungsbehörde eine empfangsberechtigte Person im Inland zu benennen.
Diese Verpflichtung beinhaltet nach diesseitiger Auffassung wegen der Formulierung "im Inland" bereits, dass diese Person auch deutschsprachig sein muss. Aus Klarstellungsgesichtspunkten ist der Satz um das Wort "deutschsprachig" zu ergänzen. Dies entspricht auch der Begründung des Gesetzentwurfs, nach der eines der Hauptprobleme bei der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken das Fehlen verantwortlicher Ansprechpartner der sozialen Netzwerke ist. Die Benennung eines Ansprechpartners soll "die Möglichkeiten einer freiwilligen unmittelbaren Kooperation zwischen Strafverfolgungsbehörden und Providern" verbessern (S. 25 der Begründung des Gesetzentwurfs).
Die unmittelbare Kooperation lässt sich aber nur dann effektiv verbessern, wenn dieser Ansprechpartner mit den Strafverfolgungsbehörden auch in deutscher Sprache kommunizieren kann. Denn die Erfahrung zeigt, dass das Verfassen von Auskunftsersuchen durch die Strafverfolgungsbehörden und die Rückübersetzung von Nachfragen oder Antworten seitens der Provider schon in einer Standardsprache wie Englisch zu Verzögerungen und Missverständnissen führen kann. Sollte der Ansprechpartner im Inland noch nicht einmal der englischen (und nicht der deutschen) Sprache mächtig sein, wäre eine unmittelbare und rasche Verständigung sogar noch schwieriger.
35. Zu Artikel 1 (§ 5 NetzDG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die Regelung des § 5 NetzDG-E weiter gefasst werden sollte. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass nicht lediglich - wie derzeit vorgesehen - die Pflicht zur Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten gegenüber der Verwaltungsbehörde, der Staatsanwaltschaft, sowie den im Bußgeld- und Zivilverfahren zuständigen Gerichten im konkreten Einzelfall vorgesehen werden sollte. Vielmehr sollten die Anbieter sozialer Netzwerke mit Wirkung für Jedermann und losgelöst vom Einzelfall verpflichtet werden, auf ihrer Homepage leicht auffindbar einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen.
Begründung:
Die Regelung des § 5 NetzDG-E sieht lediglich die Pflicht vor, im jeweiligen Fall gegenüber der Verwaltungsbehörde, der Staatsanwaltschaft, sowie den im Bußgeldverfahren und im Zivilverfahren zuständigen Gerichten einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten unverzüglich zu benennen.
Die vorgesehene Regelung geht - jedenfalls was das Zivilverfahren angeht - nicht nennenswert über die ohnehin schon in § 184 ZPO enthaltene Regelung zur Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten hinaus. Will etwa ein Betroffener eine einstweilige Verfügung beantragen, etwa weil der Anbieter des sozialen Netzwerks der Löschungsaufforderung nicht nachkommt, hat er keine Möglichkeit, eine Parteizustellung an einen Zustellungsbevollmächtigten im Inland vorzunehmen (§ 922 Absatz 2 i. V.m § 936 ZPO, § 181 ZPO), denn ihm gegenüber besteht nach der derzeitigen Fassung des Gesetzes keine Verpflichtung, einen derartigen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen. Es bleibt dem Betroffenen in diesem Fall nur eine eigene Auslandszustellung oder die Beantragung einer Auslandszustellung ( § 183 ZPO). Eine Auslandszustellung ist aber insbesondere außerhalb Europas mit oft ganz erheblichen Zeitverzögerungen und Problemen verbunden und auch innerhalb Europas muss mit spürbaren - und gerade in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht hinnehmbaren - Verzögerungen gerechnet werden. Darüber hinaus wäre auch im Rahmen außergerichtlicher Auseinandersetzungen mit dem Betreiber eines sozialen Netzwerks für Betroffene von "Hate Speech" die Benennung eines verbindlichen Ansprechpartners im Inland wünschenswert.
Vor diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll und angezeigt, die Unternehmen generell mit Wirkung für Jedermann dazu zu verpflichten, auf ihrer Homepage leicht auffindbar einen inländischen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen.
Hierfür sprechen zudem auch verfahrensökonomische Gesichtspunkte. Die Unternehmen müssen einen derartigen Bevollmächtigten auch nach dem derzeitigen Entwurf vorhalten. Sie müssen ihn aber immer wieder auf konkrete Nachfrage von Behörden und Gerichten in jedem Einzelfall erneut benennen und diese müssen ihn in jedem Einzelfall erfragen. Die einmalige und dauerhafte Benennung auf der eigenen Homepage würde daher auch für die betroffenen Behörden, Gerichte und Unternehmen selbst eine deutliche Vereinfachung bedeuten und Verwaltungsaufwand in jedem Einzelfall sparen.
36. Zu Artikel 1 (§ 6 Absatz 2 NetzDG)
In Artikel 1 ist in § 6 Absatz 2 die Angabe "drei" durch die Angabe "sechs" zu ersetzen.
Begründung:
Der Entwurf des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes stellt die nach dem Gesetz Verpflichteten und die für die Verfolgung der Ordnungswidrigkeiten zuständige Verwaltungsbehörde vor erhebliche organisatorische Herausforderungen. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der hohen Bußgeldbewehrung wäre es unbillig, den Betreibern sozialer Netzwerke für die Umsetzung der Anforderungen eine Frist von unter einem halben Jahr ab Inkrafttreten zu setzen.
37. Zu Artikel 2 (§ 14 Absatz 2 TMG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die geplante Änderung des § 14 Absatz 2 des Telemediengesetzes erforderlich ist und in Zusammenhang mit der Zielsetzung des Gesetzes steht.
Begründung:
Die Ausweitung des Auskunftsanspruchs gemäß § 14 Absatz 2 des Telemediengesetzes auf absolut geschützte Rechte ist angesichts ihrer Tragweite genau zu prüfen. Anders als das Netzwerkdurchsetzungsgesetz verpflichtet das Telemediengesetz alle Diensteanbieter. Dadurch droht eine faktische Abschaffung der Möglichkeit der anonymen und pseudonymen Meinungsäußerung im Internet. Dies wäre insbesondere vor dem Hintergrund anonymer Berichterstattung äußerst bedenklich, wodurch sich verfassungsrechtliche Fragestellungen ergeben können.