Der Bundesrat hat in seiner 885. Sitzung am 8. Juli 2011 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 (§ 7 Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 SGB IV)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob in § 7 Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 SGB IV nach den Wörtern "aus einem Wertguthaben nach § 7b" die Wörter "oder aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen" aufgenommen werden können.
Begründung:
Im Zusammenhang mit der zurückliegenden Wirtschafts- und Finanzkrise haben viele Unternehmen zur Vermeidung von Entlassungen und Sozialplankosten unterschiedliche Beschäftigungssicherungsmaßnahmen ergriffen. Dabei wurden häufig bestehende, nicht zweckgebundene Arbeitszeitkonten mit Zeitguthaben abgebaut oder es wurden bestehende Kontenvereinbarungen genutzt, um mit Minussalden Entlassungen zu vermeiden. Häufig kam es so zu Freistellungen von mehr als einem Monat Dauer.
Die Freistellung von mehr als einem Monat aus Zeitkonten, die keine Wertguthabenvereinbarungen im Sinne von § 7b SGB IV sind, führt jedoch zur Unterbrechung des sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses und somit auch zum Wegfall des Sozialversicherungsschutzes für die betroffenen Beschäftigten und deren Familien sowie der Beitragszahlung. Um diese - weder von den Arbeitgebern noch von den betroffenen Beschäftigten beabsichtigte - Konsequenz derartiger Freistellungen künftig zu vermeiden, erscheint eine entsprechende Ergänzung in § 7 Absatz 1a Satz 1 Nummer 1 SGB IV sinnvoll.
2. Zu Artikel 4 Nummer 2a - neu - (§ 34 Absatz 2 Satz 4 Nummer 3 - neu - SGB VI), Nummer 4a - neu - (§ 96a Absatz 1 Satz 4 Nummer 3 - neu - SGB VI), Nummer 27 (§ 302 Absatz 7 SGB VI), Nummer 28 (§ 313 Absatz 8 SGB VI)
Artikel 4 ist wie folgt zu ändern:
Begründung:
Die im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgesehene Vertrauensschutzregelung stellt langfristig keine befriedigende Lösung dar. Nach Ablauf der Übergangsfrist würde es wieder zu einer Kürzung von vorzeitigen Alters- und Erwerbsminderungsrenten kommen. Darüber hinaus würde eine Vertrauensschutzregelung für einen Personenkreis geschaffen (Bezieher von Renten, deren Rentenbeginn im Übergangszeitraum liegt), der mangels entsprechender Rentenleistungen bislang keinen Vertrauensschutz beanspruchen kann. Von daher sind in Artikel 4 die Nummern 27 und 28 zu streichen.
Zum Schutz des Ehrenamtes und aufgrund seiner besonderen gesellschaftlichen Bedeutung sollte die Übergangsregelung durch eine dauerhafte Regelung ersetzt werden. Diese sollte sich jedoch - um Ungleichbehandlungen zu vermeiden - auf alle ehrenamtlich Tätigen erstrecken. Dies wird mit der neu eingefügten Nummer 3 in § 34 Absatz 2 Satz 4 SGB VI erreicht.
3. Zu Artikel 4 Nummer 3 Buchstabe a ( § 69 Absatz 1 SGB VI)
In Artikel 4 Nummer 3 ist Buchstabe a zu streichen.
Begründung:
Nach der bisherigen Regelung soll die Bestimmung des zum 1. Juli des Jahres maßgebenden aktuellen Rentenwerts und des Ausgleichsbedarf bis zum 31. März des jeweiligen Jahres erfolgen. Die geplante Regelung sieht vor, dass die Bestimmung der Werte künftig erst zum 30. Juni des jeweiligen Jahres erfolgen soll. Die zeitliche Vorverlagerung der Bestimmung dieser Werte würde damit entfallen.
Mit der geplanten Regelung würde für die Rentenversicherungsträger kein zeitlicher Spielraum mehr für die Vorbereitung der anstehenden Rentenanpassungen bestehen. Rentenanpassungen könnten damit regelmäßig erst rückwirkend vorgenommen werden. Dies ist für Rentenversicherungsträger und Rentenbezieher gleichermaßen unbefriedigend. Die geplante Regelung ist daher abzulehnen.
4. Zu Artikel 4 Nummer 11 (§ 176 Überschrift, Absatz 3 Satz 2 SGB VI), Nummer 12 (§ 179 Absatz 1 SGB VI), Nummer 14 (§ 220 Absatz 1 Satz 3 SGB VI)
In Artikel 4 sind die Nummern 11, 12 und 14 zu streichen.
Folgeänderungen:
- a) In Artikel 4 Nummer 1 ist Buchstabe c zu streichen.
- b) In Artikel 23 ist Absatz 3 zu streichen.
Begründung:
Mit der beabsichtigten Änderung der Regelung über die Erstattungspflicht des Bundes für Rentenversicherungsbeiträge behinderter Menschen in anerkannten Werkstätten für behinderte Menschen ( § 179 SGB VI) sollen die Kosten für die rentenrechtliche Absicherung der im Eingangs- und Berufsbildungsbereich tätigen behinderten Menschen rückwirkend zum 1. Januar 2008 auf die Sozialversicherungsträger übergehen. Es handelt sich um eine unsachgemäße Verschiebung finanzieller Lasten vom Steuerzahler zum Beitragszahler, mit der jährliche Mehrausgaben für die Bundesagentur für Arbeit in Höhe von 120 Millionen Euro und für die gesetzliche Rentenversicherung in Höhe von 32,5 Millionen Euro entstehen.
Die Eingliederung und soziale Absicherung behinderter Menschen ist als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu verstehen und daher aus Steuermitteln zu finanzieren. Sie ist nicht mehr ein Akt der Fürsorge, sondern mit der Ratifizierung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen durch die Bundesrepublik Deutschland ein verbrieftes Menschenrecht geworden.
Das Bayerische Landessozialgericht hatte mit Urteil vom 25. Februar 2010 (L 10 AL 225/ 08) entschieden, dass die bisherige Erstattungspraxis in Übereinstimmung mit dem erklärten gesetzgeberischen Willen steht. Das Urteil ist nach der Zurückweisung der Nichtzulassungsbeschwerde rechtskräftig geworden. Die nunmehr entgegen dieser Entscheidung beabsichtigte Rechtsänderung zu einer über 30 Jahre lang vollzogenen gesetzeskonformen Erstattungspraxis entspricht nicht der ursprünglichen Intention nach einer über das Arbeitsentgelt hinausgehenden gesetzlich festgelegten Mindestabsicherung der in WfbM tätigen behinderten Menschen, die seit jeher durch staatliche Mittel finanziert war.
Zu streichen sind außerdem die im Gesetzentwurf als Folgeregelung vorgenommenen Änderungen in § 176 Absatz 3 und § 220 Absatz 1 SGB VI-E sowie die Angabe zu § 176 in der Inhaltsübersicht und die Regelung für den abweichenden Zeitpunkt des Inkrafttretens.
5. Zu Artikel 4 Nummer 13a - neu - ( § 218 SGB VI)
In Artikel 4 ist nach Nummer 13 folgende Nummer einzufügen:
'13a. § 218 wird wie folgt gefasst:
" § 218 Altersrückstellungen
Die Träger der Rentenversicherung sind berechtigt, nach versicherungsmathematischen Grundsätzen Altersrückstellungen für die bei ihnen beschäftigten Beamtinnen und Beamten zu bilden. Die Altersrückstellungen können Versorgungsausgaben für Versorgungsbezüge und Beihilfen umfassen. Für die Altersrückstellungen finden die Vorschriften nach diesem Buch über die Verwaltung und die Anlage der Nachhaltigkeitsrücklage keine Anwendung. Die Rückstellungen dürfen nur zweckentsprechend verwendet werden." '
Folgeänderung:
In Artikel 4 Nummer 1 ist nach Buchstabe c folgender Buchstabe einzufügen:
'c1. Die Angabe zu § 218 wird wie folgt gefasst:
" § 218 Altersrückstellungen" '
Begründung:
Die Beamtenversorgung wird nicht nur - wie alle Alterssicherungssysteme - durch die demographische Entwicklung vor große Herausforderungen gestellt, sondern insbesondere durch die Folgen der starken Ausweitung des öffentlichen Dienstes seit etwa 1970. Die Versorgungsausgaben für die Beamtinnen und Beamten der Rentenversicherungsträger sowie deren Hinterbliebene werden regelmäßig aus dem laufenden Haushalt des jeweiligen Trägers gezahlt.
Daher ist es sinnvoll und notwendig, den Trägern der Deutschen Rentenversicherung die Bildung von Altersrückstellungen für die Versorgung der bei ihnen beschäftigten Beamtinnen und Beamten zu ermöglichen, um die Haushaltsbelastungen durch steigende Versorgungsleistungen nachhaltig zu vermindern. Bei den bundesunmittelbaren Rentenversicherungsträgern (DRV Bund und DRV Knappschaft-Bahn-See) besteht wie in der gesamten Bundesverwaltung einschließlich aller bundesunmittelbaren Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts bereits seit 1. Januar 2007 die Verpflichtung, für neu eingestellte Beamtinnen, Beamte, Richterinnen, Richter usw. Zuweisungen an das Sondervermögen "Versorgungsfonds des Bundes" zu bilden. Ähnlich wird mittlerweile in vielen Länderverwaltungen verfahren. Soweit es sich aber hierbei um Rückstellungen handelt, die über die bereits seit 1999 von Bund, allen Ländern und allen dienstherrnfähigen juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu bedienenden Sondervermögen "Versorgungsrücklage" i.S.d. § 14a BBesG hinaus gehen, sind diese Rückstellungen den landesunmittelbaren Rentenversicherungsträger mangels bundesgesetzlicher Grundlage im Bereich ihres speziellen Vermögensrechts bislang nicht möglich. Aus der Versorgungsrücklage i.S.d. § 14a BBesG allein können jedoch lediglich Ausgaben in der Größenordnung um zwei bis vier Prozent der zu erwartenden Versorgungsaufwendungen für die Beamtinnen und Beamten der Regionalträger bestritten werden.
Deshalb ist eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich, damit eine langfristige Bildung eines Sondervermögens (über die damals noch bundesgesetzlich als lex specialis geschaffene Versorgungsrücklage hinaus) dem in der Rentenversicherung vorherrschenden Grundsatz der liquiden Anlage der Nachhaltigkeitsrücklage ( § 217 SGB VI) nicht widerspricht.
Dabei soll bewusst offen bleiben, wo die Rückstellungen gesammelt und verwaltet werden. So sind grundsätzlich separate Sondervermögen bei jedem einzelnen Regionalträger, gemeinsame Sondervermögen mehrerer Träger oder die Beteiligung an den Sondervermögen der jeweiligen Länder denkbar. Bezüglich Anlagestrategie, -risiko und -sicherheit solcher Sondervermögen sind die Rentenversicherungsträger an den sicherheitsorientierten Anlagekatalog des § 83 SGB IV gebunden.
6. Zu Artikel 4 Nummer 20 ( § 255b Absatz 1 SGB VI)
In Artikel 4 ist Nummer 20 zu streichen
Begründung:
Nach der bisherigen Regelung soll die Bestimmung des zum 1. Juli des Jahres maßgebenden aktuellen Rentenwerts (Ost) und des Ausgleichsbedarfs (Ost) bis zum 31. März des jeweiligen Jahres erfolgen. Die geplante Regelung sieht vor, dass die Bestimmung der Werte künftig erst zum 30. Juni des jeweiligen Jahres erfolgen soll. Die zeitliche Vorverlagerung der Bestimmung dieser Werte würde damit entfallen.
Mit der geplanten Regelung würde für die Rentenversicherungsträger kein zeitlicher Spielraum mehr für die Vorbereitung der anstehenden Rentenanpassungen bestehen. Rentenanpassungen könnten damit regelmäßig erst rückwirkend vorgenommen werden. Dies ist für Rentenversicherungsträger und Rentenbezieher gleichermaßen unbefriedigend. Die geplante Regelung ist daher abzulehnen.
7. Zu Artikel 5 Nummer 1 Buchstabe a - neu - (§ 2 Absatz 1 Nummer 8 Buchstabe a SGB VII)
Artikel 5 Nummer 1 ist wie folgt zu fassen:
'1. § 2 Absatz 1 wird wie folgt geändert:
- a) In Nummer 8 Buchstabe a wird das Wort "sowie" gestrichen und die Wörter " § 23 des Achten Buches," werden durch die Wörter " § 23 des Achten Buches sowie während der Teilnahme an vorschulischen Sprachförderungskursen," ersetzt.
- b) Nummer 14 wird ... <weiter wie Vorlage> ...'
Begründung:
Ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache sind Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Bildungsweg.
Zur Förderung von Kindern, die nicht über hinreichende Deutschkenntnisse verfügen, gibt es vorschulische Sprachförderungskurse. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise kann das Schulamt gemäß § 36 Absatz 2 Satz 2 Schulgesetz die Kinder, bei denen nicht hinreichende Kenntnisse der deutschen Sprache festgestellt werden, zur Teilnahme an solchen Kursen verpflichten.
Nach der Rechtsauslegung der Unfallversicherungsträger sind diese Kinder unversichert, wenn sie die Sprachförderung außerhalb einer Tageseinrichtung erhalten.
Mit der vorgeschlagenen Änderung soll diese Regelungslücke geschlossen werden. Kinder, die an Sprachfördermaßnahmen teilnehmen, sollen generell in den Schutz der Unfallversicherung einbezogen werden. Der Unfallversicherungsschutz soll unabhängig davon gewährt werden, ob die Teilnahme am Kurs aufgrund einer Verpflichtung des Schulamtes oder aufgrund einer freiwilligen Entscheidung der Eltern erfolgt.
8. Zu Artikel 8 Nummer 2a - neu - ( § 12 Absatz 5 SGG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zu prüfen, ob nach der Einfügung des § 6b BKGG durch Artikel 5 Nummer 4 des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453) in § 12 Absatz 5 SGG eine Regelung aufzunehmen ist, aus welchen Kreisen die ehrenamtlichen Richter bestimmt werden sollen.
Begründung:
§ 12 SGG, der in Absatz 1 die Besetzung der Kammern des Sozialgerichts mit einem Vorsitzenden und zwei ehrenamtlichen Richtern als Beisitzern und in den Absätzen 2 bis 5 die Zuordnung der ehrenamtlichen Richter zu den in die Zuständigkeit der Sozialgerichtsbarkeit fallenden Angelegenheiten regelt, verhält sich in Absatz 5 lediglich zu den Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Streitigkeiten aufgrund von § 6a BKGG. Dessen Gegenstand ist der Kinderzuschlag, eine finanzielle Leistung der bei der Bundesagentur für Arbeit angesiedelten Familienkasse an Eltern, die aufgrund der Bedarfe ihrer Kinder hilfebedürftig im Sinne des SGB II werden. Eine Zuordnung ehrenamtlicher Richter zu Streitigkeiten aufgrund von § 6b BKGG fehlt. Dieser sieht Leistungen für Bildung und Teilhabe für Kinder vor, für die Eltern den Kinderzuschlag oder Wohngeld beziehen. Die Leistungen für Bildung und Teilhabe entsprechen den Leistungen zur Deckung der Bedarfe nach § 28 Absatz 2 bis 7 SGB II.
Aufgrund der Sachnähe zum SGB II erscheint eine Herkunft der ehrenamtlichen Richter aus den Vorschlagslisten der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber denkbar, die gemäß § 12 Absatz 5 Satz 1 SGG in den Kammern für Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende einschließlich der Streitigkeiten aufgrund von § 6a BKGG und der Arbeitsförderung mitwirken.
Vertretbar erscheint aber auch eine Herkunft der ehrenamtlichen Richter aus den Vorschlagslisten der Kreise und der kreisfreien Städte entsprechend § 12 Absatz 5 Satz 2 SGG, da gemäß § 7 Absatz 3 BKGG Träger der Leistung nach § 6b BKGG nicht die Bundesagentur für Arbeit - Familienkasse - ist, sondern die Länder sind.
9. Zu Artikel 8 Nummer 2a - neu - (§ 14 Absatz 3 Satz 1 SGG), Nummer 4a - neu - ( § 71 Absatz 5 SGG)
Artikel 8 ist wie folgt zu ändern:
- a) Nach Nummer 2 ist folgende Nummer 2a einzufügen:
'2a. In § 14 Absatz 3 Satz 1 werden das Wort "oder" nach dem Wort "Landesversorgungsämtern" durch ein Komma, die Wörter "deren Aufgaben" durch die Wörter "die Aufgaben des Landesversorgungsamtes" ersetzt und nach dem Wort "sind," die Wörter "oder nach Maßgabe des Landesrechts von anderen Stellen" eingefügt.'
- b) Nach Nummer 4 ist folgende Nummer 4a einzufügen:
'4a. In § 71 Absatz 5 werden das Wort "oder" durch ein Komma, die Wörter "dessen Aufgaben" durch die Wörter "die Aufgaben des Landesversorgungsamtes" ersetzt und nach dem Wort "sind," die Wörter "oder nach Maßgabe des Landesrechts von anderen Stellen" eingefügt.'
Begründung:
Nach § 14 Absatz 3 Satz 1 SGG werden für die Kammern für Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts und des Schwerbehindertenrechts Vorschlagslisten für die mit dem sozialen Entschädigungsrecht oder dem Recht der Teilhabe behinderter Menschen vertrauten Personen von den Landesversorgungsämtern oder den Stellen, denen deren Aufgaben übertragen worden sind, aufgestellt. Gemäß § 35 Absatz 1 Satz 2 SGG gilt unter anderem § 14 SGG auch für die Bestellung von ehrenamtlichen Richtern beim Landessozialgericht. § 71 Absatz 5 SGG bestimmt, dass in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts und des Schwerbehindertenrechts das Land durch das Landesversorgungsamt oder durch die Stelle, der dessen Aufgaben übertragen worden sind, vertreten wird.
Diese prozessrechtlichen Regelungen knüpfen damit an eine Verwaltungsstruktur an, die allerdings zum Teil, so etwa in Nordrhein-Westfalen, nicht mehr besteht. Nachdem z.B. in Nordrhein-Westfalen schon im Jahr 2000 das Landesversorgungsamt aufgelöst wurde, wurden mit Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zur Straffung der Behördenstruktur in Nordrhein-Westfalen vom 30. Oktober 2007 wiederum die Versorgungsämter aufgelöst und die Aufgaben des Schwerbehindertenrechts den Kreisen und kreisfreien Städten sowie die des sozialen Entschädigungsrechts den Landschaftsverbänden übertragen. Das Straffungsgesetz hob darüber hinaus die Regelung des Gesetzes vom 9. Mai 2000 auf, mit dem die dem Landesversorgungsamt durch Gesetze und Rechtsverordnungen übertragenen Aufgaben auf die Bezirksregierung Münster übertragen wurden. In Nordrhein-Westfalen bestehen damit weder ein Landesversorgungsamt noch eine Stelle, der die Aufgaben des Landesversorgungsamtes übertragen worden sind.
§ 14 Absatz 3 Satz 1 und § 71 Absatz 5 SGG sollten durch eine offene, die nähere Ausgestaltung durch die jeweiligen Länder ermöglichende Formulierung der Änderung der Verwaltungsstrukturen in den Ländern Rechnung tragen.
10. Zu Artikel 8 Nummer 5a - neu - (§ 102 Absatz 2a - neu - SGG), Nummer 7 (§ 156 Absatz 3 - neu - SGG)
Artikel 8 ist wie folgt zu ändern:
- a) Nach Nummer 5 ist folgende Nummer 5a einzufügen:
'5a. Nach § 102 Absatz 2 wird folgender Absatz 2a eingefügt:
(2a) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so gilt ein noch anhängiger Antrag auf Prozesskostenhilfe als erledigt, sofern nicht
- 1. der Kläger spätestens bei Eintritt der Erledigungswirkung widerspricht oder
- 2. der Rücknahme der Klage eine vollständige oder teilweise Abhilfe des Klagebegehrens vorausgegangen ist.
Der Kläger ist auf die Rechtsfolge nach Satz 1 hinzuweisen." '
- b) Nummer 7 ist wie folgt zu fassen:
'7. § 156 wird wie folgt geändert:
- a) Nach Absatz 1 werden folgende Absätze 2 und 3 eingefügt:
- (2) <wie Gesetzentwurf>
- (3) Ist die Berufung zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so gilt § 102 Absatz 2a entsprechend."
- b) Der bisherige Absatz 2 wird Absatz 4.'
Begründung:
In vielen Fällen werden Klagen zurückgenommen und keine Aussagen zu noch offenen Prozesskostenhilfeverfahren getroffen. Dies verursacht einen nicht unerheblichen Aufwand an Arbeitszeit bei Geschäftsstellen und Richtern. Hier sollte mit der Klagerücknahme auch das Prozesskostenhilfeverfahren beendet werden. Entsprechendes gilt für die fiktive Klagerücknahme: Nicht selten werden auch von anwaltlich vertretenen Klägern, die Prozesskostenhilfe beantragt haben, Verfahren nicht betrieben. Wenn in solchen Fällen unter den Voraussetzungen des § 102 Absatz 2 Satz 1 SGG schon die Klage als zurückgenommen gilt, sollte dies auch für den Prozesskostenhilfeantrag gelten. Eine vergleichbare Problemlage stellt sich auch im Hinblick auf Prozesskostenhilfeverfahren im Berufungsverfahren.
Die Gemeinsame Kommission der Konferenz der Justizministerinnen und -minister (JuMiKo) und der Konferenz der Arbeits- und Sozialminister (ASMK) hat deshalb im Rahmen ihres Berichts zur Erarbeitung von Änderungsvorschlägen auf dem Gebiet des Sozialrechts vom 27. Oktober 2010 einen konkreten Gesetzgebungsvorschlag zur Erstreckung der Klagerücknahme auf ein gleichzeitig noch anhängiges Prozesskostenhilfeverfahren vorgestellt. Der vorliegende Antrag entspricht weitestgehend diesem Vorschlag. Zusätzlich sieht er eine Erstreckung der Rücknahmevermutung auf Prozesskostenhilfeverfahren im Berufungsverfahren vor.
Zu Buchstabe a:
§ 102 Absatz 2a SGG-E sieht vor, dass sich sowohl die Erledigungswirkung der Klagerücknahme nach Absatz 1 als auch der fiktiven Klagerücknahme nach Absatz 2 auf ein noch anhängiges Prozesskostenhilfeverfahren erstrecken, sofern der Kläger nicht widerspricht oder der Klagerücknahme nicht die vollständige oder teilweise Abhilfe des Klagebegehrens vorausgegangen ist. Über anhängige Prozesskostenhilfeanträge, deren Hauptsacheverfahren durch Klagerücknahme oder durch fiktive Klagerücknahme erledigt sind, muss nicht mehr entschieden werden. Um zu verhindern, dass die Hauptsache (zum Beispiel bei geänderter Sachlage oder nach entsprechender Aufklärung) nicht zurückgenommen wird, weil sich der Kläger noch eine positive Prozesskostenhilfeentscheidung erhofft, wird lediglich eine Rücknahmevermutung geregelt, die durch eine ausdrückliche andere Erklärung spätestens bei der Klagerücknahme oder bis zum Ablauf der Frist nach § 102 Absatz 2 Satz 1 SGG (Eintritt der Erledigungswirkung) widerlegt werden kann.
Eine Ausnahme von der Rücknahmevermutung ist weiterhin in den Fällen geboten, in denen der Rücknahme der Klage eine vollständige oder teilweise Abhilfe des Klagebegehrens vorausgegangen ist. Wenn dem Klagebegehren vollständig oder teilweise abgeholfen worden ist (z.B. durch bewilligenden Verwaltungsakt) ohne ausdrücklich ein Anerkenntnis zu erklären, besteht die Gefahr, dass die Kläger die ganz oder teilweise unzulässig gewordene Klage zurücknehmen, statt den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt zu erklären. In diesen Fällen wäre es unbillig, den Kläger dem Risiko auszusetzen, dass ein noch anhängiger Antrag auf Prozesskostenhilfe ebenfalls als erledigt gilt, wenn dem nicht ausdrücklich widersprochen wurde.
Durch die Hinweispflicht des Gerichts ist sichergestellt, dass der Kläger über die Rechtsfolgen sowohl der ausdrücklichen als auch der fiktiven Klagerücknahme hinsichtlich eines Prozesskostenhilfeverfahrens informiert ist.
Zu Buchstabe b:
Die Erstreckung der Rücknahmevermutung auch auf Prozesskostenhilfeanträge im Falle einer Berufungsrücknahme bzw. der nunmehr vorgesehenen Rücknahmefiktion (vgl. § 156 Absatz 2 SGG-E) ist aufgrund der Vergleichbarkeit der Problemlagen geboten.
11. Zu Artikel 13a - neu - (§ 24 Absatz 1 Satz 3 - neu - KSVG)
Nach Artikel 13 ist folgender Artikel einzufügen:
'Artikel 13a
Änderung des Gesetzes über die Sozialversicherung der selbständigen
Künstler und Publizisten (Künstlersozialversicherungsgesetz - KSVG)
In § 24 Absatz 1 des Gesetzes über die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten vom 27. Juli 1981 (BGBl. I S. 705), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird folgender Satz angefügt:
"Satz 1 Nummer 9 gilt nicht für ehrenamtliche Musikvereine, soweit für sie Musiklehrer in der Nachwuchsausbildung des Vereins tätig sind."'
Begründung:
In der Praxis mehren sich Fälle, in denen nicht kommerzielle Musikvereine, insbesondere ehrenamtlich geführte Jugendmusikkapellen, im Zusammenhang mit ihrer Nachwuchsausbildung zur Künstlersozialversicherungsabgabe nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) herangezogen werden. Bei den hier im Raum stehenden Nachzahlungsforderungen für bis zu fünf Jahre sieht sich mancher Verein vom finanziellen Ruin bedroht. Dies ist mit dem notwendigen ehrenamtlichen Engagement und mit der überaus wünschenswerten Integration von Kindern und Jugendlichen in Musikvereine und Gesellschaft sowie dem Gedanken der Brauchtumspflege nicht vereinbar.
Mit der Rechtsänderung soll bewirkt werden, dass die zwischen der Bundesvereinigung Deutscher Musikverbände und der Künstlersozialkasse vereinbarten sogenannten Berliner Kriterien entgegen dem teilweise anders interpretierten Urteil des Bundessozialgerichts vom 20. November 2008 (B 3 KS 5/07 R) wieder Anwendung finden und Rechtssicherheit hergestellt wird. Demnach sollen Musikvereine dann nicht zu einer Abgabe nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz verpflichtet sein, wenn
- - die musikalische Ausbildung nur zum Nachwuchs für das eigene Orchester betrieben wird (und zwar unabhängig davon wie viele Musiker der Verein ausbildet); - nur für Instrumente ausgebildet wird, die das Orchester benötigt;
- - keine eigene Organisationsstruktur für den Bereich der musikalischen Ausbildung unterhalten wird (z.B. eigene Abteilung, eigener Briefbogen); -nur Vereinsmitglieder ausgebildet werden;
- - die Einnahmen aus den Gebühren für die Ausbildung unter den Gesamtkosten liegen (d.h. der Verein leistet regelmäßig einen Zuschuss zu den Gesamtkosten der musikalischen Ausbildung).
Damit bleiben ehrenamtliche Musikvereine abgabefrei, soweit ihre Nachwuchsausbildung nicht einer gewerblichen Musikschule gleichkommt.
Der Bundesrat hat bereits einen gleichlautenden Beschluss zum KSVG gefasst (BR-Drucksache 152/10(B) ). Die Bundesregierung hat dem Anliegen allerdings unter Verweis auf eine laufende aufsichtsrechtliche Prüfung durch das Bundesversicherungsamt nicht entsprochen (vgl. BT-Drucksache 17/1684). Das erzielte Ergebnis ist jedoch nicht ausreichend. Hiernach sind nur Vereine mit bis zu 20 Schülern grundsätzlich nicht abgabepflichtig. Bei bis zu 60 Schülern wird die Abgabepflicht grundsätzlich nur verneint, wenn der Verein keinem Ausbilder mehr als die sogenannte Übungsleiterpauschale (2 100 Euro per anno) zahlt. Mit der Orientierung der Abgabepflicht an der Zahl der Musikschüler ist eine zufrieden stellende Verbesserung für Laienmusikvereine nicht erreicht. Gerade im ländlichen Raum stellen Musikvereine faktisch keine Konkurrenz zu öffentlichen und anderen privaten Musikschulen dar; vielmehr bieten sie oft die einzige Möglichkeit der Musikbildung vor Ort. Die Grenze von 20 Musikschülern ist damit zu niedrig angesetzt. Um eine tatsächliche Entlastung für nicht kommerzielle Musikvereine zu erreichen und deren ehrenamtliches Engagement in der Nachwuchsausbildung nicht zu gefährden, ist das Anliegen erneut aufzugreifen.
12. Zu Artikel 14 (§ 7 EntschRG)
Artikel 14 ist zu streichen.
Begründung:
Mit der beabsichtigten Streichung des § 7 EntschRG würde die Erstattung der Aufwendungen, die der Deutschen Rentenversicherung durch die Ausführung des Entschädigungsrentengesetzes entstehen, ab dem 1. Januar 2012 entfallen.
Bei den nach dem Einigungsvertrag weiter zu leistenden sogenannten "VVN-Renten" an Opfer des Nationalsozialismus oder deren Hinterbliebene im Beitrittsgebiet handelt es sich nicht um eine Leistung der gesetzlichen Rentenversicherung. Vielmehr hat der Bund gemäß der Bestimmung im Einigungsvertrag die Weiterzahlung der auch in der DDR aus staatlichen Mitteln finanzierten Leistung übernommen. Der Bundesgesetzgeber hat diese Leistung durch das Entschädigungsrentengesetz neu geregelt und die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, jetzt Deutsche Rentenversicherung Bund, mit der Ausführung des Gesetzes beauftragt.
Die Bereinigung von nationalsozialistischem Unrecht ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, deren Kosten nicht nur den Mitgliedern der Sozialversicherung aufgebürdet werden sollte. Es handelt sich bei den Entschädigungsleistungen nach diesem Gesetz eindeutig um eine Kriegsfolgelast, für die nach Artikel 120 GG der Bund die Aufwendungen zu tragen hat. Das wird im Übrigen belegt durch die Zielstellung des damaligen Gesetzgebers (vgl. BT-Drucksache 012/1790), unter Wahrung des Besitzstandes künftig eine Gleichbehandlung von Opfern des Nationalsozialismus in den alten und neuen Bundesländern zu erreichen, sowie durch die verschiedentliche Bezugnahme auf das Bundesentschädigungsgesetz (BEG), z.B. in § 2 Absatz 3 (Dynamisierung), § 3 Absatz 3 (Ausschluss bei Leistungen nach dem BEG), § 8 Absatz 1 des Entschädigungsrentengesetzes (Anknüpfung an den Personenkreis nach § 1 BEG).
Die Kosten sind daher wie bisher vom Bund zu tragen.