Der Bundesrat wird über die Vorlage gemäß § 2 EUZBLG auch durch die Bundesregierung unterrichtet.
Hinweis: vgl. Drucksache 030/03 (PDF) = AE-Nr. 030115,
AE-Nr. 090522
Brüssel, den 9.7.2014 - COM (2014) 449 final Weissbuch
Eine wirksamere EU-Fusionskontrolle (Text von Bedeutung für den EWR)
{SWD(2014) 217 final}
{SWD(2014) 218 final}
{SWD(2014) 221 final}
Weissbuch
Eine wirksamere EU-Fusionskontrolle (Text von Bedeutung für den EWR)
1. Einführung
- 1. Zehn Jahre nach der gründlichen Überarbeitung der EU-Fusionskontrollverordnung1 im Jahr 2004 zieht die Kommission in diesem Weißbuch die Bilanz aus der Anwendung des materiellrechtlichen Kriteriums der erheblichen Behinderung wirksamen Wettbewerbs (significant impediment of effective competition - SIEC) und liefert einen Überblick darüber, wie die Konvergenz und die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten wie auch unter den Mitgliedstaaten weiter gefördert werden könnten. Ferner schlägt sie konkrete Änderungen vor, durch die die EU-Fusionskontrolle wirksamer werden soll.
- 2. Die Vorschläge betreffen vor allem zwei Bereiche:
- - Zum einen soll sichergestellt werden, dass mit der Fusionskontrollverordnung alle Ursachen von Schaden, der für den Wettbewerb und damit auch für die Verbraucher durch einen Zusammenschluss oder eine Unternehmensumstrukturierung entstehen könnte, bekämpft werden, einschließlich derjenigen, die sich aus dem Erwerb nichtkontrollierender Minderheitsbeteiligungen ergeben könnten.
- - Zum andern soll ermittelt werden, wie eine enge Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den nationalen Wettbewerbsbehörden sowie eine geeignete Aufgabenverteilung im Bereich der Fusionskontrolle am besten gewährleistet werden können, indem insbesondere die Vorschriften für die Verweisung von Fusionskontrollsachen von den Mitgliedstaaten an die Kommission und umgekehrt gestrafft werden.
- 3. Dem Weißbuch ist eine Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen beigefügt, in der die im Weißbuch dargelegten Erwägungen und wettbewerbspolitischen Vorschläge ausführlicher analysiert werden. Beigefügt sind ferner eine Folgenabschätzung, in der die möglichen Vorteile und Kosten der verschiedenen Optionen geprüft werden, sowie eine Zusammenfassung dieser Folgenabschätzung. Die Stellungnahmen der Interessenträger wurden in einer öffentlichen Konsultation2 eingeholt und sind in dieses Weißbuch und die Arbeitsunterlage eingeflossen.
2. MATERIELLRECHTLICHE Prüfung von UNTERNEHMENSZUSAMMENSCHLÜSSEN NACH der Reform der FUSIONSKONTROLLVERORDNUNG IM JAHR 2004
- 4. Seit dem Erlass der ersten Fusionskontrollverordnung 1989 hat sich die EU-Fusionskontrolle zu einem der wichtigsten Pfeiler des EU-Wettbewerbsrechts entwickelt. Ihre wesentlichen Bestandteile sind inzwischen fest etabliert. Mit der 2004 erlassenen neugefassten Fusionskontrollverordnung wurde die Fusionskontrolle auf EU-Ebene in mancher Hinsicht gestärkt, insbesondere durch die Einführung des SIEC-Tests als relevantes Kriterium für die Prüfung von Zusammenschlüssen und durch die Verbesserung der Möglichkeiten für eine Verweisung von Fusionskontrollsachen von den Mitgliedstaaten an die Kommission und umgekehrt.
- 5. Die EU-Fusionskontrolle leistet einen wichtigen Beitrag zum Funktionieren des Binnenmarkts, indem sie ein harmonisiertes Regelwerk für Zusammenschlüsse und Unternehmensumstrukturierungen bereitstellt und gewährleistet, dass der Wettbewerb und damit auch die Verbraucher nicht durch wirtschaftliche Konzentration auf dem Markt geschädigt werden. Wie die jüngsten Erfahrungen zeigen, haben die zunehmende Globalisierung der Wirtschaft und die Vertiefung des Binnenmarkts dazu geführt, dass sich die EU-Fusionskontrolle immer stärker auf grenzübergreifende Fälle und Fälle mit Auswirkungen auf die europäische Wirtschaft konzentriert.
- 6. Die große Mehrheit der von der Kommission geprüften Zusammenschlüsse gibt keinen Anlass zu wettbewerbsrechtlichen Bedenken und wird nach dem Vorprüfverfahren ("Phase I") genehmigt. In weniger als 5 % der Fälle wird wegen Bedenken, die sich in Phase I ergeben haben, ein eingehendes Prüfverfahren ("Phase II") eingeleitet. Bei rund 5-8 % aller angemeldeten Zusammenschlüsse äußert die Kommission Bedenken, dass durch den Zusammenschluss wirksamer Wettbewerb behindert werden könnte. Solche Bedenken werden meist durch Abhilfemaßnahmen ausgeräumt, die von den beteiligten Unternehmen (in Phase I oder in Phase II) angeboten werden. Die Kommission hat seit 1990 nur 24 Zusammenschlüsse und seit 2004 nur 6 Zusammenschlüsse verboten, also erheblich weniger als 1 % der mehr als 5000 angemeldeten Zusammenschlüsse.
2.1. Materiellrechtliche Würdigung
- 7. Die wichtigste Änderung, die mit der Reform von 2004 an der Fusionskontrollverordnung vorgenommen wurde, war die Einführung des SIECTests
- 3. Bei diesem Test wird nach wie vor davon ausgegangen, dass sich erhebliche Behinderungen wirksamen Wettbewerbs vor allem aus der Begründung oder Stärkung einer marktbeherrschenden Stellung ergeben. Dadurch ermöglicht es der Test, weiter auf der Beschlusspraxis der Kommission und der Rechtsprechung der Unionsgerichte aufzubauen.
- 8. Bei der Untersuchung der Auswirkungen eines angemeldeten Zusammenschlusses auf den Wettbewerb prüft die Kommission nach wie vor, ob durch den Zusammenschluss wirksamer Wettbewerb im Binnenmarkt oder in einem wesentlichen Teil desselben erheblich behindert würde. Insbesondere bemüht sich die Kommission zu ermitteln, ob der Zusammenschluss eine beherrschende Stellung begründen oder verstärken würde.
- 9. Zudem sollte mit dem SIEC-Test eine mögliche Durchsetzungslücke geschlossen werden, da davon ausgegangen wurde, dass der vorher angewandte Test die wahrscheinlichen wettbewerbswidrigen Auswirkungen eines Zusammenschlusses zweier Unternehmen auf einem oligopolistischen Markt nicht eindeutig erfasste, wenn das aus dem Zusammenschluss hervorgegangene Unternehmen keine beherrschende Stellung erlangte.4 Mit der Einführung des SIEC-Tests wurde diese Unsicherheit beseitigt und der Kommission eine umfassendere wirtschaftliche Analyse komplexer Zusammenschlüsse ermöglicht. Bei der Prüfung wird eine Kombination qualitativer und, soweit verfügbar, quantitativer/empirischer Nachweise herangezogen.5
- 10. In den meisten Fällen hat die Kommission geprüft, welche wettbewerbswidrigen Auswirkungen ein Zusammenschluss zweier auf demselben Markt tätiger Unternehmen ohne eine Koordinierung mit anderen Wettbewerbern haben könnte ("nichtkoordinierte Effekte"). Wesentlich seltener wurde untersucht, ob sich durch einen Zusammenschluss die Gefahr einer Koordinierung zwischen dem zusammengeschlossenen Unternehmen und anderen Unternehmen erhöhen würde ("koordinierte Effekte")6 oder ob ein Zusammenschluss zwischen Unternehmen, die auf vertikal7 oder eng miteinander verbundenen Märkten8 tätig sind, zur Abschottung des Marktes gegenüber Wettbewerbern führen würde ("vertikale Effekte" bzw. "konglomerate Effekte").
- 11. Seit 2004 hat die Kommission den SIEC-Test in einer Vielzahl von Fällen angewandt. So hat sie in der Sache Western Digital/Hitachi eine geplante Übernahme auf dem Markt für Festplattenlaufwerke geprüft. Durch den Zusammenschluss hätte sich die Zahl der Wettbewerber in der Festplattenlaufwerkbranche von 4 auf 3 und auf dem Markt für 3,5-ZollFestplattenlaufwerke von 3 auf 2 verringert. Nach einer Analyse der kombinierten quantitativen und qualitativen Nachweise gelangte die Kommission zu dem Ergebnis, dass unter den gegebenen Umständen wirksamer Wettbewerb wahrscheinlich erheblich behindert würde, wenn Hitachi den Markt verließe.9
- 12. Um ihre Prüfung von Zusammenschlüssen mithilfe des neuen Tests transparenter und berechenbarer zu machen, hat die Kommission zwei Leitlinienmitteilungen veröffentlicht, die einen soliden wirtschaftlichen Rahmen für die Analyse horizontaler10 bzw. nichthorizontaler (d.h. vertikaler oder konglomerater) Zusammenschlüsse11 bilden ("Leitlinien").12
- 13. In den Leitlinien wird ferner im Einklang mit Erwägungsgrund 29 der Fusionskontrollverordnung erläutert, dass ein Zusammenschluss zu Effizienzvorteilen führen kann, die seine schädlichen Auswirkungen auf den Wettbewerb und damit den Schaden für die Verbraucher ausgleichen. Wenn die an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen Effizienzvorteile geltend machen, werden diese von der Kommission berücksichtigt, sofern sie nachprüfbar und durch den betreffenden Zusammenschluss bedingt sind und ihre Weitergabe an die Verbraucher wahrscheinlich ist. So konnten in der Sache UPS/TNT Express wettbewerbsrechtliche Bedenken in Bezug auf einige (wenn auch nicht alle) Mitgliedstaaten unter anderem auf der Grundlage von Effizienzerwägungen ausgeräumt werden. 13 In der Sache Nynas/Harburg untermauerten die bewirkten Effizienzvorteile die Schlussfolgerung, dass der Zusammenschluss für die Verbraucher von Vorteil war, da die erworbene Anlage ansonsten wahrscheinlich stillgelegt worden wäre. 14
- 14. Die vergangenen zehn Jahre haben auch gezeigt, dass Fusionskontrolle die Innovationstätigkeit fördern kann, da Wettbewerb zu besseren Marktergebnissen führt, und zwar nicht nur in Form von Preissenkungen oder Produktionssteigerungen, sondern auch in Form von höherer Produktqualität, größerer Produktvielfalt und mehr Produktinnovation. In der Sache Intel/McAfee15 beispielsweise haben die Abhilfemaßnahmen dazu beigetragen, die Innovationstätigkeit im Bereich der Sicherheitssoftware zu erhalten und sicherzustellen, dass der Markt nicht gegenüber Wettbewerbern abgeschottet wurde.
- 15. 2008 hat die Kommission ihre Praxis im Bereich der Abhilfemaßnahmen durch Überarbeitung der Mitteilung über Abhilfemaßnahmen 16 weiterentwickelt. Diese enthält klare Vorgaben für die Gestaltung und Umsetzung von Abhilfemaßnahmen in Form von Veräußerungen (z.B. Verkauf einer Tochtergesellschaft oder Produktionsanlage an einen Wettbewerber), wobei die Wirksamkeit der Abhilfemaßnahme im Mittelpunkt steht.
2.2. Weitere Förderung von Zusammenarbeit und Konvergenz
- 16. Mit der Fusionskontrollverordnung wurde mit großem Erfolg für die Prüfung von Zusammenschlüssen von unionsweiter Bedeutung das Prinzip der einzigen Anlaufstelle eingeführt. Allerdings spielen bei der Fusionskontrolle in der EU auch die Mitgliedstaaten eine wichtige Rolle. Voraussetzung für ein gut funktionierendes System für die Prüfung von Zusammenschlüssen in der ganzen EU ist eine effiziente Arbeitsteilung, Zusammenarbeit und Konvergenz zwischen der Kommission und den 27 Mitgliedstaaten, die eine Fusionskontrolle ausüben.
- 17. Im Anschluss an eine öffentliche Konsultation legte die Kommission dem Rat 2009 einen Bericht vor, in dem sie eine begrenzte Bestandsaufnahme der Fallverteilung zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten vornahm ("Bericht von 2009").17 In der öffentlichen Konsultation hatten die Interessenträger darauf hingewiesen, dass voneinander abweichende Fusionskontrollvorschriften und -verfahren innerhalb der Europäischen Union einen höheren Verwaltungsaufwand für die Unternehmen zur Folge haben und zu einer unwirksamen Durchsetzung des Fusionskontrollrechts, uneinheitlichen Ergebnissen und negativen Auswirkungen auf den Binnenmarkt führen könnten.
- 18. Die nationalen Wettbewerbsbehörden wenden zwar in der Regel die Artikel 101 und 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union ("AEUV") in Verbindung mit ihren nationalen Rechtsvorschriften an, für die Fusionskontrolle auf nationaler Ebene ist jedoch ausschließlich das nationale Recht maßgebend. Die EU-Fusionskontrollverordnung hat für viele nationale Rechtsordnungen in diesem Bereich als Vorbild gedient, was zu einer grundsätzlichen Konvergenz der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten insbesondere bei der Anwendung des materiellrechtlichen Tests geführt hat.18 Durch eine engere Zusammenarbeit zwischen den nationalen Wettbewerbsbehörden und der Kommission sowohl in konkreten Fällen als auch im Rahmen der 2010 eingesetzten Arbeitsgruppe "Unternehmenszusammenschlüsse" wurde auch in materiellrechtlichen und Zuständigkeitsfragen Konvergenz erzielt. 19
- 19. Trotz dieser Fortschritte bleibt noch Raum für mehr Zusammenarbeit und Konvergenz, insbesondere bei der Entwicklung materiellrechtlicher Tests für die Leitfäden (z.B. die Leitlinien der Kommission für horizontale bzw. nichthorizontale Zusammenschlüsse) und ihrer Anwendung und Auslegung durch die Wettbewerbsbehörden und die die gerichtliche Kontrolle ausübenden Gerichte. Zu den wichtigsten Unterschieden gehören nationale Rechtsvorschriften, die es einer Regierung nach wie vor erlauben, sich über die auf wettbewerbsrechtlichen Erwägungen beruhende Entscheidung einer nationalen Wettbewerbsbehörde hinwegzusetzen und einen wettbewerbswidrigen Zusammenschluss aus anderen Gründen des öffentlichen Interesses zu genehmigen. 20 Auch die Abhilfemaßnahmen und die Verfahren, z.B. die Fristen für die Prüfung der Zusammenschlüsse und die Vollzugsverbote, sind häufig unterschiedlich.
- 20. Eine stärkere Konvergenz zwischen der Kommission und den nationalen Wettbewerbsbehörden und unter den nationalen Wettbewerbsbehörden ist wichtig, um wirklich gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen und uneinheitliche Ergebnisse zu vermeiden.21 Im Einklang mit den Vorschlägen einiger nationaler Wettbewerbsbehörden kann dies durch eine Verstärkung der Zusammenarbeit und einen Erfahrungsaustausch unter Nutzung aller verfügbaren Instrumente und Foren (z.B. der Arbeitsgruppe "Unternehmenszusammenschlüsse") sowie durch eine Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Wettbewerbsbehörden in konkreten Fällen erreicht werden.
- 21. Die nationalen Wettbewerbsbehörden können uneinheitliche Ergebnisse in jedem Fall vermeiden, indem sie Zusammenschlüsse an die Kommission verweisen. Im Rahmen der Vorschläge für die in Abschnitt 4.2.2 behandelte Reform der Verweisung angemeldeter Zusammenschlüsse an die Kommission nach Artikel 22 der Fusionskontrollverordnung wird die Einrichtung eines auf einer frühzeitigen Informationsmitteilung beruhenden Systems angeregt. Ein solches System dürfte auch die praktische Zusammenarbeit zwischen den nationalen Wettbewerbsbehörden in grenzübergreifenden Fällen und Fällen, die in die Zuständigkeit mehrerer Mitgliedstaaten fallen, erleichtern.
- 22. Als Ergänzung zu der bereits erzielten erfolgreichen "soft convergence", die wie oben dargelegt beibehalten und verstärkt werden sollte, sollten die Kommission und die nationalen Wettbewerbsbehörden den Übergang zu einem System prüfen, bei dem alle Behörden - ähnlich wie schon bei der Durchsetzung des Kartellrechts - dasselbe materielle Unionsrecht anwenden. 22 Dies würde jedoch eine ehrgeizigere Überarbeitung des derzeitigen Systems des Fusionskontrollrechts in der EU voraussetzen.
2.3. Schlussfolgerung
- 23. Dieser Überblick zeigt, wie die Fusionskontrolle auf EU-Ebene durch die Reform der Fusionskontrollverordnung im Jahr 2004 gestärkt wurde, insbesondere durch die Einführung des SIEC-Tests. Langfristig sollte das auf der Fusionskontrollverordnung beruhende System zu einem echten "Europäischen Raum der Fusionskontrolle" weiterentwickelt werden, in dem für die von der Kommission und den nationalen Wettbewerbsbehörden geprüften Zusammenschlüsse dieselben Vorschriften gelten. Für die nähere Zukunft gibt es jedoch vor allem zwei Möglichkeiten, die Fusionskontrollverordnung durch begrenzte Änderungen zu verbessern. Erstens erwägt die Kommission, den Erwerb nichtkontrollierender Minderheitsbeteiligungen in den Anwendungsbereich der EU-Fusionskontrolle einzubeziehen. Und zweitens kann die Verweisungsregelung nach den Erfahrungen der Kommission mit der Reform von 2004 noch weiter gestrafft werden. 23
3. ERWERB NICHTKONTROLLIERENDER MINDERHEITSBETEILIGUNGEN
3.1. Warum benötigt die Kommission die Zuständigkeit für die Prüfung nicht kontrollierender Minderheitsbeteiligungen?
- 24. Eine wirksame und effiziente Wettbewerbspolitik erfordert geeignete, gut konzipierte Mittel zur Bekämpfung aller Ursachen von Schaden für den Wettbewerb und damit auch für die Verbraucher. In ihrer derzeitigen Form gilt die Fusionskontrollverordnung nur für "Zusammenschlüsse", die als Erwerb der Kontrolle über ein oder mehrere Unternehmen oder Teile von Unternehmen durch eine oder mehrere Personen oder Unternehmen definiert sind.
- 25. Wenn nun aber der Erwerb einer Minderheitsbeteiligung nicht mit dem Erwerb der Kontrolle verbunden ist, kann ihn die Kommission weder untersuchen noch unterbinden. Die Kommission kann lediglich gegen eine bereits bestehende Minderheitsbeteiligung eines der an dem Zusammenschluss beteiligten Unternehmen vorgehen, wenn die Kontrolle gezielt erworben wird. So kann die Kommission eingreifen, wenn das Unternehmen, an dem das eine beteiligte Unternehmen eine Minderheitsbeteiligung hält, ein Wettbewerber des anderen beteiligten Unternehmens ist. Wird die Minderheitsbeteiligung jedoch erst nach der Prüfung des Zusammenschlusses durch die Kommission erworben, ist die Kommission nicht mehr befugt, sich mit etwaigen dadurch aufgeworfenen wettbewerbsrechtlichen Bedenken zu befassen, obwohl sich aus der Minderheitsbeteiligung ähnliche wettbewerbsrechtlichen Bedenken ergeben können wie aus dem Erwerb der Kontrolle.
- 26. Die Erfahrungen der Kommission, der Wettbewerbsbehörden von Mitgliedstaaten und Drittländern sowie der Wirtschaftsforschung zeigen, dass der Erwerb einer nichtkontrollierenden Minderheitsbeteiligung in bestimmten Fällen dem Wettbewerb, und damit auch den Verbrauchern, schaden kann.
- 27. In der Europäischen Union kann derzeit in Deutschland, Österreich und dem Vereinigten Königreich der Erwerb von Minderheitsbeteiligungen geprüft werden. 24 In allen drei Mitgliedstaaten sind die nationalen Wettbewerbsbehörden gegen einen solchen Erwerb vorgegangen, wenn er Anlass zu wettbewerbsrechtlichen Bedenken gab. Außerhalb der EU können solche strukturellen Bindungen in vielen Ländern, unter anderem in Kanada, den Vereinigten Staaten und Japan, auf der Grundlage der jeweiligen Fusionskontrollvorschriften geprüft werden.
3.1.1. Schadenstheorien
- 28. Der Erwerb einer Minderheitsbeteiligung kann unterschiedliche wettbewerbsrechtliche Bedenken aufwerfen. Die diesen Bedenken zugrundeliegenden Schadenstheorien ähneln denen, die im Falle des Erwerbs der Kontrolle angewandt werden und die im Allgemeinen verlangen, dass sich die Marktmacht durch den Zusammenschluss spürbar erhöht.25
- 29. Der Erwerb einer Minderheitsbeteiligung an einem Wettbewerber kann nichtkoordinierte wettbewerbswidrige Auswirkungen haben, da eine solche Beteiligung den Anreiz und die Möglichkeit für den Erwerber verstärken könnte, einseitig die Preise zu erhöhen oder die Produktion zu drosseln. Wenn ein Unternehmen an den Gewinnen seines Wettbewerbers finanziell beteiligt ist, könnte es beschließen, die Steigerung dieser Gewinne durch eine Beschränkung seiner eigenen Produktion oder eine Erhöhung seiner eigenen Preise zu "internalisieren". Diese wettbewerbswidrigen Auswirkungen können unabhängig davon auftreten, ob es sich bei der Minderheitsbeteiligung um eine passive Beteiligung (die keinen Einfluss auf die Entscheidungen des Zielunternehmens verleiht) oder eine aktive Beteiligung (die einen gewissen Einfluss auf die Entscheidungen des Zielunternehmens verleiht) handelt.
- 30. Der Erwerb einer Minderheitsbeteiligung kann auch dann wettbewerbsrechtliche Bedenken aufwerfen, wenn der Erwerber seine Position benutzt, um die dem Zielunternehmen zur Verfügung stehenden Wettbewerbsstrategien zu beschränken und es dadurch als Wettbewerber zu schwächen. Die Kommission und die Mitgliedstaaten haben festgestellt, dass ernsthafte wettbewerbsrechtliche Bedenken eher wahrscheinlich sind, wenn eine Minderheitsbeteiligung mit einem gewissen Maß an Einfluss auf die Entscheidungen des Zielunternehmens verbunden ist, wie auch die folgenden Fallstudien zeigen.
- 31. Die Sache Siemens/VA Tech ist ein Beleg sowohl für die auf den "finanziellen Anreiz" abstellende Schadenstheorie als auch für die Gefahr, die entsteht, wenn ein Unternehmen bei einem Wettbewerber Einfluss und Stimmrechte ausüben kann.26 Siemens hielt eine bereits bestehende Minderheitsbeteiligung an SMS Demag, einem Wettbewerber einer der Tochtergesellschaften von VA Tech. Die Kommission stellte fest, dass der Zusammenschluss wegen einer Kombination aus finanziellen Anreizen und Informationsrechten aufgrund der Minderheitsbeteiligung an SMS Demag zu einer Verringerung des Wettbewerbs auf dem Markt für Metallurgieanlagenbau geführt hätte. 27
- 32. Der Erwerber erhält durch seine Minderheitsbeteiligung auch dann Einfluss auf das Zielunternehmen, wenn er das Ergebnis grundlegender Gesellschafterbeschlüsse beeinflussen kann. Solche Beschlüsse können erforderlich sein, um umfangreiche Investitionen zu genehmigen, Kapital zu beschaffen, das Produktangebot oder den räumlichen Wirkungskreis des Unternehmens zu ändern oder Fusionen und Übernahmen auf den Weg zu bringen.
- 33. Diese Schadenstheorie lag der Untersuchung der britischen Behörden im Fall Ryanair/Aer Lingus zugrunde. In der Sache Ryanair/Aer Lingus I hatte Ryanair bereits eine umfangreiche Minderheitsbeteiligung an seinem Konkurrenten Aer Lingus erworben, als es sein Vorhaben, die Kontrolle zu erwerben, 2006 bei der Kommission anmeldete. Die Kommission untersagte die Übernahme wegen ernsthafter Bedenken, dass der Wettbewerb durch die Begründung oder Stärkung einer beherrschenden Stellung von Ryanair auf einer Reihe von Strecken beeinträchtigt würde.28 Anders als die britische Competition Commission war sie jedoch nicht befugt, die Minderheitsbeteiligung von Ryanair an Aer Lingus zu prüfen. 29
- 34. Die gleiche Schadenstheorie stand im Mittelpunkt der Sache Toshiba/Westinghouse30, in der die Kommission feststellte, dass der Zusammenschluss zu einer Ausschaltung des Wettbewerbs auf dem Markt für Kernbrennelemente führen könnte. Bei ihrer Entscheidung berücksichtigte die Kommission, dass Toshiba seine Minderheitsbeteiligung und sein Vetorecht bei GNF, einem Wettbewerber von Westinghouse, benutzen könnte, um das Unternehmen daran zu hindern, in Bereiche zu expandieren, in denen es mit Toshiba/Westinghouse konkurrieren würde.
- 35. Minderheitsbeteiligungen an Wettbewerbern können auch koordinierte wettbewerbswidrige Auswirkungen haben, indem sie Marktteilnehmern die Möglichkeit und den Anreiz bieten können, sich stillschweigend oder ausdrücklich abzustimmen, um höhere Gewinne als bei wirksamem Wettbewerb zu erzielen.31 Denn mit dem Erwerb einer Minderheitsbeteiligung kann sich die Transparenz erhöhen, da der Erwerber einen privilegierten Einblick in die Geschäftstätigkeiten des Zielunternehmens erhält. Dadurch wird möglicherweise auch die Androhung von Vergeltungsmaßnahmen für den Fall, dass das Zielunternehmen von dem kollusiven Verhalten abweicht, glaubwürdiger und wirksamer.32
- 36. Außerdem kann der Erwerb einer mit erheblichem Einfluss verbundenen Minderheitsbeteiligung im Rahmen eines nichthorizontalen Zusammenschlusses Anlass zu wettbewerbsrechtlichen Bedenken hinsichtlich einer Marktabschottung auf der Ebene der Vorleistungen geben. Im Falle einiger Minderheitsbeteiligungen könnte eine Marktabschottung sogar wahrscheinlicher sein als im Falle des Kontrollerwerbs, weil der Erwerber der Minderheitsbeteiligung nicht die Gesamtheit, sondern nur einen Teil der Gewinne des Zielunternehmens internalisiert, die diesem infolge der Abschottungsstrategie entgangen sind.
- 37. Marktabschottung auf der Ebene der Vorleistungen war ein Problem in der Sache IPIC/MAN Ferrostaal.33 Die Übernahme des Unternehmens MAN Ferrostaal durch die International Petroleum Investment Company ("IPIC") wurde von der Kommission 2009 unter Bedingungen genehmigt. Die Kommission stellte fest, dass von dem Zusammenschluss die Gefahr einer Marktabschottung in Bezug auf die weltweit einzige nicht herstellereigene Technologie für die Melaminproduktion ausging. Die Technologie war Eigentum des Unternehmens Eurotecnica, an dem MAN Ferrostaal zu 30 % beteiligt war. Da die IPIC bereits AMI, einen der beiden weltgrößten Melaminhersteller, kontrollierte, stimmte sie der Veräußerung ihrer Minderheitsbeteiligung an Eurotecnica zu, um das Risiko eines Ausschlusses von Wettbewerbern von AMI zu minimieren.
- 38. Zudem sind aus der öffentlichen Konsultation und neueren Medienberichten weitere Fälle sowohl auf EU-Ebene als auch auf Ebene der Mitgliedstaaten bekannt, in denen Minderheitsbeteiligungen an Wettbewerbern oder vertikal verbundenen Unternehmen erworben wurden.34
3.1.2. Artikel 101 und 102 AEUV sind möglicherweise nicht für das Vorgehen gegen wettbewerbswidrige Minderheitsbeteiligungen geeignet
- 39. Die Kommission hat geprüft, ob die Wettbewerbsvorschriften über wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen und den Missbrauch einer beherrschenden Stellung (Artikel 101 bzw. 102 AEUV) genutzt werden könnten, um gegen den wettbewerbswidrigen Erwerb von Minderheitsbeteiligungen vorzugehen. Dies ist jedoch nur in beschränktem Umfang möglich.
- 40. In Bezug auf Artikel 101 AEUV ist nicht klar, ob der Erwerb einer Minderheitsbeteiligung in allen Fällen eine "Vereinbarung" darstellen würde, die eine Einschränkung des Wettbewerbs bezweckt oder bewirkt. So ließe sich im Falle einer Reihe von Aktienkäufen an der Börse schwerlich argumentieren, dass die verschiedenen Kaufverträge die Kriterien des Artikels 101 AEUV erfüllen. Dies dürfte auch für die Satzung eines Unternehmens gelten, deren Zweck im Allgemeinen darin besteht, die Corporate Governance des Unternehmens und die Beziehungen zwischen diesem und seinen Anteilseignern festzulegen. Damit die Kommission nach Artikel 102 AEUV vorgehen könnte, müsste der Erwerber der Minderheitsbeteiligung eine beherrschende Stellung innehaben und der Erwerb einen Missbrauch darstellen. Die Kommission kann daher nur unter ganz bestimmten Umständen gegen Beeinträchtigungen des Wettbewerbs vorgehen, die sich aus dem Erwerb einer Minderheitsbeteiligung ergeben. 35
- 41. Zudem ähneln, wie oben dargelegt, die Theorien für Schaden, der aus dem Erwerb einer Minderheitsbeteiligung entsteht, den Theorien für Schaden, der aus dem Erwerb der Kontrolle erwächst, d.h. es werden horizontale, nichtkoordinierte und vertikale Effekte geprüft.
3.2. Wettbewerbspolitische Optionen und vorgeschlagene Maßnahmen für die Prüfung des Erwerbs von Minderheitsbeteiligungen
3.2.1. Ausgestaltung des Verfahrens und Optionen - welche Grundsätze sollten für die Kontrolle von Minderheitsbeteiligungen aufEU-Ebene gelten?
- 42. Ein System für die Kontrolle des Erwerbs nichtkontrollierender Minderheitsbeteiligungen sollte den folgenden drei Grundsätzen Rechnung tragen:
- - Es sollte die potenziell wettbewerbswidrigen Fälle des Erwerbs von Minderheitsbeteiligungen erfassen,
- - es sollte unnötigen und unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand für die Unternehmen, die Kommission und die nationalen Wettbewerbsbehörden vermeiden, und - es sollte sich in die bestehenden Fusionskontrollsysteme der EU und der Mitgliedstaaten einfügen.36
Beispiele zeigen natürlich nur, dass Minderheitsbeteiligungen zwischen Wettbewerbern und vertikal verbundenen Unternehmen tatsächlich vorkommen, und sind hier unabhängig davon angeführt, ob sie Anlass zu wettbewerbsrechtlichen Bedenken gegeben hätten.
- 43. Im Konsultationspapier wurden drei mögliche Verfahren für die Kontrolle von Minderheitsbeteiligungen vorgestellt:
- - ein Anmeldesystem, mit dem das derzeitige System der Exante-Fusionskontrolle unter bestimmten Voraussetzungen auf den Erwerb nichtkontrollierender Minderheitsbeteiligungen ausgeweitet würde; - ein Transparenzsystem, bei dem die beteiligten Unternehmen eine Informationsmitteilung übermitteln müssten, in der sie die Kommission über den Erwerb nichtkontrollierender Minderheitsbeteiligungen unterrichten. Anhand der Informationsmitteilung könnte die Kommission über eine eingehendere Prüfung des Zusammenschlusses, die Mitgliedstaaten über einen Verweisungsantrag und potenzielle Beschwerdeführer über eine Beschwerde entscheiden;
- - ein Selbstbeurteilungssystem, bei dem die beteiligten Unternehmen den Erwerb nichtkontrollierender Minderheitsbeteiligungen nicht vor dessen Abschluss anmelden müssten. Bei potenziell problematischen Fällen des Erwerbs von Minderheitsbeteiligungen könnte die Kommission jedoch auf der Grundlage eigener Marktinformationen oder von Beschwerden ein Prüfverfahren einleiten.
- 44. Es besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Umfang der Zuständigkeit der Kommission und der Frage, welches Verfahren als geeignet und angemessen angesehen wird. Wenn die Kommission beispielsweise für alle Fälle des Erwerbs von Minderheitsbeteiligungen oberhalb einer bestimmten Schwelle zuständig wäre, würden die Unternehmen durch das System der vorherigen Anmeldung von Zusammenschlüssen stark belastet, da auch unproblematische Erwerbsvorgänge erfasst würden. Es wäre daher möglicherweise angemessener, der Kommission die Zuständigkeit für alle Fälle des Erwerbs von Minderheitsbeteiligungen oberhalb einer bestimmten Schwelle im Rahmen eines Selbstbeurteilungssystems zu übertragen, bei dem die Kommission beschließen kann, Zusammenschlüsse von Amts wegen zu prüfen. Andererseits wäre der mit einem Anmelde- oder Transparenzsystem verbundene Verwaltungsaufwand wesentlich geringer, wenn die Zuständigkeit der Kommission auf potenziell problematische Zusammenschlüsse beschränkt würde. Der Zusammenhang zwischen der Ausgestaltung des Verfahrens und dem Umfang der Zuständigkeit wurde in der öffentlichen Konsultation häufig angesprochen.
3.2.2. Das vorgeschlagene System: "gezielte" Transparenz
- 45. Aus den genannten Gründen wäre wohl ein alternatives System der "gezielten" Transparenz für den Umgang mit dem Erwerb von Minderheitsbeteiligungen am besten geeignet. Nach Auffassung der Kommission würde ein solches System mit den genannten drei Grundsätzen im Einklang stehen. Die Kommission könnte sich von Anfang an auf die potenziell problematischen Erwerbsvorgänge konzentrieren, da Erwerbsvorgänge, durch die eine "wettbewerbsrelevante Verbindung" entsteht, erkannt und somit auch ohne eine umfassende Anmeldepflicht wirksam von der Kommission kontrolliert werden können.
- 46. Nach den oben erörterten Schadenstheorien läge eine "wettbewerbsrelevante Verbindung" vor, wenn prima facie Wettbewerbsbeziehungen zwischen dem Minderheitsbeteiligungen anzuwenden. Die Verweisungsregelung sollte auch für den Erwerb von Minderheitsbeteiligungen gelten, damit die Fusionskontrollsachen der jeweils am besten geeigneten Behörde zugewiesen werden können. Erwerber und dem Zielunternehmen bestehen, da sie entweder auf denselben Märkten oder in denselben Wirtschaftszweigen oder auf vertikal verbundenen Märkten tätig sind. Grundsätzlich würde das Verfahren nur ausgelöst, wenn die Minderheitsbeteiligung und die damit verbundenen Rechte es dem Erwerber ermöglichen, erheblichen Einfluss auf die Geschäftspolitik des Zielunternehmens und damit dessen Verhalten auf dem Markt zu nehmen oder auf sensible Geschäftsinformationen zuzugreifen. Ab einer bestimmten Höhe könnte jedoch die Beteiligung selbst zu einer Änderung der finanziellen Anreize für den Erwerber in der Weise führen, dass der Erwerber sein eigenes Verhalten auf dem Markt anpasst, unabhängig davon, ob er erheblichen Einfluss auf das Zielunternehmen erlangt. Nur bei Erwerb einer "wettbewerbsrelevanten Verbindung" müsste der Kommission eine Informationsmitteilung übermittelt werden.
- 47. Im Interesse der Rechtssicherheit für die beteiligten Unternehmen würde ein Erwerbsvorgang nur dann das Kriterium der "wettbewerbsrelevanten Verbindung" erfüllen, wenn alle folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
- - Es wird eine Minderheitsbeteiligung an einem Wettbewerber oder einem vertikal verbundenen Unternehmen erworben (d.h. es müssen Wettbewerbsbeziehungen zwischen Erwerber und Zielunternehmen bestehen), und
- - die Verbindung würde als wettbewerbsrelevant angesehen, wenn die erworbene Beteiligung 1) rund 20 %37 beträgt oder 2) zwischen 5 % und rund 20 % beträgt, aber weitere Faktoren hinzukommen, zum Beispiel Rechte, durch die der Erwerber de facto über eine Sperrminorität verfügt38, ein Sitz in der Unternehmensleitung oder Zugang zu sensiblen Geschäftsinformationen des Zielunternehmens.
- 48. Die beteiligten Unternehmen müssten selbst beurteilen, ob durch einen Zusammenschluss eine "wettbewerbsrelevante Verbindung" entsteht und, falls ja, eine Informationsmitteilung übermitteln. Wenn eine Informationsmitteilung eingeht, würden die Kommission über die Einleitung der Prüfung des Zusammenschlusses und die Mitgliedstaaten über einen Verweisungsantrag entscheiden.
3.2.3. Das Verfahren im Einzelnen
- 49. Im Rahmen der gezielten Transparenz müsste ein Unternehmen, das plant, eine Minderheitsbeteiligung zu erwerben, die das Kriterium der "wettbewerbsrelevanten Verbindung" erfüllt, der Kommission eine Informationsmitteilung übermitteln. Die Informationsmitteilung würde Angaben zu den beteiligten Unternehmen und ihrem Umsatz, eine Beschreibung des Erwerbsvorgangs, die Höhe der Beteiligung vor und nach dem Erwerbsvorgang, etwaige mit der Minderheitsbeteiligung verbundene Rechte und einige begrenzte Angaben zu den Marktanteilen enthalten. Auf der Grundlage dieser Informationsmitteilung entscheidet dann die Kommission, ob eine weitere Prüfung des Erwerbsvorgangs gerechtfertigt ist, und die Mitgliedstaaten prüfen, ob sie eine Verweisung beantragen. Die beteiligten Unternehmen müssten nur dann eine vollständige Anmeldung übermitteln, wenn sich die Kommission für die Einleitung eines Prüfverfahrens entschieden hat, und die Kommission würde nur dann einen Beschluss erlassen, wenn sie vorher ein Prüfverfahren eingeleitet hat. Im Interesse der Rechtssicherheit sollten die beteiligten Unternehmen auch die Möglichkeit haben, freiwillig eine vollständige Anmeldung zu übermitteln.
- 50. Die Kommission könnte auch in Betracht ziehen, eine Wartezeit nach Eingang einer Informationsmitteilung vorzuschlagen, während der die beteiligten Unternehmen den Anteilserwerb nicht vollziehen dürften und während der die Mitgliedstaaten entscheiden müssten, ob sie eine Verweisung beantragen. Eine solche Wartezeit könnte beispielsweise 15 Arbeitstage dauern. Sie stünde damit mit der Frist im Einklang, die nach Artikel 9 für den Verweisungsantrag eines Mitgliedstaats nach einer vollständigen Anmeldung gilt. Dadurch würde sichergestellt, dass die an Mitgliedstaaten verwiesenen Erwerbsvorgänge noch nicht vollzogen sind und von den Mitgliedstaaten nach ihrem normalen Verfahren bearbeitet werden können. Diese könnten dann ein Vollzugsverbot vorsehen, da sie möglicherweise nicht über die erforderlichen Instrumente für den Umgang mit vollzogenen Anteilserwerben verfügen. Ganz allgemein sollte die Verweisungsregelung gewährleisten, dass das Schutzniveau der nationalen Fusionskontrollsysteme, die nichtkontrollierende Minderheitsbeteiligungen bereits erfassen, beibehalten bleibt und Durchsetzungslücken vermieden werden.
- 51. Ferner hätte die Kommission die Möglichkeit, innerhalb eines begrenzten Zeitraums nach Eingang der Informationsmitteilung einen Erwerbsvorgang unabhängig davon, ob er bereits vollzogen wurde, zu prüfen. Innerhalb eines solchen Zeitraums, der 4 bis 6 Monate betragen könnte, wären Beschwerden von Unternehmen möglich. Dadurch würde sich auch die Gefahr verringern, dass die Kommission während der Wartezeit zu Beginn des Verfahrens vorsorglich ein Prüfverfahren einleitet.
- 52. Für den Fall, dass die Kommission ein Verfahren zur Prüfung eines bereits (ganz oder teilweise) vollzogenen Anteilserwerbs einleitet, sollte sie befugt sein, einstweilige Maßnahmen anzuordnen, um die Wirksamkeit eines Beschlusses nach den Artikeln 6 und 8 der Fusionskontrollverordnung sicherzustellen. Diese Befugnis könnte zum Beispiel durch Erlass einer Holdseparate-Anordnung ausgeübt werden.39
3.2.4. Umfang der Prüfung nach der Fusionskontrollverordnung und Verhältnis zu Artikel 101 AEUV
- 53. Vereinbarungen zwischen dem Erwerber der Minderheitsbeteiligung und dem Zielunternehmen werden weiterhin nach den Artikeln 101 und 102 AEUV geprüft, es sei denn, es handelt sich um "Nebenabreden". Nur bei Nebenabreden, d.h. mit dem Erwerb der Beteiligung unmittelbar verbundenen und für sie notwendigen Einschränkungen40, wird davon ausgegangen, dass sie unter den Genehmigungsbeschluss fallen und daher nicht von den Artikeln 101 und 102 AEUV erfasst werden.
- 54. Entsprechend der derzeitigen Praxis im Falle des Kontrollerwerbs würde den Vereinbarungen zwischen dem Erwerber der Minderheitsbeteiligung und dem Zielunternehmen jedoch bei der materiellrechtlichen Würdigung des Erwerbsvorgangs nach den Fusionskontrollvorschriften Rechnung getragen, da diese Vereinbarungen für die gegenwärtigen und künftigen Marktbedingungen (z.B. das Bestehen langfristiger Verträge) von Bedeutung sind, die die Kommission im Rahmen der materiellrechtlichen Würdigung berücksichtigt.41
3.3. Schlussfolgerung zur Prüfung von Minderheitsbeteiligungen
- 55. Die Kommission verfügt zurzeit über keine geeigneten Instrumente, um gegen den wettbewerbswidrigen Erwerb von Minderheitsbeteiligungen vorzugehen. Ein System der gezielten Transparenz scheint sich gut zu eignen, um diese Erwerbsvorgänge zu erfassen und daraus entstehenden Schaden für die Verbraucher abzuwenden, und würde mit den unter Randnummer 42 genannten drei Grundsätzen im Einklang stehen.
- 56. Erstens ist zu erwarten, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten von schädlichen Erwerbsvorgängen Kenntnis erlangen würden, von unproblematischen Erwerbsvorgängen (die beispielsweise nur Investitionszwecken dienen) dagegen nicht.
- 57. Zweitens wäre der Verwaltungsaufwand für die Unternehmen im Rahmen der gezielten Transparenz begrenzt, da die Kommission nur über eine beschränkten Zahl von Fällen unterrichtet werden müsste, nämlich diejenigen, in denen eine "wettbewerbsrelevante Verbindung" entsteht. Die beteiligten Unternehmen müssten der Kommission zunächst nur wenige Angaben über solche Erwerbsvorgänge in Form einer Informationsmitteilung übermitteln, anhand deren die Kommission dann entscheiden könnte, ob eine vollständige Anmeldung erforderlich ist.
- 58. Und drittens würde sich ein System der gezielten Transparenz in die bestehenden Fusionskontrollsysteme der EU und der Mitgliedstaaten einfügen. Die Informationsmitteilung würde den Mitgliedstaaten übersandt, um sie über den Erwerb der Minderheitsbeteiligung zu unterrichten und es ihnen zu ermöglichen, in dieser Phase eine Verweisung zu beantragen. Dagegen wäre ein Selbstbeurteilungssystem schwerer mit den Fusionskontrollsystemen der Mitgliedstaaten in Einklang zu bringen, da Unsicherheit darüber bestehen würde, ob die Kommission einen Zusammenschluss prüfen würde oder nicht.
4. VERWEISUNG von FUSIONSKONTROLLSACHEN
4.1. Ziele und Grundsätze für die Verweisung von Fusionskontrollsachen
- 59. Mit der Fusionskontrollverordnung wurde das Prinzip der einzigen Anlaufstelle eingeführt, nach dem Zusammenschlüsse von unionsweiter Bedeutung (die sich nach den Umsatzschwellen in Artikel 1 der Fusionskontrollverordnung bestimmt) ausschließlich von der Kommission geprüft und damit mehrere Prüfverfahren auf Ebene der Mitgliedstaaten vermieden werden. Mithilfe der Umsatzschwellen soll eindeutig geklärt werden, ob ein Zusammenschluss wahrscheinlich eine europäische oder grenzübergreifende Dimension hat oder nicht, doch die Fusionskontrollverordnung sieht auch vor, dass Fusionskontrollsachen von der Kommission an einen oder mehrere Mitgliedstaaten verwiesen werden können und umgekehrt. Im Rahmen dieses Mechanismus, dessen Funktionsweise durch die Reform von 2004 verbessert wurde, kann eine Sache von der am besten geeigneten Behörde bearbeitet werden, falls sie ihr nicht bereits aufgrund der Anwendung der Umsatzschwellen vor und nach der Anmeldung des Zusammenschlusses bei einer zuständigen Behörde zugewiesen ist.
- 60. In dem oben erwähnten Bericht an den Rat von 2009 wurde festgestellt, dass die in der Fusionskontrollverordnung festgelegten Umsatzschwellen und Verweisungsvorschriften insgesamt gut funktioniert haben. Verbesserungen sind jedoch noch möglich, da eine erhebliche Zahl von Fällen (240 im Jahr 2007) nach wie vor in drei oder mehr Mitgliedstaaten geprüft wird.
- 61. Die Verweisungsregelung könnte dahin gehend geändert werden, dass erforderlichenfalls leichter von der Zuweisung, wie sie sich aus der Anwendung der Umsatzschwellen ergibt, abgewichen werden kann. Insbesondere in Bezug auf die Verweisung von den Mitgliedstaaten an die Kommission, sowohl vor als auch nach der Anmeldung, besteht noch Verbesserungsbedarf.
- 62. Die Erfahrung hat gezeigt, dass das derzeitige Verfahren für vor der Anmeldung erfolgende Verweisungen von den Mitgliedstaaten an die Kommission nach Artikel 4 Absatz 5 für die Anmelder umständlich und zeitaufwendig ist. 42 Denn zunächst muss ein "begründeter Antrag" auf Verweisung gestellt und dann, wenn dem Antrag stattgegeben wurde, eine Anmeldung eingereicht werden. In einigen Fällen, die ohne weiteres für eine Verweisung an die Kommission in Frage gekommen wären, haben die beteiligten Unternehmen deshalb möglicherweise keinen Verweisungsantrag gestellt. Die Kommission regt daher an, Verweisungen nach Artikel 4 Absatz 5 zu vereinfachen und das derzeitige zweistufige Verfahren abzuschaffen.
- 63. Ferner ist die Kommission nach den derzeitigen Vorschriften für die Verweisung angemeldeter Zusammenschlüsse an die Kommission nach Artikel 22 nur für die Mitgliedstaaten zuständig, die einen Verweisungsantrag gestellt oder sich ihm angeschlossen haben. In einigen Fällen hat dies dazu geführt, dass Zusammenschlüsse entgegen dem Prinzip der einzigen Anlaufstelle von der Kommission und nationalen Wettbewerbsbehörden parallel geprüft wurden. 43 Die Kommission schlägt daher vor, die Vorschriften für Verweisungen nach Artikel 22 zu straffen, damit die Kommission in den an sie verwiesenen Fusionskontrollsachen eine EWR-weite Zuständigkeit erhält und das Prinzip der einzigen Anlaufstelle besser umgesetzt wird.
4.2. Die vorgeschlagenen Maßnahmen für die Verweisung von Fusionskontrollsachen
- 64. Ziel der vorgeschlagenen Änderungen an der Verweisungsregelung ist es, Verweisungen zu erleichtern, um die Regelung insgesamt wirksamer zu machen, ohne ihre Merkmale grundlegend zu ändern.
4.2.1. Artikel 4 Absatz 5 der Fusionskontrollverordnung: vor der Anmeldung erfolgende Verweisung an die Kommission
- 65. Da seit 2004 nur in wenigen Fällen44 eine beantragte Verweisung nach Artikel 4 Absatz 5 von einem Mitgliedstaat abgelehnt wurde, schlägt die Kommission vor, das derzeitige zweistufige Verfahren (begründeter Antrag mit anschließender Anmeldung) abzuschaffen. Dadurch würden Verweisungen nach Artikel 4 Absatz 5 beschleunigt und effizienter, die Mitgliedstaaten hätten jedoch in den seltenen Fällen, in denen sie dies für notwendig erachten, weiter die Möglichkeit, eine Verweisung abzulehnen.
- 66. Die beteiligten Unternehmen würden den Zusammenschluss direkt bei der Kommission anmelden. Die Kommission würde die Anmeldung dann unverzüglich an die Mitgliedstaaten weiterleiten, um denjenigen Mitgliedstaaten, die prima facie für die Prüfung des Zusammenschlusses nach nationalem Recht zuständig sind, Gelegenheit zu geben, die Verweisung innerhalb von 15 Arbeitstagen abzulehnen. Sofern kein zuständiger Mitgliedstaat die Verweisung ablehnt, wäre die Kommission für die Prüfung des gesamten Zusammenschlusses zuständig.
- 67. Erhebt mindestens ein zuständiger Mitgliedstaat Einwände gegen die Zuständigkeit der Kommission, würde die Kommission in vollem Umfang auf die Zuständigkeit verzichten, und die Mitgliedstaaten würden ihre Zuständigkeit behalten. In diesem Fall würde die Kommission über keinerlei Ermessen verfügen und in einem Beschluss feststellen, dass sie nicht länger zuständig ist. Es wäre dann Sache der beteiligten Unternehmen zu ermitteln, in welchen Mitgliedstaaten sie den Zusammenschluss anmelden müssen.
- 68. Zur Erleichterung des Informationsaustausches zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission schlägt die Kommission vor, den Mitgliedstaaten die Vorabinformationen der beteiligten Unternehmen oder den Verweisungsantrag zu übersenden, um sie im Rahmen der Vorabkontakte auf den Zusammenschluss aufmerksam zu machen.
4.2.2. Artikel 22 der Fusionskontrollverordnung: Verweisung angemeldeter Zusammenschlüsse an die Kommission
- 69. Es wird vorgeschlagen, das Verfahren nach Artikel 22 wie folgt zu ändern.
- - Ein oder mehrere Mitgliedstaaten, die für die Prüfung eines Zusammenschlusses nach nationalem Recht zuständig sind, könnten bei der Kommission innerhalb von 15 Arbeitstagen, nachdem der Zusammenschluss bei ihnen angemeldet (oder ihnen zur Kenntnis gebracht) wurde, eine Verweisung beantragen. 45 - Die Kommission wäre in der Lage, über den Verweisungsantrag zu entscheiden. So könnte sie im Einklang mit Artikel 22 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Fusionskontrollverordnung entscheiden, dem Antrag nicht stattzugeben, wenn der Zusammenschluss keine grenzübergreifenden Auswirkungen hat. Gäbe die Kommission einem Verweisungsantrag statt, würde sie die Zuständigkeit für den gesamten EWR erhalten.
- - Wenn jedoch (mindestens) ein zuständiger Mitgliedstaat die Verweisung ablehnt, würde die Kommission auf die Zuständigkeit für den gesamten EWR verzichten, und die Mitgliedstaaten würden ihre Zuständigkeit behalten. Die Mitgliedstaaten müssten die Ablehnung der Verweisung nicht begründen.
- 70. Damit dieser Vorschlag funktioniert, müssen zwei Probleme gelöst werden. Erstens könnte ein Zeitproblem auftreten, wenn der Verweisungsantrag gestellt wird, nachdem ein anderer Mitgliedstaat den Zusammenschluss bereits für sein Gebiet genehmigt hat. In diesem Fall könnte die Kommission nicht mehr die EWR-weite Zuständigkeit übernehmen. Zweitens verfügen andere Mitgliedstaaten möglicherweise nicht über ausreichende Informationen, um sich zu vergewissern, ob sie zuständig und damit zur Ablehnung der Verweisung berechtigt sind, oder im Falle ihrer Zuständigkeit fundiert zu entscheiden, ob sie die Verweisung ablehnen, da bei ihnen möglicherweise noch keine Anmeldung eingegangen ist.
- 71. Um diese Probleme möglichst umfassend zu lösen, schlägt die Kommission vor, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden so bald wie möglich, nachdem ein Mitgliedstaat eine Anmeldung erhalten oder auf anderem Wege von einem Zusammenschluss erfahren hat, frühzeitige Informationsmitteilungen über Fälle versenden, die grenzübergreifenden Charakter haben, in die Zuständigkeit mehrerer Mitgliedstaaten fallen oder Märkte betreffen, die prima facie größer als nationale Märkte sind. Die nationale Wettbewerbsbehörde würde in dieser Mitteilung angeben, ob sie erwägt, einen Verweisungsantrag zu stellen. In diesem Fall würde die Mitteilung die Hemmung der nationalen Fristen aller Mitgliedstaaten auslösen, die die Sache ebenfalls prüfen. Eine andere Möglichkeit wäre, dass die Kommission, wenn sie der Auffassung ist, dass sie selbst die am besten geeignete Behörde wäre, den Mitgliedstaat nach Artikel 4 Absatz 5 auffordern könnte, einen Verweisungsantrag zu stellen, und dass eine solche Aufforderung ebenfalls alle nationalen Fristen hemmen würde.
- 72. Eine solche Verfahrenslösung dürfte die Gefahr verringern, dass eine nationale Wettbewerbsbehörde bei der Kommission einen Verweisungsantrag stellt, während eine andere nationale Wettbewerbsbehörde den Zusammenschluss bereits genehmigt hat. Nur in dem unwahrscheinlichen Fall, dass ein Mitgliedstaat eine Genehmigungsentscheidung erlassen hat, bevor ein Verweisungsantrag gestellt wurde, würde die Genehmigungsentscheidung in Kraft bleiben und die Sache nur von den übrigen Mitgliedstaaten verwiesen.
- 73. Die Versendung einer solchen Informationsmitteilung würde auch die Zusammenarbeit und Koordinierung zwischen allen an dem Prüfverfahren beteiligten Behörden erleichtern und die Konvergenz fördern, auch wenn die Sache nicht an die Kommission verwiesen wird.
4.2.3. Artikel 4 Absatz 4 der Fusionskontrollverordnung: vor der Anmeldung erfolgende Verweisung an einen Mitgliedstaat
- 74. Die Kommission schlägt vor, die materiellrechtlichen Schwellen für die vor der Anmeldung erfolgende Verweisung von der Kommission an einen Mitgliedstaat nach Artikel 4 Absatz 4 klarer zu fassen.
- 75. Um die Inanspruchnahme dieser Bestimmung zu fördern, schlägt die Kommission vor, den materiellrechtlichen Test in Artikel 4 Absatz 4 dahin gehend anzupassen, dass die beteiligten Unternehmen nicht mehr geltend machen müssen, der Zusammenschluss könne "den Wettbewerb in einem Markt ... erheblich beeinträchtigen", damit die Sache für eine Verweisung in Frage kommt. Es würde genügen darzulegen, dass sich der Zusammenschluss wahrscheinlich in erster Linie auf einen gesonderten Markt in dem betreffenden Mitgliedstaat auswirkt. Die Streichung dieses Kriteriums, das als "Selbstbezichtigung" empfunden wird, könnte dazu führen, dass mehr Anträge nach Artikel 4 Absatz 4 gestellt werden.
5. VERSCHIEDENES
- 76. Nach Auffassung der Kommission könnten noch weitere Bestimmungen der Fusionskontrollverordnung verbessert und gestrafft werden, insbesondere im Hinblick auf die Vereinfachung der Verfahren. Die Kommission hat sich stets bemüht, den Verwaltungsaufwand für die Unternehmen im Rahmen der Fusionskontrolle auf ein Minimum zu beschränken. So hat sie mit der Verabschiedung eines Vereinfachungspakets 46 im Dezember 2013 einen wichtigen Schritt unternommen, um die EU-Fusionskontrolle effizienter zu machen, ohne die Fusionskontrollverordnung selbst zu ändern. Mit diesem Maßnahmenpaket wurden erheblich mehr Fusionskontrollsachen in den Anwendungsbereich des sogenannten vereinfachten Verfahrens für unproblematische Zusammenschlüsse einbezogen und alle für die Anmeldung von Zusammenschlüssen bei der Kommission vorgeschriebenen Formblätter gestrafft, so dass nun insgesamt wesentlich weniger Informationen übermittelt werden müssen als vorher.
- 77. Wenn die EU-Fusionskontrollverfahren über das mit dem Vereinfachungspaket von 2013 Erreichte hinaus weiter gestrafft und vereinfacht und bestimmte Vorschriften der Fusionskontrollverordnung verbessert werden sollen, muss die Fusionskontrollverordnung selbst geändert werden. Entsprechende Vorschläge werden ausführlich in der dem Weißbuch beigefügten Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen behandelt, auf zwei Punkte soll jedoch an dieser Stelle hingewiesen werden:
- - Die Fusionskontrollverordnung könnte dahin gehend geändert werden, dass die Gründung eines Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmens, das vollständig außerhalb des EWR niedergelassen und tätig ist (und keine Auswirkungen auf die Märkte im EWR hat), nicht in ihren Anwendungsbereich fallen würde. Ein solches Gemeinschaftsunternehmen müsste daher nicht bei der Kommission angemeldet werden, selbst wenn die Umsatzschwellen des Artikels 1 überschritten sind.
- - Zur weiteren Vereinfachung der Fusionskontrollverfahren könnte die Kommission ermächtigt werden, bestimmte Gruppen von Zusammenschlüssen, die in der Regel wettbewerbsrechtlich unbedenklich sind (z.B. Zusammenschlüsse, bei denen zwischen den beteiligten Unternehmen keine horizontalen oder vertikalen Beziehungen bestehen und die zurzeit nach einem vereinfachten Verfahrens behandelt werden), von der Pflicht zur vorherigen Anmeldung freizustellen. Für diese Fälle könnte ein ähnliches Verfahren gelten, wie es oben im Rahmen des Systems der "gezielten Transparenz" für den Umgang mit dem Erwerb nichtkontrollierender Minderheitsbeteiligungen in Erwägung gezogen wird.
6. Schlussfolgerung
- 78. Die 2004 erlassene überarbeitete Fusionskontrollverordnung ist insgesamt ein guter Rahmen für den wirksamen Schutz des Wettbewerbs und damit der Verbraucher vor wettbewerbswidrigen Auswirkungen von Fusionen und Übernahmen auf dem Binnenmarkt. Der Rahmen bietet diesen Wettbewerbsschutz, ermöglicht aber gleichzeitig die rasche Genehmigung der großen Mehrheit unproblematischer Zusammenschlüsse. Seit der Einführung des SIEC-Tests im Jahr 2004 kann die Kommission auch die nichtkoordinierten Effekte von Zusammenschlüssen prüfen, bei denen das zusammengeschlossene Unternehmen keine marktbeherrschende Stellung erwirbt. Außerdem haben Verbesserungen an der Verweisungsregelung in erheblichem Maße dazu beigetragen, dass Fusionskontrollsachen der am besten geeigneten Behörde zugewiesen werden.
- 79. Wie oben dargelegt, kann die EU-Fusionskontrolle jedoch noch weiter verbessert werden. 47 Insbesondere wird in diesem Weißbuch vorgeschlagen, die Zuständigkeit der Kommission im Rahmen eines nichtinvasiven Systems der gezielten Transparenz auf die Prüfung der potenziellen wettbewerbswidrigen Auswirkungen des Erwerbs nichtkontrollierender Minderheitsbeteiligungen auszuweiten und die Verweisungsregelung durch Straffung des Verfahrens nach Artikel 4 Absatz 5 und Änderung des Artikels 22 effizienter und wirksamer zu machen, damit das Prinzip der einzigen Anlaufstelle besser gewahrt wird.
Die Kommission bittet um Stellungnahmen zu diesem Weißbuch. Die Kommission fordert insbesondere dazu auf, zu den Vorschlägen und Fragen Stellung zu nehmen, die in diesem Weißbuch und in der diesem Weißbuch beigefügten Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen behandelt werden.
Bitte senden Sie Ihre Stellungnahme spätestens am Freitag, dem 3. Oktober 2014, per E-Mail an folgende Adresse: compmergerregistry@ec.europa.eu oder per Post an folgende Anschrift:
Europäische Kommission
Generaldirektion Wettbewerb, Referat A-2
Weißbuch "Eine wirksamere EU-Fusionskontrolle"
1049 Bruxelles/Brussel BELGIQUE/BELGIË
Die Beiträge, die die Generaldirektion Wettbewerb im Rahmen einer öffentlichen Konsultation erhält, werden in der Regel veröffentlicht. Allerdings kann beantragt werden, Beiträge oder Teile davon vertraulich zu behandeln. Geben Sie bitte gegebenenfalls auf dem Deckblatt Ihrer Stellungnahme klar und deutlich an, dass sie nicht veröffentlicht werden soll. In diesem Fall lassen Sie bitte der Generaldirektion Wettbewerb gleichzeitig eine nichtvertrauliche Fassung der Stellungnahme zur Veröffentlichung zukommen.
- 1. Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates vom 20. Januar 2004 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L24 vom 29.1.2004, S.1). Die geltende Fusionskontrollverordnung ist eine Neufassung der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates vom 21. Dezember 1989 über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. L 395 vom 30.12.1989, S. 1).
- 2. Die Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen "Towards more effective EU merger control" (SWD(2013) 239 final,
im Folgenden "Konsultationspapier") und die eingegangenen Stellungnahmen finden Sie unter: http://ec.europa.eu/competition/consultations/2013 merger control.
- 3. Siehe Artikel 2 Absätze 2 und 3 der Fusionskontrollverordnung.
- 4. Siehe Erwägungsgrund 25 der Fusionskontrollverordnung.
- 5. Komplexe wirtschaftliche Analysen wurden in jüngster Zeit beispielsweise in folgenden Fusionskontrollsachen vorgenommen, um festzustellen, ob eine erhebliche Behinderung wirksamen Wettbewerbs vorlag: COMP/M.6570 - UPS/TNT Express, Beschluss der Kommission vom 30. Januar 2013; COMP/M.6458 - Universal Music Group/EMI Music, Beschluss der Kommission vom 21. September 2012; COMP/M.6471 - Outokumpu/Inoxum, Beschluss der Kommission vom 7. November 2012; COMP/M.6663 - Ryanair/Aer Lingus, Beschluss der Kommission vom 27. Februar 2013.
- 6. Zum Beispiel in der Sache COMP/M.4980 - ABF/GBI Business, Entscheidung der Kommission vom 23. September 2008.
- 7. Zum Beispiel in den Sachen COMP/M.4942 - Nokia/NAVTEQ, Entscheidung der Kommission vom 2. Juli 2008, und COMP/M.4854 - Tom Tom/TeleAtlas, Entscheidung der Kommission vom 14. Mai 2008.
- 8. Zum Beispiel in der Sache COMP/M.5984 - Intel/McAfee, Beschluss der Kommission vom 26. Januar 2011.
- 9. COMP/M.6203 - Western Digital/Hitachi, Beschluss der Kommission vom 23. November 2011, Erwägungsgrund 1038.
- 10. Leitlinien zur Bewertung horizontaler Zusammenschlüsse gemäß der Ratsverordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. C 31 vom 5.2.2004, S. 5).
- 11. Leitlinien zur Bewertung nichthorizontaler Zusammenschlüsse gemäß der Ratsverordnung über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (ABl. C 265 vom 18.10.2008, S. 6).
- 12. Die Leitlinien sind auch von den Unionsgerichten als Benchmarks für die Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit der Analyse von Zusammenschlüssen durch die Kommission betrachtet worden; siehe zum Beispiel Urteil des Gerichts erster Instanz vom 9. Juli 2007, Sun Chemical u.a./Kommission, T-282/06, Slg. 2007, II-2149.
- 13. COMP/M.6570 - UPS/TNT Express, Beschluss der Kommission vom 30. Januar 2013.
- 14. COMP/M.6360 - Nynas/Harburg, Beschluss der Kommission vom 2. September 2013.
- 15. COMP/M.5984 - Intel/McAfee, Beschluss der Kommission vom 26. Januar 2011.
- 16. Mitteilung der Kommission über nach der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 802/2004 der Kommission zulässige Abhilfemaßnahmen (ABl C 267 vom 22.10.2008, S. 1).
- 17. Mitteilung der Kommission an den Rat - Bericht über das Funktionieren der Verordnung Nr. 139/2004 des Rates ( KOM (2009) 281 endg. vom 18.6.2009) mit beigefügter Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen (SEK(2009) 808 endg./2).
- 18. So hat Deutschland 2013 den bis dahin angewandten Marktbeherrschungstest durch den SIEC-Test nach Artikel 2 Absätze 2 und 3 der Fusionskontrollverordnung ersetzt.
- 19. Siehe EU-Arbeitsgruppe "Unternehmenszusammenschlüsse", Best Practices on Cooperation between EUNational Competition Authorities in Merger Review, 8. November 2011.
- 20. Solche Interventionen sind zwar im Allgemeinen selten, entsprechende Regelungen bestehen jedoch unter anderem in Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und dem Vereinigten Königreich.
- 21. Siehe Erwägungsgrund 14 der Fusionskontrollverordnung, in dem es um Verweisungen und Zuständigkeiten geht und in dem der Aspekt der Zusammenarbeit betont wird.
- 22. Mario Monti, A New Strategy for the Single Market at the Service of Europe's Economy and Society, Bericht an den Präsidenten der Europäischen Kommission, José Manuel Barroso, 9. Mai 2010. Siehe auch aus neuerer Zeit Autorité de la concurrence, Rapport au Ministre de l'Économie et des Finances. Pour un contröle plus simple, cohérent et stratégique en Europe, 16. Dezember 2013.
- 23. Die vorliegende Überprüfung lässt weitere Verbesserungen der Fusionskontrollverordnung unberührt.
- 24. Siehe Anhang I des Konsultationspapiers.
- 25. Siehe Randnr. 8 der Leitlinien für horizontale Zusammenschlüsse und Randnr. 10 der Leitlinien für nichthorizontale Zusammenschlüsse.
- 26. COMP/M.3653 - Siemens/VA Tech, Entscheidung der Kommission vom 13. Juli 2005.
- 27. http://ec.europa.eu/competition/mergers/cases/decisions/m3653 050713 20600 de.pdf .
- 28. COMP/M.4439 - Ryanair/Aer Lingus I, Entscheidung der Kommission vom 27. Juni 2007, bestätigt durch das Urteil des Gerichts vom 6. Juli 2010, Ryanair/Kommission, T-342/07, Slg. 2010, II-3457. Siehe auch COMP/M.6663 - Ryanair/Aer Lingus III, Beschluss der Kommission vom 27. Februar 2013, mit dem die Kommission ein anderes Vorhaben, durch das Ryanair die Kontrolle über Aer Lingus erwerben wollte, für mit dem Binnenmarkt unvereinbar erklärte.
- 29. Abschlussbericht vom 28. August 2013, http://www.competitioncommission.org.uk/assets/competitioncommission/docs/2012/ryanairaerlingus/130828_ryanair_final_report.pdf . Gegen diese Entscheidung legte Ryanair einen Rechtsbehelf ein, der jedoch vom Competition Appeal Tribunal am 7. März 2014 zurückgewiesen wurde.
- 30. COMP/M.4153 - Toshiba/Westinghouse, Entscheidung der Kommission vom 19. September 2006.
- 31. Siehe zum Beispiel die Sache COMP/M.1673 - VEBA/VIAG, Entscheidung der Kommission vom 13. Juni 2000.
- 32. Siehe auch Anhang I des Konsultationspapiers.
- 33. COMP/M.5406 - IPIC/MAN Ferrostaal, Entscheidung der Kommission vom 13. März 2009.
- 34. So wurden in jüngster Zeit Minderheitsbeteiligungen von Telefónica an Telecom Italia, von Air France an Alitalia, von Intel an ASML (einem Hersteller von Lithografiesystemen für die Halbleiterindustrie), von Marine Harvest an Grieg Seafood und von VW an Suzuki erworben. Beispiele für Minderheitsbeteiligungen in vertikalen Beziehungen sind unter anderem die 10%ige Minderheitsbeteiligung von Nestlé an Givaudan (die kürzlich verkauft wurde) und die 15%ige Beteiligung von BMW an SGL Carbon (zusätzlich zu der 29%igen Beteiligung der Familie Quandt/Klatten, die in erheblichem Umfang am Automobilhersteller BMW beteiligt ist). Diese
- 35. Siehe auch Urteil des Gerichts vom 6. Juli 2010, Aer Lingus/Kommission, T-411/07, Slg. 2010, II-3691, insbesondere Randnr. 104, und Urteil des Gerichtshofs vom 21. Februar 1973, Continental Can/Kommission, 006/72 , Slg. 1973, 216.
- 36. Siehe Artikel 1 Absätze 2 und 3 der Fusionskontrollverordnung. Es wird vorgeschlagen, die derzeit für den Erwerb der Kontrolle geltenden Umsatzschwellen auch auf den Erwerb nichtkontrollierender
- 37. Die britische Wettbewerbsbehörde OFT (Office of Fair Trade) hat eine Schwelle von 15 % festgesetzt, oberhalb deren sie jeden Fall prüfen kann (siehe OFT, Mergers - Jurisdictional and procedural guidance, Abschnitt 3.20). Dieser Wert könnte auch als klare Schwelle dienen, oberhalb deren eine Beteiligung als "wettbewerbsrelevante Verbindung" angesehen würde.
- 38. Die britische Fusionskontrollsache BSkyB/ITV(2007) ist ein gutes Beispiel für eine Defacto-Sperrminorität (die nicht groß genug ist, um als Defacto-Kontrolle angesehen zu werden). Es wurde festgestellt, dass eine Beteiligung von 17,9 % ausreichte, um BSkyB erheblichen Einfluss auf ITV zu verleihen, da sie es dem Unternehmen ermöglichte, die strategischen Entscheidungen von ITV zu beeinflussen. Der Zusammenschluss wurde unter der Auflage genehmigt, die Beteiligung bis auf 7,5 % zu veräußern.
- 39. Im Falle einer Holdseparate-Verpflichtung müssen unter anderem die betroffenen Vermögenswerte getrennt verwaltet und ein Holdseparate-Manager ernannt werden. Dies würde sich an die derzeitige Praxis bei Veräußerungsverpflichtungen während der Veräußerungsfristen oder den Bedingungen und Auflagen nach Artikel 7 Absatz 3 der Fusionskontrollverordnung anlehnen.
- 40. Ausweitung des Artikels 6 Absatz 1 Buchstabe b Unterabsatz 2 sowie des Artikels 8 Absatz 1 Unterabsatz 2 und Absatz 2 Unterabsatz 3 der Fusionskontrollverordnung auf Minderheitsbeteiligungen.
- 41. Siehe zum Beispiel die Sache COMP/M.6541 - Glencore/Xstrata, Erwägungsgrund 26.
- 42. Siehe z.B. Randnr. 19 des Berichts von 2009.
- 43. Zum Beispiel in der Sache COMP/M.5828 - Procter & Gamble/Sara Lee, Beschluss der Kommission vom 17. Juni 2010.
- 44. Nur 6 der 261 seit 2004 beantragten Verweisungen nach Artikel 4 Absatz 5 wurden von einem Mitgliedstaat abgelehnt.
- 45. Anders als beim derzeitigen Verfahren könnten nur Mitgliedstaaten, die für die Prüfung des Zusammenschlusses nach nationalem Recht zuständig sind, eine Verweisung beantragen.
- 46. Durchführungsverordnung (EU) Nr. 1269/2013 der Kommission vom 5. Dezember 2013 (ABl. L 336 vom 14.12.2013, S. 1) und Bekanntmachung der Kommission über ein vereinfachtes Verfahren für bestimmte Zusammenschlüsse gemäß der Verordnung (EG) Nr. 139/2004 des Rates (ABl. C 366 vom 14.12.2013, S. 5).
- 47. Der für dieses Weißbuch gewählte Gegenstand lässt die zusätzliche Evaluierung anderer wichtiger Aspekte der EU-Fusionskontrolle durch die Kommission unberührt. Die Kommission wird prüfen, welche Themen sich für eine Expost-Evaluierung der von ihr ausgeübten Fusionskontrolle eignen.