Der Bundesrat hat in seiner 858. Sitzung am 15. Mai 2009 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 4 Absatz 1 Satz 1 GewO)
In Artikel 1 Nummer 2 ist in § 4 Absatz 1 Satz 1 nach den Wörtern "dieses Gesetzes" das Wort "vorübergehend" einzufügen.
Begründung
Durch § 4 GewO-E wird der Kreis der unter die Dienstleistungsfreiheit fallenden Gewerbetreibenden tatbestandlich über die europarechtlichen Vorgaben hinaus erweitert.
Nach der bisherigen Lösung ist eine Differenzierung zwischen Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit auf Grund der weiten Fassung der Dienstleistungsfreiheit, die auch ständige und nicht nur gelegentliche Tätigkeiten erfassen soll, für die zuständigen Behörden nicht mehr leistbar. In der Praxis können sich Unternehmen, die von einer Niederlassung in einem anderen EU- oder EWR-Land aus in der Bundesrepublik Deutschland tätig werden, zukünftig unabhängig von der Intensität ihrer Tätigkeiten und ihrer Integration auf dem deutschen Markt auf die Dienstleistungsfreiheit berufen, um strengere Regelungen für eine Niederlassung zu vermeiden.
Nur dann, wenn ihnen Absicht zur Umgehung von den strengeren Niederlassungsvorschriften nachgewiesen werden kann, können diese Unternehmen in der Folge verpflichtet werden, sich an diese zu halten und ihr Gewerbe z.B. anzumelden oder eine Erlaubnis einzuholen. Eine Differenzierung der beiden Grundfreiheiten über eine subjektive Missbrauchsprüfung vorzunehmen, ist jedoch nicht praxistauglich. Einem Dienstleistungsunternehmen die absichtliche Umgehung von Niederlassungsvorschriften nachzuweisen, überfordert die zuständigen Behörden.
Der Kreis der unter die Dienstleistungsfreiheit fallenden Gewerbetreibenden wird auf diese Weise unnötig erweitert. Eine solche Erweiterung ist EU rechtlich nicht zwingend geboten. Die in der Begründung des Entwurfs zum Ausdruck kommende Rechtsansicht "ohne Niederlassung keine Niederlassungsfreiheit" wird nur teilweise vertreten und ist nicht die einzig gebotene Lösung. Die Frage, ob Gewerbetreibende in einem Mitgliedstaat unter die Niederlassungsfreiheit fallen, hängt maßgeblich davon ab, ob eine dauerhafte bzw. schwerpunktmäßige Tätigkeit vorliegt, die mit der Hinwendung zu den Angehörigen des Empfangsstaats schlechthin verbunden ist bzw. die Integration in die Volkswirtschaft des Empfangsstaats bedeutet. Sollte ein Dienstleistungsunternehmen seine Tätigkeit von vornherein ausschließlich oder ganz vorwiegend in einem anderen Mitgliedstaat erbringen, ist diese Tätigkeit der Niederlassungsfreiheit zuzuordnen, auch wenn es dort keine Zweigniederlassung oder Agentur besitzt (EuGH C-205/84 Kommission/Deutschland).
Mit der Änderung kann die Frage, ob ein Dienstleistungsunternehmen im Einzelfall unter die Dienstleistungsfreiheit oder die Niederlassungsfreiheit fällt, nicht nur über einen rein subjektiven Umgehungstatbestand, sondern anhand objektiver Abgrenzungsmerkmale geprüft werden.
Das objektive Tatbestandsmerkmal "vorübergehend" erlaubt weiterhin die Überprüfung einer Tatsachenlage. Ob ein Unternehmen in Deutschland die hier geltenden Niederlassungsvorschriften beachten muss, weil es in die hiesige Wirtschaft integriert ist, kann viel einfacher anhand eines objektiven Merkmals im Schutzbereich der Vorschrift überprüft werden. Zudem werden eklatante Widersprüche hinsichtlich des Begriffs der Dienstleistungserbringung im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit sowohl innerhalb der Gewerbeordnung zwischen § 13a Absatz 1 GewO und § 4 Absatz 1 GewO-E als auch zwischen der Berufsanerkennungsrichtlinie (BARL) und § 4 Absatz 1 GewO-E vermieden. Sowohl § 13a GewO als auch Artikel 5 Absatz 2 BARL beschränken die Regelungen zur Dienstleistungsfreiheit ausdrücklich auf die vorübergehende und gelegentliche Tätigkeit im Aufnahmestaat. Die Beschränkung steht auch im Einklang mit der Definition der Dienstleistungsfreiheit in Artikel 50 EGV und Artikel 57 Satz 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Auch diese enthalten zur Abgrenzung gegenüber der Niederlassungsfreiheit das objektive Abgrenzungsmerkmal "vorübergehend".
Der EuGH nimmt ebenfalls eine Abgrenzung anhand des Merkmals "vorübergehend" vor. Danach fällt, soweit die Leistungserbringung in einem anderen Staat vorübergehend bleibt, ein dienstleistendes Unternehmen unter die Dienstleistungsfreiheit (EuGH C-215/01, Schnitzer Randnummer 27). Für die Frage, ob Tätigkeiten des Leistenden im Aufnahmestaat vorübergehenden Charakter haben, sind laut EuGH nicht nur die Dauer der Leistung, sondern auch ihre Häufigkeit, regelmäßige Wiederkehr oder Kontinuität zu berücksichtigen (C-215/01 Schnitzer, Randnummer 28; Rs 055/94 Gebhard; C-131/01 Kommission/Italien).
Das objektive Merkmal "vorübergehend" fügt sich in das Gesamtgefüge der europäischen und nationalen Rechtslage ein und führt zu mehr Kohärenz und Praxistauglichkeit2. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 4 Absatz 1 Satz 2 GewO)
In Artikel 1 Nummer 2 ist in § 4 Absatz 1 Satz 2 die Zahl "14," zu streichen.
Begründung
Nach Artikel 16 DLR dürfen die Mitgliedstaaten die Aufnahme oder Ausübung einer Dienstleistungstätigkeit in ihrem Hoheitsgebiet nicht von Anforderungen abhängig machen. § 14 GewO erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Die Gewerbeanzeige ist zwar gleichzeitig mit der Aufnahme der Tätigkeit abzugeben und das Unterlassen der Anzeige gilt als Ordnungswidrigkeit nach § 146 Absatz 2 Nummer 1 GewO. Dennoch wird die "Aufnahme oder Ausübung" der Tätigkeit - im Gegensatz zu Genehmigungsverfahren - nicht von der Gewerbeanzeige "abhängig" gemacht, sondern bleibt auch ohne Gewerbeanzeige zulässig. Die Streichung der Gewerbeanzeige nimmt den Behörden die Möglichkeit, von der Existenz des Gewerbetreibenden Kenntnis zu nehmen und wird vor allem auch nicht durch die Informationspflichten des Dienstleistungserbringers nach § 6c GewO-E ausgeglichen, die dieser allein gegenüber dem Dienstleistungsempfänger hat. Die Pflichten der Mitgliedstaaten nach Artikel 22 Absatz 2 bis 4 DLR können ernsthaft nur wahrgenommen werden, wenn der Mitgliedstaat ein Mindestmaß an Informationen über die Existenz von Gewerbetreibenden in seinem Zuständigkeitsbereich besitzt. Auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten verkörpert die Gewerbeanzeige nach § 14 GewO das geringste Maß an Informationspflichten des Gewerbetreibenden.
3. Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 4 Absatz 2 Satz 2 GewO)
In Artikel 1 Nummer 2 sind in § 4 Absatz 2 Satz 2 die Wörter ", um sich den in Absatz 1 genannten Vorschriften zu entziehen," zu streichen.
Begründung
§ 4 Absatz 2 GewO-E sieht eine rein subjektive Missbrauchsprüfung vor, die nicht praxistauglich ist.
Einem Dienstleistungsunternehmen die absichtliche Umgehung von Niederlassungsvorschriften nachzuweisen, überfordert die zuständigen Behörden. § 4 Absatz 2 GewO-E ist in seiner jetzigen Fassung nicht vollziehbar.
Das in § 4 Absatz 2 Satz 2 GewO-E aufgeführte Regelbeispiel einer Umgehung soll laut Begründung die Vorschrift für den Vollzug handhabbarer machen.
Das genannte Regelbeispiel eignet sich zwar im Grundsatz, eine Prüfung und der Vollzug durch die zuständigen Behörden sind auf Grund der enthaltenen subjektiven Komponente (Absicht) jedoch nicht leistbar.
Mit der Änderung kann die Frage, ob ein Dienstleistungsunternehmen unter einen Umgehungstatbestand fällt, auch anhand eines objektiven Tatbestands geprüft werden.
Die Streichung der subjektiven Tatbestandsebene im Regelbeispiel des § 4 Absatz 2 Satz 2 GewO-E führt zu mehr Kohärenz und Praxistauglichkeit.
4. Zu Artikel 1 Nummer 4 ( § 6a GewO)
In Artikel 1 Nummer 4 ist in § 6a das Wort "zwei" durch das Wort "drei" zu ersetzen.
Begründung
Für die in § 6a GewO-E aufgeführten Verfahrensarten (Versteigerer, Reisegewerbetreibende, Makler, Bauträger und Baubetreuer) sieht der Gesetzentwurf in Abweichung von der Regelfrist von drei Monaten des § 42a Absatz 2 Satz 1 VwVfG eine Entscheidungsfrist von lediglich zwei Monaten vor. Nach deren Ablauf gilt die beantragte Genehmigung als erteilt (Artikel 13 Absatz 4 Satz 1 DLR).
Eine solche Frist wird für nicht ausreichend und ihre Einführung ohne Not für nicht sachgerecht gehalten. Bei unproblematischen Inlandssachverhalten im langläufigen Rahmen ohne Auslandsbezug kann sie zwar genügen, um nach Einholung der erforderlichen Unterlagen und Auskünfte dritter Stellen über einen Antrag zu entscheiden.
Dies ist allerdings nicht mehr zu gewährleisten, wenn die Auskünfte aus Bundes- und Gewerbezentralregister einschlägige Eintragungen enthalten und dann zur verlässlichen Beurteilung der Zuverlässigkeit der Antragsteller Akten bzw. sonstige Unterlagen von Gerichten und Staatsanwaltschaften, ggf. auch Polizeidienststellen angefordert werden müssen. Dabei ist anzumerken, dass es mitunter drei bis vier Wochen dauern kann, bis das Bundesamt für Justiz die Auskünfte aus den genannten Registern erteilt. Die Gewerbebehörden haben auf diese Abläufe und ihre Dauer keinen nennenswerten Einfluss.
Gerade bei Auslandssachverhalten, dessen Hintergrund § 6a GewO-E bildet, kommt noch hinzu, dass auf Grund der dann in der Regel vorzunehmenden Bekanntgabe im Ausland die Genehmigung einen Monat nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben gilt (§ 71b Absatz 6 VwVfG). Ausgehend von einer zweimonatigen Entscheidungsfrist verbliebe damit eine Bearbeitungszeit von lediglich einem Monat.
Außerdem soll bei Auslandssachverhalten das Binnenmarktinformationssystem (IMI) als Austauschplattform für Behörden zur Anwendung kommen, das jedoch noch nicht ausreichend erprobt ist.
Entgegen der Formulierung in der Begründung beginnt die Genehmigungsfrist, sobald der Antragsteller sämtliche von ihm beizubringenden Unterlagen eingereicht hat (Artikel 13 Absatz 3 Satz 2 DLR: "Die Frist läuft erst, wenn alle Unterlagen vollständig eingereicht wurden"). Es kommt also nicht darauf an, ob der Behörde schon sämtliche für die Entscheidung erheblichen Informationen wie z.B. Strafurteile vorliegen. Eine Fristverlängerung dürfte in solchen - kritisch zu prüfenden - Fällen, nicht ohne weiteres möglich sein.
Zutreffend weist die Begründung hingegen darauf hin, dass die Länder eine abweichende Frist vorsehen können. Die Begründung schweigt aber dazu, wieso die Länder dies nicht erst nach einer gewissen Bewährung der Umsetzung der DLR und in diesem Zusammenhang auch des IMI-Systems sollen tun können. Bis dahin jedenfalls sollte es bei der dreimonatigen Entscheidungsfrist verbleiben. Diese hält der Bund, wie Artikel 4 Nummer 2 des Entwurfs belegt, auch für die angemessene Frist bei Verfahren, die die Bundesnetzagentur nach dem Signaturgesetz durchzuführen hat.
Schließlich waren die Behörden schon bisher u. a. vor dem Hintergrund einer nach Ablauf von drei Monaten möglichen Untätigkeitsklage ( § 75 VwGO) und angesichts kostenrechtlicher Zielstellungen auch im Gewerberechtsvollzug zu zügigen Entscheidungsverfahren gehalten. Damit liegt die Gefahr unnötigen Ausnutzens einer längeren Regelfrist von drei Monaten in gewerberechtlichen Verfahren des § 6a GewO-E völlig fern.
5. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 6a Satz 2 - neu - GewO)
In Artikel 1 Nummer 4 ist dem § 6a der folgende Satz anzufügen:
- Die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes über die Genehmigungsfiktion gelten entsprechend.
Begründung
Die vorgesehene Regelung in § 6a GewO-E geht über die Anforderungen der DLR hinaus. Durch den Verzicht auf die Anwendbarkeit des § 42a VwVfG wird die einmalige Verlängerungsmöglichkeit aus Artikel 13 Absatz 3 DLR nicht berücksichtigt. Die der Begründung zu entnehmende Ansicht, mit der Anordnung einer Frist und der Genehmigungsfiktion auch die Anwendbarkeit von § 42a VwVfG angeordnet zu haben, ist nicht zutreffend. Vielmehr geht die jetzt gewählte Formulierung als lex specialis dem VwVfG vor (das heißt nach zwei Monaten würde die Genehmigungsfiktion greifen, ohne dass die zuständige Behörde eine Verlängerungsmöglichkeit hat). Damit fehlen aber die dort auch geregelten weiteren Verfahrensschritte. Um diese zur Geltung zu bringen, müssten die Länder entweder § 42a VwVfG oder zumindest Teile davon selbst anordnen oder gleichartige Ausführungsbestimmungen erlassen.
Durch die Anfügung des vorgeschlagenen Satzes wird diese Doppelarbeit verhindert.
6. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 6a Absatz 2 - neu - GewO)
In Artikel 1 Nummer 4 ist § 6a wie folgt zu ändern:
Begründung
Im Rahmen der Föderalismusreform sind die Verfahren nach den §§ 33a Absatz 1 und 69 Absatz 1 GewO und die Verfahren nach dem Gaststättengesetz in die Gesetzgebungskompetenz der Länder übergegangen. Die Dienstleistungsrichtlinie verlangt für diese Verfahren zwingend die Einführung einer Entscheidungsfrist und einer Genehmigungsfiktion. Von Letzterer kann europarechtlich aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses abgewichen werden. Der vorliegende Gesetzentwurf des Bundes bezieht die in die Zuständigkeit des Landesgesetzgebers übergegangenen Verfahren allerdings nicht in die geplante Regelung zur Entscheidungsfrist und Genehmigungsfiktion mit ein.
Solange aber die Länder keine eigenen Regelungen treffen, gilt für die in Bezug genommenen Verfahren das Bundesrecht weiter. Der Bund bleibt für die Rechtskonformität seiner Gesetzgebung in eigener Zuständigkeit verantwortlich.
Daher sollte für das fortgeltende Bundesrecht eine Übergangsregelung geschaffen werden, die eine Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie gewährleistet, solange die Länder nicht von ihrer Gesetzgebungskompetenz Gebrauch machen. Anderenfalls wären die Länder ausschließlich im Hinblick auf diesen formalen Aspekt gehalten, zu den betreffenden Materien eigene Landesgesetze zu erlassen, auch wenn ansonsten kein akuter gesetzgeberischer Handlungsbedarf gegeben ist. Die Bemühungen von Bund und Ländern um die Normkontrolle würden konterkariert. Es ist offensichtlich, dass die Föderalismusgesetzgebung keinen Regulierungszwang beinhaltet. Vielmehr sollte für die Länder eine Regulierungsoption eröffnet werden, soweit nach örtlichen Gesichtspunkten abweichende Regelungen als erforderlich angesehen werden. Im Hinblick auf den Grundsatz der Bundestreue wäre es daher zu begrüßen, wenn der Bund Rechtskonformität seiner Gesetzgebung unverändert gewährleistet.
Da zumindest die Einführung einer Entscheidungsfrist obligatorisch ist und anderenfalls durch den Landesgesetzgeber vorgenommen werden müsste, erscheint eine solche "nachwirkende" Regelung für fortgeltendes Bundesrecht im Hinblick auf die Gesetzgebungszuständigkeiten verfassungsrechtlich vertretbar.
7. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 6b Satz 2 - neu - GewO)
In Artikel 1 Nummer 4 ist dem § 6b folgender Satz anzufügen:
- Die Länder werden ermächtigt, durch Rechtsverordnung im Einklang mit Artikel 2 Absatz 2 der Richtlinie 2006/123/EG bestimmte Verfahren von der Abwicklung über eine einheitliche Stelle auszuschließen.
Begründung
Der § 6b GewO-E geht eindeutig über eine 1:1-Umsetzung der Dienstleistungsrichtlinie hinaus, da eine Abwicklung auch solcher Verfahren über die einheitliche Stelle vorgesehen ist, die von dem Anwendungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie ausdrücklich ausgenommen wurden (Versicherungsvermittlung, Glücksspiele, Bewachungsgewerbe). Den Ländern sollte zumindest die Möglichkeit eingeräumt werden, die Zuständigkeit des einheitlichen Ansprechpartners - abweichend von der bundesrechtlichen Regelung - im Einklang mit der Dienstleistungsrichtlinie einzuschränken.
Zwar haben die Länder gemäß Artikel 84 Absatz 1 Satz 2 GG die Möglichkeit, durch Landesgesetz abweichende Regelungen zu erlassen. In vielen Rechtsbereichen, wie auch in der Gewerbeordnung, würde dies jedoch die Schaffung neuer landesrechtlicher Regelungen auf der Ebene formeller Gesetze bedeuten.
Eine Verordnungsermächtigung würde eine flexiblere Handhabung auf Landesebene bei gleichem Ergebnis ermöglichen.
8. Zu Artikel 1 Nummer 10 (§ 36 Absatz 3 Nummer 3 Buchstabe e GewO)
Artikel 1 Nummer 10 ist wie folgt zu fassen:
Begründung
Mit der Änderung werden den zuständigen Behörden die gleichen Informationsrechte eingeräumt, wie sie gemäß Artikel 11 Absatz 3 DLR der einheitlichen Stelle eingeräumt werden.
9. Zu Artikel 1 Nummer 15 Buchstabe b1 - neu - (§ 56a Absatz 1 Satz 1, Satz 3 Nummer 2 GewO)
In Artikel 1 Nummer 15 ist nach Buchstabe b folgender Buchstabe einzufügen:
- "b1) Der neue Absatz 1 wird wie folgt geändert:
- aa) In Satz 1 erster Halbsatz und in Satz 3 Nummer 2 werden nach dem Wort "Waren" jeweils die Wörter "oder Dienstleistungen" eingefügt.
- bb) In Satz 1 zweiter Halbsatz werden nach dem Wort "Ware" die Wörter "oder Dienstleistung" eingefügt."
Als Folge ist in Artikel 1 Nummer 18 nach Buchstabe a folgender Buchstabe einzufügen:
- "a1) In Nummer 6 werden nach dem Wort "Ware" die Wörter "oder der Dienstleistung" eingefügt."
Begründung
Von den Gewerbebehörden wird in den letzten Jahren immer häufiger die Durchführung von Wanderlagern beobachtet, die der Vermittlung von Reisen dienen. Da die Veräußerung und Vermittlung von Reisen keinen Vertrieb von Waren, sondern von Dienstleistungen darstellt, unterliegen derartige Veranstaltungen nicht den Beschränkungen des § 56a GewO. Es ist deshalb gesetzlich nicht gewährleistet, dass solche Vorhaben der Verwaltung im Vorfeld bekannt werden. Leider kommt es aber auch bei den neuen Erscheinungsformen des Wanderlagers immer wieder zu Täuschungen und Schädigungen der Teilnehmer, also zu denselben Missständen, die bisher schon den Warenvertrieb so oft begleitet haben. Darüber hinaus belegen die Erkenntnisse der Vollzugsbehörden ferner, dass die fehlende Anzeigepflicht für Veranstaltungen zum Verkauf von Reisen von den Veranstaltern dazu genutzt wird, die Bestimmungen des § 56a GewO zu umgehen und unter dem Deckmantel einer solchen Veranstaltung tatsächlich Waren zu vertreiben.
Zielsetzung des § 56a GewO ist es, die Kunden vor einer Übervorteilung durch den Veranstalter zu schützen. Es ist daher nicht nachvollziehbar, warum dieser Schutz nur bei dem Vertrieb von Waren greifen sollte.
Die Folgeänderung bezweckt, die Bußgeldandrohung des § 145 Absatz 3 Nummer 6 GewO an den ergänzten Tatbestand des § 56a GewO anzupassen und sicherzustellen, dass künftig auch fehlende Angaben zur Art der Dienstleistung als Ordnungswidrigkeit geahndet werden können.
10. Zu Artikel 1 Nummer 19 Buchstabe b1 - neu - (§ 146 Absatz 2 Nummer 2 - neu - GewO)
In Artikel 1 Nummer 19 ist nach Buchstabe b folgender Buchstabe einzufügen:
- "b1) Nummer 2 wird wie folgt gefasst:
"2. entgegen § 14 Absatz 3 Satz 2 und 3 Namen, Firma, ladungsfähige Anschrift sowie die Anschrift der Hauptniederlassung nicht oder nicht in der vorgegebenen Weise anbringt," "
Begründung
Es handelt sich um eine dringend erforderliche Folgeänderung des durch das Dritte Mittelstandsentlastungsgesetz neu gefassten § 14 Absatz 3 GewO, der die Gewerbetreibenden verpflichtet, die genannten Angaben am Automaten anzubringen.
Die Änderung verfolgt den Zweck, das Nichtanbringen der in § 14 Absatz 3 Satz 2 und 3 GewO geforderten Angaben, das bislang nicht geahndet werden kann, künftig als Ordnungswidrigkeit ahnden zu können und insoweit eine Bußgeldandrohung in § 146 Absatz 2 Nummer 2 GewO einzufügen.
11. Zu Artikel 2 Nummer 1 (§ 10 Absatz 1 Satz 2 HwO),
Nummer 2 - neu - (§ 10 Absatz 2 Satz 5 - neu - HwO)
Artikel 2 ist wie folgt zu fassen:
Die Handwerksordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. September 1998 (BGBl. I. S. 3074; 2006 I S. 2095), zuletzt geändert durch ...., wird wie folgt geändert:
- 1. Dem § 10 Absatz 1 werden die folgenden Sätze angefügt:
"Wenn die Voraussetzungen zur Eintragung in die Handwerksrolle vorliegen, ist die Eintragung innerhalb von drei Monaten nach Eingang des Antrags einschließlich der vollständigen Unterlagen vorzunehmen. Hat die Handwerkskammer nicht innerhalb der Frist des Satzes 2 eingetragen, gilt die Eintragung als erfolgt."
- 2. Dem § 10 Absatz 2 wird der folgende Satz angefügt:
"Die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes über die Genehmigungsfiktion gelten entsprechend." "
Begründung
Zu Ziffer 1:
Nach Artikel 13 Absatz 3 und 4 der Richtlinie 2006/123/EG ist eine Frist festzulegen, nach deren Ende eine Genehmigungsfiktion eintritt. In § 42a VwVfG wurde diese Frist auf drei Monate festgelegt. Da für die Ergänzung des § 10 HwO keine besonderen Gründe vorgetragen wurden, diese Frist auf zwei Monate zu verkürzen, wird im Hinblick auf eine einheitliche Handhabung dafür plädiert, auch im Handwerksrecht eine 3-monatige Frist vorzusehen.
Dafür sprechen außerdem folgende Gründe: In unproblematischen Fällen erfolgt die Eintragung in die Handwerksrolle nach wesentlich kürzerer Bearbeitungszeit. Die beabsichtigte Regelung wird daher vorrangig bei Problemfällen relevant. Um Auseinandersetzungen, wann Unterlagen vollständig vorlagen, zur Fristwahrung ergehende Ablehnungsbescheide sowie die mit einer Genehmigungsfiktion verbundenen Rechtsunsicherheiten zu vermeiden, sollte die im Verwaltungsverfahrensgesetz vorgesehene Frist von drei Monaten übernommen werden.
Zu Ziffer 2:
Die vorgesehene Regelung in § 6a GewO-E geht über die Anforderungen der DLR hinaus. Durch den Verzicht auf die Anwendbarkeit des § 42a VwVfG wird die einmalige Verlängerungsmöglichkeit aus Artikel 13 Absatz 3 DLR nicht berücksichtigt. Die der Begründung zu entnehmende Ansicht, mit der Anordnung einer Frist und der Genehmigungsfiktion auch die Anwendbarkeit von § 42a VwVfG angeordnet zu haben, ist nicht zutreffend. Vielmehr geht die jetzt gewählte Formulierung als lex specialis dem VwVfG vor (das heißt nach zwei Monaten würde die Genehmigungsfiktion greifen, ohne dass die zuständige Behörde eine Verlängerungsmöglichkeit hat). Damit fehlen aber die dort auch geregelten weiteren Verfahrensschritte. Um diese zur Geltung zu bringen, müssten die Länder entweder § 42a VwVfG oder zumindest Teile davon selbst anordnen oder gleichartige Ausführungsbestimmungen erlassen.
Durch die Anfügung des vorgeschlagenen Satzes wird diese Doppelarbeit verhindert.
12. Zu Artikel 2a - neu - (Inhaltsübersicht zu § 53a - neu -, § 53a - neu - IfSG)
Nach Artikel 2 ist folgender Artikel 2a einzufügen:
Das Infektionsschutzgesetz vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045), das zuletzt durch Artikel 16 des Gesetzes vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
Begründung
Die Änderung dient der Umsetzung der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 36) (Dienstleistungsrichtlinie) im Infektionsschutzrecht. Die verfahrensrechtlichen Vorgaben der Dienstleistungsrichtlinie sind bei Antragsverfahren auf Erteilung einer Erlaubnis für das Arbeiten mit Krankheitserregern nach den §§ 44 und 47 des Infektionsschutzgesetzes und bei der Erfüllung von Anzeigepflichten nach den §§ 49 und 50 des Infektionsschutzgesetzes zu beachten, da diese Vorschriften auch solche Dienstleister betreffen, die andere als Gesundheitsdienstleistungen im Sinne der vom Geltungsbereich der Dienstleistungsrichtlinie ausgenommenen Gesundheitsdienstleistungen am Patienten (Erwägungsgrund 22 zur Dienstleistungsrichtlinie) erbringen.
Gemäß Artikel 13 Absatz 3 Satz 1 Dienstleistungsrichtlinie müssen Genehmigungsverfahren in jedem Fall binnen einer vorab festgelegten Frist erfolgen.
Um dies sicherzustellen und zur Vermeidung unterschiedlicher Fristen erfolgt eine Fristfestlegung im Bundesgesetz direkt.
Eine Genehmigungsfiktion ist mit dem Ablauf der Frist nach § 53a Absatz 2 des Infektionsschutzgesetzes aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit nicht verbunden.
13. Zu Artikel 3 Nummer 1 (Inhaltsübersicht WPO), Nummer 2 (§ 4b - neu - WPO)
Artikel 3 ist wie folgt zu ändern:
Begründung
Artikel 13 Absatz 3 DLR fordert, dass Anträge binnen einer vorab festgelegten und bekannt gemachten angemessenen Frist bearbeitet werden. Mit der Anordnung der Anwendung des § 42a Absatz 2 und 3 VwVfG wird diese Anforderung erfüllt.