957. Sitzung des Bundesrates am 12. Mai 2017
Der federführende Wirtschaftsausschuss (Wi), der Ausschuss für Kulturfragen (K) und der Rechtsausschuss (R) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1.
a) Zum Gesetzentwurf allgemein
- aa) Der Bundesrat begrüßt ausdrücklich das Ziel des Regierungsentwurfs, angesichts des Urteils des EuGH (vom 15. September 2016 - Mc Fadden) die Rechtssicherheit für WLAN-Betreiber zu verbessern, damit mehr offene WLAN-Zugänge in Deutschland eingerichtet werden können.
- bb) Der Bundesrat begrüßt insbesondere, dass der Gesetzestext die Auferlegung vor- und außergerichtlicher Kosten auf Diensteanbieter grundsätzlich ausschließt. Das Kostenrisiko für Diensteanbieter zu beseitigen, ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Rechtssicherheit für Anbieter offener WLAN-Netze.
- cc) Der Bundesrat begrüßt, dass der Gesetzesentwurf keine vollständige Sperrung oder Verschlüsselung von WLAN-Netzen vorsieht.
b) Zu Artikel 1 Nummer 1 (§ 7 TMG)
c) Zu Artikel 1 Nummer 2 (§ 8 TMG)
- aa) Der Bundesrat begrüßt die ausdrückliche Klarstellung, dass Diensteanbieter nicht für rechtswidrige Handlungen von Dritten auf Schadensersatz, Beseitigung oder Unterlassung in Anspruch genommen werden sollen und insbesondere nicht die Kosten für die Geltendmachung und Durchsetzung dieser Ansprüche tragen müssen. Diese klare Einschränkung ist zu begrüßen, da sie zu mehr Rechtssicherheit für die Diensteanbieter führt.
- bb) Der Bundesrat regt eine Prüfung an, ob in § 8 Absatz 4 n.F. das Merkmal "von einer Behörde" gestrichen werden kann, so dass die genannten Maßnahmen letztlich auch nicht durch ein Gericht angeordnet werden können. Die Regelung würde damit jegliche - behördliche wie gerichtliche - Verpflichtung zu den genannten Maßnahmen untersagen. Dies wäre zu begrüßen. Die Regelung führte somit zu mehr Rechtssicherheit für WLAN-Anbieter.
d) Zu Artikel 2 (Evaluierung)
Der Bundesrat begrüßt ausdrücklich, dass im Gesetzentwurf selbst bereits eine Evaluation der Regelungen des § 7 Absatz 4 TMG zur Sperrung der Nutzung von Informationen vorgesehen ist. Aus Sicht des Bundesrates ist angesichts der hohen Dynamik im Bereich WLAN-Nutzung eine kontinuierliche Beobachtung weiterhin geboten, um sowohl die flächendeckende Einrichtung öffentlicher WLAN-Netze zu gewährleisten, aber auch einen wirkungsvollen Schutz geistiger Eigentumsrechte zu wahren.
2. Zu Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe b (§ 7 Absatz 4 TMG) - Hilfsempfehlung zu Ziffer 1
Der Bundesrat bittet, den Anspruch auf Sperrung der Nutzung von Informationen nach § 7 Absatz 4 Telemediengesetz im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu überarbeiten und durch ein flexibleres Rechtsdurchsetzungsmodell zu ersetzen, das einerseits WLAN-Betreibern eine rechtssichere und praktikable Handhabung ihres Angebots ermöglicht und andererseits die Belange der betroffenen Rechteinhaber angemessen berücksichtigt.
Begründung:
Die vorgesehenen Sperrmaßnahmen sind weder geeignet, Rechtssicherheit für den WLAN-Betreiber herzustellen, noch verhelfen sie den Rechteinhabern zur Durchsetzung ihrer Rechte. Der Bundesrat hat bereits in seinem Beschluss zum Grünbuch der Kommission "Online-Glücksspiele im Binnenmarkt" (BR-Drucksache 176/11(B) ) auf die leichte Umgehungsmöglichkeit von Internetsperren hingewiesen. Damit kann den in der öffentlichen Meinung als sehr repressiv empfundenen Sperrungen von Internetseiten nicht das Argument hoher Effektivität entgegengehalten werden.
Kommt der Betreiber eines öffentlichen WLAN-Netzes dem Sperrbegehren eines Rechteinhabers nicht nach, weil er dieses für ungerechtfertigt hält, setzt er sich dem Risiko eines Rechtsstreits und der damit verbundenen Kostenfolge im Falle des Unterliegens aus. Daher ist davon auszugehen, dass Betreiber öffentlicher WLAN-Netze den Sperrbegehren rein vorsorglich nachkommen. Dadurch steigt die Gefahr der unbegründeten Sperrung von Internetseiten. Ein Schaden für die Internetwirtschaft ist dabei langfristig nicht auszuschließen.
3. Zu Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe b (§ 7 Absatz 4 Satz 1 TMG)
In Artikel 1 Nummer 1 Buchstabe b sind in § 7 Absatz 4 Satz 1 nach der Angabe " § 8 Abs. 3" das Komma und die Wörter "der Nutzern einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellt," zu streichen.
Begründung:
Der eingeschobene Relativsatz ist überflüssig. Über den vorangehenden Verweis auf § 8 Absatz 3 TMG wird dessen gesamter Wortlaut einschließlich der - im Plural gefassten - Formulierung ", die Nutzern einen Internetzugang über ein drahtloses lokales Netzwerk zur Verfügung stellen", in Bezug genommen. Dies genügt.
4. Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa (§ 8 Absatz 1 Satz 2 TMG)
In Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa sind in § 8 Absatz 1 Satz 2 die Wörter "dasselbe gilt hinsichtlich aller Kosten für die Geltendmachung und Durchsetzung dieser Ansprüche" durch die Wörter "zur Erstattung von Kosten sind sie nicht verpflichtet" zu ersetzen.
Begründung:
Die Formulierung "dasselbe gilt hinsichtlich aller Kosten für die Geltendmachung und Durchsetzung dieser Ansprüche" läuft leer. Sie nimmt auf Ansprüche (auf Schadensersatz, Beseitigung oder Unterlassung) Bezug, die im vorstehenden Halbsatz ausgeschlossen wurden und deren - aus diesem Grund von vornherein keinen Erfolg versprechende - Geltendmachung gegenüber dem Diensteanbieter weder materielle noch prozessuale Kostenerstattungsansprüche erwachsen lassen kann.
Der Begriff "Kosten" weicht von der in § 7 Absatz 4 Satz 3 TMG-E verwendeten Formulierung "vor- und außergerichtliche Kosten" ab und bringt auf diese Weise hinreichend klar zum Ausdruck, dass "alle" Kosten, d.h. neben den vor- und außergerichtlichen auch die gerichtlichen Kosten gemeint sind.
5. Zu Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe b (§ 8 Absatz 4 Satz 2 TMG)
In Artikel 1 Nummer 2 Buchstabe b § 8 Absatz 4 Satz 2 ist das Wort "Basis" durch die Wörter "Grundlage oder aufgrund von Regelungen, die die Länder für den Zugang zum Internet über ein drahtloses lokales Netzwerk an einer öffentlichen Schule treffen" zu ersetzen.
Begründung:
§ 8 Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 TMG-E würde die Länder daran hindern, den Schulträgern vorzuschreiben, dass beim Zugang zum Internet über schulische Netzwerke per WLAN eine Registrierung erfolgen oder ein Passwort eingegeben werden muss. Sie wären für die Sicherung der schulischen Netzwerke darauf verwiesen, Vereinbarungen auf freiwilliger Grundlage mit den Schulträgern zu treffen. Daher ist eine Ausnahmeregelung nötig, die die einseitige Verpflichtung derjenigen Diensteanbieter erlaubt, die den Zugang zum Internet über schulische Netzwerke per WLAN eröffnen.