Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Berlin, 27. Mai 2019
Parlamentarische Staatssekretärin
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Daniel Günther
Sehr geehrter Herr Präsident,
der Bundesrat hat in seiner 970. Sitzung am 21. September 2018 die Entschließung "ELFE - Einfach Leistungen für Eltern" (BR-Drucksache 307/18 (PDF) ) beschlossen.
Das Grundanliegen, die Beantragung von familienbezogenen Leistungen nicht nur zu vereinfachen, sondern perspektivisch so weit wie möglich medienbruchfrei anzubieten, wird von der Bundesregierung begrüßt und unterstützt. Die die Bundesregierung tragenden Parteien haben im Koalitionsvertrag vom 12. März 2018 diesbezüglich festgehalten, dass mehr familienpolitische Leistungen zukünftig auch online beantragt werden können sollen. Zudem haben sie sich dort zum Ziel des so genannten "once only"-Prinzips bekannt, dem der Gedanke zugrunde liegt, dass Bürgerinnen und Bürger ihre Daten nicht immer wieder, sondern nach Möglichkeit nur einmal abgeben müssen sollen.
Die Bundesregierung teilt die Zielrichtung der Initiative des Bundesrates und begrüßt diese grundsätzlich. Die Bundesregierung bezieht die dem Entschließungsantrag zugrundeliegenden Überlegungen in ihre laufenden und in Umsetzung befindlichen Projekte, insbesondere im Rahmen der Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes und dabei insbesondere im Rahmen der Themenfeldplanungen, mit ein. Die Bundesregierung ist zuversichtlich, diese Herausforderungen gemeinsam mit den Ländern zu bewältigen.
Das Elterngeld gehört zu den bekanntesten und beliebtesten Familienleistungen in Deutschland. Elterngeld hilft Eltern, Familie und Beruf besser zu vereinbaren.
Das Elterngeld wird am individuellen Einkommen berechnet und bietet Eltern mit seinen verschiedenen Varianten Elterngeld, ElterngeldPlus und Partnerschaftsbonus die Möglichkeit, diese Familienleistung flexibel auf ihre individuelle Lebens-, Arbeits- und Betreuungssituation hin anzupassen. Gerade dieser Aspekt, der das Ziel einer (partnerschaftlichen) Vereinbarkeit von Familie und Beruf verfolgt, steht einer nahezu automatisierten Auszahlung des Elterngeldes entgegen. Die der Leistung inne wohnende Flexibilität und aufgrund individueller Bemessung gesteigerte Attraktivität impliziert eine gewisse Komplexität der Beantragung. Nicht geteilt werden aus diesem Grund solche Vorschläge zur Anpassung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG), die die Natur und Wirkungsweise der Leistung verändern könnten. Daher wird eine Verschiebung des Bemessungszeitraumes für Nicht-Selbständige auf das Kalenderjahr vor der Geburt, wie vom Entschließungsantrag vorgesehen, von der Bundesregierung nicht unterstützt. Das Elterngeld soll als Einkommensersatzleistung soweit möglich die Einkommenssituation unmittelbar vor Geburt widerspiegeln. Eine Verschiebung dieses Zeitraums auch für Nichtselbstständige steht diesem Ansinnen entgegen. Gleichzeitig teilt die Bundesregierung das Ansinnen, die Nachweispflicht für Antragstellende zu reduzieren. Aus diesem Grund werden aktuell weitere, auch elektronische Wege geprüft, um der Nachweispflicht über Einkommen unmittelbar vor Geburt nachzukommen.
Die Bundesregierung vereinfacht mit dem neuen Angebot ElterngeldDigital bereits jetzt für Eltern in Berlin und Sachsen die Beantragung des Elterngeldes. ElterngeldDigital wird schrittweise ausgebaut und soll Antragstellenden zukünftig die Möglichkeit bieten, Antragsdaten auch elektronisch an die zuständige Behörde zu übermitteln. Die dafür notwendige datenschutzrechtliche Ermächtigung im BEEG wird aktuell im Rahmen des 2. Datenschutz-Anpassungs- und Umsetzungsgesetzes (EU) geschaffen. Zeitnah sollen, nach Abstimmung und fachlicher Freigabe durch die Länder, die elektronischen Formulare der Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Thüringen freigeschaltet werden. Die elektronischen Formulare der Länder Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein befinden sich zudem in Umsetzung. Nach Freischaltung der elektronischen Formulare soll auch hier die elektronische Datenübertragung ermöglicht werden.
Dabei will die Bundesregierung nicht stehen bleiben, denn eine vollständig medienbruchfreie Antragstellung wird dadurch noch nicht möglich. Daher erörtert das federführende Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) in Zusammenarbeit mit den Ländern derzeit Vorschläge, wie die Nachweispflicht für Antragstellende von Elterngeld verringert werden kann bzw. wie die erforderlichen Daten auch auf elektronischem Wege beigebracht werden können. Ziel ist es, dass Behörden erforderliche Daten und Nachweise, wenn möglich, im Rahmen eines Datenaustausches beschaffen ("once only"). Die Feststellung diesbezüglicher Anpassungsbedarfe ist zudem Gegenstand der vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und des IT-Planungsrates initiierten Themenfeldplanung zur Umsetzung des Onlinezugangsgesetzes (OZG) im Rahmen des Digitalisierungsprogramms des Bundes. Bezogen auf familienpolitische Leistungen werden im Rahmen der Themenfeldplanung Familie + Kind in Federführung des BMFSFJ und Bremens entsprechende gesetzliche, untergesetzliche und organisatorische Anpassungserfordernisse vorbereitet.
Im Einzelnen wird eine Änderung des Bundesmeldegesetzes vorbereitet, die es Behörden erleichtert, die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Meldedaten direkt aus dem Melderegister abzurufen. So kann auf schriftliche Anfragen oder die Beibringung von Meldebescheinigungen durch die betroffene Person verzichtet werden. Ebenso werden derzeit die rechtlichen Regelungen und technischen Standards im Meldewesen vorbereitet, damit die betroffene Person ihre Meldedaten elektronisch anfordern und zur Weiterverwendung im Rahmen z.B. eines Antrags auf Elterngeld oder andere Leistungen freigeben kann.
Auch im Bereich des Personenstandswesens werden die technischen Vorbereitungen für den automatisierten Abruf der für die Elterngeldbeantragung erforderlichen Daten aus den Geburtenregistern der Standesämter getroffen.
Kindergeld ist die Familienleistung in Deutschland, die von fast allen Berechtigten in Anspruch genommen wird.
Die gesetzlichen Regelungen zum Kindergeld finden sich im Einkommensteuergesetz (EStG) sowie im Bundeskindergeldgesetz (BKGG). Hierbei ist zu beachten, dass die weit überwiegende Zahl der Berechtigten (ca. 99,7 %) Kindergeld nach dem EStG erhält und somit die Regelungen der Abgabenordnung (AO) Anwendung finden. Diese Berechtigten leben und arbeiten in der Regel in Deutschland und unterliegen dem deutschen Steuerrecht. Das Kindergeld wird derzeit auf schriftlichen Antrag der Eltern gewährt. Mit dem Antrag treffen die Eltern insbesondere die Entscheidung zur Kindergeldberechtigung zugunsten des Vaters oder der Mutter und teilen der zuständigen Familienkasse die Kontoverbindung zur Auszahlung des Kindergeldes mit.
Der Vereinfachung und dem Einsatz von digitalen Lösungen im Bereich des Kindergeldes steht die Bundesregierung offen gegenüber. Seit einiger Zeit wird bereits intensiv an einer Vereinfachung der Verfahrensabläufe gearbeitet, um u.a. die Eltern von Bürokratiepflichten zu entlasten und die Kindergeldgewährung zu beschleunigen. Einen wichtigen Schritt stellt in diesem Zusammenhang die Weiterentwicklung bestehender Angebote hin zu einer zwar antragsbasierten, aber durchgehend digitalen Kindergeldbeantragung dar. In diesem Sinne erarbeitet zum Beispiel das Projekt "Kinderleicht zum Kindergeld" der Freien und Hansestadt Hamburg und der Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit aktuell einen möglichen Lösungsansatz für einen digitalen Pilotversuch, mit dem die Eltern nach der Geburt ihres Kindes in einem Schritt den Namen ihres Kindes bestimmen, zusätzliche Geburtsurkunden und das Kindergeld beantragen können.
Bei der Gruppe der Kindergeldberechtigen nach dem BKGG handelt es sich um Personen, die aufgrund ihrer Lebens- bzw. Arbeitsumstände nicht dem EStG unterliegen, jedoch z.B. aufgrund einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit einen Anspruch auf die Zahlung von Kindergeld haben. Für das Kindergeld nach dem BKGG gelten die Regelungen des Sozialrechts.
Eine weitere Besonderheit dieser Berechtigtengruppe ist es, dass ca. 2/3 ihren Wohnsitz im Ausland haben. Hierbei handelt es sich um Grenzpendlerinnen und Grenzpendler, Saisonarbeitnehmerinnen und Saisonarbeitnehmer, Rentnerinnen und Rentner sowie auch Entwicklungshelfer und Entwicklungshelferinnen. Insbesondere bei diesem Personenkreis dürfte die Möglichkeit, Antragsdaten auch elektronisch an die zuständige Behörde zu übermitteln, besonders wünschenswert sein. Die Bundesregierung steht dahingehend den Möglichkeiten einer elektronischen Antragstellung für diesen Personenkreis unter Wahrung der gesetzlichen und datenschutzrechtlichen Voraussetzungen offen gegenüber. Allerdings sollte die Möglichkeit einer vereinfachten elektronischen Beantragung für diesen Personenkreis den Kindergeldberechtigten nach dem BKKG in Abhängigkeit von der weiteren Entwicklung der elektronischen Beantragung für Kindergeldberechtigte nach dem EStG in Betracht gezogen werden.
Im Rahmen der Themenfeldplanung Familie + Kind werden neben dem Elterngeld auch weitere Leistungen betrachtet. Inwieweit ein genereller Austausch von Nachweisen und Daten zwischen Behörden bereits jetzt auf Grundlage von gesetzlichen Regelungen oder mit ausdrücklicher Zustimmung der Betroffenen möglich ist, ist Gegenstand dieser Betrachtungen. Hierbei müssen neben technischen und verwaltungsorganisatorischen auch datenschutzrechtliche Fragen beantwortet werden. Über die Themenfeldplanung hinaus hat das BMFSFJ bereits die Digitalisierung des Kinderzuschlags gestartet. Hier werden aktuell die konzeptionellen Vorarbeiten geleistet und ein erster Prototyp programmiert.
Grundsätzlich sollte künftig die Kombination von Anträgen und die gezielte und proaktive Sensibilisierung der Bürgerinnen und Bürger für die ihnen zustehenden Familienleistungen stärker fokussiert werden. Die Arbeiten im Themenfeld Familie + Kind in den Projekten des BMFSFJ ElterngeldDigital und KinderzuschlagDigital sowie den Projekten "Einfach Leistungen für Eltern" und "Kinderleicht zum Kindergeld" leisten für die weitere Entwicklung wichtige Schritte.
Mit freundlichen Grüßen
Caren Marks
Siehe Drucksache 307/18(B)