A. Problem und Ziel
Die Digitalisierung prägt die Gesellschaft in immer stärkerem Maße. Sie verändert Wirtschaft, Bildung, Alltagskultur und insbesondere auch die gewachsene Medienwelt. Dem muss die Rechtsordnung Rechnung tragen. Dazu muss sie den sich verändernden Rahmenbedingungen immer wieder angepasst werden - auch um die Entwicklung in eine wünschenswerte Richtung positiv zu begleiten.
In den letzten Jahren ist im Zuge des digitalen Wandels zunehmend zu beobachten, dass die etablierten Geschäfts- und Erlösmodelle der privatwirtschaftlichen Anbieter journalistischer Inhalte unter Druck geraten, mit erheblichen Auswirkungen auf die Medienvielfalt auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene.
Die Herausgeber von Zeitungen kämpfen mit rückläufigen Auflagen im Printbereich bei gleichzeitig steigenden Distributionskosten. Werbeeinnahmen stagnieren oder gehen zurück. Online lässt sich mit Werbung und Bezahlmodellen der Umsatz- und Ertragsrückgang im Printbereich bislang nicht auffangen. Junge Zielgruppen, die im digitalen Wandel sozialisiert werden, zeichnen sich durch ein anderes, auch volatiles Mediennutzungsverhalten aus.
Diese Entwicklungen verändern die Ertragssituation der Medienhäuser und zwingen sie seit Jahren zu Einsparungen und Kooperationen, sowohl im journalistischen als auch im logistischen Bereich. Dies zeigen beispielhaft die regelmäßigen Medienkonzentrationsberichte der Landesanstalt für Medien NRW. Lokalredaktionen werden geschlossen und zusammengelegt. Mantelteile werden von Zentralredaktionen erstellt und in mehreren Regionalzeitungen auch unterschiedlicher Medienhäuser gedruckt. Im logistischen Bereich, etwa bei den Druckereien, werden Kapazitäten reduziert und Kooperationen vorangetrieben. Auch am redaktionellen Personal muss in vielen Redaktionen gespart werden. In vielen Städten und Gemeinden haben die Menschen häufig nur noch eine Tageszeitung zur Auswahl, während sie früher zwischen zwei oder sogar drei unterschiedlichen Publikationen wählen konnten.
Von besonderer Bedeutung für die Medienvielfalt sind gerade auch Lokalradios. Auch sie müssen sich auf sich veränderndes Mediennutzungsverhalten im digitalen Wandel einstellen und insbesondere mit Online-Angeboten konkurrieren, die es vor wenigen Jahren noch nicht gab. Digitale Verbreitungswege ermöglichen prinzipiell mehr Radiovielfalt, auch auf regionaler oder lokaler Ebene. Aber auch hier gilt, dass journalistische Inhalte teuer sind in der Produktion und mehr Anbietervielfalt nicht zwangsläufig zu mehr journalistischredaktioneller Meinungsvielfalt führt, in jedem Fall aber zu mehr Wettbewerb um Einnahmen aus Werbung.
Streaming-Dienste wie etwa YouTube bieten zwar theoretisch die Chance, auch journalistischredaktionelle Inhalte zu verbreiten. Vielfach fehlen hier aber bislang geeignete Erlösmodelle, die der nachhaltigen Refinanzierung journalistischer Tätigkeiten dienen können.
In den vergangenen Jahren sind zwar gerade auch auf regionaler, lokaler und hyperlokaler Ebene neue unabhängige journalistische Publikationen entstanden, zumeist im Internet. Auch diese verfügen aber nur in seltenen Fällen über tragfähige Erlösmodelle, die nachhaltig ein höheres publizistisches Niveau gewährleisten.
Demgegenüber zeigen Erfahrungen insbesondere im angelsächsischen Raum mit stiftungs- und spendenfinanziertem Journalismus, dass journalistische Initiativen ohne Gewinnstreben signifikante Beiträge leisten können zur Stärkung von Medienvielfalt, auch mit Blick auf aufwändige investigative journalistische Recherchen. Auch in Deutschland gibt es erste vielversprechende Ansätze von journalistisch tätigen Initiativen, die als gemeinnützig anerkannt wurden.
Mangels eines eigenen Förderzwecks "Journalismus" haben diese Initiativen den Status der Gemeinnützigkeit unter Bezugnahme auf andere in § 52 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung genannte Förderzwecke erhalten, insbesondere jenen der Volksbildung (Nr. 7). Dies bietet jedoch keine Rechtssicherheit und führt zu unterschiedlichen Rechtsanwendungen der jeweils zuständigen Finanzbehörden.
Die Verankerung des Förderzwecks "Journalismus, wenn die Körperschaft der Selbstregulierung durch den Pressekodex und der Beschwerdeordnung des Deutschen Presserates unterliegt" in § 52 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung stellt zwar einen Eingriff in den Wettbewerb der Medienmärkte dar. Das gilt indes auch für andere in § 52 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung verankerte Förderzwecke. Das verfassungsrechtlich in Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes niedergelegte hohe Gut der Gewährleistung von Meinungs- und Medienvielfalt lässt einen solchen Eingriff aber als zulässig erscheinen. In Zusammenschau mit dem in § 52 Abs. 1 der Abgabenordnung angeführten Merkmal der Selbstlosigkeit (vgl. § 55 der Abgabenordnung) ergibt sich, dass ausschließlich Initiativen ohne Gewinnstreben den Status der Gemeinnützigkeit erhalten können. Initiativen, die den Status der Gemeinnützigkeit rechtssicher erhalten haben, können ihn gezielt wie ein Gütesiegel verwenden, um neue Finanzierungsmodelle auf der Basis von Spenden, Stiftungsfinanzierung oder auch Crowdfunding zu entwickeln.
Mit der Spezifizierung des Zwecks "Journalismus" durch die Einschränkung "wenn die Körperschaft der Selbstregulierung durch den Pressekodex und der Beschwerdeordnung des Deutschen Presserates unterliegt", macht der Gesetzgeber von der Möglichkeit Gebrauch, im Gemeinnützigkeitsrecht Förderzwecke ggfls. auch konkret zu definieren und in diesem Fall gezielt solche journalistische Initiativen zu fördern, die sich an den anerkannten hohen Maßstäben journalistischer Arbeitsweise und Sorgfaltspflicht orientieren und damit signifikante inhaltliche Beiträge zur Stärkung der Medienvielfalt leisten. Damit wird explizit zum Ausdruck gebracht, dass es bereits unterhalb der Schwelle der Strafbarkeit als dem sog. "ethischen Minimum" journalistische Vorgänge geben kann, die zwar durch die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes) oder auch die Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes) gedeckt sein mögen, im Gemeinnützigkeitsrecht aber nicht als förderungswürdig erachtet werden.
Mit der entsprechenden Spezifizierung des Förderzwecks "Journalismus" wird auch der Tatsache Rechnung getragen, dass sich praktisch alle existierenden Herausgeber von gedruckten und digitalen Presseprodukten mit einer Selbstverpflichtung dazu bekennen, den Pressekodex des Deutschen Presserates zu beachten und diesen Kodex damit als maßgeblichen Standard journalistischer Arbeitsweise und Sorgfaltspflicht anerkennen.
Verweise auf den Pressekodex des Deutschen Presserates finden sich zum Zwecke der Förderung der Pressefreiheit schon heute in Normtexten, etwa dem novellierten Rundfunkstaatsvertrag (§ 57 Abs. 1 Satz 6, Abs. 2 Satz 4, Datenschutz bei journalistischredaktionellen Zwecken) und in § 6 "Datenverarbeitung zu journalistischen Zwecken, Medienprivileg" des Thüringer Landesmediengesetztes (ThürLMG i. d. F. vom 6. Juni 2018). Es handelt sich insofern um geübte Rechtssetzungspraxis.
B. Lösung
Der Entwurf sieht eine Ergänzung der Katalogzwecke durch eine neue Ziffer 26 "Förderung des Journalismus, wenn die Körperschaft der Selbstregulierung durch den Pressekodex und der Beschwerdeordnung des Deutschen Presserates unterliegt" in § 52 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung vor. Dadurch wird - unter den weiteren Voraussetzungen der §§ 51 ff. der Abgabenordnung, insbesondere auch von § 52 Abs. 1 der Abgabenordnung - eine Steuerbegünstigung wegen Gemeinnützigkeit für Initiativen in der Rechtsform einer Körperschaft, z.B. Vereinen, eröffnet, die, geleitet von den journalistischen Maßstäben des Pressekodex des Deutschen Presserates Beiträge zum Erhalt der journalistischen Medienvielfalt leisten.
C. Alternativen
Keine.
D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
1. Bund
a) Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand
Steuermindereinnahmen in derzeit nicht exakt bezifferbarer Höhe.
b) Vollzugsaufwand
Keiner.
2. Länder
a) Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand
Steuermindereinnahmen in derzeit nicht exakt bezifferbarer Höhe.
b) Vollzugsaufwand
Keiner.
E. Sonstige Kosten
Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, sind ebenfalls nicht zu erwarten.
F. Bürokratiekosten
Durch das Gesetz werden keine Informationspflichten für die Wirtschaft, die Bürgerinnen und Bürger und die Verwaltung neu eingeführt, geändert oder abgeschafft.
Gesetzesantrag des Landes Nordrhein-Westfalen
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung zwecks Anerkennung der Gemeinnützigkeit von Journalismus
Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen Düsseldorf, 28. Mai 2019
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Daniel Günther
Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage beigefügten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung zwecks Anerkennung der Gemeinnützigkeit von Journalismus zuzuleiten.
Ich bitte, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der Sitzung des Bundesrates am 7. Juni 2019 aufzunehmen und anschließend den zuständigen Ausschüssen für ihre Beratungen ab dem 11. Juni 2019 zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Armin Laschet
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung zwecks Anerkennung der Gemeinnützigkeit von Journalismus
Vom ...
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung der Abgabenordnung
Die Abgabenordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 2002 (BGBl. I S. 3866; 2003 I S. 61), die zuletzt durch Artikel 15 des Gesetzes zur Umsetzung des Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts vom 18. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2639) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
§ 52 Absatz 2 Satz 1 wird wie folgt geändert:
Artikel 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.
Begründung:
A. Allgemeines
I. Auswirkungen des Gesetzentwurfs
Auswirkungen auf das Steueraufkommen lassen sich nicht genau beziffern.
Im Übrigen werden jedoch keine Mehrkosten entstehen. Für die Allgemeinheit entsteht kein Erfüllungsaufwand.
III. Gesetzgebungskompetenz
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 108 Abs. 5 des Grundgesetzes.
IV. Zustimmungsbedürftigkeit
Das Gesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrates.
B. Zu den einzelnen Vorschriften
Zu Artikel 1
Aus Gründen der Rechtssicherheit wird die Förderung des Journalismus als neue Nummer 26 in den Katalog der gemeinnützigen Zwecke in § 52 Absatz 2 Satz 1 der Abgabenordnung aufgenommen. Grundvoraussetzung für die Steuerbegünstigung ist, dass die Körperschaft der Selbstregulierung durch den Pressekodex und der Beschwerdeordnung des Deutschen Presserates unterliegt. Dies wird durch den einschränkenden Halbsatz in der neuen Nummer 26 gewährleistet. In Zusammenschau mit dem in § 52 Abs. 1 der Abgabenordnung angeführten Merkmal der Selbstlosigkeit (vgl. § 55 der Abgabenordnung) ergibt sich, dass nur nichtkommerzieller ("gewinnzweckfreier") Journalismus begünstigt werden kann.
Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.