909. Sitzung des Bundesrates am 3. Mai 2013
Der federführende Gesundheitsausschuss (G) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 (§ 64 Absatz 3f AMG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren eine rechtliche Klarstellung zur Ausstellung eines Zertifikats über die Gute Herstellungspraxis (GMP-Zertifkat) nach § 64 Absatz 3f AMG vorzunehmen.
Begründung:
Mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung arzneimittelrechtlicher und sonstiger Vorschriften wurde § 64 Absatz 3 AMG grundlegend geändert und dahin gehend erweitert, dass nach § 64 Absatz 3f AMG nun "den überprüften Betrieben, Einrichtungen oder Personen" ein GMP-Zertifikat und nicht mehr ausschließlich "dem Erlaubnisinhaber" ausgestellt wird.
§ 64 Absatz 3f AMG enthält bislang keine Regelung, nach der solche Zertifikate von örtlich nicht zuständigen Behörden den jeweils inspizierten Herstellbetrieben im Drittland nach erfolgreicher Durchführung einer Inspektion nach § 72a AMG ausgestellt werden. Insoweit besteht Klarstellungsbedarf, inwieweit eine Behörde einem Betrieb in einem Drittland, für den sie nach Verwaltungsverfahrensrecht örtlich nicht zuständig ist, ein GMP-Zertifikat nach § 64 Absatz 3f AMG ausstellen und den Eintrag in die Datenbank nach § 67a AMG vornehmen darf.
2. Zu Artikel 3 Nummer 3 und 4 (§ 35a Absatz 6 Satz 3 und 4 und Absatz 8 SGB V)
Artikel 3 ist wie folgt zu ändern:
Begründung:
Der Gesetzentwurf sieht durch eine Änderung des SGB V in § 35a Absatz 6 Satz 3, 2. Halbsatz und des Absatzes 8 vor, im Falle von Bestandsmarktarzneimitteln die Möglichkeit einer gesonderten Klage des pharmazeutischen Unternehmens gegen den Bestandsmarktaufruf des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) auszuschließen. Dies könnte zum einen eine verfassungsrechtlich problematische Verkürzung des grundrechtlich verbürgten Rechtes auf effektiven Rechtsschutz darstellen. Zum anderen sind die Folgen eines solchen Ausschlusses zu bedenken: ohne einen solchen Rechtsschutz könnte das pharmazeutische Unternehmen wie beim Verfahren der frühen Nutzenbewertung für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen erst nach erfolgter Nutzenbewertung und Preisverhandlung und der Entscheidung der Schiedsstelle über den Erstattungsbeitrag - also nach etwa 15 Monaten - Klage erheben. Erst in diesem Gerichtsverfahren, das zudem keine aufschiebende Wirkung hat, könnte der Bestandsmarktaufruf als solcher auf den gerichtlichen Prüfstand gestellt werden. Bei einer sozialrechtlichen Verfahrensdauer von häufig mehreren Jahren dürfte das durch eine Bestandsmarkt-Nutzenbewertung betroffene Arzneimittel nach Abschluss des Gerichtsverfahrens bereits dem Generika-Wettbewerb ausgesetzt sein. Damit wäre eine weitere Aushöhlung des Patentschutzes und eine weitere Erschwerung der Refinanzierungsmöglichkeiten für die Forschungs- und Entwicklungsaufwendungen verbunden.
Unabhängig von der Frage, ob die Beteiligungs- und Rechtsschutzrechte der Pharmaunternehmen bei der frühen Nutzenbewertung angemessen sind oder nicht, birgt damit der Bestandsmarktaufruf eine eigenständige wettbewerbs- und innovationspolitische Problematik.
Insoweit ist auch - entgegen der Begründung im Gesetzentwurf - materiellrechtlich ein Unterschied zwischen der vom Gesetzgeber getroffenen allgemeinen Entscheidung für Nutzenbewertungsverfahren für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen und der vom G-BA individuell getroffenen Entscheidung zum Aufruf einzelner Arzneimittel aus dem Bestandsmarkt zu sehen und daraus ein gesondertes Rechtsschutzinteresse im Hinblick auf letztere abzuleiten.