A. Problem
Verkehrsdaten stellen ein wichtiges Hilfsmittel der Sicherheitsbehörden dar. Sie sind gerade für die rechtzeitige Identifizierung terroristischer Gefährder und die Verhinderung von Terrorakten von herausgehobener Bedeutung. Nach der Neuregelung der Verkehrsdatenspeicherung im Jahre 2015 dürfen die gemäß § 113b des Telekommunikationsgesetzes (TKG) gespeicherten Daten jedoch nicht an das Bundeskriminalamt (BKA) übermittelt werden, obwohl dieses in der deutschen Sicherheitsarchitektur seit der Zuständigkeitserweiterung durch das Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das BKA vom 25. Dezember 2008 (BGBl. I S. 3083) als Zentralstelle des Bundes bei der Terrorabwehr fungiert und nach dem ausdrücklichen Willen des damaligen Gesetzgebers auch zum Abruf der aufgrund der Mindestspeicherungsfrist gespeicherten Daten befugt sein sollte (vgl. BT-Drs. 016/10121 S. 33). Überdies haben jedenfalls auch die Nachrichtendienste des Bundes keine Möglichkeit, bei Telekommunikationsanbietern um Auskunft aus diesen Daten zu ersuchen, obwohl nachrichtendienstliche Erkenntnisse - wie der Anfang Oktober 2016 in Berlin vereitelte Anschlagsplan eines Islamisten zeigt - für die rechtzeitige Aufdeckung von terroristischen Plänen eine herausragende Rolle spielen.
B. Lösung
Durch Änderung des TKG wird den Telekommunikationsanbietern ermöglicht, die von ihnen nach § 113b TKG gespeicherten Verkehrsdaten auch an das BKA und die Nachrichtendienste des Bundes zu übermitteln. Zugleich wird klargestellt, dass auch die Übermittlung an die Verfassungsschutzbehörden der Länder zulässig ist.
Das BKA und das BfV werden mit entsprechenden Befugnissen zur Abfrage der Verkehrsdaten ausgestattet.
C. Alternativen
Keine.
D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand
Keine.
E. Erfüllungsaufwand
E.1 Erfüllungsaufwand für Bürgerinnen und Bürger
Keiner.
E.2 Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft
Durch die Erweiterung des Kreises der Behörden, die zum Abruf der gemäß § 113b TKG gespeicherten Verkehrsdaten befugt sind, nimmt zwangsläufig die Zahl der von den betroffenen Telekommunikationsunternehmen zu beantwortenden Auskunftsersuchen zu. Die Übermittlung der Verkehrsdaten wird jedoch entschädigt (§ 20m Absatz 3 Satz 1 in Verbindung mit § 20l Absatz 5 Satz 3 BKAG; § 8b Absatz 9 BVerfSchG; § 113a Absatz 2 TKG).
E.3 Erfüllungsaufwand der Verwaltung
Bereits nach geltendem Recht dürfen das BKA und das BfV bei Anbietern von Telekommunikationsdiensten bestimmte Bestands- und Verkehrsdaten abfragen (§ 20b Absatz 3 und 4, § 20m BKAG; § 8a Absatz 1 und 2 Nummer 4 sowie § 8d BVerfSchG). Es ist daher zu erwarten, dass die Erweiterung dieser Befugnisse um die nach § 113b TKG gespeicherten Verkehrsdaten zu keinem Mehraufwand führt, der im Rahmen der laufenden Aufgaben nicht bewältigt werden könnte. Eine Erhöhung der Personal- und Sachmittel ist nicht zu erwarten.
F. Weitere Kosten
Keine.
Gesetzesantrag des Freistaates Bayern
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes und weiterer Vorschriften - Zugriff der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern auf gespeicherte Verkehrsdaten
Der Bayerische Ministerpräsident München, 21. März 2017
An die Präsidentin des Bundesrates
Frau Ministerpräsidentin
Malu Dreyer
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
gemäß dem Beschluss der Bayerischen Staatsregierung übermittle ich den als Anlage mit Vorblatt und Begründung beigefügten Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes und weiterer Vorschriften - Zugriff der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern auf gespeicherte Verkehrsdaten mit dem Antrag, dass der Bundesrat diesen gemäß Artikel 76 Absatz 1 GG im Bundestag einbringen möge.
Ich bitte, den Gesetzentwurf gemäß § 36 Absatz 2 GO BR auf die Tagesordnung der 956. Sitzung am 31. März 2017 zu setzen und anschließend den Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Horst Seehofer
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Telekommunikationsgesetzes und weiterer Vorschriften - Zugriff der Verfassungsschutzbehörden von Bund und Ländern auf gespeicherte Verkehrsdaten
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Telekommunikationsgesetzes
In § 113c Absatz 1 Nummer 2 des Telekommunikationsgesetzes vom 22. Juni 2004 (BGBl. I S. 1190), das zuletzt durch Artikel 2 des Gesetzes vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3346) geändert worden ist, werden die Wörter "Gefahrenabwehrbehörde der Länder" durch die Wörter "Stelle im Sinne von § 113 Absatz 3 Nummer 2 oder 3" ersetzt.
Das Bundeskriminalamtgesetz vom 7. Juli 1997 (BGBl. I S. 1650), das zuletzt durch Artikel 7 des Gesetzes vom 26. Juli 2016 (BGBl. I S. 1818) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. Nach § 20m Absatz 1 wird folgender Absatz 1a eingefügt:
2. In § 20w Absatz 1 Satz 1 Nummer 8 werden nach der Angabe "Abs. 1" die Wörter "und 1a" eingefügt.
§ 8a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes vom 20. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2954), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 4. November 2016 (BGBl. I S. 2473) geändert worden ist, wird wie folgt gefasst:
"4. denjenigen, die geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste erbringen oder daran mitwirken, zu
- a) Verkehrsdaten nach § 96 Absatz 1 Nr. 1 bis 4 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) und sonstigen zum Aufbau und zur Aufrechterhaltung der Telekommunikation notwendigen Verkehrsdaten und
- b) Verkehrsdaten nach § 113b TKG, soweit diese zur Abwehr einer konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für den Bestand des Bundes oder eines Landes erforderlich sind, und"
Artikel 4
Einschränkung von Grundrechten
Durch die Artikel 1 bis 3 dieses Gesetzes wird das Fernmeldegeheimnis ( Artikel 10 des Grundgesetzes) eingeschränkt.
Artikel 5
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung
A. Allgemeiner Teil
Die gesetzliche Regelung der Speicherpflicht von Telekommunikationsverkehrsdaten durch das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3198) umfasste in § 113b Nr. 3 TKG a.
F. auch eine Abrufbefugnis der Nachrichtendienste des Bundes und der Länder. Das BVerfG hat die Regelung in seinem Urteil vom 2. März 2010 insoweit auch verfassungsrechtlich nicht beanstandet (vgl. BVerfGE 125, 260/316). Nach der Neuregelung der Speicherpflicht durch das Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherpflicht für Verkehrsdaten vom 10. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2218) werden die Nachrichtendienste in § 113c Abs. 1 TKG nicht mehr ausdrücklich als abfragebefugte Behörden aufgeführt. Dort ist die Übermittlung an Strafverfolgungsbehörden (Nummer 1) und an die Gefahrenabwehrbehörden der Länder (Nummer 2) normiert. Dies hat zur Folge, dass jedenfalls die Nachrichtendienste des Bundes keinen Zugang zu den nach § 113b TKG gespeicherten Verkehrsdaten haben. Auch dem Bundeskriminalamt (BKA) ist in dem wichtigen Aufgabenbereich der Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus (§§ 20a ff. BKAG) der Zugriff auf diese Daten verwehrt.
Wie die Begründung zum Gesetz vom 10. Dezember 2015 ausführt, sind Verkehrsdaten gerade bei der Gefahrenabwehr "ein wichtiges Hilfsmittel für die staatlichen Behörden" (BT-Drs. 18/5088 S. 1). Deshalb wurde die Verkehrsdatenspeicherung gerade auch zur Bekämpfung des Terrorismus wieder eingeführt (vgl. BT-Drs. 18/5088 S. 24, 32).
Der Ausschluss des BKA vom Zugriff auf gespeicherte Verkehrsdaten steht daher in Widerspruch zu dessen Aufgabe zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus. Durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl. I S. 2034) wurde eigens eine Bundeskompetenz in Artikel 73 Absatz 1 Nummer 9a GG eingefügt, um dem BKA als Zentralbehörde über die Strafverfolgung hinaus auch präventive Aufgaben zur Abwehr der Gefahren des internationalen Terrorismus zu übertragen. Die erweiterte Gesetzgebungskompetenz des Bundes "trägt der besonderen Bedrohungslage im Bereich des internationalen Terrorismus Rechnung" (BT-Drs. 16/813 S. 12). Auf dieser Grundlage wurden durch das Gesetz zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das BKA vom 25. Dezember 2008 (BGBl. I S. 3083) Ergänzungen im Bundeskriminalamtgesetz vorgenommen, "um dem BKA die Aufgabe und die Befugnisse zur Abwehr der Gefahren des internationalen Terrorismus zu geben" (BT-Drs. 016/10121 S. 16). Bei der Ausgestaltung der Befugnisse des BKA orientierte sich der Bundesgesetzgeber weitgehend auch an den Befugnissen der Polizeien der Länder im Bereich der Gefahrenabwehr. Ausdrücklich stellte er auch klar, dass sich die Befugnis des BKA zur Erhebung von Verkehrsdaten gemäß § 20m BKAG "auch auf die aufgrund der Mindestspeicherungsfrist gespeicherten Daten beziehen kann" (BT-Drs. 016/10121 S. 33). Es ist daher nicht nachvollziehbar, warum nach der Neuregelung der Mindestspeicherungsfrist nun nur Landespolizeibehörden und nicht auch das BKA gespeicherte Verkehrsdaten abrufen dürfen. Wie die Begründung des Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 beispielhaft ausführt, kommen "zahlreiche Hinweise zum internationalen Terrorismus aus dem Ausland, ohne dass in allen Fällen bereits eine örtliche Zuständigkeit einer deutschen Polizeibehörde erkennbar sein muss, gleichwohl aber weitere Sachaufklärung veranlasst sein kann" (BT-Drs. 16/813 S. 12). In Fällen dieser Art könnte das BKA die gespeicherten Verkehrsdaten nicht zur weiteren Sachaufklärung nutzen. Würden die Hinweise hingegen eine Landespolizeibehörde erreichen, bestünde für diese eine Abrufbefugnis. Die Effektivität der Aufklärung hängt damit zum Teil vom Zufall ab.
Auch für einen Ausschluss der Nachrichtendienste lassen sich keine fachlichen Gründe anführen, denn die Nachrichtendienste haben seit dem Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 9. Januar 2002 (BGBl. I S. 361) die Befugnis, bei Telekommunikationsdiensteanbietern auch Verkehrsdaten abzufragen (vgl. § 8 Absatz 8 BVerfSchG a. F.; heute § 8a Absatz 2 Satz 1 Nummer 4 BVerfSchG). Auf dieser Grundlage können auch Verkehrsdaten über bereits vor der Abfrage erfolgte Telekommunikationsverbindungen abgefragt werden, sofern die Daten bei den Telekommunikationsdiensteanbietern für Zwecke der Abrechnung noch gespeichert sind. Damit hängt aber die Abfragemöglichkeit von der Abrechnungspraxis des jeweiligen Anbieters und damit letztlich vom Zufall ab (vgl. hierzu BT-Drs. 18/5088 S. 1, 21). Es gibt keinen Grund, die Abfragemöglichkeit der Nachrichtendienste vom Zufall abhängen zu lassen, die der anderen Sicherheitsbehörden aber durch eine Mindestspeicherfrist abzusichern.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (Änderung des Telekommunikationsgesetzes)
Die Änderungen erweitern den Kreis derjenigen, denen die auf Grund des § 113b TKG gespeicherten Verkehrsdaten übermittelt werden dürfen. Durch die Bezugnahme auf § 113 Absatz 3 Nummer 2 und 3 werden nunmehr auch die für die Abwehr von Gefahren und den Verfassungsschutz zuständigen Behörden des Bundes sowie der Militärische Abschirmdienst und der Bundesnachrichtendienst einbezogen. Ferner wird ausdrücklich geregelt, dass die Vorschrift auch für die Verfassungsschutzbehörden der Länder gilt.
Zu Nummer 1 (§ 20m BKAG)
Nach den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen ist bei der Regelung eines Datenaustauschs zur staatlichen Aufgabenwahrnehmung zwischen der Befugnis zur Datenübermittlung seitens der auskunfterteilenden Stelle und der Befugnis zum Datenabruf seitens der auskunftsuchenden Stelle zu unterscheiden. Dabei sind für die einander korrespondierenden Eingriffe von Abfrage und Übermittlung eigene Rechtsgrundlagen erforderlich, "die wie eine Doppeltür zusammenwirken müssen" (vgl. BVerfGE 130, 151/184 f.).
Dementsprechend wird durch einen neuen Absatz 1a die Befugnis des BKA gemäß § 20m BKAG zur Erhebung von Telekommunikationsverkehrsdaten um den Abruf der gemäß § 113b TKG gespeicherten Verkehrsdaten erweitert. Damit wird die Befugnis auf Seiten des auskunftsuchenden BKA normiert, die der in § 113c Abs. 1 Nr. 2 TKG bestehenden Befugnis auf Seiten des auskunfterteilenden Telekommunikationsanbieters korrespondiert. Die Befugnis gilt, wie sich aus der systematischen Stellung des § 20m BKAG im Unterabschnitt 3a (Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus) ergibt, für den präventivpolizeilichen Aufgabenbereich des BKA gemäß § 4a BKAG.
Die Voraussetzungen für das Auskunftsersuchen entsprechen denen der Übermittlungsbefugnis in § 113c Abs. 1 Nr. 2 TKG. Erforderlich ist demnach eine konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für den Bestand des Bundes oder eines Landes.
Der Entwurf übernimmt in Nummer 2 des Absatzes 1a die Formulierung des derzeitigen § 20l Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 BKAG bzw. § 20g Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 BKAG. Diese Formulierung hat das BVerfG in seiner Entscheidung vom 20. April 2016 (1 BvR 966/09 u.a. Rn. 165, 232, 250 f.) für konkretisierungsbedürftig gehalten. Im Zuge der anstehenden Änderung der o.g. Vorschriften müsste demnach auch die Formulierung des neu einzufügenden Absatzes 1a Nummer 2 entsprechend angepasst werden.
Zu Nummer 2 (§ 20w BKAG)
Folgeänderung. Die in § 20w Absatz 1 Satz 1 Nummer 8 BKAG vorgesehene Benachrichtigung des Betroffenen über die Erhebung von Telekommunikationsverkehrsdaten nach § 20m Absatz 1 BKAG wird auf die Erhebung der gemäß § 113b TKG gespeicherten Verkehrsdaten nach dem neu eingefügten § 20m Absatz 1a BKAG erstreckt.
Die Befugnis des BfV gemäß § 8a Abs. 2 Satz 1 BVerfSchG, bei Anbietern von Telekommunikationsdiensten Auskünfte zu Verkehrsdaten einzuholen, wird entsprechend den vorstehenden Grundsätzen (siehe oben zu Artikel 2) um die gemäß § 113b TKG gespeicherten Daten erweitert.
Zu Artikel 4 (Einschränkung von Grundrechten)
Die Erhebung von gespeicherten Telekommunikationsverkehrsdaten stellt einen Eingriff in Artikel 10 Absatz 1 GG dar. Für derartige Eingriffe gilt das Zitiergebot gemäß Artikel 19 Absatz 1 Satz 2 GG. Dem Zitiergebot wird mit der Vorschrift entsprochen.
Zu Artikel 5 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes (Artikel 82 Absatz 2 Satz 1 GG) .