871. Sitzung des Bundesrates am 4. Juni 2010
A.
Der federführende Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik (AS) und der Ausschuss für Frauen und Jugend (FJ) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 5 (§ 38 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 SGB III), Nummer 10 (§ 216a SGB III), Nummer 11 (§ 216b SGB III),
- a) Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren Regelungen zur Kooperation zwischen Transfergesellschaft und Bundesagentur für Arbeit (BA) aufzustellen, da nach der Änderung des § 38 SGB III nunmehr auch die BA für die Arbeitsvermittlung im Transferfall zuständig ist.
- b) Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren sicherzustellen, dass die auf Grund der Änderung in §§ 216a und 216b SGB III u. a. vorgesehene Zuweisung des sogenannten "Profilings" von den Transfergesellschaften an die BA nur vorgenommen wird, wenn die BA die zeitnahe und fachkundige Betreuung der Betroffenen auch bei größeren Transferfällen sicherstellen kann.
Begründung
- a) Die vorgesehene Änderung in § 38 SGB III legt eine Zuständigkeit der BA für die Arbeitsvermittlung auch im Falle des Bezuges von Transferkurzarbeitergeld fest. Dies ist aber auch Aufgabe der Transfergesellschaft.
Damit die Betreuung der Arbeitnehmer in der Transfergesellschaft nicht durch eine doppelte Zuständigkeit erschwert wird, sollten Rahmenbedingungen für die Kooperation von BA und Transfergesellschaft geschaffen werden.
- b) Die Änderung weist das so genannte "Profiling", mit dem die Fähigkeiten und Defizite der zu vermittelnden Personen festgestellt werden, in Zukunft der BA zu. Es wurde bisher durch die Transfergesellschaften selbst durchgeführt und die Fördermaßnahmen wurden danach ausgerichtet.
Da Profiling sehr zeitaufwändig ist und zeitnah durchgeführt werden muss, ist bei größeren "Transferfällen" (z.B. Nokia) nicht ohne Weiteres davon auszugehen dass die BA diese Aufgabe mit eigenem Personal in der gebotenen Qualität und Schnelligkeit erledigen kann. Dementsprechend müsste die BA voraussichtlich externes Personal für die Durchführung dieser Aufgabe einstellen. Die angesetzte Einsparung von fünf Millionen Euro scheint daher sehr hoch gegriffen.
Weiterhin wäre durch die veränderte Aufgabenzuweisung ein verzögerter Informationsfluss zur Transfergesellschaft, die die Ergebnisse des Profilings umsetzen muss, zu befürchten.
2. Zu Artikel 1 Nummer 6a - neu - (§ 77 Absatz 1 Satz 3 - neu - SGB III), Nummer 6b - neu - (§ 85 Absatz 2 Satz 4 - neu - SGB III), Nummer 22 Buchstabe d (§ 421t Absatz 6 SGB III)
Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
Begründung
Mit dem zum 5. März 2009 in Kraft getretenen Gesetz zur Sicherung von Beschäftigung und Stabilität in Deutschland wurde § 421t in das SGB III eingefügt. Danach ist abweichend von § 85 Absatz 2 Satz 2 SGB III die Dauer einer Vollzeitmaßnahme der beruflichen Weiterbildung, die bis zum 31. Dezember 2010 beginnt, auch dann angemessen, wenn sie nach dem Alten- oder Krankenpflegegesetz nicht um mindestens ein Drittel verkürzt werden kann. Insoweit ist § 85 Absatz 2 Satz 3 SGB III nicht anzuwenden. Damit können berufliche Weiterbildungen in der Alten- und Krankenpflege für den gesamten Ausbildungszeitraum von drei Jahren gefördert werden. Dies gilt allerdings nur befristet für berufliche Weiterbildungsmaßnahmen, die bis zum 31. Dezember 2010 beginnen.
Seit 1. Januar 2006 wurden berufliche Weiterbildungsmaßnahmen im Bereich Altenpflege nur noch zweijährig gefördert. Nach § 17 Altenpflegegesetz (AltPflG) hatte der Träger der praktischen Ausbildung der Schülerin oder dem Schüler im dritten Ausbildungsjahr über die Ausbildungsvergütung hinaus die Weiterbildungskosten entsprechend § 79 Absatz 1 Nummer 2 bis 4 SGB III zu erstatten sofern diese im dritten Ausbildungsjahr anfallen.
Nach einer Studie von Prof. Dr. Reinhold Schnabel zum Thema "Zukunft der Pflege in Deutschland" muss sich der gesamtwirtschaftliche Aufwand für professionelle Pflegeleistungen schon in naher Zukunft dramatisch erhöhen, um die wachsende Nachfrage zu befriedigen. Selbst wenn in Zukunft Angehörige für die Pflege im wachsenden Umfang bereit stünden, müsste sich dem Gutachten zufolge die Zahl der professionellen Pflegekräfte in den nächsten Jahrzehnten mehr als verdoppeln. Nach Mitteilung von Einrichtungsträgern ist diese Entwicklung bereits heute deutlich spürbar - in vielen Regionen wird Altenpflegefachpersonal bereits dringend gesucht.
Vor diesem Hintergrund wird die Befristung der beruflichen Weiterbildungsmaßnahmen in der Altenpflege nach dem SGB III, die sich in der Vergangenheit als ein erfolgreiches arbeitsmarktpolitisches Instrument erwiesen und insbesondere Frauen mit einer breiten Berufs- und Lebenserfahrung eine berufliche Zukunft in der Pflege eröffnet hat, sowie deren Ausgestaltung als Ermessungsleistung durch die Arbeitsverwaltungen als nicht zielführend erachtet.
3. Zu Artikel 1 Nummer 18a - neu - (§ 421g Absatz 4 Satz 1 SGB III) Nummer 19a - neu - (§ 421o Absatz 10 SGB III) Nummer 21 Buchstabe a - neu - (§ 421r Absatz 11 SGB III)
Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
- a) Nach Nummer 18 ist folgende Nummer einzufügen:
"18a. In § 421g Absatz 4 Satz 1 wird die Angabe "2010" durch die Angabe "2011" ersetzt."
- b) Nach Nummer 19 ist folgende Nummer einzufügen:
"19a. In § 421o Absatz 10 wird die Angabe "2010" durch die Angabe "2011" ersetzt."
- c) Nummer 21 ist wie folgt zu fassen:
"21. § 421r Absatz 11 wird wie folgt geändert:
Begründung
Der Gesetzentwurf weist auf die Absicht der Bundesregierung hin, im Jahr 2011 alle Arbeitsmarktinstrumente ganzheitlich zu überprüfen. Insofern erscheint es nicht sinnvoll, einzelne Instrumente bereits jetzt im Zuge des Beschäftigungschancengesetzes auslaufen zu lassen. Soweit es um den Qualifizierungszuschuss für jüngere Arbeitnehmer (§ 421o SGB III) oder den Ausbildungsbonus geht, ist dies auch inhaltlich schwer nachzuvollziehen: Laut Eckpunktepapier "Bessere Arbeitsmarktchancen für junge Menschen..." sollen die Grundsicherungsstellen zukünftig jedem Arbeitslosen unter 25 Jahren innerhalb von sechs Wochen einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz anbieten;
Auch wenn das Instrument des Qualifizierungszuschusses bisher wenig genutzt wurde so kann es im Rahmen einer derartigen neuen Zielsetzung durchaus vermehrt in Anspruch genommen werden. Eine Verlängerung schlägt auch auf den "Eingliederungszuschuss" für denselben Personenkreis in § 421p SGB III durch der ansonsten ebenso auslaufen würde.
4. Zu Artikel 1 Nummer 21 Buchstabe a - neu - (§ 421r Absatz 1 Satz 5 - neu - SGB III)
In Artikel 1 ist Nummer 21 ist wie folgt zu fassen:
"21. § 421r wird wie folgt geändert:
- a) Dem Absatz 1 wird folgender Satz angefügt:
"Für Ausbildungen nach dem Altenpflegegesetz ist abweichend von Satz 3 ein Ausbildungsbonus zu leisten, wenn die Voraussetzung von Satz 4 Nummer 1 Buchstabe b vorliegt."
- b) Dem Absatz 11 wird folgender Satz angefügt:
"Abweichend von Satz 1 ... <weiter wie Vorlage> ..." "
Begründung
Mit dem Fünften Gesetz zur Änderung des SGB III wurde mit Wirkung vom 30. August 2008 für die Schaffung von zusätzlichen Ausbildungsplätzen für besonders förderungsbedürftige sowie für förderungsbedürftige Auszubildende ein "Ausbildungsbonus" eingeführt (§ 421r SGB III). Die Definition "besonders förderungsbedürftig" und "förderungsbedürftig" stellt primär auf Auszubildende ab, die bereits im Vorjahr oder früher die allgemeinbildende Schule verlassen haben.
Mit dem Gesetz zur Neuordnung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente wurde ab 1. Januar 2009 die Altenpflegeausbildung neu in die Arbeitsförderung nach dem SGB III aufgenommen. Durch diese Ausweitung kann erstmals ab dem Ausbildungsjahr 2009/2010 auch für Auszubildende nach dem Altenpflegegesetz ein Ausbildungsbonus nach § 421r SGB III gewährt werden.
Insbesondere auf Grund ihres Alters und der damit verbundenen Lebenserfahrung zeichnen sich "Altbewerber" in der Altenpflege oftmals durch ein besonderes Einfühlungsvermögen und eine ausgeprägte Sensibilität aus, die für eine würdevolle und selbstbestimmte Pflege und Betreuung unabdingbar sind.
Die Ausweitung des Ausbildungsbonus auf Ausbildungen nach dem Altenpflegegesetz wird daher grundsätzlich begrüßt.
Allerdings kommen für eine Ausbildung nach dem Altenpflegegesetz auf Grund der Anforderungen an die Bewerber nach § 6 AltPflG in der Regel keine besonders förderungsbedürftigen Auszubildenden nach § 421r Absatz 1 Satz 1 SGB III, sondern nur förderungsbedürftige Auszubildende nach § 421r Absatz 1 Satz 3 SGB III in Frage. In diesem Bereich wird ein Ausbildungsbonus nicht als Rechtsanspruch, sondern als Ermessensleistung gewährt.
Um den Anreiz für die Träger der Altenpflegeausbildung noch zu verstärken, sollte der Ausbildungsbonus für Ausbildungen nach dem Altenpflegegesetz generell als Rechtsanspruch gewährt werden. Dies würde auch eine Klarstellung hinsichtlich landesrechtlich eventuell bestehender Förderprogramme aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) bringen. Eine solche Klarstellung ist notwendig, um den Grundsatz der Zusätzlichkeit von ESF-Förderungen sicherzustellen und um Doppelförderungen zu vermeiden.
Da der Ausbildungsbonus für Ausbildungen nach dem Altenpflegegesetz gemäß § 421r Absatz 1 Satz 3 SGB III nur als Kannleistung gewährt wird, besteht derzeit die Gefahr, dass bestimmte Bewerbergruppen durch beide Förderprogramme fallen.
5. Zu Artikel 1 Nummer 21 (§ 421r Absatz 11 Satz 1a - neu - SGB III)
In Artikel 1 ist Nummer 21 wie folgt zu fassen:
Begründung
Gemäß § 421r Absatz 11 SGB III ist die Förderfähigkeit befristet und gilt nur für Ausbildungen, die frühestens am 1. Juli 2008 und spätestens am 31. Dezember 2010 begonnen werden. Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung und des steigenden Bedarfes an Pflegefachkräften wird eine Entfristung der Förderung von Ausbildungen nach dem Altenpflegegesetz gemäß § 421r Absatz 11 SGB III als dringend erforderlich erachtet.
6. Zu Artikel 1 Nummer 22 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb (§ 421t Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 SGB III) Doppelbuchstabe cc - neu -(§ 421t Absatz 1 Satz 1 Nummer 5 - neu - SGB III)
In Artikel 1 Nummer 22 ist Buchstabe a wie folgt zu ändern:
- a) Doppelbuchstabe bb ist wie folgt zu fassen:
- "bb) Nummer 3 wird wie folgt geändert:
- aaa) Die Wörter ... <weiter wie Vorlage> ... werden gestrichen.
- bbb) Nach dem Wort "erstattet" wird ein Semikolon gesetzt und folgende Wörter werden angefügt:
"beim nahtlosen Übergang des Anspruchs auf Kurzarbeitergeld nach der Ersten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Bezugsfrist von Kurzarbeitergeld vom 29. Mai 2009 (BGBl. I S. 1223) zum Anspruch auf Kurzarbeitergeld nach der Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Bezugsfrist für das Kurzarbeitergeld vom 8. Dezember 2009 (BGBl. I S. 3855) gelten diese Ansprüche im Hinblick auf die Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge nach dieser Nummer als einheitlicher Anspruch," "
- b) Folgender Doppelbuchstabe ist anzufügen:
Folgeänderung:
Nach Artikel 3 ist folgender Artikel einzufügen:
"Artikel 3a
Änderung der Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Bezugsfrist für das Kurzarbeitergeld
In Artikel 1 Nummer 2 Absatz 2 der Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die Bezugsfrist für das Kurzarbeitergeld vom 8. Dezember 2009 (BGBl. I S. 3855) wird die Angabe "31. Dezember 2010" durch die Angabe "30. Juni 2011" ersetzt."
Begründung
Nach der geltenden Rechtslage beginnt eine neue Bezugsfrist für Kurzarbeitergeld erst, wenn seit dem letzten Kalendermonat, für den Kurzarbeitergeld geleistet wurde, drei Monate vergangen sind und die Anspruchsvoraussetzungen erneut vorliegen (§ 177 Absatz 3 SGB III). Diese Vorschrift soll sicherstellen, dass nur für wirtschaftlich existenzfähige Betriebe Kurzarbeitergeld gewährt wird.
Die aktuell besonders starken konjunkturellen Störungen der Gesamtwirtschaftslage sind in ihrer Intensität und Dauer so außergewöhnlich, dass ihre Auswirkungen in 2010/2011 nicht alleiniger Maßstab für die Beurteilung der wirtschaftlichen Existenzfähigkeit der Betriebe zur Ermittlung des erneuten Anspruchs auf Kurzarbeitergeld sein sollten.
Um auch in 2010/2011 mit dem Instrument der Kurzarbeit den Anstieg der Arbeitslosigkeit weiter dämpfen und die Konjunktur weiter stabilisieren zu können ist es notwendig, die zwischen der ersten und zweiten Änderungsverordnung entstehende dreimonatige Anspruchslücke für den Bezug von Kurzarbeitergeld einmalig aufzuheben, ohne die Überprüfung der wirtschaftlichen Existenzfähigkeit der Betriebe grundsätzlich in Frage zu stellen. Die Vorbezugszeiten sind beim nahtlosen Übergang in den "verlängerten" Kurzarbeitergeldbezug zu berücksichtigen. Damit wird sichergestellt, dass die Sozialversicherungsbeiträge des Arbeitgebers nahtlos beim Übergang vom Kurzarbeitergeldbezug der Ersten zur Zweiten Änderungsverordnung in voller Höhe erstattet werden.
B.
- 7. Der Finanzausschuss und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.