978. Sitzung des Bundesrates am 7. Juni 2019
Der federführende Rechtsausschuss (R), der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz (AV) und der Wirtschaftsausschuss (Wi), empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
Zum Gesetzentwurf insgesamt
1. Der Bundesrat stellt fest, dass Schlichtungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle ein wertvolles Instrument zur erleichterten Rechtsdurchsetzung von Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie zur Befriedung von rechtlichen Streitigkeiten sind.
2. Der Bundesrat anerkennt die Bemühungen, mit dem Gesetz unter anderem auch den Verbraucherschutz voranzubringen.
3. Hauptempfehlung zu Ziffer 4
Der Bundesrat hält es in diesem Zusammenhang allerdings für erforderlich, dass der Gesetzgeber die Unternehmen verpflichtet, nach erfolgreichen Musterfeststellungsklagen an einem Schlichtungsverfahren teilzunehmen.
Damit kann ein weiteres kostenintensives Gerichtsverfahren vermieden werden, ohne dass Unternehmen unangemessen benachteiligt werden, da sie nur am Verfahren teilnehmen müssen, aber nicht gezwungen sind, den Schlichtungsvorschlag anzunehmen.
4. Hilfsempfehlung zu Ziffer 3
Der Bundesrat begrüßt ferner, dass mit dem vorliegenden Gesetzentwurf das Verhältnis zwischen Musterfeststellungsverfahren und Schlichtungsverfahren erstmals geregelt wird. Der Gesetzentwurf sieht die Möglichkeit vor, dass Verbraucherinnen und Verbrauchern nach einem rechtskräftig abgeschlossenen Musterfeststellungsverfahren ihre Ansprüche aus dem Musterfeststellungsurteil durch Anrufung einer Verbraucherschlichtungsstelle durchsetzen können. Da das VSBG aber keine verpflichtende Teilnahme der Unternehmen am Schlichtungsverfahren vorsieht, sieht der Bundesrat hier die Gefahr, dass es im Falle der Ablehnung des Schlichtungsverfahrens durch den Unternehmer lediglich zu einer Verfahrensverlängerung für den Verbraucher kommt. Dieser müsste dann seinen Anspruch in einem dritten Schritt gerichtlich durchsetzen. Dies ist für Verbraucher im Zweifel unverständlich, langwierig und führt möglicherweise zu einer ablehnenden Haltung gegenüber Schlichtungsverfahren. Deshalb bittet der Bundesrat um Prüfung, ob zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung für Verbraucherinnen und Verbraucher eine Teilnahmeverpflichtung der Unternehmer im Anschluss an ein Musterfeststellungsverfahren in das VSBG aufgenommen werden kann.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Universalschlichtungsstelle des Bundes nicht nur für Verbraucherstreitigkeiten nach § 4 Absatz 1 VSBG, sondern auch für alle Streitigkeiten im Nachgang zu einer Musterfeststellungsklage zuständig sein soll. Dadurch soll gewährleistet werden, dass Verbraucher im Nachgang zu einem für sie erfolgreichen Musterfeststellungsverfahren oder nach einem Vergleich zur weiteren individuellen Geltendmachung ihrer Ansprüche und ihrer Rechte zunächst auf das Beschreiten des Klagewegs verzichten und sich stattdessen an die Universalschlichtungsstelle des Bundes wenden können. Für die betroffenen Unternehmen besteht dann aber weiterhin nach § 15 Absatz 2 VSBG die Möglichkeiten zu erklären, an dem Verfahren nicht teilnehmen zu wollen. Da in einem Musterfeststellungsklageverfahren dem Grunde das Bestehen eines Anspruches bereits festgestellt und in diesem zweiten Schritt die Höhe des individuellen Anspruchs ermittelt werden soll, erscheint diese Verfahrensweise sehr verbraucherunfreundlich und führt möglicherweise zu einer Ablehnung des an sich positiven Instrumentes der Streitschlichtung. Insofern wird vorgeschlagen, für die hier in Rede stehenden Fälle eine Teilnahmeverpflichtung ähnlich § 57 LuftVG zu erwägen.
5. Darüber hinaus hält der Bundesrat es aus Verbraucherschutzsicht für erforderlich, § 204 Absatz 1 Nummer 4 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu ändern.
§ 204 Absatz 1 Nummer 4 BGB regelt, dass die Verjährung durch die Veranlassung der Bekanntgabe eines Antrags gehemmt wird, mit dem der Anspruch geltend gemacht wird, bei einer
- a) staatlichen oder staatlich anerkannten Streitbeilegungsstelle oder
- b) anderen Streitbeilegungsstelle, wenn das Verfahren im Einvernehmen mit dem Antragsgegner betrieben wird; die Verjährung wird schon durch den Eingang des Antrags bei der Streitbeilegungsstelle gehemmt, wenn der Antrag demnächst bekannt gegeben wird.
Da der Antragsteller keinen direkten Einfluss darauf hat, wann ein anhängiger Antrag auf Schlichtung bekanntgegeben wird, sollte die Hemmung der Verjährung bereits mit Eingang des Antrags bei der Schlichtungsstelle einsetzen.
6. Hauptempfehlung zu Ziffer 8
Der Bundesrat erinnert daran, dass sich die Verbraucherinnen und Verbraucher gemäß Verbraucherstreitbeilegungsgesetz seit 2016 bei Streitigkeiten mit Unternehmen stets an eine Schlichtungsstelle wenden können. Bisher gewährleistet die vom Bund geförderte Allgemeine Verbraucherschlichtungsstelle (AVSS) am Zentrum für Schlichtung e.V. mit Sitz in Kehl, dass in den Fällen, in denen keine besondere Verbraucherschlichtungsstelle besteht, die Verbraucherinnen und Verbraucher gleichwohl eine Verbraucherschlichtungsstelle anrufen können.
7. Hauptempfehlung zu Ziffer 8
Der Bundesrat nimmt zur Kenntnis, dass mit dem vorliegenden Gesetzentwurf unter anderem die derzeit den Ländern zugewiesene Aufgabe der ergänzenden Verbraucherschlichtung (Universalschlichtung) zum 1. Januar 2020 auf den Bund übertragen werden soll und eine Universalschlichtungsstelle des Bundes eingerichtet wird (§ 29 Absatz 1 VSBG-E). Vorgesehen ist unter anderem, dass das Bundesamt für Justiz eine Schlichtungsstelle mit den Aufgaben "beleihen" können soll (Artikel 87 Absatz 3 Satz 1 GG) .
8. Hilfsempfehlung zu Ziffer 6 und Ziffer 7
Der Bundesrat begrüßt ausdrücklich, dass mit der Änderung der §§ 29 ff. des Verbraucherstreitbeilegungsgesetzes (VSBG) ab Januar 2020 die gesetzliche Grundlage für eine dauerhafte Einrichtung einer zentralen, bundeseinheitlichen Universalschlichtungsstelle durch den Bund geschaffen wird und diese Stelle auch dauerhaft finanziell vom Bund getragen wird. Damit trägt der Gesetzentwurf der Forderung der Länder nach einer einheitlichen, zentralen Universalschlichtungsstelle Rechnung, BR-Drucksache 258/15(B) , Ziffer 2.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Auch aufgrund des Ergebnis des Evaluationsberichtes zur Verbraucherstreitschlichtungsstelle (BR-Drucksache 650/18 (PDF) ), wonach eine Ortsnähe zur Klärung von Verbraucherstreitigkeiten nicht zwingend erforderlich ist, richtet der Bund mit dem vorliegenden Gesetzentwurf in den §§ 29 ff. VSBG-E nun dauerhaft eine zentrale Universalschlichtungsstelle des Bundes ein. Der Bundesrat begrüßt dieses und stellt fest, dass der Gesetzentwurf damit auch den Bedenken der Länder Rechnung trägt, die in ihren Stellungnahmen zum ursprünglichen Gesetzesentwurf (BR-Drucksache 258/15 (PDF) ) die Einrichtung von 16 Auffangschlichtungsstellen als unzweckmäßig kritisiert hatten. Damit wird auch dem Beschluss zu TOP 52 der 10. Verbraucherschutzministerkonferenz (VSMK) am 16. Mai in Rostock entsprochen, der die Einrichtung einer zentralen, bundeseinheitlichen Universalschlichtungsstelle für unabdingbar angesehen hat, damit das sinnvolle Instrument der Streitschlichtung insgesamt seine positive Wirkung entfalten kann.
9. Der Bundesrat erinnert daran, dass ausweislich des Zwischenberichts zur Funktionsweise der Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstelle (AVSS) die Bereitschaft der Unternehmen, sich an Streitbeilegungsverfahren zu beteiligen, weiterhin nur sehr eingeschränkt ist, BR-Drucksache 650/18(B) , Ziffer 2, und in 1 614 von 2 210 Fällen (73 Prozent) keine Beteiligung stattfand. Er weist darauf hin, dass ausweislich des Sachberichtes 2017 des Online-Schlichters die Bereitschaft zu einer Teilnahme bei solchen Schlichtungsstellen, die keine Gebühren erheben (wie beim sog. Online-Schlichter der Fall), wesentlich größer ist: hier nehmen nur weniger als 15 Prozent der Unternehmen nicht teil. Er nimmt zur Kenntnis, dass auch weiterhin von einem Unternehmen, das zur Teilnahme am Streitbeilegungsverfahren bereit oder verpflichtet ist, eine Gebühr erhoben werden soll (§ 31 VSBG-E), wobei die Einzelheiten durch eine Rechtsverordnung geregelt werden sollen, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf (§ 42 Absatz 2 VSBG-E).
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Ein Vergleich der AVVS und Online-Schlichter ist in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich für das vorliegende Gesetzgebungsverfahren. Beispielsweise können Rückschlüsse gewonnen werden aus der unterschiedlichen Teilnahmebereitschaft bei gebührenpflichtiger AVVS und gebührenfreiem Online-Schlichter. Der Vergleich der vollständigen Verfahrensdurchführung und der Erfolgsquote ermöglicht weitere Rückschlüsse auf die Akzeptanz der Schlichtungsverfahren. Die Vergleichbarkeit wird dadurch zwar erschwert, dass unterschiedliche Berichtszeiträume bestehen und Fallzahlen unterschiedlich bereinigt werden. Zur Lösung dieser Problematik beziehen sich daher, soweit nicht anders gekennzeichnet, Prozentangaben immer auf unbereinigte Zahlen.
Trotz der Unschärfen zeigen die Gesamtzahlen, dass der Online-Schlichter, der auch von den Unternehmen kostenlos in Anspruch genommen werden kann, eine wesentlich höhere Erfolgsquote hat als die AVVS, indem sich sowohl wesentlich häufiger die Unternehmen am Verfahren beteiligen als auch wesentlich häufiger das Verfahren vollständig durchgeführt wird einschließlich eines Schlichtungsvorschlags. Daher sollte geprüft werden, wie die AVVS effektiver ausgestaltet werden kann, damit diese nicht nur als Anlaufstelle zur Verfügung steht, sondern auch im Ergebnis eine Unterstützung der Verbraucherinnen und Verbraucher leisten kann, um zu ihrem Recht zu kommen.
Zur Teilnahmebereitschaft werden Zahlen aus dem AVVS-Zwischenbericht (BT-Drucksache 19/6890, Zeitraum: 1. August 2017 bis 31. Juli 2018, S. 1) und Zahlen des Online-Schlichters von 2017 verwendet (Sachbericht 2017 der Online-Schlichter). Aber auch im 1. Halbjahr 2018 lag die Nicht-Teilnahmebereitschaft noch unverändert bei "weniger als 15 Prozent" und stieg erst im Verlauf des Jahres 2018 leicht an (auf 19 Prozent).
10. Der Bundesrat ist sich bewusst, dass die von den Verbraucherschlichtungsstellen derzeit veröffentlichten Informationen "nur bedingt vergleichbar" sind, BR-Drucksache 650/18(B) , Ziffer 6, nimmt aber zur Kenntnis, dass laut des Zwischenberichts zur AVSS bei "strikter Betrachtung" in nur 19 Fällen (circa ein Prozent aller Anträge) ein Verfahren vollständig durchgeführt werden konnte, beim Online-Schlichter hingegen in 598 Fällen (51,2 Prozent aller Anträge). Die Erfolgsquote (Schlichtungsvorschlag samt Einigung) liegt bei der AVVS bei nur 13 Verfahren (0,6 Prozent aller Anträge und 4,3 Prozent bereinigt), beim Online-Schlichter hingegen bei 295 Verfahren (25,3 Prozent aller Anträge und circa 72 Prozent bereinigt). Der Bundesrat bittet vor diesem Hintergrund die Bundesregierung, den Gesetzentwurf noch einmal daraufhin zu prüfen, ob neben der Gebührenfrage weitere Anreize für eine vollständige Verfahrensdurchführung geschaffen werden können und so auch die Erfolgsquote gesteigert werden kann.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Ein Vergleich der AVVS und Online-Schlichter ist in mehrfacher Hinsicht aufschlussreich für das vorliegende Gesetzgebungsverfahren. Beispielsweise können Rückschlüsse gewonnen werden aus der unterschiedlichen Teilnahmebereitschaft bei gebührenpflichtiger AVVS und gebührenfreiem Online-Schlichter. Der Vergleich der vollständigen Verfahrensdurchführung und der Erfolgsquote ermöglicht weitere Rückschlüsse auf die Akzeptanz der Schlichtungsverfahren. Die Vergleichbarkeit wird dadurch zwar erschwert, dass unterschiedliche Berichtszeiträume bestehen und Fallzahlen unterschiedlich bereinigt werden. Zur Lösung dieser Problematik beziehen sich daher, soweit nicht anders gekennzeichnet, Prozentangaben immer auf unbereinigte Zahlen.
Trotz der Unschärfen zeigen die Gesamtzahlen, dass der Online-Schlichter, der auch von den Unternehmen kostenlos in Anspruch genommen werden kann, eine wesentlich höhere Erfolgsquote hat als die AVVS, indem sich sowohl wesentlich häufiger die Unternehmen am Verfahren beteiligen als auch wesentlich häufiger das Verfahren vollständig durchgeführt wird einschließlich eines Schlichtungsvorschlags. Daher sollte geprüft werden, wie die AVVS effektiver ausgestaltet werden kann, damit diese nicht nur als Anlaufstelle zur Verfügung steht, sondern auch im Ergebnis eine Unterstützung der Verbraucherinnen und Verbraucher leisten kann, um zu ihrem Recht zu kommen.
Auch wenn die Zahlen nur bedingt vergleichbar sind, zeigt sich, dass die Erfolgsquote bei der AVVS ausgesprochen gering ist, weshalb es dringend Maßnahmen zur Steigerung der Akzeptanz der Stelle bedarf.
Bei der vollständigen Verfahrensdurchführung tauschen die Beteiligten nach Erklärung der Teilnahmebereitschaft wechselseitige Stellungnahmen aus und beenden das Verfahren nicht vorzeitig (vgl. Zwischenbericht, Seite 9 f.). Die jeweils "bereinigten" Quoten unterscheiden sich danach, welche Fälle von der Gesamtzahl abgezogen werden (beim Online-Schlichter von 1 167 im Jahr 2017: Telefonische Anfragen: 82 Fälle; 73 Fälle von Unzuständigkeit bzw. 94 bei Weiterleitung an andere Instanz; 9 Insolvenzen; 159 Fälle, in denen sich das Unternehmen nicht am Verfahren beteiligt und 152 sonstige Verfahrensabbrüche) und sind nur bedingt vergleichbar. Auch für die AVVS werden von der Gesamtzahl (2 210 Verfahren) zumindest Fälle wegen Unzulässigkeit (508 Fälle) und fehlender Unternehmensbeteiligung (1 402 Fälle) herausgerechnet.
Bei der Erfolgsquote werden zur besseren Vergleichbarkeit bei beiden Schlichtungsstellen nur die Verfahren berücksichtigt, bei denen es - innerhalb des Schlichtungsverfahrens und nach einem Schlichtungsvorschlag - zu einer Einigung gekommen ist. Fälle von Einigungen "außerhalb des Verfahrens" werden nicht berücksichtigt. Dies geschieht jedoch im Zwischenbericht (vgl. Seite 10), was offensichtlich Auswirkungen auf die Erfolgsquote hat und die Frage der Gebührenpflicht aufwirft. Die Erfolgsquote ist jedenfalls im Verhältnis zur Gesamtzahl der Verfahren jeweils vergleichbar. Da beide Schlichtungsstellen die Quote in den Berichten um unzulässige Fälle bereinigt haben, wurden neben den unbereinigten, das heißt absoluten Zahlen auch noch die bereinigten Zahlen angegeben.
11. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, die Möglichkeit zu prüfen, das erste Schlichtungsverfahren eines Unternehmens vor der zukünftigen Universalschlichtungsstelle für das Unternehmen kostenlos zu gestalten. Das Unternehmen könnte hierdurch erste positive Erfahrungen mit der außergerichtlichen Streitbeilegung sammeln.
12. Zu Artikel 1 Nummer 4 (§ 14 Absatz 1 Nummer 3 und Absatz 2 Nummer 3 - neu - VSBG)
Artikel 1 Nummer 4 ist wie folgt zu fassen:
"4. § 14 Absatz 2 Satz 1 wird wie folgt geändert:
- a) In Nummer 2 wird das Wort "anhängig" ... <weiter wie Vorlage>.
- b) Nach Nummer 2 wird folgende Nummer 3 eingefügt:
"3. der streitige Anspruch oder das Rechtsverhältnis des Verbrauchers, das den Gegenstand des Streitbeilegungsverfahrens bildet, ist zum Klageregister nach § 608 Absatz 1 der Zivilprozessordnung angemeldet und die Musterfeststellungsklage ist noch rechtshängig,"
- c) Die bisherigen Nummern 3 und 4 werden die Nummern 4 und 5."
Begründung:
[ Das Anliegen, eine Parallelität zwischen Musterfeststellungsklage und Verbraucherschlichtung zu vermeiden, ist grundsätzlich zu begrüßen. Allerdings erscheint statt einer zwingenden Ablehnung die Aufnahme in den Katalog der fakultativen Ablehnungsgründe in § 14 Absatz 2 VSBG vorzugswürdig. Insoweit wird die in der Begründung des Gesetzentwurfs wiedergegebene Einschätzung geteilt, die Verbraucherschlichtungsstelle müsse "in diesen Fällen auch die Durchführung eines Streitbeilegungsverfahrens ablehnen können" (vgl. BR-Drucksache 197/19 (PDF), Seite 33). Soweit der Gesetzentwurf über diese Begründung hinaus die Verbraucherschlichtungsstellen zwingen will, solche Anträge stets abzulehnen, ist dies nicht sachgerecht. Das Gesetz zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage sperrt zwar die Individualklage ( § 610 Absatz 3 ZPO), beschränkt aber die Verfügungsgewalt der Parteien über den betreffenden Anspruch nicht. Verbraucher und Unternehmen können parallel zur Musterfeststellungsklage durchaus verhandeln und auch Vergleiche schließen. Zwar mag dies nicht der Regelfall sein, andererseits kann es Ausnahmefälle geben, für die die Schlichtung nach dem VSBG nicht von vornherein ausgeschlossen werden sollte. So könnte sich etwa für einen womöglich geringen Anteil der von der Musterfeststellungsklage betroffenen Ansprüche eine Einigung anbieten, ohne dass ein Teilvergleich nach § 611 ZPO praktikabel wäre. Ferner sollen nach dem Entwurf Schlichtungsverfahren bezogen auf Ansprüche, die zum Klageregister einer Musterfeststellungsklage hätten angemeldet werden können, aber nicht werden, (zutreffenderweise) zulässig bleiben; insoweit könnte es sich anbieten, in ein solches VSBG-Verfahren auch angemeldete Ansprüche einzubeziehen. Wenn die Verbraucherschlichtungsstelle für diese oder andere Konstellationen die Möglichkeit der Schlichtung offenhalten möchte, sollte sie vom Gesetz daran nicht gehindert werden.
So würde im Übrigen auch Kohärenz mit § 14 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 VSGB-E gewahrt. Wenn die Schlichtungsstelle trotz Rechtshängigkeit des Anspruchs ein VSBG-Verfahren vorsehen darf, sollte sie durch Gesetz nicht zum Ausschluss von zur Musterfeststellungsklage angemeldeten Ansprüchen, die dadurch nicht einmal rechtshängig werden, gezwungen werden. ]
{ Die Entscheidung, ob ein Verbraucher, der Ansprüche zum Klageregister zu einer Musterfeststellungsklage angemeldet hat, daneben noch die Möglichkeit einer Schlichtung haben soll, sollte (deshalb) den Schlichtungsstellen überlassen bleiben. Aus Sicht der Verbraucher wie auch der Unternehmer kann vor allem bei einem längeren Prozessverlauf ein Interesse an einer institutionalisierten außergerichtlichen Einigung bestehen, zumal die Musterfeststellungsklage nicht auf Befriedigung des individuellen Anspruchs gerichtet ist. Auch bestünde ein gewisser Wertungswiderspruch, wenn selbst eine individuelle Klage lediglich einen optionalen Ablehnungsgrund nach § 14 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 VSBG-E darstellt. Daher ist die Anmeldung des streitigen Anspruchs zum Klageregister bei einer rechtshängigen Musterfeststellungsklage besser im Katalog der optionalen Ablehnungsgründe des § 14 Absatz 2 VSBG-E zu verankern. }
[ Als Folgeänderung sollte erwogen werden, die Zuständigkeit der Universalschlichtungsstelle in § 30 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 VSBG-E um solche Streitigkeiten zu erweitern. ]
13. Zu Artikel 1 Nummer 5 (§ 26 Absatz 4 - neu - VSBG)
In Artikel 1 Nummer 5 ist dem § 26 folgender Absatz anzufügen:
(4) Die zuständige Behörde kann unbeschadet der Absätze 1 bis 3 die notwendigen Anordnungen treffen, um die Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes sicherzustellen. Sie hat dabei die Unabhängigkeit der Streitmittler zu wahren. "
Folgeänderung:
Der Überschrift sind die Wörter "und Befugnisse der zuständigen Behörde" anzufügen.
Begründung:
Die Aufsichtsmöglichkeiten der zuständigen Behörde sind derzeit auf den Widerruf der Anerkennung und Anordnungen, die dem Widerruf vorausgehen, beschränkt. Diese Beschränkung ist nicht sachgerecht. Zum einen stellt nicht jeder Gesetzesverstoß einen Widerrufsgrund dar, zum anderen bedürfen manche Gesetzesverstöße einer sofort wirksamen Anordnung ohne der in § 26 Absatz 1 VSBG-E vorgesehenen Drei-Monats-Frist. Wenn beispielsweise eine Schlichtungsstelle ihre Pflicht zur Begründung der Schlichtungsvorschläge nach § 19 Absatz 1 Satz 3 VSBG-E nicht erfüllt, ist zum Schutz der Parteien mit noch laufenden Schlichtungsverfahren ein sofortiges Handeln geboten. Daher ist die Aufnahme einer allgemeinen Befugnisnorm notwendig, wie sie üblicherweise Aufsichtsbehörden zur Verfügung steht. Bei der Ausübung der Aufsichtsbefugnisse ist die Unabhängigkeit der Tätigkeit der Schlichtungsstellen und der Streitmittler zu wahren.
14. Zu Artikel 1 Nummer 8 Buchstabe c Doppelbuchstabe dd (§ 30 Absatz 2 Nummer 4 VSBG)
Artikel 1 Nummer 8 Buchstabe c Doppelbuchstabe dd ist zu streichen.
Begründung:
In § 30 Absatz 2 Nummer 4 VSBG-E ist eine Erhöhung der Obergrenze des Zuständigkeitsstreitwertes der Universalschlichtungsstelle von bisher 5 000 Euro auf künftig 50 000 Euro vorgesehen. Dies ist abzulehnen.
Eine derartige Erhöhung der Obergrenze würde aufgrund der Verknüpfung zwischen Streitwert und Gebühr zu erheblichen Kostensteigerungen für die beteiligten Unternehmen führen. Zudem würde sie auch eine Steigerung der wirtschaftlichen Bedeutung und der Komplexität der Streitfälle zur Folge haben. Die Universalschlichtungsstellen sind hierfür aber nicht ausgelegt, nicht zuletzt, da die Ausbildungsanforderung für eine Zertifizierung als Mediator bei lediglich 120 Stunden liegt.
15. Zu Artikel 1 Nummer 9 (§ 31 Absatz 1 Satz 2 VSBG)
In Artikel 1 Nummer 9 sind in § 31 Absatz 1 Satz 2 nach den Wörtern "des Schlichtungsverfahrens" die Wörter "; maßgeblich ist dabei die Berechnungsgrundlage, die zu geringeren Gebühren führt" einzufügen.
Begründung:
Die im Gesetzentwurf vorgesehene Regelung lässt offen, ob und in welchen Fällen sich die Gebühr nach dem Streitwert oder nach dem tatsächlichen Aufwand des Schlichtungsverfahrens richtet. Die vorgeschlagene Ergänzung schafft die erforderliche Klarheit und Rechtssicherheit. Darüber hinaus gewährleistet sie, dass keine Gebühren erhoben werden, die den tatsächlichen Aufwand des Schlichtungsverfahrens übersteigen.
16. Zu Artikel 1 Nummer 12a - neu - (§ 36 Absatz 1 Nummer 1 VSBG)
Nach Artikel 1 Nummer 12 ist folgende Nummer 12a einzufügen:
"12a. In § 36 Absatz 1 Nummer 1 wird das Wort "inwieweit" durch das Wort "dass" ersetzt."
Begründung:
Nach der gegenwärtigen Regelung des § 36 Absatz 1 Nummer 1 VSBG muss ein Unternehmer, der eine Webseite unterhält oder Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) verwendet, Verbraucherinnen und Verbraucher unter anderem darüber in Kenntnis setzen, ob er grundsätzlich bereit ist, an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen. Das VSBG setzt mit dieser Vorschrift Artikel 13 Absatz 1 der Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nummer 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (Richtlinie über alternative Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten) um. Während Artikel 13 Absatz 1 der Richtlinie jedoch eine entsprechende Informationspflicht des Unternehmers gegenüber dem Verbraucher nur dann vorsieht, wenn der Unternehmer bereit ist, Stellen der außergerichtlichen Streitbeilegung einzuschalten, schreibt § 36 Absatz 1 VSBG eine Unterrichtung der Verbraucher in jedem Fall vor - also auch in dem Fall, in dem er grundsätzlich Streitigkeiten nicht vor einer außergerichtlichen Schlichtungsstelle beilegen will. Diese überschießende nationale Regelung hat sich nicht bewährt. Für Unternehmer stellt die Vorschrift eine zusätzliche bürokratische Belastung dar und bringt vor allem für eher handwerklich geprägte Betriebe und sonstige kleine und mittlere Unternehmen (KMU) einen erhöhten formalistischen Aufwand mit sich. Darüber hinaus zwingt sie den Unternehmer, sich in einem ganz frühen Stadium für oder gegen eine Verbraucherschlichtung zu entscheiden mit der Folge, dass eine negative Entscheidung im Zweifel auch im Einzelfall nicht mehr revidiert werden wird.
Durch die Ersetzung des Wortes "inwieweit" durch das Wort "dass" in § 36 Absatz 1 Nummer 1 VSBG wird der Anwendungsbereich der normierten Informationspflicht beschränkt und dem Umfang und der Zielsetzung der zu Grunde liegenden Regelung des Artikels 13 Absatz 1 Satz 1 der Richtlinie 2013/11/EU angeglichen. Die Pflicht, auf Webseiten und in AGB auf Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle zu informieren, soll nur noch diejenigen Unternehmen treffen, die zur Teilnahme an einem solchen Verfahren bereit oder verpflichtet sind.
17. Zu Artikel 7 ( § 47a Absatz 1 TKG)
Der Bundesrat bittet im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob in Artikel 7 folgende Regelung zur Änderung von § 47a Absatz 1 des Telekommunikationsgesetzes aufgenommen werden sollte:
"In § 47a Absatz 1 werden nach dem Wort "Telekommunikationsdiensten" die Wörter "zu einer Streitigkeit über Ansprüche aus einem Vertrag über Telekommunikationsdienste oder" eingefügt."
Begründung:
Die Bundesnetzagentur (BNetzA) muss ausweislich ihrer Tätigkeitsberichte jährlich mehr als 800 Schlichtungsanträge mangels Zuständigkeit abweisen. Die Kunden haben die Vorstellung und Erwartung, dass die BNetzA über die bestehende Schlichtungsaufgabe des § 47a Telekommunikationsgesetz (TKG) hinaus auch vertragsrechtliche Streitigkeiten im Bereich der Telekommunikation schlichtet. Diese wegen Unzuständigkeit abgelehnten Schlichtungsanträge werden auch nicht oder nur in geringem Umfang bei der Allgemeinen Verbraucherschlichtungsstelle fortgeführt, wie die dortigen Fallzahlen belegen. Das Schlichtungsangebot im Bereich der Telekommunikation deckt damit nur unzureichend die Nachfrage der Kundenseite ab.
Ziel sollte es sein, durch eine Erweiterung von § 47a TKG um vertragsrechtliche Streitigkeiten ein nachfragegerechtes und effektives Schlichtungsangebot mit hoher fachlicher Kompetenz im Bereich der Telekommunikation zu schaffen.
18. Zu Artikel 11 Nummer 3 Buchstabe a - neu - (§ 57b Absatz 1 Satz 1a - neu - LuftVG)
In Artikel 11 ist die Nummer 3 wie folgt zu fassen:
"3. § 57b wird wie folgt geändert:
Begründung:
Wenn der Fluggast den Beförderungsvertrag kündigt, das heißt den Flug storniert, kommt es häufig zu Streitigkeiten mit der Fluggesellschaft darüber, ob und in welchem Umfang geleistete Zahlungen rückerstattet werden müssen. Daran hat auch die Entscheidung des BGH vom 20. März 2018 (Az.: X ZR 25/17) zur Wirksamkeit des Ausschlusses der Erstattung des geleisteten Beförderungsentgelts nur wenig geändert, da zum einen die Vertragsklauseln und Tarifstrukturen nicht in allen Fällen identisch sind, zum anderen häufig auch Streit über die Rückzahlung der Steuern und Gebühren besteht.
Für eine außergerichtliche Beilegung dieser Streitigkeiten steht zwar grundsätzlich der Weg zu den allgemeinen Verbraucherschlichtungsstellen offen, jedoch ist es mit Blick auf die hohe fachliche Kompetenz und breite Akzeptanz der Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr e.V. sowie des Bundesamts für Justiz vorzugswürdig, diese Streitigkeiten den branchenbezogenen Schlichtungsstellen zuzuweisen. Daher ist der Anwendungsbereich der §§ 57 und 57a LuftVG auf Ansprüche im Zusammenhang mit der Aufhebung eines Luftbeförderungsvertrags zu erweitern. Der Tatbestand wird dabei so formuliert, dass auch andere Fallkonstellationen erfasst sind, bei denen der Fluggast Ansprüche auf Rückerstattung von Steuern und Gebühren haben kann.
Außerdem sollen die branchenbezogenen Schlichtungsstellen aufgrund ihrer Sachnähe und Kompetenz für Streitigkeiten zuständig sein, die sich beim Nichtantritt eines Teils der gebuchten Flugreise und der von den Fluggesellschaften vorgenommenen Neuberechnung des Flugpreises ergeben können.