Europäische Kommission
Brüssel, den 02.04.2012
C(2012)1994 final
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Kommission dankt dem Bundesrat .für seine Stellungnahme zu dem Weißbuch: "Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum - Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem" - {KOM (2011) 144 endgültig) und möchte ihr Bedauern für die späte Antwort zum Ausdruck bringen .
Der Verkehr ist ein zentraler Faktor auf dem Wege zu einer nachhaltigen Gesellschaft; dabei sind wirtschaftliche, soziale und ökologische Aspekte gleichermaßen zu berücksichtigen. Deshalb begrüßt die Kommission insbesondere die Unterstützung des Bundesrates für die Zielvorgabe, die verkehrsbedingten Klimagasemissionen bis zum Jahr 2050 um 60 % zu reduzieren.
Die Kommission nimmt die Bedenken zum Tempo der geplanten Emissionsminderung zur Kenntnis. Soll das 60 %-Ziel ohne Einschränkung der Mobilität erreicht werden, sind in der Tat ambitionierte Strategien erforderlich. So zeigen die Modellrechnungen, die der dem Weißbuch beigefügten Folgenabschätzung zu entnehmen sind, dass generell verschiedene politische Instrumente eingesetzt werden müssen, um das Verkehrssystem auf einen nachhaltigen Pfad zu führen, CO₂-Emissionen zu senken, die Abhängigkeit vom Öl zu verringern und Verkehrsüberlastungen zu beheben.
Die im Weißbuch vorgeschlagenen Initiativen würden bereits bis 2030 einen signifikanten Wandel bewirken: So könnte der Schadstoffausstoß mithilfe moderner Technologien fair Straßenfahrzeuge und durch den stärkeren Einsatz von Schiene, Schifffahrt und Bussen zwischen 2008 und 2030 um ca. 1 % jährlich gesenkt werden. Doch die Erneuerung des Fahrzeugbestands und die Anpassung der Infrastruktur brauchen Zeit. Daher dürften die neuen Technologien erst nach 2030 ihre kommerzielle Wirkung entfalten.
Allerdings müssen die nötigen Rahmenbedingungen rechtzeitig geschaffen werden. Deshalb wollen wir die meisten der im Weißbuch vorgestellten Initiativen bereits im Laufe der Amtszeit der jetzigen Kommission ergreifen. Zur Überwachung der Fortschritte und zur politischen Orientierung sind zehn auf EU-Ebene verankerte Benchmarks vorgesehen.
Herrn Horst Seehofer
Präsident des Bundesrates
Leipziger Straße 3-4
D-10117 Berlin
Ein mit nationalen, regionalen und lokalen Behörden abgestimmtes Vorgehen ist von entscheidender Bedeutung, da Verkehr als System funktioniert. Es wäre nicht sinnvoll, Mobilität ohne Einbeziehung des urbanen Kontextes zu erörtern, wo die meisten Fahrten beginnen und enden. Die Bedeutung der urbanen Dimension wird noch zunehmen, da Prognosen darauf schließen lassen, dass der Anteil der Stadtbevölkerung in Europa von derzeit 74 % auf etwa 85 % im Jahr 2050 steigen wird. Deshalb liegt zwar einer der Schwerpunkte dieses Weißbuchs auf Lösungen für besondere Umstände, die Städte müssen sich jedoch ihrer Verantwortung stellen. Die Kommission kann durch die Bereitstellung von Instrumenten (bewährte Praktiken, ehrenamtliche Tätigkeit, Standardisierung von Ausrüstung, Finanzierung von Forschungs- und Demonstrationsprojekten) einen Betrag leisten. Beispielsweise könnte die Kofinanzierung von Plänen für urbane Mobilität ein Anreiz für deren Verabschiedung sein. Die Städte sollen dazu angeregt werden, Optionen genau zu prüfen und Raumplanungsmaßnahmen, Förderung des öffentlichen Verkehrs, Verkehrsmanagement und Straßenbenutzungsgebühren zu integrieren.
Die Kommission möchte Ihnen versichern, dass die skizzierte Mitwirkung der EU sich streng nach dem Grundsatz der Subsidiarität richtet. Jedem Vorschlag oder jeder Initiative wird eine gründliche Folgenabschätzung vorausgehen; dabei werden sowohl der europäische Mehrwert als auch Subsidiaritätsbelange berücksichtigt, und wir hoffen, dass alle Beteiligten aktiv daran mitwirken.
Hinsichtlich der weiteren angesprochenen Fragen möchte ich Folgendes hervorheben:
- - Die Ziele dieses Weißbuchs stehen in Einklang mit der Strategie "Europa 2020". Erreicht werden sollen sie durch einen ganzheitlichen Ansatz, abgestufte Interventionen in miteinander verwobenen Bereichen wie Binnenmarkt, Wettbewerb, technologische Innovation und Forschung, umweltfreundliche und innovative Formen der Mobilität sowie den Aufbau des TEN-V. Mit Blick auf die Umsetzung der im Weißbuch vorgeschlagenen Strategie verdient die Frage der Finanzierung besondere Aufmerksamkeit, wie Sie zu Recht betonen. Im Weißbuch vorgeschlagen wird eine schrittweise Verlagerung der Finanzierung aus allgemeinen Steuern hin zu einer verstärkten Verknüpfung zwischen der Generierung von Einnahmen und der tatsächlichen Nutzung von Infrastrukturen. Damit würden zusätzliche Mittel verfügbar und gleichzeitig eine bessere Auswahl von Verkehrsprojekten gefördert. Darüber hinaus ist die Erschließung privater Finanzierungsquellen unerlässlich für die Schaffung eines integrierten, multimodalen gesamteuropäischen Verkehrsnetzes. Der Prüfung öffentlichprivater Partnerschaften (ÖPP) im Rahmen der Exante-Bewertung kommt daher große Bedeutung zu.
- - Sie weisen zu Recht darauf hin, dass zahlreiche Verkehrsbereiche im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen steuerlich bevorzugt behandelt werden, z B. durch die Befreiung der internationalen Seeschifffahrt und Luftfahrt von der Mehrwertsteuer. Einige dieser Regelungen können Anreize geben, die im Widerspruch zu den Anstrengungen für ein effizienteres Verkehrssystem und verringerte externe Kosten stehen. Deshalb wird in dem Weißbuch eine Neustrukturierung der verkehrsbezogenen Gebühren und Steuern vorgeschlagen. Damit soll die Rolle des Verkehrs bei der Förderung der Wettbewerbsfähigkeit Europas untermauert werden, während sich in der Gesamtbelastung für den Sektor die verkehrsbezogenen Infrastruktur- und externen Kosten insgesamt widerspiegeln sollten.
Der Vorschlag der Kommission zur Fazilität "Connecting Europe" stellt darauf ab, die Zuschussfinanzierung stärker mit der Nutzung innovativer Finanzinstrumente zu kombinieren und insbesondere Projektanleihen zu fördern. Zwar wird erwartet, dass der Markt eine wesentliche Rolle bei der Bereitstellung der erforderlichen Infrastrukturen übernimmt, aber ohne öffentliche Beteiligung würden einige der notwendigen Investitionen nicht getätigt oder bis weit nach 2020 hinausgezögert. Daher hat die Kommission ein Infrastrukturpaket vorgeschlagen, das sowohl ein neues Haushaltsinstrument, die Fazilität " Connecting Europe", als auch überarbeitete Leitlinien für Verkehrs-, Energie- und Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) umfasst. Aus der Fazilität "Connecting Europe" werden 31,7 Mrd. EUR investiert, um die europäische Verkehrsinfrastruktur zu modernisieren, fehlende Verkehrsverbindungen zu schaffen und Verkehrsengpässe zu beseitigen. Die Leitlinien legen Standards zur Sicherung von Effizienz und Interoperabilität fest. Außerdem geben sie einen soliden, verbindlichen Rahmen vor, der aus zwei Ebenen besteht: einem Kernnetz, das bis 2030 vollendet sein soll, und einem umfassenden Zubringernetz, das bis 2050 fertig zu stellen ist. Prioritäten des Kernnetzes sind die wichtigsten Verbindungen und Knotenpunkte des TEN-V, die bis 2030 uneingeschränkt funktionsfähig sein sollen. Dieses umfassende Netz wird die EU vollständig abdecken und die Erreichbarkeit aller Regionen gewährleisten.
- - Für den Luftverkehr sieht das Weißbuch verschiedene ambitionierte Maßnahmen vor, um die negativen Umweltauswirkungen zur verringern. Diese ergänzen die bereits bestehenden Verpflichtungen zur Schaffung des einheitlichen europäischen Luftraums oder werden in das EU-System fair den Handel mit Emissionsrechten einbezogen. In dem Zusammenhang ist insbesondere darauf hinzuwirken, dass an Flughäfen keine Engpässe entstehen. Dies schließt unter anderem eine Überprüfung der Bodenabfertigung und der Regeln für die Zuweisung von Zeitnischen ein, um die Flughafenkapazität zu erhöhen und gleichzeitig die Servicequalität zu verbessern. Aus einer neueren Studie zur Überarbeitung der Zeitnischenverordnung geht hervor, dass mit einem ressourceneffizienteren Zuweisungssystem bis 2025 wirtschaftliche Gewinne in Höhe von mehr als 5 Mrd. EUR erzielt und bis zu 62 000 Arbeitsplätze geschaffen werden könnten. Dies würde bedeuten, dass auf europäischen Flughäfen jährlich bis zu 24 Millionen zusätzliche Fluggäste abgefertigt werden.
- - Für den Eisenbahnsektor schlägt das Weißbuch eine Reihe von Maßnahmen vor, um die Schiene attraktiver zu machen. In der gegenwärtigen Situation geht es darum, technische und administrative Hindernisse zu beseitigen, die den Zugang zu nationalen Märkten verhindern, die inländischen Schienenpersonenverkehrsdienste zu öffnen sowie die Kapazität und die Nutzung der Infrastrukturen durch intelligente Technologien (ERTMS) zu optimieren.
Ich freue mich auf eine Fortsetzung unseres politischen Dialogs zu diesen Themen.
Mit freundlichen Grüßen
Maros Sefjoyd
Vizepräsident
- *. Siehe Drucksache 179/11(B)