34. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass eine vorvertragliche Prüfung der Kreditwürdigkeit des Verbrauchers im Interesse beider Vertragsparteien eine große Bedeutung hat, um das Risiko finanzieller Nachteile für beide Vertragsparteien nach Möglichkeit zu reduzieren.
Der Bundesrat ist allerdings auch der Auffassung, dass es dem Kreditgeber möglich sein muss, ein Forderungsausfallrisiko in gewissen Grenzen in Kauf zu nehmen. Eine angemessene sorgfältige Prüfung der Kreditwürdigkeit und eine Abwägung des Kreditrisikos liegen auch im eigenen Interesse des Kreditgebers, der Forderungsausfälle besorgen muss und diese nach Möglichkeit vermeiden will. Das Zivilrecht ist durch den Grundsatz der Privatautonomie geprägt, welcher auch beinhaltet, dass jeder Vertragspartner selbst dafür verantwortlich ist, sicherzustellen, dass er die vertraglich übernommenen Verpflichtungen erfüllen kann. Hat der Kreditvermittler oder Kreditgeber dem Verbraucher alle wesentlichen vertragsrelevanten Informationen vor Vertragsschluss mitgeteilt und überschätzt der Verbraucher seine Fähigkeit, den Vertrag erfüllen zu können, ist er hierfür primär selbst verantwortlich.
Zu weitgehende Vorgaben könnten dazu führen, dass Kreditgeber zukünftig Kreditverträge nur noch sehr restriktiv gewähren und Verbrauchern Wohnimmobilienkreditverträge vorenthalten bleiben, denen diese bei objektiv vertretbarem Risiko gewährt werden könnten.
Es wird gebeten, jedenfalls den in Artikel 14 Absatz 2 Buchstabe f vorgesehenen Anspruch auf manuelle Überprüfung einer bereits vom Kreditgeber getroffenen negativen Kreditentscheidung zu streichen. Mehrere Gerichte haben sich dahingehend geäußert, diese Vorschrift führe zu einer Mehrbelastung der Gerichte. Ein zusätzlicher Erkenntnisgewinn ist aus der manuellen Überprüfung nicht zu erwarten. Sinnvolle Ergebnisse bezüglich der Kreditvergabe sind weder durch die manuelle Überprüfung noch durch eine sich gegebenenfalls anschließende gerichtliche Überprüfung der negativen Entscheidung des Kreditgebers zu erwarten, denn es gibt kein "Recht des Verbrauchers auf Kredit". Die Norm könnte - gerade bei späteren Darlehenskündigungen wegen Zahlungsverzugs - zu Einreden der Darlehensnehmer führen und die Durchsetzung von Restdarlehensansprüchen der Kreditgeber erschweren.
Eine sorgfältige Rechtsfolgenabschätzung ist sowohl im Hinblick auf die Notwendigkeit konkreter Vorgaben zum Umfang der Kreditwürdigkeitsprüfung nach Artikel 14 Absatz 1 als auch im Hinblick auf die Verfahrensvorgaben nach Artikel 14 Absatz 2 unabdingbar. Ein Darlehensnehmer könnte argumentieren, dass die Bank die Kreditwürdigkeit zu Unrecht positiv beurteilt und daher ihre Schutzpflicht ihm gegenüber verletzt habe. In der Folge könnten die Gerichte gezwungen sein, die durchaus komplizierten Kreditwürdigkeitsprüfungen der Banken nachzuvollziehen und das Ergebnis zu überprüfen. Eine missbräuchliche Anwendung der im Richtlinienvorschlag enthaltenen Vorgaben zur Kreditwürdigkeitsprüfung im zivilrechtlichen Bereich sollte vermieden werden. Eine Lösung könnte beispielsweise die Einführung einer - nur aufsichtsrechtlich überprüfbaren - Warnpflicht des Kreditgebers darstellen.
Soweit man konkrete Vorgaben zum Umfang der Kreditwürdigkeitsprüfung in Artikel 14 des Richtlinienvorschlags überhaupt für erforderlich hält, bedarf dieser einer Konkretisierung zur Beurteilung von Fällen, in denen mehrere Kreditnehmer einen Kredit beantragen und die Kapitaldienstfähigkeit nur in einem von ihnen oder zwar nicht bei jedem einzelnen, wohl aber gemeinsam gegeben ist.
Schließlich gibt der Bundesrat auch zu bedenken, dass es im Hinblick auf die Vielzahl von denkbaren Finanzprodukten und die Vielzahl der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse von Verbrauchern zweifelhaft scheint, ob in ausreichend bestimmter Form alle Eventualitäten und die sich daraus ergebenden möglichen Methoden zur Prüfung der Kreditwürdigkeit gesetzlich beschrieben werden können.