KOM (2005) 6 endg.; Ratsdok. 6582/05
Der Bundesrat hat in seiner 810. Sitzung am 29. April 2005 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Der Bundesrat begrüßt das mit dem Vorschlag für einen Rahmenbeschluss verfolgte Anliegen, die Bekämpfung der organisierten Kriminalität durch Schaffung eines gemeinsamen Rechtsrahmens und Verbesserung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden zu intensivieren.
Er sieht sich indes veranlasst, zu dem Inhalt der Vorlage auf Folgendes hinzuweisen:
Die Definition der "kriminellen Vereinigung" in Artikel 1 ist zu eng gefasst. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass die Übernahme der Definition in das deutsche Recht zu einer - sachlich nicht gerechtfertigten - Einschränkung des Tatbestands des § 129 StGB führen könnte. Die geltende Rechtslage setzt lediglich voraus, dass der Zweck der Vereinigung oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Straftaten zu begehen. Das Ziel der kriminellen Vereinigung ist dagegen unbeachtlich. Insbesondere ist es derzeit nicht erforderlich, dass ein finanzieller oder sonstiger materieller Vorteil angestrebt wird. Auf der Grundlage der Definition in Artikel 1 würden beispielsweise Ringe zum Tausch von Kinderpornografie nicht mehr unter den Tatbestand fallen. Auch wären bestimmte strafprozessuale Maßnahmen zur Aufdeckung konspirativen Verhaltens in diesem Zusammenhang gegebenenfalls nicht mehr zulässig. Die Definition verlangt zudem, dass der Zweck der kriminellen Vereinigung auf die Begehung von Straftaten gerichtet ist, die mit einer Freiheitsstrafe oder einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung im Höchstmaß von mindestens vier Jahren oder einer schwereren Strafe bedroht sind. Nach § 129 StGB in der geltenden Fassung reicht als Zweck einer kriminellen Vereinigung allgemein die Begehung von Straftaten aus, unabhängig davon, mit welcher Strafe diese sanktioniert sind. Hieran sollte auch zukünftig festgehalten werden.
Der Bundesrat geht davon aus, dass die im Vorschlag enthaltene Definition nur Mindestgrundsätze enthält. Sofern diese Definition im weiteren Verlauf der Beratungen nicht erweitert wird, sollte jedenfalls deren Charakter als Mindestgrundsatz ausdrücklich klargestellt werden.
Gegen Artikel 3 Abs. 2 des Vorschlags für einen Rahmenbeschluss bestehen Bedenken. Die Regelung legt die Annahme nahe, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet werden sollen, die Tatbegehung im Rahmen einer kriminellen Vereinigung als gesetzlichen Straferschwerungsgrund ausdrücklich zu normieren. Für einen solchen Eingriff in die nationalen Sanktionensysteme ist ein sachliches Bedürfnis nicht ersichtlich. Der genannte Umstand wird nach allgemeinem Strafzumessungsrecht in aller Regel ohnehin einen Straferschwerungsgrund darstellen. Dies genügt.
Nach Auffassung des Bundesrates sollte die Liste der Strafmilderungsgründe (Artikel 4) nicht abschließend ausgestaltet sein, da auch weitere Strafmilderungsgründe denkbar sind, die einen Strafnachlass rechtfertigen können. Zudem ist es geboten, auch die Möglichkeit des (gänzlichen) Absehens von einer Bestrafung zu eröffnen, wie dies nach deutschem Recht möglich ist (vgl. § 129 Abs. 5 und 6 StGB).
Soweit der Vorschlag für einen Rahmenbeschluss Regelungen zur Gerichtsbarkeit und Koordinierung der Strafverfolgung enthält (Artikel 7), merkt der Bundesrat an, dass die Kommission derzeit mit der Ausarbeitung eines Grünbuchs über "Conflicts of jurisdiction and double jeopardy (ne bis in idem)" zur Vorbereitung weiter gehender Legislativvorschläge befasst ist. Um eine Rechtszersplitterung zu vermeiden, wird bei den Beratungen über den Entwurf ein besonderes Augenmerk auf die Kohärenz mit entsprechenden Regelungen in anderen Rechtsinstrumenten der Europäischen Union zu legen sein.
Der Bundesrat bringt in Erinnerung, dass durch das Opferrechtsreformgesetz vom 24. Juni 2004 (BGBl. I S. 1354) die Verpflichtungen aus dem Rahmenbeschluss des Rates vom 15. März 2001 über die Stellung des Opfers im Strafverfahren vollumfänglich umgesetzt worden sind. Ein Bedürfnis für weiter gehende Maßnahmen zur Unterstützung der Familien der Opfer im Rahmen des Strafverfahrens (vgl. Artikel 8) sieht der Bundesrat nicht.