Der Bundesrat hat in seiner 977. Sitzung am 17. Mai 2019 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 (§ 4 Absatz 4 IRegG)
In Artikel 1 ist in § 4 Absatz 4 das Wort "Landesbehörde" durch das Wort "Behörde" zu ersetzen.
Begründung:
Es handelt sich um eine redaktionelle Klarstellung. Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder (Artikel 30 GG) . Bundesgesetze werden durch die Länder als eigene Angelegenheit ausgeführt (Artikel 83 GG) .
2. Zu Artikel 1 (§ 9 und § 26 IRegG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob Patientinnen und Patienten gegenüber der Vertrauens- und Registerstelle ein Recht auf Widerspruch nach Artikel 21 DSGVO zusteht oder nicht und ob eine entsprechende Klarstellung in das Gesetz aufzunehmen ist.
Begründung:
Gemäß § 26 Nummer 2 IRegG ist gegenüber der Vertrauensstelle und der Registerstelle das Recht auf Widerspruch ausgeschlossen. Gemäß § 9 Absatz 5 Nummer 3 Buchstabe b IRegG in Verbindung mit § 21 Absatz 2 Nummer 2 und Nummer 3 Buchstabe b IRegG haben die Vertrauensstelle und die Registerstelle demgegenüber sicherzustellen, dass ein Recht auf Widerspruch gegen die Verarbeitung personenbezogener Daten eingeräumt wird und betroffene Patientinnen und Patienten darüber informiert werden. Nach diesem Verständnis wird einerseits das Recht auf Widerspruch in Gänze ausgeschlossen, währenddessen es an anderer Stelle eingeräumt wird und auch darüber zu informieren ist.
Da es sich beim Recht auf Widerspruch um ein gewichtiges Betroffenenrecht der DSGVO handelt, sollte für die Rechtsanwendung klar sein, ob und inwiefern dieses besteht oder ausgeschlossen sein soll.
3. Zu Artikel 1 (§ 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 7 - neu - IRegG)
In Artikel 1 ist § 29 Absatz 1 Satz 1 wie folgt zu ändern:
Als Folge ist in Artikel 1 § 33 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 die Angabe "den §§ 29 und 31" durch die Angabe " § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 6 und § 31" zu ersetzen.
Begründung:
Nach § 1 Absatz 2 IRegG dient das Implantateregister unter anderem dem Schutz der Gesundheit und Sicherheit von Patientinnen und Patienten, von Anwendern und Dritten sowie der Abwehr von Risiken durch Implantate (§ 1 Absatz 2 Nummer 1 IRegG) und der Marktüberwachung (§ 1 Absatz 2 Nummer 4 IRegG). Zugang zu den gespeicherten Daten des Registers haben nach § 27 IRegG auch öffentliche Stellen nur, soweit dieses Gesetz es vorsieht. Damit die zuständigen Behörden ihre Aufgaben im Rahmen der Gefahrenabwehr und der Marktüberwachung erfüllen können, ist die Erweiterung in § 29 IRegG zwingend geboten.
Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder (Artikel 30 GG) . Bundesgesetze werden durch die Länder als eigene Angelegenheit ausgeführt (Artikel 83 GG) . In dem vorliegenden Gesetzentwurf fehlen bisher Regelungen, die eine Übertragung von Daten an die für die Gefahrenabwehr und Marktüberwachung zuständigen Landesbehörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben ermöglicht.
Nach § 33 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 IRegG wird das Deutsche Institut für medizinische Dokumentation und Information zur Erhebung von Entgelten für die Erfüllung seiner Aufgaben bei den Empfängern der nach den §§ 29 und 31 IRegG übermittelten oder zugänglich gemachten Daten verpflichtet. Hiervon sollen die für die Gefahrenabwehr und die Marktüberwachung zuständigen Behörden ausgenommen werden.
4. Zu Artikel 1 (§ 30 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 IRegG)
In Artikel 1 ist in § 30 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 die Angabe "Artikel 93 bis 100" durch die Angabe "Artikel 94" zu ersetzen.
Begründung:
Die Ausübung der staatlichen Befugnisse und die Erfüllung der staatlichen Aufgaben ist Sache der Länder (Artikel 30 GG) . Bundesgesetze werden durch die Länder als eigene Angelegenheit ausgeführt (Artikel 83 GG) . Die in den Artikeln 93 und 95 bis 100 der Verordnung (EU) Nr. 2017/745
normierten staatlichen Aufgaben sind Tätigkeiten und Maßnahmen im Sinne von Artikel 2 Nummer 61 der Verordnung (EU) Nr. 2017/745
und damit keine Aufgaben der Bundesoberbehörde.
Artikel 94 sieht die Bewertung von Produkten aufgrund von Daten vor, die unter anderem auch durch die Vigilanz erhalten werden. Dies zählt zu den Aufgaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte.
5. Zu Artikel 1 (§ 34 Absatz 2 IRegG)
In § 34 Absatz 2 sind vor dem Wort "Aufwand" die Wörter "einmalige und laufende" einzufügen.
Begründung:
§ 34 Absatz 2 IRegG regelt, dass mit der Vergütung nach § 34 Absatz 1 IRegG der Aufwand für die Erfüllung der entsprechenden Pflichten der Gesundheitseinrichtungen abgegolten wird. Unklar ist, ob hiermit auch der einmalige Erfüllungsaufwand (Anschaffung Scanner, Schulungsaufwand) abgegolten wird.
Die vorgeschlagene Änderung stellt klar, dass der gesamte Aufwand für die Erfüllung der Meldepflichten abgegolten wird; sie dient der Rechtssicherheit für alle Beteiligten.
6. Zu Artikel 2 Nummer 2 ( § 91b SGB V)
Artikel 2 Nummer 2 ist zu streichen.
Begründung:
Die vorgesehene Verordnungsermächtigung zur Regelung der Verfahrensgrundsätze der Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung und im Krankenhaus ist obsolet. Die Ermächtigung in § 91b Satz 2 Nummer 2 SGB V sieht vor, dass in der Rechtsverordnung die Anforderungen an Unterlagen und die Nachweise zur Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden näher geregelt werden kann, gefährdet die unabhängige, allein auf den Erkenntnissen der evidenzbasierten Medizin beruhende Bewertung medizinischer Behandlungsmethoden.
Die mittels Rechtsverordnung zu erlassenen Regelungen gehen über reine, das Bewertungsverfahren beschleunigende, formale Vorgaben hinaus.
Anforderungen an Unterlagen und Nachweise sind fachliche Vorgaben. Durch sie wird festgelegt, ab wann eine Tatsache - nach wissenschaftlichen Standards - als erwiesen zu betrachten ist. Vorgaben einer Rechtsverordnung können dies jedoch nicht pauschal für alle Erkrankungen oder Behandlungsmethoden festlegen. Stattdessen muss die Qualität der Unterlagen und Nachweise immer in einem ausgewogenen Verhältnis zu den mit einer Methode verbundenen Risiken und Chancen stehen. Je schwerer und je seltener eine Erkrankung ist, desto eher können auch Unterlagen und Nachweise von geringerer Qualität oder Aussagekraft die Aufnahme einer Methode rechtfertigen. Bei risikoreichen Methoden, sehr häufigen Krankheiten oder Krankheiten, zu denen bereits etablierte Behandlungsmethoden existieren, sind jedoch Unterlagen und Nachweise zu fordern, die hohe wissenschaftliche Standards erfüllen. Bewertungen, ob in vergleichbaren Studien erbrachte Nachweise übertragen werden können oder ob auf eine Vergleichsgruppe verzichtet werden kann, weil der natürliche Krankheitsverlauf hinreichend bekannt ist, können nicht pauschaliert werden, sondern bedürfen der jeweiligen Bewertung im Einzelfall. Aufgrund der Einzigartigkeit eines jeden Bewertungsverfahrens, können die Vorgaben einer Rechtsverordnung auch nicht zur Vorstrukturierung des Beratungsverfahrens führen.
Weiterhin bedarf es der genannten Verordnungsermächtigung nicht, denn bereits jetzt kann das Bundesministerium für Gesundheit den Gemeinsamen Bundesausschuss über § 91 Absatz 4 Satz 7 SGB V auffordern, die Geschäfts- oder Verfahrensordnung anzupassen, wenn Änderungen erforderlich sind.
7. Zu Artikel 2 Nummer 3 (§ 94 Absatz 1a und Absatz 3 SGB V)
Artikel 2 Nummer 3 ist zu streichen.
Begründung:
Die in Artikel 2 Nummer 3 durch Einfügung eines neuen § 94 Absatz 1a SGB V vorgesehene Konkretisierung/Ausweitung der aufsichtsrechtlichen Kompetenzen des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) über Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur Bewertung neuer Behandlungsmethoden überschreitet die Grenzen der bisher bereits bestehenden Rechtsaufsicht und vermischt diese mit fachaufsichtlichen Kompetenzen. Sie ist daher abzulehnen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kommt Selbstverwaltungskörperschaften ein sehr weiter Beurteilungs- und Entscheidungsspielraum zu. Zwar ist es rechtlich durchaus möglich, diesen Spielraum durch Gesetzesänderungen stärker zu begrenzen. Rechtsaufsicht als solche kann bei bestehenden Beurteilungsspielräumen die Entscheidungen aber grundsätzlich nur auf (offensichtliche) Beurteilungsfehler - zum Beispiel Nichtberücksichtigung beurteilungsrelevanter Erkenntnisse, Einbeziehung objektiv irrelevanter Umstände und so weiter - hin prüfen und gegebenenfalls beanstanden. Mit dem neuen § 94 Absatz 1a SGB V soll das BMG nun aber die Möglichkeit erhalten, die Entscheidung des G-BA auch dann zu beanstanden, wenn bestimmte Aspekte "nicht hinreichend berücksichtigt" sind - ohne dass im Gesetzestext näher dargelegt wäre, was in diesem Zusammenhang als "hinreichend" anzusehen sein soll. Damit würde der Aufsichtskompetenz des BMG zukünftig nicht nur die Prüfung des Beurteilungsprozesses, sondern auch die Beurteilung des eigentlichen Abwägungsergebnisses unterworfen - das BMG könnte hier also seine inhaltliche Wertung an Stelle der des G-BA setzen. Damit wird eindeutig die Grenze von Rechtsaufsicht zur Fachaufsicht überschritten.
Aufgrund der paritätischen Besetzung der Beschlussgremien des G-BA findet jedoch bereits jetzt eine ausgewogene Abwägung zwischen sämtlichen für oder gegen eine Methode sprechenden Tatsachen statt. Schlussendlich kann so gewährleistet werden, dass die Interessen der Ärzte und Patienten an einer möglichst weitreichenden und uneingeschränkten medizinischen Versorgung und die Interessen der gesetzlichen Krankenversicherungen an einer möglichst kosteneffizienten Versorgung in einem ausgewogenen Verhältnis zueinanderstehen.
Ebenfalls problematisch erscheint, dass das BMG zukünftig bei seiner Entscheidung über eine Beanstandung von Methodenbewertungsentscheidungen des G-BA berücksichtigen soll, ob diese gegen das Votum der Patientenvertretung getroffen wurden. Die Patientenvertretung ist aber gar nicht mit einem Stimmrecht ausgestattet, sondern nur beratend anwesend. Rechtsaufsicht unterliegt grundsätzlich dem Opportunitätsprinzip. Das heißt, dass die Rechtsaufsichtsbehörde stets nach eigenem Ermessen darüber zu entscheiden hat, ob sie einen Rechtsverstoß aufgreift und mit welchen Mitteln sie dies tut. Dem liegt die Überlegung zu Grunde, dass nicht jeder Rechtsverstoß so gravierend ist, dass er zwingend mit Mitteln der Rechtsaufsicht beseitigt werden muss, weil neben dem Grundsatz der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu beachten ist. Die Norm beabsichtigt, das Opportunitätsprinzip dahin gehend einzuschränken, dass eine gegen das Votum der Patientenvertretung getroffene Entscheidung des G-BA tendenziell eher beanstandet werden soll als im umgekehrten Fall. Damit werden die Entscheidungsfreiheit und Unabhängigkeit des G-BA im Ergebnis weiter eingeengt; es wird eine generelle Annäherung der G-BA-Entscheidungen an die Voten der Patientenvertretung intendiert, sodass letztendlich die Gefahr von Vorfestlegungen unabhängig vom Verlauf der Beratungen entsteht.
8. Zu Artikel 2 Nummer 5 Buchstabe a (§ 137c Absatz 1 Satz 1 SGB V) und Buchstabe b - neu - (§ 137c Absatz 1 Satz 7 SGB V)
Artikel 2 Nummer 5 ist wie folgt zu fassen:
"5. § 137c Absatz 1 wird wie folgt geändert:
- a) In Satz 1 werden nach dem Wort "Antrag" die Wörter "eines Unparteiischen nach § 91 Absatz 2 Satz 1" eingefügt.
- b) In Satz 7 wird das Wort "drei" durch das Wort "zwei" ersetzt."
Begründung:
Zu Buchstabe a:
Entspricht der Vorlage.
Zu Buchstabe b:
Nach § 137c SGB V sind Behandlungsmethoden, welche für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten nicht erforderlich sind, insbesondere, weil sie schädlich oder unwirksam sind, auszuschließen. Während eines noch nicht abgeschlossenen Bewertungsverfahrens dürfen diese Methoden jedoch weiterhin angewandt werden. Da diese Bewertungsverfahren für eine qualitativ hochwertige Versorgung der Versicherten ebenfalls von großer Bedeutung sind, sollte auch hier die Beratungsfrist auf zwei Jahre verkürzt werden.
9. Zu Artikel 2 Nummer 6 (§ 137e Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 4 bis 7 SGB V)
Artikel 2 Nummer 6 ist zu streichen.
Begründung:
Nach der in Artikel 2 Nummer 6 Buchstabe a (§ 137e Absatz 1 Satz 1 SGB V) vorgesehenen Änderung ist der Gemeinsame Bundesauschuss (G-BA) zukünftig verpflichtet, in allen Fällen in denen eine Methode das Potenzial für eine erforderliche Behandlungsalternative bietet, ein Erprobungsverfahren durchzuführen, um die notwendigen Erkenntnisse für die Bewertung des Nutzens der Methode zu gewinnen.
Gründe, die gegen eine Erprobung sprechen würden, könnten bei einer Pflicht zur Erprobung nicht adäquat berücksichtigt werden. So wären Erprobungen auch durchzuführen, wenn es deutlich wirtschaftlicher wäre, die Ergebnisse aktuell laufender Studien abzuwarten. Neben anderen Gründen steht somit insbesondere das Wirtschaftlichkeitsgebot (§ 2 Absatz 1 Satz 3 und § 12 Absatz 3 SGB V) einer Pflicht zur Erprobung im Wege.
Offen ist weiterhin, ob Erprobungsstudien auch durchzuführen wären, wenn diese aus objektiven Gründen keine Erkenntnisse liefern können, die für eine abschließende Bewertung notwendig wären, weil zum Beispiel allein in Deutschland keine ausreichend große Kohorte rekrutiert werden könnte oder keine Forschungseinrichtung ein Interesse an der Begleitung einer Erprobungsstudie hat.
Da Erprobungen seitens des G-BA mit einem großen finanziellen und organisatorischen Aufwand verbunden sind, ist zu befürchten, dass der G-BA das Potenzial einzelner Methoden zukünftig nur noch in Ausnahmefällen feststellen wird. Vielmehr wird er darum bemüht sein, immer eindeutige Entscheidungen zu treffen. Dies kann zum einen dazu führen, dass Methoden anerkannt werden, weil bestehenden Risiken nicht ausreichend Rechnung getragen wird. Zum anderen kann es passieren, dass vorschnell festgestellt wird, dass eine Methode kein Potenzial hat. Die Aufnahme neuer Methoden in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung würde dadurch deutlich erschwert.
Die Vorgaben des Artikels 2 Nummer 6 Buchstabe b (§ 137e Absatz 2 Satz 4 bis 7 SGB V), nach der eine Erprobungsrichtlinie immer so auszugestalten ist, dass möglichst viele Versicherte im Rahmen einer Erprobungsstudie mit der zu erprobenden Methode behandelt werden sollen, werden ebenfalls abgelehnt. Dies würde bedeuten, dass die Studie ohne Kontrollgruppe durchzuführen wäre und Versicherte unselektiert einzuschließen wären. Eine solche Studie genügt jedoch nicht mehr den Anforderungen der evidenzbasierten Medizin. Auch eine Erprobungsrichtlinie muss so gestaltet werden können, dass dem Goldstandard der evidenzbasierten Medizin entsprechende wissenschaftliche Erkenntnisse generiert werden. Dem dürfen gesetzliche Vorgaben nicht entgegenstehen.