896. Sitzung des Bundesrates am 11. Mai 2012
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Finanzausschuss (Fz) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
Zum Verordnungsvorschlag im Allgemeinen
Zu Artikel 16 des Verordnungsvorschlags
- 11. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zu prüfen, ob und gegebenenfalls inwieweit die in Artikel 16 Absatz 4 des Verordnungsvorschlags vorgesehenen Beschränkungen des Beteiligungserwerbs für Zentralverwahrer sachgerecht sind.
Diese Prüfung sollte insbesondere vor dem Hintergrund nachfolgender Erwägungen erfolgen:
- - Die Beschränkung auf die Beteiligung an Unternehmen, die in Anhang A und B des Verordnungsvorschlags geregelte Kerndienstleistungen bzw. nichtbankartige Nebendienstleistungen erbringen, wird den Anforderungen der Praxis nicht gerecht und führt zu unnötiger Rechtsunsicherheit. - Aufgrund der besonderen Bedeutung der Informationstechnologie für den Betrieb eines Wertpapierabrechnungssystems ist die Zusammenarbeit mit Unternehmen, die für diesen Bereich Produkte, Dienstleistungen und technische Infrastrukturen anbieten, für Zentralverwahrer von enormer Bedeutung. Deshalb besteht das Bedürfnis, die Zusammenarbeit über eine vertragliche Grundlage hinaus durch eine Kapitalbeteiligung abzusichern. Solche Beteiligungen besitzen aber keine Relevanz für die Finanzmarktstabilität.
- - Die in Anhang B aufgeführten IT-Dienstleistungen betreffen nur solche, die gegenüber den Teilnehmern des Wertpapierabrechnungssystems erbracht werden, nicht dagegen Leistungen gegenüber dem Zentralverwahrer selbst, die erst die Voraussetzungen für dessen Tätigkeit sind.
Der Ansatz, Beteiligungsmöglichkeiten auf den jeweiligen Regulierungsbereich zu beschränken, passt nicht zum Gesamtkonzept der europäischen Regulierungsagenda, alle Bereiche des Finanzmarkts umfassend zu regulieren.
Zu Artikel 52 des Verordnungsvorschlags
- 12. Die Bundesregierung wird gebeten, im weiteren Verfahren darauf hinzuwirken, dass geprüft wird, ob die Regelungen zu streichen sind, die eine rechtliche Trennung von Zentralverwahrungs-Kerndienstleistungen und sogenannten bankartigen Nebendienstleistungen sowie hinsichtlich der Erbringung dieser Dienstleistungen eine Aufspaltung in getrennte rechtliche Einheiten verlangen, und Zentralverwahrern grundsätzlich die Erbringung solcher Nebendienstleistungen untersagen. Dies betrifft insbesondere Artikel 52. Der Verordnungsvorschlag sieht vor, dass ein Zentralverwahrer die in Abschnitt C des Anhangs genannten bankartigen Nebendienstleistungen im Zusammenhang mit der Abrechnung grundsätzlich nicht selbst erbringen darf.
Diese Nebendienstleistungen sind vielmehr durch ein separates Kreditinstitut mit Banklizenz zu erbringen. Dadurch soll verhindert werden, dass die aus Bankdienstleistungen erwachsenen Risiken wie Kredit- und Liquiditätsrisiken auf die Erbringung der Kerndienstleistungen der Zentralverwahrer übergehen. Es ist nicht ersichtlich, dass der angestrebte Zweck der Risikoreduzierung dadurch erreicht werden kann, dass bankartige Nebendienstleistungen, die im Zusammenhang mit Zentralverwahrer-Kerndienstleistungen stehen, künftig durch Kreditinstitute erbracht werden, die ohne Einschränkungen sämtliche bei Geschäftsbanken üblichen - auch risikobehafteten - Aktivitäten ausüben können. Im Gegenteil ist zu befürchten, dass dadurch die Marktinfrastruktur der Wertpapierabwicklung der Gefahr zusätzlicher Risiken ausgesetzt würde. Der Verordnungsvorschlag erscheint insoweit kontraproduktiv. Er würde dazu führen, dass die bestehende Nachhandelsinfrastruktur aufgebrochen wird und in ihrer Funktionsfähigkeit und Effizienz beeinträchtigt werden kann. Auch die weitere Fortentwicklung europäischer Zentralverwahrer kann dadurch gehemmt werden. Die Umsetzung der vorgesehenen Regelungen würde zu erheblichem technischen, organisatorischen und finanziellen Umstellungsaufwand bei den betroffenen Zentralverwahrern führen, wobei nicht erkennbar ist, dass Aufwand und Nutzen in angemessenem Verhältnis stehen. Der Verordnungsvorschlag sieht zwar vor, dass die zuständige nationale Behörde bei der Kommission beantragen kann, im Einzelfall einem Zentralverwahrer, der dann auch als Kreditinstitut zugelassen werden muss, die Erbringung von bankartigen Nebendienstleistungen zu gestatten. Es ist jedoch fraglich, ob die Ausnahmeregelung angesichts fehlender objektiver Entscheidungskriterien praktikabel ist. Die vorstehenden Erwägungen sprechen nach Auffassung des Bundesrates dafür, von den vorgesehenen Regelungen abzusehen.
B
- 14. Der Ausschuss für Innere Angelegenheiten und der Rechtsausschuss empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.