4. Die Bundesregierung wird insbesondere gebeten, sich bei den weiteren Verhandlungen für folgende Verbesserungen einzusetzen:
- Klarstellung des Anwendungsbereichs (zu Kapitel I Artikel 2)
Die in der vorgeschlagenen Verordnung formulierten Grundsätze für die Marktüberwachung von Produkten sollten möglichst kohärent angewandt werden. Der Geltungsbereich der vorgeschlagenen Verordnung sollte daher so gefasst werden, dass eine einheitliche Durchführung der Marktüberwachung ermöglicht wird. Besondere Bestimmungen in Harmonisierungsrechtsvorschriften, die denselben Zweck wie die vorgeschlagene Verordnung verfolgen und damit deren Geltung ausschließen, sollten aus Gründen der Rechtsklarheit und einheitlichen Rechtsanwendung identifiziert und von der Kommission bekannt gemacht werden.
- Beibehaltung des Prüfgrundsatzes der Rechtskonformität neben dem risikoorientierten Ansatz bei der Marktüberwachung (zu Kapitel II und III)
Die Marktüberwachung dient dem Schutz der Gesundheit und Sicherheit sowie dem Umwelt- und Verbraucherschutz und sorgt für gleiche Marktzugangsbedingungen und einen fairen Wettbewerb. Der bisherige Ansatz in der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 sieht daher vor, dass geprüft wird, ob ein Produkt rechtskonform ist, d.h. alle Harmonisierungsrechtsvorschriften (Anforderungen an die Risikominimierung und andere Anforderungen) eingehalten und nicht in betrügerischer Absicht gefälscht werden.
Zu den anderen Anforderungen zählt z.B. die Überprüfung der Kennzeichnung, Verbraucherangaben, Stoffeigenschaften und produktbeschreibenden Dokumentation, deren Erfüllung mit erheblichen Kosten für die Wirtschaftsakteure verbunden ist.
Bezüglich der Marktüberwachung sollte eine klare Unterscheidung zwischen der Überwachung von Sicherheitsvorschriften und der Überwachung sonstiger Vorschriften erfolgen. Die für Sicherheitsvorschriften vorgesehenen Kontrollen, Verfolgungsmaßnahmen und Berichterstattungspflichten können z.B. bei Kennzeichnungsvorschriften unverhältnismäßig sein.
Nach dem Verordnungsvorschlag wird ein risikoorientierter Ansatz betont, d.h. andere Anforderungen sind nicht mehr im notwendigen Umfang Gegenstand der Marktüberwachung. Es bedarf der Klarstellung, dass neben dem risikoorientierten Ansatz auch die Grundgedanken der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 beibehalten und vollumfänglich in die neue Verordnung aufgenommen werden. Dadurch wird sichergestellt, dass die Erfolge im Hinblick auf einen fairen Wettbewerb in der EU nicht durch eine Umstellung des Vorgehens in der Marktüberwachung von einer Betrachtung der Konformität auf eine Betrachtung des Risikos in Frage gestellt werden. In diesem Zusammenhang muss klargestellt werden, dass für die Frage der Konformität allein die Übereinstimmung mit den jeweils einschlägigen Rechtsvorschriften der Union ausschlaggebend ist und nicht die Übereinstimmung mit Normen.
Bei Vorschriften ohne Bezug zu den wesentlichen Anforderungen von Sicherheit und Gesundheit sollte es im Ermessen der Mitgliedstaaten liegen, ob sie eine aktive staatliche Marktüberwachung mittels Stichprobenziehungen für erforderlich halten. Die Regelungen des Wettbewerbsrechts (Verbot der Irreführung), Abmahnungen und die Ahndung von angezeigten Verstößen als Ordnungswidrigkeit können für die Herstellung fairer Wettbewerbsbedingungen und einer korrekten Verbraucherinformation ausreichend sein. In jedem Fall ist eine Kosten-Nutzen-Abwägung erforderlich, ob die von der aktiven Überwachung herbeigeführte Verbesserung der Wettbewerbsbedingungen und der Verbraucherinformation die zusätzlichen Kosten der Überwachung rechtfertigt.
- Überarbeitung der Regelungen zur Risikobewertung (zu Kapitel III Artikel 9 bis 13)
Regelungen über mit einem Risiko verbundene Produkte sowie zur Risikobewertung sollten unter Berücksichtigung der folgenden Aspekte überarbeitet werden:
- -- Es sollte verdeutlicht werden, dass Risikobewertungen nur dann zum Tragen kommen, wenn im Rahmen der Marktüberwachung die Nichtkonformität von Produkten mit den einschlägigen Harmonisierungsrechtsvorschriften festgestellt wurde.
- -- Es sollte klarer dargestellt werden, in welchen Fällen die Feststellung der Nichtkonformität Grund zu der Annahme ist, dass ein Produkt mit einem Risiko verbunden ist.
- -- Es sollte verdeutlicht werden, dass viele Harmonisierungsrechtsvorschriften, insbesondere im stofflichen Bereich, auf umfassenden wissenschaftlichen, produktbezogenen Risikobewertungen basieren und zusätzliche Risikobewertungen für nicht diesen Vorschriften entsprechende Produkte im Rahmen der Marktüberwachung nicht erforderlich sind.
- -- Der Verweis auf Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 sollte beseitigt werden, da die dortigen Regelungen für die produktbezogene Risikobewertung im Rahmen der Marktüberwachung ungeeignet und nicht leistbar sind.
- -- Es sind vielmehr bereichsspezifisch einfach anwendbare, klare und nachvollziehbare Regelungen zur Risikobewertung zur Verfügung zu stellen. Im Bereich Sicherheit und Gesundheit ist die Nachvollziehbarkeit der Risikobewertung durch verbindliche Anwendung der RAPEX-Leitlinien gegeben. Die Ausweitung dieser Leitlinien auf andere Bereiche oder die Erstellung von Leitlinien zur Risikobewertung in anderen Bereichen und für andere zu schützende öffentliche Interessen durch die Kommission sollte in der Verordnung festgelegt werden.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass das mit "Risikobewertung" überschriebene Verfahren in Artikel 13 keine Risikobewertung darstellt, sondern nur Ansätze für eine Prüfung der Konformität beschreibt.
- -- Nach Artikel 9 Absatz 2 hat der betreffende Wirtschaftsakteur eine - auch nur formale - Nichtkonformität mit Harmonisierungsrechtsvorschriften der Union zu berichtigen. Tut er dies nicht, sorgen die Marktüberwachungsbehörden dafür, dass das Produkt vom Markt genommen oder zurückgerufen wird (ähnlich auch Artikel 15 Absatz 2). Der Bundesrat sieht diese Regelung kritisch. Es fehlt jede Flexibilität zur Behandlung geringfügiger Verstöße (Verwarnungen, Bußgelder). Es ist unverständlich, warum die in Artikel 13 des Verordnungsvorschlags über die Sicherheit von Verbraucherprodukten (BR-Drucksache 127/13 (PDF) ) eingeräumte Flexibilität bei einer Aufdeckung durch den Wirtschaftsakteur nicht auch für die Behörden selbst gilt.
- Keine Ausweitung des Schnellwarnsystems RAPEX (zu Kapitel V)
Der Bundesrat stellt fest, dass die Vorgaben für die Meldung von nicht sicheren Produkten beträchtlich geändert wurden.
Der Verordnungsvorschlag sieht eine enorme Ausweitung der Schnellwarnmeldungen (RAPEX-Meldungen) ohne zusätzlichen Effizienzgewinn für die Marktüberwachung vor, da zukünftig alle mit einem Risiko verbundenen Produkte der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten zu melden und in Folge auch zu überprüfen sind. Dies führt zu einer Überfrachtung des Vollzugs mit Schnellwarnmeldungen aus allen Bereichen. Dies führt ferner zu einer unübersichtlichen Datenflut und bedeutet außerdem einen Mehraufwand im Bereich der Bedarfsgegenstände- und Kosmetiküberwachung. Bisher werden lediglich Produkte, die mit einem ernsten Risiko (ca. ein Prozent der überprüften Produkte) verbunden sind, über das Schnellwarnsystem gemeldet. In den anderen Fällen erfolgt der Informations- und Kommunikationsaustausch zwischen den Behörden über ICSMS. Zur Vermeidung eines erheblichen Mehraufwandes sollte daher für die Marktüberwachungsbehörden die bisherige Regelung beibehalten werden.
- - Ermächtigung der Kommission für Durchführungsmaßnahmen sollte auf Produktanforderungen beschränkt bleiben und nicht in die Organisation/Durchführung der Marktüberwachung der Mitgliedstaaten eingreifen (zu Artikel 6 und 12) Die Eingriffsmöglichkeiten der Kommission werden in dem Kommissionsvorschlag ausgeweitet, so können nach Artikel 6 Absatz 1 z.B. in Durchführungsakten der Kommission Vorschriften über den Umfang und die Häufigkeit von durchzuführenden Kontrollen und über die Angemessenheit der zu kontrollierenden Stichproben festgelegt werden. Dies kann für den Vollzug in den Ländern beträchtliche Auswirkungen auf den Haushalt und die Durchführung der Marktüberwachungsprogramme und damit der Organisation der Marktüberwachung haben.
- - Den Mitgliedstaaten - wie bisher nach der Verordnung (EG) Nr. 765/2008 - soll freigestellt werden, neben den bereichsspezifischen Marktüberwachungsprogrammen zusätzlich allgemeine Marktüberwachungsprogramme zu erstellen (Kapitel II Artikel 7).
- - Sofern - wie im Verordnungsvorschlag vorgesehen - ein allgemeines Marktüberwachungsprogramm gefordert wird, sollen zumindest die Inhalte dieses Programms auf das für die Marktüberwachung erforderliche Maß reduziert werden (Kapitel II Artikel 7). So sind z.B. die nach Artikel 7 Absatz 1 Buchstabe (b) geforderten Angaben über zugeteilte finanzielle Mittel, das Personal sowie technische und sonstige Ressourcen, die den Marktüberwachungsbehörden zugeteilt werden, weder sinnvoll noch für jede einzelne Behörde leistbar.
- Keine Ausweitung der Berichterstattung (zu Kapitel II Artikel 4)
Die Berichterstattung der Mitgliedstaaten gegenüber der Kommission wird stark ausgeweitet. Dies führt bei den Marktüberwachungsbehörden zu einem beträchtlichen Mehraufwand ohne ein zusätzliches Mehr an Erkenntnissen. Sofern in dem Informations- und Kommunikationssystem ICSMS die Auswertemöglichkeiten stärker strukturiert und erweitert würden, könnte dieser Mehraufwand reduziert werden. Um ausufernden Berichts- und Auswerteanforderungen zu begegnen, sind deren Inhalte unter Mitwirkung des Forums zu erarbeiten und festzulegen.
Bei den Ländern dürfte im Übrigen ein Mehraufwand an Berichtspflichten aufgrund der Haushaltslage zwangsläufig zu einer Reduzierung der Überwachungstätigkeiten führen. Die Marktüberwachung würde insoweit nicht gestärkt, sondern geschwächt.
- Erweiterung des Anwendungsbereichs der Verordnung um die Begriffe des Ausstellens/Anbietens sowie der Inbetriebnahme (zu Kapitel I Artikel 2 und 3)
Internet und Messen sind heute wichtige Foren für das Vermarkten von Produkten. Entsprechend den bereichsspezifischen Regelungen wird die Marktüberwachung bereits bei Messen und beim Anbieten von Produkten im Internet tätig. Das Ausstellen von Produkten auf Messen und Ausstellungen sowie das Anbieten von Produkten im Internet werden in dem Kommissionsvorschlag nicht erfasst.
Insoweit sind beim Begriff des Bereitstellens die Marktüberwachungsaktivitäten auf Messen und im Internethandel durch den Begriff des Ausstellens/Anbietens zu erweitern.
Weiterhin wird der Begriff der Inbetriebnahme in einigen bereichsspezifischen Regelungen, z.B. bei Druckgeräten, einfachen Druckbehältern, Aufzügen und in der Maschinenrichtlinie, mit erfasst. Der Kommissionsvorschlag berücksichtigt dies nicht. Daher ist eine Erweiterung des Anwendungsbereichs erforderlich.
Darüber hinaus ist für alle diese Fälle auch ein Betretungsrecht für die Marktüberwachungsbehörden aufzunehmen. Außerdem sind insbesondere die Regelungen für Privatimporte im Internet zu konkretisieren.
Nachdem im Kommissionsvorschlag die Marktüberwachung auf das Bereitstellen von Produkten auf dem Markt eingeschränkt wird, würde dies insofern zu einer Schwächung der Marktüberwachung führen.
- Streichung der Gebührenregelung (zu Kapitel III Artikel 10 Absatz 8)
Die im Kommissionsvorschlag vorgesehene Gebührenregelung sollte gestrichen werden, da diese hinter den in Deutschland geltenden Festlegungen zur Kostenerstattung von Besichtigungen und Prüfungen zurückbleibt. Damit sind erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Länderhaushalte zu erwarten.