A. Problem und Ziel
- In Erfüllung ihrer gesellschaftlichen Aufgabe hat die Justiz in den vergangenen Jahren aufgrund zahlreicher Gesetzesänderungen eine Vielzahl wichtiger Aufgaben zusätzlich übernommen. Genannt seien die nachhaltige Stärkung des Opferschutzes sowie die weitere Verbesserung des Schutzes der Öffentlichkeit vor gefährlichen Straftätern.
- Vor dem Hintergrund der Begrenztheit der Ressourcen der Justiz sind in der rechtspolitischen Diskussion seit vielen Jahren Vorschläge unterbreitet worden, wie Strafverfahren ohne Beeinträchtigung der Wahrheitsfindung und der berechtigten rechtsstaatlichen Interessen der Bürger zu beschleunigen und zu straffen sind.
- Strukturelle Reformen wurden bereits vom Bundesrat mit dem Entwurf eines 2. Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege (strafrechtlicher Bereich; BT-Drs. 013/4541), dem Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung von Verfahren der Justiz (Justizbeschleunigungsgesetz; BT-Drs. 015/1491) und dem Entwurf eines Gesetzes zur Effektivierung des Strafverfahrens (BT-Drs. 016/3659) gefordert. Dem ist jedoch nur teilweise entsprochen worden.
- Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf werden drei Vorschläge aus dem Entwurf eines Gesetzes zur Effektivierung des Strafverfahrens aufgegriffen, deren Umsetzung einerseits aus Sicht der strafrechtlichen Praxis besonders dringlich geboten ist, andererseits zwischen Bund und Ländern konsensfähig erscheint.
B. Lösung
- Zum Zwecke der Effektivierung des Strafverfahrens wird Folgendes vorgeschlagen:
- - Vereinfachung des Ermittlungsverfahrens durch Einführung der Pflicht von Zeugen, auf Ladung vor der Polizei zu erscheinen
- - Erstreckung des § 153a StPO auf das Revisionsverfahren
- - Modifizierung der gerichtlichen Zuständigkeit bei Entscheidungen nach § 454b Abs. 3 StPO
C. Alternativen
D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand
2. Vollzugsaufwand
- Der Gesetzentwurf soll einen Ausgleich schaffen für zahlreiche Mehrbelastungen, die die Justiz insbesondere zur Gewährleistung eines effektiven Opferschutzes und des Schutzes der Öffentlichkeit vor gefährlichen Straftätern zu bewältigen hat. Eine verlässliche Einschätzung des Umfangs der mit dem Entwurf eventuell einhergehenden Einsparungen ist nicht möglich, weil das für eine Schätzung erforderliche Zahlenmaterial sich gar nicht oder nur durch Untersuchungen gewinnen ließe, die mit einem unverhältnismäßigen Aufwand an Kosten und Zeit verbunden wären.
E. Sonstige Kosten
Gesetzesantrag der Länder Nordrhein-Westfalen, Bayern, Hessen
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Effektivität des Strafverfahrens
Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen Düsseldorf, den 9. März 2010
An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Bürgermeister Jens Böhrnsen
Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Landesregierung Nordrhein-Westfalen, die Bayerische Staatsregierung und die Hessische Landesregierung haben beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage mit Begründung beigefügten
- Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Effektivität des Strafverfahrens
mit dem Antrag zuzuleiten, seine Einbringung beim Deutschen Bundestag zu beschließen.
Ich bitte, den Gesetzentwurf gemäß § 36 Absatz 1 der Geschäftsordnung den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Rüttgers
Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Effektivität des Strafverfahrens
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Die Strafprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. April 1987 (BGBl. I S. 1074, 1319), die zuletzt geändert worden ist durch ..., wird wie folgt geändert:
- 1. In § 153a Absatz 2 Satz 1 werden die Wörter "bis zum Ende der Hauptverhandlung, in der die tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden können," gestrichen.
- 2. Dem § 163a wird folgender Absatz 5 angefügt:
"(5) Zeugen sind verpflichtet, auf Ladung vor der Polizeibehörde zu erscheinen und zur Sache auszusagen, wenn der Ladung ein Auftrag oder ein Ersuchen der Staatsanwaltschaft zu Grunde liegt. Bei unberechtigtem Ausbleiben oder unberechtigter Weigerung eines Zeugen kann die Staatsanwaltschaft von den in §§ 51 und 70 vorgesehenen Maßregeln Gebrauch machen. § 161a Absatz 2 Satz 2, Absatz 3 gilt entsprechend."
In § 78b Absatz 1 Nummer 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird das Komma durch ein Semikolon ersetzt und folgender Halbsatz angefügt:
- ist nach § 454b Absatz 3 der Strafprozessordnung über mehrere Freiheitsstrafen gleichzeitig zu entscheiden, so entscheidet die Strafvollstreckungskammer über alle Freiheitsstrafen mit drei Richtern, wenn diese Besetzung für die Entscheidung über eine der Freiheitsstrafen vorgeschrieben ist,
Artikel 3
Zitiergebot
- Die Grundrechte der körperlichen Unversehrtheit ( Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes) und der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes) werden durch dieses Gesetz eingeschränkt.
Artikel 4
Inkrafttreten
- Dieses Gesetz tritt am ... in Kraft.
Begründung
A. Allgemeines
Vor dem Hintergrund der Begrenztheit der Ressourcen der Justiz und der rechtspolitischen Diskussion der letzten Jahre sind lange überfällige und von der strafrechtlichen Praxis zu Recht eingeforderte Maßnahmen geboten, um Strafverfahren ohne Beeinträchtigung der Wahrheitsfindung und der berechtigten rechtsstaatlichen Interessen der Bürger zu beschleunigen und zu straffen.
Besonders dringlich ist die Umsetzung der nachstehenden Regelungsvorschläge:
a) Vereinfachung im Ermittlungsverfahren § 163a StPO
Der Entwurf sieht vor, die in Artikel 1 Nr. 3 des Bundesratsentwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozessordnung (§ 110 Absatz 1, § 111f Absatz 3, § 163a Absatz 6 StPO; BT-Drs. 014/6079), aber auch in Artikel 2 Nummer 16 des Entwurfs eines Gesetzes zur Beschleunigung von Verfahren der Justiz (Justizbeschleunigungsgesetz; BT-Drs. 015/1491) und in Artikel 1 Nummer 3 des Entwurfs eines Gesetzes zur Effektivierung des Strafverfahrens (BT-Drs. 016/3659) vorgesehene Änderung des § 163a StPO vorzunehmen. Zeugen sollen verpflichtet sein, auf Ladung vor der Polizei zu erscheinen und zur Sache auszusagen, wenn der Ladung ein Auftrag oder ein Ersuchen der Staatsanwaltschaft zugrunde liegt.
b) Änderung im Rechtsmittelrecht § 153a StPO
Mit der Erstreckung des § 153a StPO auf das Revisionsverfahren soll für das Revisionsgericht die Möglichkeit geschaffen werden, Verfahren gegen Auflagen einstellen zu können. Damit greift der Entwurf die in Artikel 2 Nummer 14 b) des Bundesratsentwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege (strafrechtlicher Bereich; BT-Drs. 013/4541) sowie in Artikel 2 Nummer 14 des Entwurfs eines Gesetzes zur Beschleunigung von Verfahren der Justiz (Justizbeschleunigungsgesetz; BT-Drs. 015/1491) und in Artikel 1 Nummer 1 des Entwurfs eines Gesetzes zur Effektivierung des Strafverfahrens (BT-Drs. 016/3659) enthaltenen Überlegungen auf.
c) Änderungen im Gerichtsverfassungsrecht
Nach der derzeitigen Rechtslage kommt es in den Fällen, in denen von der Strafvollstreckungskammer zugleich über die Aussetzung der Vollstreckung einer lebenslangen und einer zeitigen Freiheitsstrafe oder die Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung in einem Psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung zu entscheiden ist, zu einer parallelen Befassung der mit drei Berufsrichtern besetzten großen Strafvollstreckungskammer und der mit einem Einzelrichter besetzten kleinen Strafvollstreckungskammer. Der Regelungsvorschlag zu § 78b Absatz 1 Nummer 1 GVG soll - wie schon in Artikel 2 des Entwurfs eines Gesetzes zur Effektivierung des Strafverfahrens (BT-Drs. 016/3659) vorgesehen - diese unökonomische Aufspaltung der Entscheidungskompetenzen beseitigen und der Gefahr unterschiedlicher Prognoseentscheidungen von Strafvollstreckungskammern entgegenwirken.
B. Zu den einzelnen Vorschriften
Zu Artikel 1 (Änderung der StPO)
Die Änderung des § 153a Absatz 2 StPO führt dazu, dass die Vorschrift auch in der Revisionsinstanz anwendbar wird. Der Entwurf sieht davon ab, eine Sonderregelung für die Nachfolgeentscheidungen einer vorläufigen Einstellung durch das Revisionsgericht zu treffen. Es ist anzunehmen, dass aus praktischen Gründen derartige Entscheidungen vom Revisionsgericht in aller Regel nur dann getroffen werden, wenn die Erfüllung einer Auflage sichergestellt ist. Verfahrensdogmatisch besteht im Übrigen kein Unterschied, ob ein Verfahren in der Berufungs- oder in der Revisionsinstanz gemäß § 153a StPO vorläufig eingestellt wird.
Das geltende Strafverfahrensrecht sieht eine Verpflichtung des Zeugen, vor der Polizei zu erscheinen und auszusagen, nicht vor. Nach § 161a Absatz 1 Satz 1 StPO sind Zeugen verpflichtet, auf Ladung vor der Staatsanwaltschaft zu erscheinen und zur Sache auszusagen. Die Polizei hat nur die Möglichkeit, den Zeugen darauf hinzuweisen, dass sie im Weigerungsfalle auf seine Vernehmung durch den Staatsanwalt oder den Richter hinwirken werde, bei welchem für ihn eine Erscheinens- und Aussagepflicht bestehe.
Ermittlungsverfahren könnten effizienter geführt werden, wenn für Zeugen eine Erscheinens- und Aussagepflicht bei der Polizei bestünde. Die Strafverfolgungsbehörden haben es nicht selten mit wankelmütigen und bedrohten Zeugen zu tun, deren Aussagebereitschaft - auch bei der Polizei - gefördert werden sollte. Für den Ermittlungserfolg kann es entscheidend sein, wenn gerade solche Zeugen so frühzeitig wie möglich vernommen werden und schon bei der ersten Vernehmung weiterführende Angaben machen. Die Effektivität der Strafverfolgung bedingt, dass bei der Vernehmung von Zeugen auch das Erfahrungswissen der Polizei umfassend nutzbar gemacht wird. Insbesondere bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität müssen die verfügbaren kriminaltaktischen Möglichkeiten bestmöglich genutzt werden. Einer frühzeitigen Erstvernehmung durch die Polizei kommt insbesondere dann Bedeutung zu, wenn besonderes polizeiliches Erfahrungswissen nutzbar zu machen ist oder etwa auf Datenbestände und Erkenntnisse aus der vorbeugenden Verbrechensbekämpfung, die der Staatsanwaltschaft nicht unmittelbar zur Verfügung stehen, zurückgegriffen werden muss.
In die kleinere und mittlere Kriminalität betreffenden Ermittlungsverfahren erscheinen zudem auch weniger bedeutsame, aber dennoch letztlich von der Staatsanwaltschaft zu vernehmende Zeugen oftmals auf polizeiliche Ladung aus Bequemlichkeit, wegen damit verbundener Kosten oder wegen des erforderlichen Zeitaufwands nicht.
Ein weiterer wichtiger Anwendungsbereich der Neuregelung werden Fälle sein, in denen die sachleitende Staatsanwaltschaft noch nicht genügend Kenntnis von dem Sachverhalt hat. In einer solchen Situation kann die Staatsanwaltschaft nach § 163a Absatz 5 StPO-E die Polizei beauftragen bzw. ersuchen, den Zeugen zu laden, ohne dass dafür in jedem Einzelfall nötig wäre, dass die Staatsanwaltschaft vor dem Auftrag bzw. Ersuchen von der Polizei umfassend über den Verfahrensstand informiert würde.
Eine Erscheinenspflicht bei der Polizei dürfte sich in den genannten Anwendungsfällen der Neuregelung schon deshalb beschleunigend, entlastend und Kosten senkend auswirken, weil derartige Zeugen - einmal erschienen - in aller Regel aussagebereit sind. Besteht zugleich eine Aussagepflicht bei der Polizei, wird der Entlastungseffekt verstärkt.
Rechtsstaatliche Bedenken gegen die vorgeschlagene Stärkung der Rolle der Polizei im Ermittlungsverfahren bestehen nicht. Auftrag und Ersuchen (§ 161 Absatz 1 Satz 2 StPO) der Staatsanwaltschaft bringen die Sachleitungsbefugnis der Staatsanwaltschaft in dem erforderlichen Maße zur Geltung. Der Auftrag oder das Ersuchen kann allgemein oder für den Einzelfall erklärt werden.
Eine Entscheidungsbefugnis der Polizei über Zwangsmaßnahmen oder Ordnungsmittel gegen nicht erschienene oder aussageunwillige Zeugen ist mit der vorgeschlagenen Maßnahme nicht verbunden. Diese Befugnisse verbleiben bei der Staatsanwaltschaft. Ein so schwerwiegender Eingriff wie die Vorführung eines Zeugen darf im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren nicht ohne Mitwirkung eines Justizorgans erfolgen. Ob eine Zeugenaussage wegen ihrer Bedeutung erzwungen werden darf, lässt sich oftmals nur aus einer der Staatsanwaltschaft obliegenden Gesamtschau des Verfahrens unter Berücksichtigung der materiellen sowie prozessualen Rechtslage beurteilen.
Die derzeitige Gesetzesfassung beruht im Wesentlichen auf dem am 1. März 1993 in Kraft getretenen Gesetz zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 (BGBl. I S. 50). Die Besetzung der Strafvollstreckungskammern ist in § 78b GVG neu geregelt worden. Danach entscheidet die so genannte große Strafvollstreckungskammer nach § 78b Absatz 1 Nummer 1 GVG in Verfahren über die Aussetzung der Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe oder die Aussetzung der Vollstreckung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in der Sicherungsverwahrung mit drei Richtern unter Einschluss des Vorsitzenden. Die mit einem Richter besetzte so genannte kleine Strafvollstreckungskammer - es handelt sich um den gleichen Spruchkörper - entscheidet nach § 78b Absatz 1 Nummer 2 GVG in den sonstigen Fällen. Die Einführung der Besetzung der Strafvollstreckungskammer mit einem Richter lehnte sich aus Gründen der Ressourcenknappheit an eine entsprechende Regelung des Einigungsvertrages an (BR-Drs. 314/91 , S. 143).
Diese Aufspaltung hat zur Folge, dass die große Strafvollstreckungskammer nur noch für die Verfahren bei Verurteilungen nach §§ 57a, 57b, 63, 66 StGB zuständig ist (§ 78b Absatz 1 Nummer 1 GVG), während der Einzelrichter der kleinen Strafvollstreckungskammer alle übrigen Entscheidungen zu fällen hat (§ 78b Absatz 1 Nummer 2 GVG). Die Neuregelung hat gegenüber der früheren - differenzierteren - Regelung im Grundsatz eine deutliche Vereinfachung erbracht und die Abgrenzung erleichtert. Allerdings hat die Rechtsprechung in der Folge mehrfach Anlass gehabt, sich mit der Frage zu befassen, welche Auswirkungen es hat, wenn anstelle des zuständigen Dreier-Kollegiums der Einzelrichter oder anstelle des zuständigen Einzelrichters das Kollegium entschieden hat (vgl. die Übersichten bei Kissel/Mayer, Gerichtsverfassungsgesetz, 5. Auflage, § 78b Rnr. 8 f., und bei Siolek in: Löwe-Rosenberg, Strafprozessordnung, 25. Auflage, § 78b GVG Rnr. 11 ff. sowie hinsichtlich der letztgenannten Konstellation OLG Düsseldorf, NStZ 2000, 444 f.).
Es gibt Fälle, in denen neben lebenslanger Freiheitsstrafen auch die Maßregel der Sicherungsverwahrung, der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus und in einer Entziehungsanstalt oder in einem weiteren Urteil eine zeitige Freiheitsstrafe verhängt wird. Neben einer Unterbringung besteht nicht selten Überhaft zur Vollstreckung von Freiheitsstrafen nach Widerruf der diesbezüglich zunächst bewilligten Strafaussetzung zur Bewährung.
Liegen neben den zeitlichen Voraussetzungen einer Entscheidung nach § 57a oder § 57b StGB auch die Voraussetzungen für eine bedingte Entlassung nach § 57 StGB vor, so hat nach § 57a oder § 57b StGB die große Strafvollstreckungskammer nur über die Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe und ggf. einer daneben angeordneten Unterbringung in der Sicherungsverwahrung oder in einem psychiatrischen Krankenhaus zu entscheiden. Bei dieser Entscheidung ist auch zu berücksichtigen, dass der Verurteilte gegebenenfalls noch durch gesondertes Urteil zu zeitiger Freiheitsstrafe und Unterbringung in einer Entziehungsanstalt verurteilt worden ist. Die eigentliche Entscheidung über die Aussetzung der zeitigen Freiheitsstrafe bzw. der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt hat aber ein Einzelrichter der Strafvollstreckungskammer zu treffen.
In diesen Konstellationen entsteht infolge der Zuständigkeitsaufspaltung erhöhter Aufwand für die Strafvollstreckungskammer: Es sind weitere Akten anzulegen, dem Verurteilten ist regelmäßig in den gesondert geführten Verfahren wegen der Schwierigkeit der Rechtslage jeweils ein Pflichtverteidiger beizuordnen und der Verurteilte ist ein weiteres Mal anzuhören ( § 454 StPO). Eventuell ist auch ein weiteres Gutachten nach § 454 Absatz 2 StPO einzuholen. Schließlich ist ein zweiter Beschluss zu fassen, abzusetzen und zuzustellen.
In überbesetzten Spruchkörpern muss der zur Entscheidung berufene Einzelrichter zudem nicht zwingend auch Mitglied der großen Strafvollstreckungskammer sein, die über die Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe zu entscheiden hat. Es ist daher beispielsweise denkbar, dass die große Strafvollstreckungskammer eine positive Legalprognose trifft und die lebenslange Freiheitsstrafe zur Bewährung aussetzt, während der Einzelrichter eine solche Prognose nicht erwägt und die Aussetzung einer gesondert ausgeurteilten zeitigen Freiheitsstrafe zur Bewährung ablehnt.
Zu ähnlichen Konstellationen kann es nach dem geltenden Recht bei im Maßregelvollzug Untergebrachten kommen. Ist z.B. ein Verurteilter in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht worden und stehen außerdem zeitige Freiheitsstrafen zur Verbüßung an, so entscheidet die große Strafvollstreckungskammer über die Aussetzung der Unterbringung, ein Einzelrichter über die Aussetzungsmöglichkeiten nach § 57 oder § 67 Absatz 5 StGB. Im letztgenannten Fall kann der Einzelrichter die Entscheidung der großen Strafvollstreckungskammer obsolet machen, indem er eine zugleich mit der Unterbringung verhängte Freiheitsstrafe nicht zur Bewährung aussetzt. Auch in dieser Fallkonstellation ist der dargestellte Verfahrensaufwand zweimal zu leisten.
Um die Doppelarbeit zu vermeiden und der mit einer Zuständigkeitsaufspaltung einhergehenden Gefahr für die Bevölkerung nicht nachvollziehbarer unterschiedlicher Prognoseentscheidungen der Strafvollstreckungskammer zu begegnen, schlägt der Entwurf vor, dass die große Strafvollstreckungskammer wieder - entsprechend der Gesetzesfassung vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege - für alle Verfahren zuständig ist, die zeitgleich zu entscheiden sind. Diese Entscheidungskonzentration dient nicht nur der Straffung des Verfahrens vor der Strafvollstreckungskammer, sondern erweist sich auch für den Verurteilten und die Verteidigung als vorteilhaft, weil die Konzentration der Entscheidung bei einem Spruchkörper aufwändige Mehrfachanhörungen vermeidet und das Verfahren beschleunigt.
Für die Untergebrachten gilt § 454b StPO nach § 463 Absatz 1 StPO entsprechend.
Zu Artikel 3 (Zitiergebot)
Mit der Vorschrift wird dem in Artikel 19 Absatz 1 Satz 2 GG enthaltenen Zitiergebot Rechnung getragen.
Zu Artikel 4 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.