A. Problem
Für die Bürgerinnen und Bürger sowie die Wirtschaft ist die schnelle und effektive Beitreibung von Außenständen von erheblicher Bedeutung.
Diese kann nur durch moderne Zwangsvollstreckungselemente und durch eine optimale Ausnutzung der Informationsbeschaffung geschehen.
Trotz der Ausweitung der Ermittlungsbefugnisse der Gerichtsvollzieher gegenüber Dritten durch das Gesetz zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2258) und durch das Gesetz zur Durchführung der Verordnung (EU) Nummer 665/2014 sowie zur Änderung sonstiger zivilprozessualer, grundbuchrechtlicher und vermögensrechtlicher Vorschriften und zur Änderung der Justizbeitreibungsordnung vom 21. November 2016 (BGBl. I, S. 2591) hat sich in der Praxis gezeigt, dass die bestehenden Auskunftsrechte der Gerichtsvollzieher gegenüber Dritten optimiert werden können.
Ergeben sich im Rahmen der Vermögensauskunft Anhaltspunkte über Rechte der Schuldner an Grundstücken, so ist es den Gerichtsvollziehern regelmäßig verwehrt, durch eine Einsichtnahme in das Grundbuch Grundstücksrechte der Schuldner zu ermitteln.
Zudem ist nach geltender Gesetzeslage eine Abfrage bei den berufsständischen Versorgungseinrichtungen hinsichtlich der aktuellen Arbeitgeber oder des aktuellen Aufenthaltsorts der Schuldner nicht möglich. Eine Lohnpfändung und die Ermittlung des aktuellen Aufenthaltsorts der Schuldner werden durch diese Informationsbeschaffungsdefizite unnötig erschwert.
Ebenfalls wird die Arbeit der Gerichtsvollzieher überflüssig dadurch erschwert, dass die Rentenversicherungsträger den Gerichtsvollziehern nach geltender Rechtslage nur Auskunft zum Arbeitgeber oder zum Wohnort der Schuldner geben, wenn die Forderung eine Höhe von mindestens 500,00 € erreicht. Hingegen müssen die Gerichtsvollzieher die Fremdauskünfte bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherungen unabhängig von einer Wertgrenze einholen.
Gleiches gilt für die Durchsetzung öffentlichrechtlicher Ansprüche. Diese werden unnötig dadurch beeinträchtigt, dass öffentlichrechtliche Vollstreckungsbehörden des Bundes und der Länder Sozialdaten der Schuldner nur übermittelt bekommen, wenn die zu vollstreckende Forderung eine Höhe von mindestens 500,00 € erreicht.
Außerdem besteht im Insolvenzverfahren das Bedürfnis der Ermittlung von Schuldnervermögen in gleichem Maße wie bei der Einzelvollstreckung. Eine ausdrückliche Ermächtigungsnorm des Berufsstands der Gerichtsvollzieher, Fremdauskünfte auch für das Insolvenzgericht einzuholen, fehlt aber bislang. Dieses führt in der Praxis zu erheblichen Problemen.
Die dargestellten Schwächen beeinträchtigen die Wirksamkeit der Zwangsvollstreckung insgesamt. Die Informationsdefizite führen in einer Vielzahl von Fällen dazu, dass eine Vollstreckung mangels Erfolgsaussichten gar nicht erst eingeleitet wird oder aber ergebnislos bleibt. Überflüssiger und vergeblicher Vollstreckungsaufwand belastet Verfahrensbeteiligte und Justiz. Die erschwerte Durchsetzbarkeit von Forderungen ist ein wirtschaftlicher Standortnachteil und schadet zudem der Zahlungsmoral.
Um die Beitreibung von Außenständen zu optimieren, fordert der Berufsstand der Gerichtsvollzieher seit Längerem, Fremdauskünfte über die Schuldner bei den berufsständischen Versorgungseinrichtungen und durch eine Einsichtnahme in das Grundbuch einholen zu können, sowie einen Gleichlauf zwischen den Auskunftsrechten der Gerichtsvollzieher und den Übermittlungsbefugnissen der Rentenversicherungsträger herzustellen.
Dem soll durch diesen Gesetzentwurf Rechnung getragen werden. Zudem sollen die in der Praxis bestehenden Schwierigkeiten, die sich daraus ergeben, dass eine ausdrückliche Ermächtigungsnorm des Berufsstands der Gerichtsvollzieher fehlt, Fremdauskünfte auch für das Insolvenzgericht einzuholen, durch diesen Gesetzentwurf beseitigt werden. Auch wird die in 74a Absatz 1 Satz 1 bestehende Wertgrenze für die Übermittlung von Sozialdaten zur Durchsetzung von öffentlichrechtlichen Ansprüchen gestrichen, um einen Gleichlauf zwischen öffentlicher und privater Vollstreckung herzustellen.
B. Lösung
Mit dem Gesetzentwurf werden die Auskunftsrechte der Gerichtsvollzieher erweitert. Sie sind nun berechtigt, Einsicht in das Grundbuch zu nehmen, um verschwiegene Grundstücksrechte der Schuldner zu ermitteln. Auch können sie nun bei den berufsständischen Versorgungseinrichtungen den aktuellen Arbeitgeber oder den aktuellen Aufenthaltsort der Schuldner erfragen. Durch die Schaffung der Abfragebefugnis der Gerichtsvollzieher bei den berufsständischen Versorgungseinrichtungen wird auch die bislang bestehende Schlechterstellung der Schuldner, die gesetzlich rentenversichert sind, gegenüber den Schuldnern, die in einem berufsständischen Versorgungswerk versichert sind und für die bislang keine Abfragemöglichkeit besteht, beseitigt und ein Gleichlauf zwischen den Abfragemöglichkeiten des Berufsstands der Gerichtsvollzieher bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung und den berufsständischen Versorgungswerken hergestellt. Zudem wird die Abfragemöglichkeit hinsichtlich des Wohnortes auch auf Selbständige und Hinterbliebene erweitert, die bei den berufsständischen Versorgungseinrichtungen versichert sind oder Hinterbliebenenleistungen von den berufsständischen Versorgungseinrichtungen beziehen.
In der Zivilprozessordnung werden entsprechende Befugnisse der Gerichtsvollzieher geregelt, die betroffenen Daten bei den berufsständischen Versorgungseinrichtungen abzufragen, und entsprechende Übermittlungsbefugnisse für die berufsständischen Versorgungseinrichtungen aufgenommen. Zusätzlich wird die Zivilprozessordnung um eine entsprechende Kostenregelung für die Übermittlung der Daten ergänzt.
Im Zehnten Buch Sozialgesetzbuch werden die in § 74a Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 bestehenden Wertgrenzen der der Vollstreckung zugrunde liegenden Forderung für die Verpflichtung, Sozialdaten der Schuldner zur Durchsetzung öffentlichrechtlicher Ansprüche oder zur Durchführung eines Vollstreckungsverfahrens an die Vollstreckungsbehörden des Bundes oder der Länder oder die Gerichtsvollzieher zu übermitteln, gestrichen. Mit der Streichung beider Wertgrenzen wird zum einen einer Forderung des Bundesrates Rechnung getragen. Der Bundesrat hatte mit Beschluss vom 2. Juni 2017 (BR-Drucksache 392/17(B) ) die Bundesregierung aufgefordert, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der die Streichung dieser beiden Wertgrenzen vorsieht. Mit der Streichung der Wertgrenze in Absatz 2 Satz 1 wird zudem ein Gleichlauf mit den Auskunftspflichten des Berufsstands der Gerichtsvollzieher und der Verpflichtung der Träger der Rentenversicherungsträger, Sozialdaten an die Gerichtsvollzieher zu übermitteln, hergestellt.
In der Insolvenzordnung wird klargestellt, dass, falls die Schuldner ihren Auskunftspflichten nicht nachkommen, das Insolvenzgericht die Gerichtsvollzieher beauftragen kann, Fremdauskünfte bei den in § 802l Absatz 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung genannten Stellen einzuholen.
C. Alternativen
Beibehaltung des bisherigen Zustands nicht ausgeschöpfter Ermittlungsbefugnisse der Gerichtsvollzieher zur Ermittlung von Schuldnervermögen.
D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
Bei den Gerichtsvollziehern entsteht gegebenenfalls zunächst ein leichter personeller Mehraufwand für die vorgeschlagenen neuen Aufgaben, der angesichts der allgemein rückläufigen Belastung im Gerichtsvollzieherdienst und des allgemein - durch die erweiterten Auskunftsrechte - reibungsloseren Ablaufs des Vollstreckungsverfahrens kompensiert werden dürfte. Dem stehen Gebührenmehreinahmen für die Tätigkeit der Gerichtsvollzieher gegenüber.
E. Sonstige Kosten
Für die einzelnen Versorgungswerke entstehen Mehrkosten für die in § 802m Absatz 1 - neu - der Zivilprozessordnung niedergelegte Verpflichtung, Informationen über den aktuellen Aufenthaltsort des Schuldners oder Informationen über den aktuellen Arbeitgeber an die Gerichtsvollzieher zu übermitteln. Aber diesen Kosten stehen Gebühreneinahmen nach § 802m Absatz 2 der Zivilprozessordnung für die Übermittlung der Informationen gegenüber. Auch können sich die Vollstreckungskosten der Gläubiger im Einzelfall geringfügig erhöhen. Diese Mehrkosten dürften aber durch höhere Vollstreckungserlöse infolge verbesserter Sachaufklärung aufgewogen werden.
Gesetzesantrag des Landes Nordrhein-Westfalen
Entwurf eines Gesetzes zur Ausweitung der Auskunftsrechte der Gerichtsvollzieher
Der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen Düsseldorf, 26. Februar 2019
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Daniel Günther
Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hat beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage beigefügten Entwurf eines Gesetzes zur Ausweitung der Auskunftsrechte der Gerichtsvollzieher zuzuleiten.
Ich bitte, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates in die Tagesordnung der Sitzung des Bundesrates am 15. März 2019 aufzunehmen und anschließend den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Armin Laschet
Entwurf eines Gesetzes zur Ausweitung der Auskunftsrechte der Gerichtsvollzieher
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung der Zivilprozessordnung
Die Zivilprozessordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Dezember 2005 (BGBl. I S. 3202; 2006 I S. 431; 2007 I S. 1781), die zuletzt durch Artikel 11 des Gesetzes vom 18. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2639) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. In der Inhaltsübersicht wird nach der Angabe zu § 802l folgende Angabe eingefügt.
" § 802m Übermittlung zur Durchführung eines Vollstreckungsverfahrens"
2. § 755 Absatz 2 Satz 1 wird wie folgt geändert:
3. § 802l Absatz 1 Satz 1 wird wie folgt geändert:
- a) Nach Nummer 1 wird folgende Nummer 2 eingefügt:
"2. bei Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte, die die Vermutung begründen, dass der Schuldner Mitglied in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch ist, bei der jeweiligen berufsständischen Versorgungseinrichtung den Namen, die Vornamen oder die Firma sowie die Anschriften der derzeitigen Arbeitgeber eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses des Schuldners erheben;"
- b) Die bisherige Nummer 2 wird Nummer 3.
- c) Die bisherige Nummer 3 wird Nummer 4 und der Punkt am Ende wird durch das Wort ", sowie" ersetzt.
- d) Folgende Nummer 5 wird angefügt:
"5. durch eine Einsichtnahme in das Grundbuch die dort eingetragenen Rechte des Schuldners an Grundstücken erheben."
4. Nach § 802l wird folgender § 802m eingefügt:
" § 802m Übermittlung zur Durchführung eines Vollstreckungsverfahrens
(1) Zur Durchführung eines Vollstreckungsverfahrens dürfen berufsständische Versorgungseinrichtungen auf Ersuchen des Gerichtsvollziehers die derzeitige Anschrift der betroffenen Person, ihren derzeitigen oder zukünftigen Aufenthaltsort sowie Namen, Vornamen oder Firma und Anschriften ihrer derzeitigen Arbeitgeber übermitteln, soweit das Ersuchen nicht länger als sechs Monate zurückliegt. Die Übermittlung ist nur zulässig, wenn
- 1. der Schuldner seiner Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802c nicht nachkommt,
- 2. bei einer Vollstreckung in die in der Vermögensauskunft aufgeführten Vermögensgegenstände eine vollständige Befriedigung des Gläubigers voraussichtlich nicht zu erwarten wäre,
- 3. die Anschrift oder der derzeitige oder zukünftige Aufenthaltsort des Schuldners trotz Anfrage bei der Meldebehörde nicht bekannt ist oder
- 4. das Ersuchen im Auftrag des Insolvenzgerichts erfolgt.
In den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 3 ist für die Zulässigkeit der Übermittlung zusätzlich erforderlich, dass der Gerichtsvollzieher tatsächliche Anhaltspunkte vorgetragen hat, die die Vermutung begründen, dass der Schuldner Mitglied in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Sechsten Sozialgesetzbuches oder Bezieher von Hinterbliebenenleistungen einer berufsständischen Versorgungseinrichtung ist. Die berufsständischen Versorgungseinrichtungen sind trotz Vorliegens der Voraussetzungen gemäß den Sätzen 1 bis 3 zur Übermittlung nicht verpflichtet, wenn sich der Gerichtsvollzieher die Angaben auf andere Weise beschaffen kann. Der Gerichtsvollzieher hat in seinem Ersuchen zu bestätigen, dass diese Voraussetzungen vorliegen.
(2) Die berufsständischen Versorgungseinrichtungen erhalten für jede auf der Grundlage und aus Anlass von Absatz 1 Satz 1 erteilte Auskunft eine Gebühr von 10,20 Euro."
§ 98 der Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2866), die zuletzt durch Artikel 24 Absatz 3 des Gesetzes vom 23. Juni 2017 (BGBl. I S. 1693) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. Nach Absatz 1 wird folgender Absatz 2 eingefügt:
(2) Kommt der Schuldner seiner Auskunftspflicht nach § 97 nicht nach oder ist nach dem Inhalt der verlangten Auskunft eine vollständige Befriedigung der Gläubiger voraussichtlich nicht zu erwarten, so ordnet das Gericht, soweit dieses erforderlich erscheint, die Beauftragung des Gerichtsvollziehers an, bei den in § 802l Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 5 der Zivilprozessordnung aufgeführten Stellen die dort genannten Daten zu erheben. In den Fällen des § 802l Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 der Zivilprozessordnung ist die Beauftragung des Gerichtsvollziehers nur zulässig, wenn die dort genannten Voraussetzungen vorliegen. § 802l Absatz 2 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.
§ 802l Absatz 3 Satz 1 der Zivilprozessordnung findet mit der Maßgabe Anwendung, dass anstelle des Gläubigers das Insolvenzgericht tritt."
2. Die bisherigen Absätze 2 und 3 werden die Absätze 3 und 4.
Artikel 3
Änderung der Grundbuchverfügung
In § 43 Absatz 2 Satz 1 der Grundbuchverfügung in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Januar 1995 (BGBl. I S. 114), die zuletzt durch Artikel 11 Absatz 19 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2745) geändert worden ist, wird nach dem Wort "Notare" das Wort ", Gerichtsvollzieher" eingefügt.
Artikel 4
Änderung des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch
§ 74a des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. Januar 2001 (BGBl. I S. 130), das zuletzt durch Artikel 16 des Gesetzes vom 18. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2639) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. In Absatz 1 Satz 1 werden die Wörter "in Höhe von mindestens 500 Euro" gestrichen.
2. Absatz 2 wird wie folgt geändert:
- a) In Satz 1 werden die Wörter ", dem zu vollstreckende Ansprüche von mindestens 500 Euro zugrunde liegen," gestrichen.
- b) Satz 3 wird wie folgt geändert:
Artikel 5
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung
A. Allgemeines
I. Zielsetzung und wesentlicher Inhalt des Gesetzesentwurfs
Die Auskunftsrechte der Gerichtsvollzieher werden gestärkt und auch auf das Insolvenzverfahren erstreckt. Außerdem wird die Arbeit der Gerichtsvollzieher durch einen Gleichlauf der Verpflichtung zur Einholung der Drittauskünfte mit den Übermittlungspflichten der Rentenversicherungsträger, die Sozialdaten an die Gerichtsvollzieher zu übermitteln, erleichtert.
Die Zivilprozessordnung wird um Befugnisse der Gerichtsvollzieher, Fremdauskünfte auch bei den berufsständischen Versorgungseinrichtungen und durch die Einsichtnahme ins Grundbuch einzuholen, erweitert. Hierdurch wird die Ermittlung des aktuellen Aufenthaltsorts der Schuldner auch in den Fällen verbessert, in denen die Schuldner Mitglieder in einem berufsständischen Versorgungswerk sind oder Hinterbliebenenleistungen eines berufsständischen Versorgungswerks beziehen. Auch wird die Ermittlung der Arbeitgeber der Schuldner ermöglicht, wenn die Schuldner nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit und Mitglied in einem berufsständischen Versorgungswerk sind. Zudem kann - soweit Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Schuldner Rechte an Grundstücken verschwiegen haben - diesen durch eine Einsichtnahme in das Grundbuch durch die Gerichtsvollzieher nachgegangen werden. In der Zivilprozessordnung werden darüber hinaus entsprechende Übermittlungsbefugnisse für die berufsständischen Versorgungseinrichtungen, die Daten an die Gerichtsvollzieher zu übermitteln, aufgenommen. Zusätzlich wird die Zivilprozessordnung um eine entsprechende Kostenregelung für die Übermittlung der Daten ergänzt.
In der Insolvenzordnung wird klargestellt, dass auch das Insolvenzgericht die Gerichtsvollzieher beauftragen kann, bei den in § 802l Absatz Satz 1 der Zivilprozessordnung genannten Stellen Drittauskünfte für das Insolvenzgericht einzuholen, wenn die Schuldner ihren Auskunftspflichten im Insolvenzverfahren nicht nachkommen.
Die Grundbuchverfügung wird ergänzt, um die Einsichtnahme der Gerichtsvollzieher im Grundbuch zu erleichtern.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die gesetzlichen Regelungen bestehen nicht. Das Grundrecht des Schuldners auf informationelle Selbstbestimmung wird gewahrt. Der Entwurf sieht hierzu Schutzmechanismen vor, welche die Interessen von Gläubigern und Schuldnern, aber auch das allgemeine Interesse an effizienten Geschäftsabläufen angesichts der knappen Ressourcen der Justiz, ausgewogen berücksichtigen.
II. Gesetzgebungskompetenz
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 1 (gerichtliches Verfahren) und aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 12 (Sozialversicherung für Artikel 4 zu § 74a Absatz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch) des Grundgesetzes.
III. Auswirkungen
Bei den Gerichtsvollziehern entsteht gegebenenfalls zunächst ein leichter personeller Mehraufwand für die vorgeschlagenen neuen Aufgaben, der angesichts der allgemein rückläufigen Belastung im Gerichtsvollzieherdienst und des allgemein - durch die erweiterten Auskunftsrechte - reibungsloseren Ablaufs des Vollstreckungsverfahrens kompensiert wird. Dem Mehraufwand stehen Mehreinnahmen durch die im Entwurf vorgesehenen Gebühren gegenüber. Eine Mehrbelastung der Haushalte der Länder ist daher im Ergebnis nicht zu befürchten. Soweit Dritte künftig auf Ersuchen des Gerichtsvollziehers im Rahmen der Einholung von Fremdauskünften Daten des Schuldners zu übermitteln haben, wird ihr Aufwand durch die Schaffung eines Kostenerstattungsanspruchs kompensiert.
Die verbesserten Informationsmöglichkeiten für Gläubiger werden die Zwangsvollstreckung schneller, effizienter und kostengünstiger machen und damit den Wirtschaftsstandort Deutschland stärken. Durch die Gebühren für die neu vorgesehenen Fremdauskünfte werden zwar geringfügige Mehrkosten für den Gläubiger entstehen. Diesen Gebühren stehen aber neue und deutlich verbesserte Leistungen der Justiz sowie die zu erwartenden höheren Vollstreckungserlöse gegenüber.
B. Zu den einzelnen Vorschriften
Zu Artikel 1 (Änderung der Zivilprozessordnung)
Zu Nummer 1 (Inhaltsübersicht)
Es handelt sich um eine Folgeänderung.
Zu Nummer 2 (§ 755 Absatz 2 Satz 1)
Zu Buchstabe a (Nummer 2)
Es handelt sich um eine Folgeänderung.
Zu Buchstabe b (Nummer 3 - neu -)
Kann der Aufenthaltsort der Schuldner weder über das Melderegister noch über das Ausländerzentralregister ermittelt werden, so können sich die Gerichtsvollzieher bislang nach Nummer 2 lediglich an die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung wenden, um zu prüfen, ob Informationen über den Aufenthaltsort der Schuldner vorliegen. Sind die Schuldner Mitglieder in einem berufsständischen Versorgungswerk, erhalten die Gerichtsvollzieher bei den gesetzlichen Rentenversicherungen keine Informationen über den aktuellen Aufenthaltsort der Schuldner.
Eine Abfrage bei den berufsständischen Versorgungseinrichtungen ist bislang nicht möglich. Mit der neu eingefügten Nummer 3 soll eine Abfrage der Gerichtsvollzieher bei den berufsständischen Versorgungseinrichtungen hinsichtlich des aktuellen Aufenthaltsorts der Schuldner ermöglicht werden. Nummer 3 Buchstabe a) ermöglicht eine Abfrage, wenn die Schuldner eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit ausüben, wegen der sie aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe sind. Nummer 3 Buchstabe b) erlaubt eine Abfrage dann, wenn die Schuldner als Hinterbliebene Leistungen eines berufsständischen Versorgungswerks beziehen.
Die Ermächtigung der Gerichtsvollzieher, die in Nummer 3 - neu - genannten Daten zu erheben, greift in berechtigter Weise in das Recht der Schuldner auf informationelle Selbstbestimmung ein. Die von der Verfassung gezogenen Grenzen werden gewahrt (vergleiche hierzu BVerfG, 2007, NJW 2464 ff.). Entscheidend für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Abfragemöglichkeit ist, dass sie dem Gebot der Normenklarheit und -bestimmheit gerecht wird. Dazu genügt es, zum einen die zur Abfrage berechtigte Stelle (Gerichtsvollzieher) und zum anderen den Verwendungszweck der abzufragenden Informationen (Zwangsvollstreckung) anzugeben (vergleiche BVerfG, NJW 2007, 2467).
Eine verfassungsrechtlich bedenkliche Rasterabfrage oder eine Abfrage "ins Blaue hinein" (vergleiche dazu BVerfG NJW 2007, 2468) wird durch den Vorbehalt der Abfragemöglichkeit vermieden, dass tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen müssen, dass die Schuldner Mitglieder in dem abzufragenden Versorgungswerk sind oder Hinterbliebenenleistungen eines berufsständischen Versorgungswerks beziehen. Das Auskunftsrecht ist daher auf die Fälle beschränkt, in denen durch die zusätzlichen Informationen verwertbare Erkenntnisse für die Vollstreckung zu erwarten sind (so auch BGH NJW 2015, 2509 ff. zu § 802l). Derartige Erkenntnisse liegen zum Beispiel dann vor, wenn die Schuldner einer Berufsgruppe angehören, für die aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung eine Mitgliedschaft in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung besteht und den Gerichtsvollziehern die Berufsgruppe und der zuletzt bekannte Wohnbezirk der Schuldner bekannt sind.
In derartigen Fällen werden tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Schuldner Mitglieder der lokal zuständigen berufsständischen Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe sind. Für 85% bis 90 % aller Mitglieder der berufsständischen Versorgungswerke - die Mitglieder der Heilberufe (Ärzte, Zahnärzte, Tierärzte, Apotheker) - besteht seit 2005 das Lokalitätsprinzip. Dies bedeutet, dass die Mitgliedschaft in demselben Bezirk begründet wird, in dem die Tätigkeit ausgeübt wird. Ist der Schuldner zum Beispiel von Beruf Arzt und sein zuletzt bekannter Wohnbezirk in Bayern, so bestehen tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Schuldner in dem Versorgungswerk der Bayerischen Ärzteversorgung versichert ist.
Nicht verwirklicht ist das Lokalitätsprinzip im Berufsstand der Architekten sowie in den rechts-, wirtschafts- und steuerberatenden Berufen. Nach einer Schätzung der Arbeitsgemeinschaft der berufsständischen Versorgungseinrichtungen e.V. - die Spitzenorganisation der berufsständischen Versorgungseinrichtungen - betrifft der Anteil bei den Berufsständen der Architekten, Steuerberater und Wirtschaftsprüfer derjenigen, die nicht im dem lokal zuständigen Versorgungswerk versichert sind, 10 % bis 15 %. Daher ist es auch bei diesen Versorgungswerken wahrscheinlich, dass die Schuldner bei dem für ihren Wohnbezirk zuständigen Versorgungswerk ihrer Berufsgruppe versichert sind. Auch in diesen Fällen bestehen daher Anhaltspunkte, dass die Schuldner Mitglieder der lokal zuständigen berufsständischen Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe sind.
Die Befugnis der Abfrage steht den Gerichtsvollziehern nicht von Amts wegen zu, sondern nach § 802a Absatz 2 nur auf Grund eines entsprechenden Antrags der Gläubiger; Ermessen ist nicht eröffnet.
Für die Erhebung von Daten bei einer der in Absatz 2 genannten Stellen sieht Nummer 440 des Kostenverzeichnisses zu § 9 des Gerichtsvollzieherkostengesetzes bereits einen entsprechenden Kostentatbestand vor, so dass es diesbezüglich keiner weiteren Kostenregelung bedarf.
Zu Buchstabe c (Nummer 4 - neu -)
Es handelt sich um eine Folgeänderung.
Zu Nummer 3 (§ 802l Absatz 1 Satz 1)
Zu Buchstabe a (Nummer 2 - neu -)
Bislang ist es nach Nummer 1 lediglich möglich, bei den gesetzlichen Rentenversicherungen die Arbeitgeber der Schuldner zu ermitteln, um eine Lohnpfändung durchführen zu können. Sind die Schuldner als abhängig Beschäftigte Mitglieder in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung und von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch befreit, so erhalten die Gerichtsvollzieher bei den gesetzlichen Rentenversicherungen keine Informationen über den aktuellen Arbeitgeber der Schuldner. Informationen über den aktuellen Arbeitgeber haben in diesem Fall regelmäßig die berufsständischen Versorgungseinrichtungen. Nach § 28a Absatz 11 Satz 3 Nummer 9 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch erhält die Annahmestelle der berufsständischen Versorgungseinrichtungen auch Daten über die Arbeitgeber der Angestellten, die in einem berufsständischen Versorgungswerk versichert und von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch befreit sind, von den Arbeitgebern monatlich übermittelt. Diese Daten werden von dieser Annahmestelle dann an die einzelnen Versorgungswerke in einem automatisierten Verfahren weitergeleitet.
Eine Abfrage bei den berufsständischen Versorgungseinrichtungen hinsichtlich der Arbeitgeber der Schuldner ist bislang nicht möglich. Mit der neu eingefügten Nummer 2 soll eine Abfrage der Gerichtsvollzieher diesbezüglich ermöglicht werden. Allerdings steht die Abfrage auch hier unter dem Vorbehalt, dass die Gerichtsvollzieher tatsächliche Anhaltspunkte dafür haben, dass die Schuldner Mitglieder in dem abzufragenden Versorgungswerk sind. Zum Erfordernis dieser Einschränkung soll auf die Ausführungen zur Nummer 2 (§ 755 Absatz 2 Satz 1) Buchstabe b verweisen werden.
Auch steht die Aufenthaltsermittlung nach Satz 2 unter dem Grundsatz der Erforderlichkeit, weil der Eingriff in das Recht des Schuldners auf informationelle Selbstbestimmung anderenfalls nicht zu rechtfertigen ist (vergleiche auch BGH NJW-RR 2017, 960, Rn. 9). Wenn bereits sicher ist, dass die Auskunft zu keinen neuen Informationen führen wird - etwa weil dem Gerichtsvollzieher bekannt ist, dass der Schuldner eine selbständige Tätigkeit ausübt, bei der keine Lohnpfändung in Betracht kommt, hat sie zu unterbleiben.
Dadurch, dass die Einsichtnahme und der Umgang mit den erhoben Daten nur unter den weiteren der in Absatz 1 Satz 2, Absatz 3 bis Absatz 5 aufgeführten Voraussetzungen zulässig ist, wird auch sichergestellt, dass unnötige Datenerhebungen vermieden werden und das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Schuldners hinreichend gewahrt bleibt.
Die Übermittlung der genannten Daten ist gerechtfertigt. Soll das Verschweigen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses für die Schuldner nicht folgenlos bleiben, muss für die Gläubiger die Ermittlung der Arbeitgeber möglich sein. Da der Staat durch Artikel 14 des Grundgesetzes verpflichtet ist, den Gläubigern zur Durchsetzung ihrer Forderungen effektive Mittel zur Verfügung zu stellen, muss die Übermittlung auch in den Fällen möglich sein, in denen die in einem berufsständischen Versorgungswerk versicherten Schuldner ihr Beschäftigungsverhältnis verschweigen. Auch die Durchsetzung privatrechtlicher Forderungen ist ein öffentlicher Belang.
Für die Erhebung von Daten bei einer der in Satz 1 genannten Stellen sieht Nummer 440 des Kostenverzeichnisses zu § 9 des Gerichtsvollzieherkostengesetzes bereits einen entsprechenden Kostentatbestand vor, so dass es diesbezüglich keiner weiteren Kostenregelung bedarf.
Zu Buchstabe b (Nummer 3 )
Es handelt es sich um eine Folgeänderung.
Zu Buchstabe c (Nummer 4 )
Es handelt es sich um eine Folgeänderung.
Zu Buchstabe d (Nummer 5 - neu)
Die neu eingefügte Nummer 5 ermöglicht den Gerichtsvollziehern die Einsichtnahme in das Grundbuch zwecks Ermittlung von verschwiegenen Grundstücksrechten der Schuldner. Bislang ist dies regelmäßig nicht möglich. Nach § 12 Absatz 1 Satz 1 der Grundbuchordnung kann nur derjenige Einsicht in das Grundbuch nehmen, der ein berechtigtes Interesse darlegt. Sinn und Zweck des Erfordernisses des berechtigten Interesses an der Grundbucheinsicht besteht darin, missbräuchliche Einsichtnahmen, durch die schutzwürdige Interessen der Eingetragenen verletzt werden könnten, zu verhindern (vergleiche BeckOK GBO/Wilsch, 34 Ed., § 12 Einl.). Bislang haben die Gerichtsvollzieher im Rahmen ihres Vollstreckungsauftrages regelmäßig kein derartiges berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht. Zum einen sind sie für die Immobiliarzwangsvollstreckung nicht zuständig, zum anderen besteht keine unmittelbare dienstliche Verpflichtung zur Ermittlung von Daten der Schuldner durch Einsichtnahme in das Grundbuch. Mit Nummer 5 wird eine rechtliche Handlungsabsicht der Gerichtsvollzieher an der Grundbucheinsicht - der Ermittlung von verschwiegenen Grundstücksrechten der Schuldner - geschaffen, so dass ein rechtliches Interesse an der Grundbucheinsicht im Sinne des § 12 Absatz 1 Satz 1 der Grundbuchordnung nunmehr besteht (vergleiche Demharter, GBO, 29. Aufl., § 12 Rn. 7). Dadurch,
dass die Einsichtnahme und der Umgang mit den erhobenen Daten nur unter den weiteren der in Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 bis Absatz 5 aufgeführten Voraussetzungen zulässig ist, wird auch sichergestellt, dass unnötige Datenerhebungen vermieden werden und das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Schuldner hinreichend gewahrt bleibt.
Die Gerichtsvollzieher können nach § 802a Absatz 2 Satz 1 nur auf einen Auftrag der Gläubiger tätig werden. Da die Dispositionsmaxime auch im Vollstreckungsbetrieb gilt, müssen die Gläubiger nach § 802a Absatz 2 Satz 2 auch konkret angeben, welche Maßnahmen der Gerichtsvollzieher ergreifen soll (vergleiche MünchKomm-ZPO/Wagner 5. Auflage 2016, § 802a Rn. 4). Daher müssen die Gläubiger in dem Auftrag auch konkret das Grundbuch, in welches die Gerichtsvollzieher Einsicht nehmen sollen, bezeichnen und auch den Umfang der Grundbucheinsicht darlegen.
Für die Erhebung von Daten bei einer der in Absatz 1 Satz 1 genannten Stellen sieht Nummer 440 des Kostenverzeichnisses zu § 9 des Gerichtsvollzieherkostengesetzes bereits einen entsprechenden Kostentatbestand vor, so dass es diesbezüglich keiner weiteren Kostenregelung bedarf. Nach § 10 Absatz 2 Satz 3 Nummer 3 des Gerichtsvollzieherkostengesetzes entsteht die Gebühr für jede Auskunft. Die Kosten entstehen daher für jede beantragte Grundbucheinsicht.
Zu Nummer 4 (§ 802m - neu -)
Absatz 1 regelt die Befugnis der berufsständischen Versorgungseinrichtungen, unter den in Absatz 1 genannten Voraussetzungen den aktuellen Wohnort und den aktuellen Arbeitgeber der Schuldner auf Verlangen der Gerichtsvollzieher an diese zu übermitteln. Inhaltlich ist die Norm an die Bestimmung des § 74a Absatz 2 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch für die Befugnisse der gesetzlichen Rentenversicherungen, zur Durchführung eines Vollstreckungsverfahrens den aktuellen Wohnort und den aktuellen Arbeitgeber an die Gerichtsvollzieher zu übermitteln, angelehnt. Anders als bei den gesetzlichen Rentenversicherungsträgern sind die berufsständischen Versorgungswerke aber keine Sozialversicherungsträger, so dass es sich bei den zu übermittelten Daten nicht um Sozialdaten im Sinne des § 67b Absatz 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch handelt. Eine Regelung der Übermittlungsbefugnis im Zehnten Buch Sozialgesetzbuch kommt daher nicht in Betracht.
Allerdings greift auch die Übermittlung dieser personenbezogenen Daten in das informelle Selbstbestimmungsrecht der Schuldner ein und bedarf daher zur Rechtfertigung einer gesetzlichen Grundlage. Auch erlaubt Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe e der Verordnung (EU) Nr. 2016/679
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung) die Verarbeitung personenbezogener Daten nur, wenn sie für die Wahrnehmung einer Aufgabe erforderlich ist, die im öffentlichen Interesse liegt oder in Ausübung öffentlicher Gewalt erfolgt, die dem Verantwortlichen übertragen wurde. Berufsständische Versorgungswerke sind rechtlich selbständige Körperschaften des öffentlichen Rechts und damit als öffentliche Stellen Adressat dieser Vorschrift. Die konkrete Verarbeitung personenbezogener Daten muss zur Erfüllung der öffentlichen Aufgabe erforderlich sein. Damit eine Aufgabe im Sinne der Vorschrift vorliegt, reicht ein bloßes öffentliches Interesse nicht aus. Die Aufgabe muss vielmehr in einer unionsrechtlichen oder mitgliedstaatlichen Rechtsgrundlage definiert sein und entweder ein im öffentlichen Interesse liegendes Ziel verfolgen oder in Ausübung öffentlicher Gewalt wahrgenommen werden, die dem Verantwortlichen übertragen wurde (vergleiche Kühling/Klar/Sackmann Datenschutzrecht, Rn. 392). Mit Absatz 1 Satz 1 wird eine taugliche Rechtsgrundlage im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe e der Datenschutz-Grundverordnung geschaffen, um die Gerichtsvollzieher bei Erfüllung ihrer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe, nämlich der Durchführung des Vollstreckungsverfahrens, zu unterstützen.
Die Übermittlung der Daten zur Durchführung des Vollstreckungsverfahrens ist nach Absatz 1 Satz 2, Satz 3 nur zulässig, wenn die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Dabei ist danach zu differenzieren, ob sich das Ersuchen auf die Aufenthaltsermittlung nach § 755 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 - neu - bezieht, dann müssen die Voraussetzungen des Satz 2 Nummer 3 und des Satzes 3 erfüllt sein. Handelt es sich um ein Ersuchen nach § 802l Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 - neu - ist danach zu differenzieren, ob das Ersuchen im Rahmen der Einzelvollstreckung erfolgt oder ob die Drittauskünfte im Auftrag des Insolvenzgerichts und damit im Rahmen der Gesamtvollstreckung eingeholt werden. Erfolgt das Auskunftsersuchen im Rahmen der Einzelvollstreckung, müssen einer der in Satz 2 Nummer 1 bis Nummer 2 dargestellten Tatbestände alternativ sowie zusätzlich die Voraussetzungen des ersten Teils des vierten Halbsatzes des Satz 3 (Anhaltspunkte für eine Mitgliedschaft der Schuldner in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung) erfüllt sein. Erfolgt das Ersuchen im Rahmen der Gesamtvollstreckung, muss lediglich die Voraussetzung nach Satz 2 Nummer 4 erfüllt sein. Das Vorliegen der Voraussetzungen nach Satz 3 hat in diesem Fall bereits das Insolvenzgericht bejaht.
Nach Absatz 1 Satz 4 sind die berufsständischen Versorgungseinrichtungen zur Übermittlung auch dann nicht verpflichtet, wenn die Gerichtsvollzieher sich die Daten auf andere Weise beschaffen können.
Da die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung im Rahmen des neu eingefügten § 802m zwar grundsätzlich die übermittelnde Stelle trägt, der Gerichtsvollzieher als ersuchende Stelle aber die Verantwortung für die Richtigkeit der Angaben in seinem Übermittlungsersuchen trägt, stellt Absatz 1 Satz 5 klar, dass die Gerichtsvollzieher das Vorliegen der Übermittlungsvoraussetzungen in ihrem Ersuchen anzugeben haben. In ihrem Übermittlungsersuchen haben daher die Gerichtsvollzieher auch anzugeben, auf welche Vorschrift sie ihr Auskunftsersuchen konkret stützen. Dies ist erforderlich, damit die ersuchte berufsständische Versorgungseinrichtung im konkreten Einzelfall nachvollziehen kann, in welchem Umfang die Übermittlung zulässig ist. Durch eine Auskunft im Sinne des § 755 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 - neu - soll es den Gerichtsvollziehern ermöglicht werden, den aktuellen Aufenthaltsort der Schuldner zu ermitteln.
Zu diesem Zwecke darf er bei den berufsständischen Versorgungseinrichtungen ausschließlich die dort bekannte derzeitige Anschrift sowie den derzeitigen oder zukünftigen Aufenthaltsort der Schuldner ermitteln. Eine Übermittlung der Arbeitgeberdaten wäre in diesem Fall unzulässig. Handelt es sich um ein Auskunftsersuchen nach § 802l Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 - neu -, so erstreckt sich das Auskunftsrecht der Gerichtsvollzieher allein auf den Namen, die Vornamen oder die Firma sowie die Anschriften der derzeitigen Arbeitgeber eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses der Schuldner, nicht aber auf die Anschrift und den Aufenthaltsort der Schuldner.
In ihrem Ersuchen haben die Gerichtsvollzieher zu begründen, dass sie die Daten nicht auf andere Weise beschaffen können. Dass sich die anderweitige Datenbeschaffung als schwierig erweist, reicht als Begründung nicht aus. Gleichwohl müssen die Gerichtsvollzieher nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch keine zeitlich unzumutbaren Verzögerungen durch aufwändige Eigenermittlungen hinnehmen. Neben den Belangen der berufsständischen Versorgungseinrichtungen sind auch hier die schutzwürdigen Belange der Schuldner zu berücksichtigen, nach denen möglicherweise eine Auskunft über die berufsständischen Versorgungseinrichtungen für sie erträglicher ist als Ermittlungen der Gerichtsvollzieher in ihrem sozialen Umfeld (zum Beispiel durch eine Befragung der Nachbarschaft) (so Woltjen in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, 2. Aufl. 2017, § 74a, Rn. 39).
Die Sätze 2 bis 4 des Absatzes 1 dienen dem Grundsatz der Datenminimierung in Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe c der Datenschutz-Grundverordnung. Es sollen nur die Daten übermittelt werden, die notwendigerweise übermittelt werden müssen.
Mit Absatz 2 wird eine Kostenregelung für die berufsständischen Versorgungseinrichtungen für die Erfüllung der Auskunftspflicht nach Absatz 1 gegenüber den Gerichtsvollziehern geschaffen. Mit der Formulierung "auf Anlass" soll auch klargestellt werden, dass die Gebühr auch dann anfällt, wenn die Auskunft negativ ist. Die Übertragung der Auskunftspflicht auf die berufsständischen Versorgungswerke ohne Kostenerstattung würde im Ergebnis zu einer Verfolgung von Interessen Dritter auf Kosten der Beitragszahler führen. Da es sich nicht um eine rentenversicherungsspezifische Aufgabe handelt, wäre dieses nicht sachgerecht. Bei diesen Kosten handelt es sich um Auslagen nach Nummer 708 des Kostenverzeichnisses zu § 9 des Gerichtsvollzieherkostengesetzes, die die Gerichtsvollzieher in voller Höhe vom Kostenschuldner ersetzt bekommen (vergleiche Musielak/Voit, ZPO 15. Auflage 2018, § 802l, Rn. 13).
Zu Nummer 1 (§ 98 Absatz 2)
Durch den neu eingefügten Absatz 2 soll ein Gleichlauf zwischen den Informationsbeschaffungsmöglichkeiten hinsichtlich der Vermögenslage der Schuldner im Rahmen der Einzelvollstreckung und im Rahmen der Gesamtvollstreckung hergestellt werden.
Das Bedürfnis zur Erhebung von Informationen über die wirtschaftlichen Verhältnisse der Schuldner gehört zu den Gemeinsamkeiten von Gesamt- und Einzelvollstreckung. Sowohl im Eröffnungsverfahren als auch im eröffneten Verfahren muss das Insolvenzgericht nach § 5 von Amts wegen die wirtschaftliche Situation der Schuldner ermitteln, um zum Beispiel entscheiden zu können, ob die Voraussetzungen für die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorliegen, oder um die Höhe der Insolvenzmasse zu bestimmen. In den §§ 20, 97 sind daher entsprechende Auskunfts- und Mitwirkungspflichten der Schuldner gegenüber dem Insolvenzgericht vorgesehen. Kommen die Schuldner dieser Auskunftspflicht aber nicht nach, besteht - wie im Rahmen der Einzelvollstreckung - ein praktisches Bedürfnis für das Insolvenzgericht, sich die Informationen über das Schuldnervermögen durch Drittauskünfte zu beschaffen.
Die Möglichkeit einer eigenständigen Informationseinholung durch das Insolvenzgericht - wie für die Gerichtsvollzieher - Drittauskünfte bei den in § 802l Absatz 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung genannten Stellen einzuholen - ist im Gesetz nicht vorgesehen. Auch eine Informationseinholung des Insolvenzgerichts über § 5 ist nicht möglich, da das Bundesverfassungsgericht für den Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung klargestellt hat, dass im Gesetz angegeben werden muss, welche staatliche Stelle zur Erfüllung welcher Informationserhebungen berechtigt sein soll (so ausdrücklich AG München, Beschluss vom 12. Februar 2016 - 1503 in 3339/15 -, juris, vergleiche BVerfG, NJW 2007, 2464 ff.).
Ob die Regelung des § 802l der Zivilprozessordnung im Insolvenzverfahren Anwendung findet, ist umstritten. Einige Amtsgerichte und Stimmen in der Literatur haben sich über § 4 für eine entsprechende Anwendung der Vorschrift des § 802l der Zivilprozessordnung dergestalt ausgesprochen, dass statt eines Gläubigers das Insolvenzgericht die Gerichtsvollzieher beauftragen kann, die dort näher bezeichneten Einkünfte einzuholen (vergleiche AG Köln, Beschl. v. 7.6.2018 -75 in 197/ 17; AG München, Beschl. v. 12.02.2016 - 1503 in 339/ 15, NZI 2016, 541; AG Rosenheim, Beschl. v. 08.09.2016 - 605 in 468/ 15, ZInsO 2016, 1954; Beth, NZI 2016, 109 ff.; Siebert, NZI 2016, 541; Markovic, ZInsO 2016, 1974). Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Interessenslage vergleichbar sei. Kommen die Schuldner ihren Auskunftspflichten nach §§ 20, 97 nicht nach, so entspräche dieses der Nichtabgabe der Vermögensauskunft in § 802l Absatz 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung. Wenn der Gesetzgeber ausdrücklich die Verhaftung des Schuldners unter Verweis auf die Vorschrift von § 802g der Zivilprozessordnung zugelassen habe, müssten über § 4 InsO erst recht die Vorschriften mit einer wesentlich geringeren Eingriffsintensität anwendbar sein. Hingegen weisen andere darauf hin, dass § 802l der Zivilprozessordnung nicht anwendbar sei, weil auf sie in § 98 nicht Bezug genommen werde (vergleiche Musielak/Voit, ZPO 15. Auflage 2018, zu § 802l Rn. 2). Die allgemeine Verweisungsnorm in § 4 reiche dazu nicht aus, weil § 98 die Auskunftspflicht eigenständig ausgestalte.
§ 98 nehme zum Beispiel auf die Regelungen zur Haft ausdrücklich Bezug, während § 802l der Zivilprozessordnung nicht erwähnt werde. Da die Drittauskunft in andere Rechtsgüter des Schuldners eingreife als die Haft, könne die Auskunft auch nicht als Minus zur Haft angesehen werden.
Da bislang keine einhellige obergerichtliche Entscheidung zu dieser Frage existiert, weigern sich die Gerichtvollzieher daher auch regelmäßig, dem Auskunftsersuchen des Insolvenzgerichts nachzukommen. Dieses führt zu zeitintensiven Erinnerungsverfahren mit ungewissem Ausgang.
Indem der neu eingefügte Absatz 2 Satz 1 ausdrücklich bestimmt, dass das Gericht die Gerichtsvollzieher beauftragen kann, die in § 802l der Zivilprozessordnung genannten Drittauskünfte einzuholen, wird dieser in der Praxis missliche Zustand beseitigt und einem Anliegen aus der gerichtlichen Praxis Rechnung getragen. Da die Folgen der Verletzung der Schuldnerpflichten nach § 97 in § 98 geregelt sind, wurde die Regelung in § 98 neu aufgenommen.
Die Schaffung einer entsprechenden Ermächtigungsnorm des Insolvenzgerichts, direkt die Drittauskünfte bei den in § 802l Absatz 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung genannten Stellen einzuholen, ist als Alternative nicht vorzugswürdig. Der Vorteil wäre zwar, dass dann der Umweg über den Gerichtsvollzieher entfiele. Allerdings haben die Gerichtsvollzieher - anders als das Insolvenzgericht - bereits die Möglichkeit, die Informationen im Sinne des § 802l der Zivilprozessordnung innerhalb kürzester Zeit über spezielle Software einzuholen. Auch ist es sinnvoll, die Möglichkeit der Informationsbeschaffung durch eine Auskunftseinholungen bei Dritten im Rahmen der Einzel- und Gesamtvollstreckung einheitlich auszugestalten.
Durch den Verweis des § 20 Absatz 1 Satz 2 auf den § 98 ist auch klargestellt, dass die Befugnis des Insolvenzgerichts, die Gerichtsvollzieher zu beauftragen, Fremdauskünfte bei den in § 802l der Zivilprozessordnung genannten Stelle einzuholen, auch im Eröffnungsverfahren gilt.
Voraussetzung für eine entsprechende Anordnung ist, dass die Schuldner entweder ihren Auskunftspflichten im Insolvenzverfahren nicht oder nicht hinreichend nachgekommen sind oder aber die Auskunft erteilt wurde, mit einer vollständigen Befriedigung der Gläubiger aber nicht gerechnet werden kann. Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Auskunft der Schuldner sind keine Voraussetzung für die Einholung einer Drittauskunft (so zu § 802l der Zivilprozessordnung BGH, NJW 2015, 2509, aA MünchKomm-ZPO/Wagner 16. Aufl., 2016, § 802l, Rn. 11). Zweck des neu eingefügten Absatzes 2 Satz 1 ist es, die Möglichkeiten der Informationsbeschaffung durch die ergänzende Einholung von Fremdauskünften wirkungsvoll zu stärken. Dadurch können Unrichtigkeiten in der vom Schuldner abgegebenen Selbstauskunft aufgedeckt werden (vergleiche Musielak/Voit, ZPO 15. Auflage 2018, zu § 802l Rn. 4). Die Effektivität der Zwangsvollstreckung durch eine Überprüfung der Auskünfte der Schuldner zu erhöhen, kann nicht erreicht werden, wenn Drittauskünfte nach einer für die Befriedigung der Gläubiger unergiebigen Auskunft der Schuldner nur eingeholt werden, wenn Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Vermögensauskunft bestehen (so zu § 802l der Zivilprozessordnung BGH, NJW 2015, 2509). Zudem verbliebe für die Einholung von Drittauskünften kaum ein Anwendungsbereich, wenn hierfür Voraussetzung wäre, dass Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der Auskunft vorliegen würden. Liegen solche Anhaltspunkte vor, besteht schon ein Anspruch auf Ergänzung oder Nachbesserung der Selbstauskunft (vergleiche BGH, MDR 2012, 606).
Allerdings steht die Einholung der Drittauskünfte unter dem Vorbehalt der Erforderlichkeit. Hiermit soll ein unverhältnismäßiger Eingriff in das Recht der Schuldner auf informationelle Selbstbestimmung vermieden werden. Die Einholung von Drittauskünften ist daher auf die Fälle beschränkt, in denen durch die zusätzlichen Informationen verwertbare Erkenntnisse für die Vollstreckung zu erwarten sind (vergleiche Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 016/13432, 45 zu § 802l der Zivilprozessordnung). Nach dem oben Gesagten ist die Überprüfung der Angaben der Schuldner durch Drittauskünfte erforderlich, wenn nicht aus den Angaben der Schuldner oder anderen offensichtlichen Umständen deutlich wird, dass die Drittauskünfte keine Erkenntnisse für die Gesamtvollstreckung erbringen können. Der Rechtsausschuss führt als Beispiel zu der mangelnden Erforderlichkeit der Datenerhebung in § 802l der Zivilprozessordnung die Erhebung von Auskünften über versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung auf, wenn aus den Angaben des Schuldners folgt, dass neben einem bereits angegebenen Beschäftigungsverhältnis schon aus zeitlichen Gründen kein weiteres sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis mit ihm bestehen kann (vergleiche Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 016/13432, 45).
Erfolgt die Beauftragung des Gerichtsvollziehers in den Fällen des § 802l Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 der Zivilprozessordnung, so ist die Beauftragung des Gerichtsvollziehers nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die die Vermutung begründen, dass der Schuldner Mitglied in einer berufsständischen Versorgungseinrichtung nach § 6 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Sechsten Sozialgesetzbuches ist. Dieses zusätzliche Kriterium ist erforderlich, um unnötige Datenabfragen bei den berufsständischen Versorgungseinrichtungen zu vermeiden und um einen Gleichlauf zwischen den Informationsbeschaffungsmöglichkeiten im Rahmen der Einzel- und der Gesamtvollstreckung herzustellen. Im Rahmen der Einzelvollstreckung sind die Gerichtsvollzieher verpflichtet, diese Anhaltspunkte festzustellen. Im Rahmen der Gesamtvollstreckung erscheint ist es hingegen näher liegender, dass das Insolvenzgericht diese Voraussetzung feststellt, da das Insolvenzgericht über ausreichende Möglichkeiten verfügt, Umstände, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind, nach § 5 zu ermitteln.
Ordnet das Gericht die Einholung der Drittauskünfte durch die Gerichtsvollzieher an, so steht den Gerichtsvollziehern kein Ermessen zu. Vielmehr sind sie zur Einholung der Auskünfte verpflichtet. Die Gerichtsvollzieher können die Einholung der Drittauskünfte auch nicht mit dem Argument verweigern, die Einholung sei nicht erforderlich, da die Erforderlichkeit der Datenerhebung bereits das Gericht bejaht hat.
§ 802l Absatz 1 Satz 2 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden.
Die Anordnung der Beauftragung der Gerichtsvollzieher zur Einholung der Drittauskünfte ergeht von Amts wegen und ist durch Beschluss, in dem die einzelnen vom Gerichtsvollzieher einzuholenden Auskünfte anzugeben sind, zu begründen. In dem Beschluss muss auch angegeben werden, bei welchen der in § 802l der Zivilprozessordnung genannten Stellen die Gerichtsvollzieher die Auskünfte einzuholen haben. Funktionell zuständig für die Anordnung im Eröffnungsverfahren ist nach § 18 Absatz 1 Nummer 1 des Rechtspflegergesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. April 2013 (BGBl. I S. 778, 2014 I S. 46), das zuletzt durch Artikel 4 des Gesetzes vom 17. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2573) geändert worden ist, der Richter und nach Eröffnung in der Regel der Rechtspfleger. Die Entscheidung des Richters ist nach § 6 nicht anfechtbar, die des Rechtspflegers ist nach § 11 Absatz 2 Satz 1 des Rechtspflegergesetzes mit der befristeten Erinnerung angreifbar.
Dadurch, dass Satz 3 § 802l Absatz 2 der Zivilprozessordnung für entsprechend anwendbar erklärt wird, wird klargestellt, dass unnötige Datenerhebungen vermieden werden und das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Schuldner hinreichend gewahrt bleiben soll. Indem Satz 4 klarstellt, dass § 802l Absatz 3 Satz 1 der Zivilprozessordnung mit der Maßgabe Anwendung findet, dass anstelle des Gläubigers das Insolvenzgericht tritt, wird gewährleistet, dass das Insolvenzgericht die Daten unverzüglich erhält und über das Ergebnis der Erhebung informiert wird. Zum anderen wird die Effizienz der Vollstreckung gewährleistet. Wenn die Schuldner zeitnah von der Abfrage durch den Gerichtsvollzieher Kenntnis erlangen, könnten sie etwa ein bisher verschwiegenes Konto schnell räumen und damit den Erfolg der Gesamtvollstreckung verhindern.
Für die Erhebung von Daten bei einer der in Absatz 1 Satz 1 genannten Stellen sieht Nummer 440 des Kostenverzeichnisses zu § 9 des Gerichtsvollzieherkostengesetzes bereits einen entsprechenden Kostentatbestand vor, so dass es diesbezüglich keiner weiteren Kostenregelung bedarf. Da die Gerichtsvollzieher durch das Gericht beauftragt werden, sind ihre Gebühren und Auslagen im Insolvenzverfahren gerichtliche Auslagen nach § 13 Absatz 3 des Gerichtsvollzieherkostengesetzes und durch das Gericht beim Kostenschuldner einzuziehen (vergleiche Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren, 4. Aufl. 2016, § 17 Rn. 4). Die Kosten werden nach § 14 des Gerichtsvollzieherkostengesetzes mit Vornahme der Amtshandlung fällig. Ein Kostenvorschuss ist nach § 4 Absatz 1 Satz 3 des Gerichtsvollzieherkostengesetzes nicht zu erheben.
Zu Nummer 2 (§ 98 Absatz 3 bis Absatz 4)
Es handelt sich um eine Folgeänderung.
Zu Artikel 3 (Änderung der Grundbuchverfügung) (§ 43 Absatz 2 Satz 1)
Durch Satz 1 werden die Gerichtsvollzieher von der Darlegung eines besonderen Interesses nach § 12 Absatz 1 Satz 1 der Grundbuchordnung an der Grundbucheinsicht gegenüber dem Grundbuchamt befreit. Dieses dient der Erleichterung der Arbeit des Berufsstands der Gerichtsvollzieher und der Grundbuchämter, um sie bei jedem Grundbuchseinsichtsgesuch von dem ständigen Nachweis oder der ständigen Prüfung eines berechtigten Interesses zu befreien. Nach § 12 Absatz 3 Nummer 2 der Grundbuchordnung kann das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bestimmen, dass bei Behörden von der Darlegung eines berechtigten Interesses abgesehen werden kann, ebenso bei solchen Personen, bei denen es auf Grund ihres Amtes oder ihrer Tätigkeit gerechtfertigt ist. Diese sind in Absatz 1 und Absatz 2 aufgeführt. Hier sind die Stellen oder Personen aufgeführt, die ein berechtigtes Interesse nicht darzulegen brauchen. Die Gerichtsvollzieher sind hier bislang nicht erwähnt. Die Aufnahme der Gerichtsvollzieher in den Kreis derjenigen, die ein berechtigtes Interesse nicht darzulegen brauchen, ist möglich, da Gerichtsvollzieher als Beamte hoheitlich tätig werden und daher - wie bei den anderen in Absatz 1 und Absatz 2 aufgeführten Fällen - regelmäßig vom Vorliegen eines berechtigten Interesses ausgegangen werden kann und ein Missbrauch zumeist nicht zu besorgen ist.
Zu Artikel 4 (Änderung des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch)
Zu Nummer 1 (§ 74a Absatz 1 Satz 1)
Mit der Beseitigung der Wertgrenze sowohl in Absatz 1 Satz 1 als auch in Absatz 2 Satz 1 wird einer Forderung des Bundesrats Rechnung getragen. Der Bundesrat hatte mit Beschluss vom 2. Juni 2017 (BR-Drucksache 392/17(B) ) die Bundesregierung aufgefordert, einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der die Streichung der in den Absätzen 1 und 2 bestehenden Wertgrenze vorsieht. Zur Begründung hatte er ausgeführt, dass die bestehende Wertgrenze eine Fortsetzung der Benachteiligung der öffentlichrechtlichen Vollstreckungsbehörden des Bundes und der Länder darstelle, weil diese Behörden im Vergleich zu den Gerichtsvollziehern über weniger Befugnisse verfügen und deshalb die Erfolgsaussichten der Vollstreckung öffentlichrechtlicher Forderungen geringer seien als die Erfolgsaussichten der Vollstreckung privatrechtlicher Forderungen. Durch die geforderte Streichung der Wertgrenze von 500 Euro solle ferner sowohl die im Gemeinwohlinteresse liegende Durchsetzung von öffentlichrechtlichen Ansprüchen gefördert als auch den Interessen der privaten Gläubiger und Kleinunternehmen gedient werden. Gründe der Verfahrensökonomie bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung können aus Sicht des Bundesrates angesichts dieses öffentlichen Interesses das Festhalten an der Wertgrenze nicht rechtfertigen. Auch das Interesse des Schuldners am Schutz seiner Daten könne das öffentliche Interesse nicht überwiegen.
Zu Nummer 2 (§ 74a Absatz 2)
Zu Buchstabe a) (Satz 1)
Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Durchführung der Verordnung (EU) Nummer 665/2014 sowie zur Änderung sonstiger zivilprozessualer, grundbuchrechtlicher und vermögensrechtlicher Vorschriften und zur Änderung der Justizbeitreibungsordnung vom 21. November 2016 (BGBl. I, S. 2591) wurde die in den §§ 755 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 Satz 4, 802l Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung enthaltene Wertgrenze der zu vollstreckenden Ansprüche von 500,00 € für die Zulässigkeit der Erhebung der Daten durch die Gerichtsvollzieher gestrichen. Hingegen wurde eine entsprechende Anpassung der in dem bisherigen Satz 1 bestehenden Wertgrenze hinsichtlich der Verpflichtung der Träger der gesetzlichen Rentenversicherungen, Sozialdaten an die Gerichtsvollzieher zu übermitteln, nicht vorgenommen. Seither besteht ein Widerspruch zwischen den Datenerhebungsrechten der Gerichtsvollzieher nach der Zivilprozessordnung und den Übermittlungsbefugnissen der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung nach dem Zehnten Buch Sozialgesetzbuch. Dieses sorgt in der Praxis für erhebliche Probleme, da die Gerichtsvollzieher die Fremdauskünfte bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherungen unabhängig von einer Wertgrenze der zu vollstreckenden Forderung einholen müssen, wohingegen die Rentenversicherungsträger nur Auskunft erteilen, wenn die Forderung eine Höhe von mindestens 500,00 € erreicht.
Um einen Gleichlauf von Auskunftsrechten und Übermittlungsbefugnissen für die Vollstreckung durch die Gerichtsvollzieher herzustellen, wird die in Satz 1 bestehende Wertgrenze nunmehr gestrichen. Damit entfällt zugleich die Notwendigkeit, festzulegen, wie sich die Höhe der Ansprüche berechnet.
Mit der Beseitigung der Wertgrenze wird zudem, wie zu Nummer 1 ausgeführt, eine Forderung des Bundesrats erfüllt.
Zu Buchstabe b) (Satz 3)
Zu Doppelbuchstabe aa) (Nummer 2)
Es handelt sich um eine Folgeänderung.
Zu Doppelbuchstabe bb) (Nummer 3 - neu -)
Mit der neu eingefügten Nummer 3 wird der Tatsache Rechnung getragen, dass die Gerichtsvollzieher nach dem neu eingefügten § 98 Absatz 2 der Insolvenzordnung nunmehr auch im Insolvenzverfahren im Auftrag des Insolvenzgerichts bei den gesetzlichen Rentenversicherungsträgern die Adresse des aktuellen Arbeitgebers der Schuldners zu erfragen haben. Da die Übermittlung der Daten zur Durchführung des Vollstreckungsverfahrens nach Satz 3 nur zulässig ist, wenn die dort genannten Voraussetzungen vorliegen, bedarf es einer Regelung, die die Übermittlung der Daten an die Gerichtsvollzieher auch in diesen Fällen erlaubt.
Zu Doppelbuchstabe cc) (Nummer 4)
Es handelt sich um eine Folgeänderung.
Zu Artikel 5 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.