987. Sitzung des Bundesrates am 27. März 2020
A
Der federführende Rechtsausschuss (R), der Ausschuss für Frauen und Jugend (FJ),
der Finanzausschuss (Fz), der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zum Gesetzentwurf allgemein
Die Bekämpfung der Kriminalität im Internet stellt die Strafverfolgungsbehörden vor eine große Herausforderung. Nicht nur bei der Bekämpfung von Hasskriminalität (vgl. BR-Drucksache 065/20 (PDF) ), sondern auch bei der Bekämpfung sonstiger Erscheinungsformen der Kriminalität im Internet bzw. mittels des Internets sind die Strafverfolgungsbehörden auf Auskünfte der Telemediendienstanbieter angewiesen, da diese oftmals den einzigen zielführenden Ermittlungsansatz bieten. Insbesondere Straftaten gegen die sexuelle
Selbstbestimmung wie die Verbreitung, der Erwerb und der Besitz kinderpornographischer Schriften, die Verabredung zur Begehung schwerer Straftaten oder Betrugsdelikte werden in besonderem Maße im Internet begangen.
In diesem Zusammenhang bittet der Bundesrat die Bundesregierung, auf nationaler Ebene durch eine Statuierung des Marktortprinzips dafür Sorge zu tragen, dass die jeweiligen Anbieter von Telemediendiensten sich bei der Erfüllung von Auskunftspflichten gegenüber den Strafverfolgungsbehörden nicht mehr darauf berufen können, dass die abgefragten Daten im Ausland gespeichert sind, da sie ihre Leistungen in Deutschland anbieten.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zudem, sich auf europäischer Ebene weiterhin für eine schnelle und zugleich grundrechts- und datenschutzsichernde Umsetzung der angedachten Maßnahmen zur Verbesserung des grenzüberschreitenden Zugangs zu elektronischen Beweismitteln in Strafsachen einzusetzen und dabei darauf hinzuwirken, dass den Herausforderungen bei der Bekämpfung der Kriminalität im Internet im besonderen Maße Rechnung getragen wird.
2. Zum Gesetzentwurf allgemein
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Kostenschätzung im Hinblick auf die zu erwartenden Kosten des Gesetzesvorhabens für die Landesjustizbehörden zu überprüfen.
Begründung:
Der nach dem Gesetzentwurf zu erwartende Kostenaufwand, insbesondere der bei den Landesjustizbehörden entstehende Personalmehrbedarf, wird in der Begründung des Gesetzentwurfs deutlich zu gering ermittelt. Ursächlich dafür sind insbesondere eine Zugrundelegung zu niedriger Mengen bei der Ermittlung des zu erwartenden Verfahrensaufkommens sowie eine methodisch nicht nachvollziehbare und zu niedrige Ermittlung des danach zu erwartenden Personalmehrbedarfs.
- a) Der Gesetzentwurf stützt seine Ausführungen zu dem zu erwartenden Verfahrensaufkommen maßgeblich auf die Transparenzberichte der sozialen Netzwerke für das 1. und 2. Halbjahr 2019. Die insoweit als relevant zugrunde gelegten Meldungen weisen im 2. Halbjahr 2019 einen deutlichen Anstieg gegenüber dem 1. Halbjahr 2019 auf. Dieser Anstieg bleibt in der Begründung des Gesetzentwurfs unberücksichtigt.
Zudem erscheint überprüfungsbedürftig, auf welcher konkreten Grundlage die Annahme einer jährlichen Anzahl von ca. 250 000 von den Anbietern gemeldeten Inhalten im Gesetzentwurf basiert. Allein die für das soziale Netzwerk "Facebook" zugrunde gelegte Zahl von lediglich 1 824 relevanten Inhalten im Jahr 2019 dürfte deutlich zu gering sein. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung bemisst die Schätzung ausschließlich anhand der durch die Anbieter sozialer Netzwerke im Rahmen der Transparenzberichte nach dem NetzDG kommunizierten Zahlen. Insbesondere im Falle von Facebook differieren diese Zahlen deutlich von den tatsächlich seitens des Netzwerkanbieters als Hassrede eingestuften und deshalb - auch ohne eine Beschwerde - gelöschten Inhalten. Hierzu hat Facebook selbst gemeldet, allein im ersten Quartal 2019 mehr als 160 000 Inhalte entfernt zu haben, die nach Ansicht des Unternehmens die Kriterien von Hassrede erfüllten. Jährlich handelte es sich hochgerechnet um etwa 640 000 Inhalte.
Zudem ist aufgrund des öffentlichen Diskurses über die Bedeutung von Hassrede im Internet und der damit einhergehenden Sensibilisierung der Betroffenen ein weiterer Anstieg der Beschwerden nach dem NetzDG, der nur geschätzt werden kann, zu erwarten. Dies sollte in die Prognose zumindest der Gesamtzahl der potenziell - nach Eingang einer Beschwerde - meldepflichtigen Inhalte einfließen.
- b) Weiter erscheint die Annahme des Gesetzentwurfs überprüfungsbedürftig, dass sich die Anzahl der Ermittlungsverfahren gegenüber der Zahl der Meldungen schon deshalb reduziere, weil das Bundeskriminalamt die Meldungen auf ihre strafrechtliche Relevanz prüfe (vgl. BR-Drucksache 087/20 (PDF), Seite 30).
Nach dem Gesetzentwurf sollen die Meldungen des von sozialen Netzwerken als strafbar bewerteten und aufgrund dieser Einschätzung gelöschten Inhalte jeweils nebst IP-Adresse vom Bundeskriminalamt nach Feststellung der zuständigen Strafverfolgungsbehörde im Rahmen der Zentralstellenfunktion an die örtlich zuständige Ermittlungsbehörde zur Strafverfolgung übermittelt werden. Die Tätigkeit des Bundeskriminalamts soll sich im Rahmen der Zentralstellenfunktion zur Unterstützung bei der Verfolgung von Straftaten im Hinblick auf das vorliegende Verfahren damit lediglich auf die Maßnahmen beschränken, die erforderlich sind, um die zuständige Strafverfolgungsbehörde auf Landesebene festzustellen (vgl. BR-Drucksache 087/20 (PDF), Seite 30). Das Bundeskriminalamt soll nach der Begründung des Gesetzentwurfs keine Aufgabe der Strafverfolgung übernehmen (ebd.). Dementsprechend soll es gerade keine Prüfung der strafrechtlichen Relevanz vornehmen dürfen.
Deshalb werden auf Basis der in dem Gesetzentwurf zugrunde gelegten Verfahrenszahlen nicht nur 150 000 Ermittlungsverfahren, sondern auch die - jedenfalls als sog. Anzeigesachen bei den Staatsanwaltschaften zu bearbeitenden - übrigen 100 000 Meldungen den Staatsanwaltschaften zur verfahrensabschließenden Entscheidung zugeleitet werden.
Aus welchen Erwägungen in der Kostenschätzung Abschläge zu den Verfahrensmengen aufgrund bereits jetzt verfolgter Inhalte (unter anderem aus dem Bereich der Kinderpornographie), aufgrund von Mehrfachmeldungen sowie aufgrund von Verfahrensverbindungen bei mehreren
Postings durch denselben Nutzer vorgenommen werden, erschließt sich mangels konkreter Schätzgrundlagen für diese Abschläge ebenfalls nicht.
- c) Demgegenüber ist für die Kostenschätzung davon auszugehen, dass Google von seinen Plattformen ausweislich eines Berichts gegenüber der Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen im 1. Halbjahr 2019 mehr als 23 500 und Facebook gemäß einer öffentlichen Mitteilung im I. Quartal 2019 mehr als 160 000 als Hassrede eingestufte Inhalte entfernt hatte. Auf Grundlage dieser Angaben waren jährlich insgesamt 687 000 Löschvorgänge allein für Google und Facebook ermittelt worden. Unter der praxisnahen Annahme, dass nur in der Hälfte der Löschvorgänge auch ein strafrechtlich relevanter, eine Meldepflicht auslösender Sachverhalt zugrunde liegt, waren mindestens 340 000 potentiell der Meldepflicht unterliegende Vorgänge ermittelt worden.
- d) Darüber hinaus erscheint auch die Annahme des Gesetzentwurfs, nur jedes dritte Ermittlungsverfahren werde ein Gerichtsverfahren nach sich ziehen, nicht zutreffend. Zum einen bleibt unberücksichtigt, dass für unter dem Richtervorbehalt stehende Ermittlungsmaßnahmen eine zusätzliche Belastung auf die Gerichte im Ermittlungsverfahren zukommen dürfte. Zum anderen dürfte eine Schätzung sachgerecht sein, nach der zumindest die Hälfte der Ermittlungsverfahren in ein Gerichtsverfahren mündet. Insofern ist von bundesweit mindestens 170 000 Gerichtsverfahren auszugehen.
- e) Neben der Zugrundelegung eines nicht nachvollziehbar niedrigen Verfahrensaufkommens wird auch der danach zu erwartende Personalmehrbedarf im Gesetzentwurf methodisch nicht nachvollziehbar und zu niedrig ermittelt:
Der Gesetzentwurf legt seinen Berechnungen jährliche Erledigungen zwischen 800 und 850 Verfahren je Staatsanwalt sowie 600 und 650 Verfahren pro Richter zugrunde.
Eine solche erledigungsbasierte Berechnung anhand von "Pensen" ist in der bundesweiten Personalbedarfsberechnung anhand des nach wissenschaftlichen Grundsätzen entwickelten Personalbedarfsberechnungssystems PEBB§Y nicht vorgesehen. Vielmehr sind die Bearbeitungsaufwände unterschiedlicher Geschäftsanfälle in entsprechenden Erhebungsgeschäften bundesweit streng empirischanalytisch erhoben und nach anschließender sachverständiger Plausibilisierung in Bundesbasiszahlen für bestimmte Produkte zusammengefasst worden. Der Personalbedarf für strafrechtliche Ermittlungs- und Gerichtsverfahren wird anhand dieser Bundesbasiszahlen aufgrund der dem Produkt zugeordneten Mengen (Verfahrenseingänge) ermittelt.
Demgegenüber ist eine "erledigungsbasierte" Berechnung im Gesetzentwurf nicht nachvollziehbar. Sie entspricht nicht den methodischen Vorgaben der bundesweit anerkannten Personalbedarfsberechnung nach PEBB§Y.
- f) Schließlich ist die Kostenschätzung des Gesetzentwurfs auch insoweit unvollständig, als der Gesetzentwurf keine Ausführungen zu Personalmehrbedarfen in den Laufbahngruppen 2.1 (gehobener Dienst) und 1.2 (mittlerer Dienst und Schreibdienst) enthält. Auch für diese Laufbahngruppen werden aufgrund der zusätzlichen Verfahren entsprechende Personalmehrbedarfe sowohl bei den Staatsanwaltschaften als auch bei den Gerichten entstehen.
3. Zum Gesetzentwurf allgemein
Der Bundesrat weist darauf hin, dass neben den im Gesetzentwurf angesprochenen Mehrkosten im justiziellen Kernbereich auch mit Mehrkosten für die Länder im Polizeibereich zu rechnen ist, die im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu berücksichtigen sind und in der Kostenschätzung des Bundes noch berücksichtigt werden sollten.
Begründung:
Es ist damit zu rechnen, dass durch notwendige Ermittlungsarbeit der Ermittlungsbehörden der Länder deutliche Mehrkosten im Polizeibereich entstehen werden, die im Gesetzentwurf nicht berücksichtigt sind. Durch die Stellungnahme soll darauf aufmerksam gemacht werden, dass auch diese Mehrkosten im weiteren Gesetzgebungsverfahren betrachtet werden müssen und in die Kostenschätzung des Bundes noch einfließen sollten.
4. Zu Artikel 1 Nummer 1 (§ 46 Absatz 2 Satz 2 StGB)
In Artikel 1 Nummer 1 ist in § 46 Absatz 2 Satz 2 nach dem Wort "antisemitisch" ein Komma und das Wort "frauenfeindliche" einzufügen.
Begründung:
Hasskriminalität und Rechtsextremismus betreffen Frauen in spezifischer Weise, da Frauenfeindlichkeit für viele Täter eine maßgebliche Motivation für Straftaten darstellt. Dies wird im Gesetzentwurf nicht ausreichend beachtet. In der Begründung des Gesetzentwurfs wird lediglich darauf verwiesen, dass das Geschlecht des Opfers auch einen Beweggrund darstellen kann. Diese Regelung wird der Problematik von Frauenfeindlichkeit als Beweggrund für Straftaten nicht gerecht. Frauen sind stets sexistischen Angriffen ausgesetzt. Neben üblichen Drohungen geht dies bis hin zu Vergewaltigungsandrohungen durch die Täter. In der jüngsten Vergangenheit wurden sexistische Äußerungen gegenüber weiblichen Politikerinnen bekannt.
Die Bundesrepublik Deutschland hat die Istanbul-Konvention ratifiziert und ist demnach dazu verpflichtet, diese auf bundesgesetzlicher Ebene effektiv umzusetzen. Aus diesem Grund muss eine Novellierung zur Bekämpfung der Hasskriminalität die spezifische Betroffenheit von Frauen explizit berücksichtigen.
5. Zu Artikel 1 Nummer 1 (§ 46 Absatz 2 Satz 2 StGB)
Der Bundesrat bittet im weiteren Gesetzgebungsverfahren um die Prüfung einer Ergänzung um weitere, insbesondere sexistische Motive.
Begründung:
Zusätzlich zu der im Gesetzentwurf vorgesehenen Erweiterung der bei der Strafzumessung zu berücksichtigen Motive um antisemitische Beweggründe kommt in Betracht, bestimmte weitere menschenverachtende Motive explizit zu nennen. Vor dem Hintergrund des Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt (Istanbul-Konvention) kommt insbesondere eine ausdrückliche Nennung frauenfeindlicher Motive in Betracht. Eine entsprechende Änderung des § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB kann einen Beitrag zur Sensibilisierung der Rechtsanwendenden bezüglich der geschlechtsspezifischen Dimension von Straftaten leisten. Zudem erscheint eine entsprechende Aufnahme in die Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV) angezeigt.
6. Zu Artikel 1 Nummer 3 Buchstabe d - neu - (§ 126 Absatz 1 Nummer 8 - neu - StGB)
Artikel 1 Nummer 3 ist wie folgt zu fassen:
"3. § 126 Absatz 1 wird wie folgt geändert:
Begründung:
Neben der Aufnahme der gefährlichen Körperverletzung in den Katalog des § 126 Absatz 1 StGB sollen außerdem auch die Delikte zu sexuellen Übergriffen, sexueller Nötigung sowie Vergewaltigung (§ 177 Absatz 4 bis 8 StGB) aufgenommen werden. Um einen ausreichenden strafrechtlichen Schutz für Frauen zu erreichen, müssen auch Ankündigungen zu solchen Straftaten ausdrücklich erfasst werden. Bei Straftaten nach § 177 Absatz 4 bis 8 StGB handelt es sich um Verbrechen, also Delikte, die mit einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr bestraft werden. Da Opfer von sexuellen Übergriffen, sexueller Nötigung und Vergewaltigung nahezu ausschließlich Frauen sind, ist die Aufnahme der Norm im Katalog des § 126 StGB ein weiterer Schritt zum wirksamen Schutz vor Gewalt gegen Frauen.
7. Zu Artikel 1 Nummer 5 bis 8 (§§ 185 bis 194 StGB)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, inwieweit die strafrechtlichen Regelungen zum Schutz der Ehre einer umfassend(er)en Modernisierung bedürfen und weitergehenden Schutz- und Reformerfordernissen anzupassen sind.
Begründung:
Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht im Bereich der Beleidigungsdelikte verschiedene punktuelle Änderungen vor. So ist etwa ein Qualifikationstatbestand für öffentliche Beleidigungen vorgesehen oder eine klarstellende Ergänzung der Vorschrift zur üblen Nachrede und Verleumdung von Personen des politischen Lebens in § 188 Strafgesetzbuch (StGB).
Fraglich bleibt aber, ob der Gesetzentwurf dem tatsächlichen Reformbedarf damit bereits ausreichend Rechnung trägt. So entstammen die Regelungen zur Beleidigung, üblen Nachrede und Verleumdung noch aus der Zeit der Einführung des Reichsstrafgesetzbuches im Jahr 1871. Aus diesem Grund geben sie auch keine angemessene Antwort auf Phänomene, die erst in jüngerer Zeit, namentlich aufgrund der Entwicklung des Internets und der hiervon beeinflussten gesellschaftlichen Entwicklung zum Vorschein getreten sind und die erhebliche Gefahren - auch und gerade - für den Schutz der Persönlichkeit vor Ehrangriffen hervorgerufen haben. Das betrifft insbesondere Fälle der Äußerung gesteigerter Missachtung, wie sie in der Hassrede ("Hate Speech") zum Ausdruck kommt, etwa in Gestalt rassistischer Kommentare. In diesen Themenkreis gehören auch Fälle des "(Cyber-)Mobbings", sofern diese, wie häufig, (auch) in ehrverletzenden Äußerungen zum Ausdruck gelangen.
Namentlich auf diese Phänomene kennen die Regelungen des Beleidigungsstrafrechts bislang keine angemessene und hinreichend spezifische Antwort. So lässt sich den Tatbeständen der besondere Unwertgehalt derartiger Taten zumeist nicht entnehmen, auch fehlt es weiterhin an der Regelung strafschärfender Begehungsformen und schließlich werden die Taten durch die bestehenden Strafrahmen häufig in die Nähe von Bagatellkriminalität gerückt. Auch die Regelungsvorschläge im Gesetzentwurf der Bundesregierung tragen dem nicht ausreichend Rechnung.
Zweifel bestehen aber auch, ob die in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgenommene Ergänzung des § 188 Absatz 1 StGB den Schutzerfordernissen zugunsten von Personen des politischen Lebens ausreichend Rechnung trägt. Das betrifft etwa die Frage, ob der Schutz über Fälle der üblen Nachrede und Verleumdung hinaus auch auf Beleidigungen nach § 185 StGB erstreckt werden sollte. Gleichermaßen bleibt zu diskutieren, ob die bislang in § 188 StGB vorgesehene Eignungsklausel den Schutz politisch tätiger Personen nicht zu weitgehend einschränkt und die damit verbundene Bewertungsunsicherheit in der Strafrechtspraxis nicht durch eine anderweitige Regelung beseitigt werden sollte.
Schließlich erscheint auch die Ausgestaltung der zentralen Vorschriften zum Schutz der Ehre insgesamt überdenkenswert. So finden sich in den Strafvorschriften zur Beleidigung, zur üblen Nachrede und zur Verleumdung Grundtatbestand und Qualifikation - häufig gleichlautend und unübersichtlich - jeweils in einem einzigen Satz geregelt. Es liegt nahe, die strafschärfenden Begehungsformen aus den Einzelregelungen herauszunehmen und in einer gesonderten und weitgehend einheitlichen Regelung zusammen zu fassen. Auf diese Weise kann die Qualifikation als solche sichtbarer gemacht, die praktische Handhabung erleichtert und die Grundlage für eine angemessene Ahndung besonders schädlicher Formen der Beleidigung geschaffen werden.
Für die Frage, wie eine umfassende Modernisierung des Beleidigungsstrafrechts im Einzelnen aussehen könnte, kann beispielsweise an den Regelungsvorschlag des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz für ein Gesetz zur nachdrücklichen strafrechtlichen Bekämpfung der Hassrede und anderer besonders verwerflicher Formen der Beleidigung angeknüpft werden.
8. Zu Artikel 1 Nummer 7 (§ 188 Absatz 1 Satz 2, Absatz 3 - neu - StGB)
Artikel 1 Nummer 7 ist wie folgt zu fassen:
"7. Dem § 188 wird folgender Absatz 3 angefügt:
(3) Eine im politischen Leben des Volkes stehende Person im Sinne von Absatz 1 ist eine Person, die auf europäischer Ebene, Bundes- oder Landesebene oder auf Ebene einer für ein Teilgebiet eines Landes oder einer kommunalen Gebietskörperschaft gebildeten Verwaltungseinheit aktiv tätig ist." "
Begründung:
Die vorgesehene Ergänzung in § 188 Absatz 1 Satz 2 StGB-E, wonach das politische Leben des Volkes bis zur kommunalen Ebene reicht, begegnet im Hinblick auf das strafrechtliche Bestimmtheitsgebot Bedenken, weil daraus nicht hervorgeht, welcher Personenkreis genau erfasst ist. Dies gilt etwa für politisch auf Bezirksebene tätige Personen, wie dies bei der Freien und Hansestadt Hamburg beispielsweise der Fall ist. Es könnte auch fraglich sein, ob bei Mitgliedern von Bürgerinitiativen eine Betätigung auf kommunaler Ebene im Sinne des § 188 StGB-E zu bejahen wäre. Dem Wortlaut nach erscheint eine solche Annahme nicht ausgeschlossen, nach Sinn und Zweck - dem Schutz von kommunalen Amts- und Mandatsträger/-innen - aber eher nicht gewollt. Die Begründung verhält sich hierzu nicht. Es wäre daher zunächst der Rechtsprechung und wissenschaftlichen Literatur überlassen, Kriterien für den Anwendungsbereich der Vorschrift zu entwickeln.
Die im Gesetzentwurf des Bundesrates "Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes von im politischen Leben des Volkes stehenden Personen" vom 29. November 2019, BR-Drucksache 418/19(B) , verwendete Definition ist demgegenüber vorzugswürdig. Sie begrenzt den geschützten Personenkreis, trägt den in einzelnen Ländern bestehenden Besonderheiten beim Verwaltungsaufbau Rechnung und schafft Rechtsklarheit.
Außerdem führt die Verortung der Definition in einem eigenen Absatz zu einer größeren Übersichtlichkeit der Vorschrift für die Rechtsanwender. Etwaige Verweise auf die Definition werden hierdurch erleichtert.
9. Zu Artikel 1 Nummer 9 Buchstabe a (§ 241 Absatz 1 StGB), Buchstabe b (§ 241 Absatz 4 StGB)
Artikel 1 Nummer 9 ist wie folgt zu ändern:
a) Buchstabe a ist wie folgt zu fassen:
"a) Dem Absatz 1 wird folgender Absatz 1 vorangestellt:
(1) Wer einen Menschen mit der Begehung einer gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten rechtswidrigen Tat
- 1. gegen die sexuelle Selbstbestimmung oder die körperliche Unversehrtheit, wenn die Tat mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist,
- 2. gegen die persönliche Freiheit,
- 3. gegen die körperliche Unversehrtheit oder eine Sache von bedeutendem Wert, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Absatz 3) gegangen wird,
bedroht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft." "
b) In Buchstabe d sind in § 241 Absatz 4 StGB nach der Angabe "Absatzes 1" die Wörter "Ziffer 1 und 2" einzufügen.
Begründung:
Zu Buchstabe a:
§ 241 StGB-E sieht in Absatz 1 eine Ausweitung des Bedrohungstatbestandes auf die Androhung einer rechtswidrigen Tat gegen die sexuelle Selbstbestimmung, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder gegen eine Sache von bedeutendem Wert vor. Die derzeit allein strafbare Bedrohung mit der Begehung eines Verbrechens wird in § 241 Absatz 2 StGB-E mit einer im Höchstmaß auf Freiheitsstrafe von zwei Jahren angehobenen Strafe bedroht. Absatz 4 beinhaltet eine Qualifikation, wenn die Tat öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften begangen wird, und erhöht die in den Absätzen 1 und 2 angedrohten Freiheitsstrafen um jeweils ein Jahr.
§ 241 StGB soll - im Gegensatz zu § 126 StGB, dessen geschütztes Rechtsgut der öffentliche Friede ist (vgl. Fischer, StGB, 67. Auflg., § 126 Rn. 2) - den individuellen Rechtsfrieden schützen. Dabei ist die Eignung der Drohung zur Friedensstörung nach objektiven Maßstäben zu bestimmen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 19.12.1994 - 2 BvR 1146/94 <juris>; BGH, Beschluss vom 15.01.2015 - 4 StR 419/14 - Rn. 9 <beckonline>; Eisele in Schönke/Schröder, StGB. 30. Auflg., § 241 Rn. 2). Maßgeblich für die Strafwürdigkeit ist, ob das Verhalten des Täters objektiv geeignet ist, einen solchen Effekt bei einem durchschnittlich empfindenden Menschen auszulösen (vgl. Sinn in Münchener Kommentar zum StGB, § 241 Rn. 2).
Die Androhung einer Tat gegen die körperliche Unversehrtheit, die nicht mit einer im Mindestmaß erhöhten Strafe bedroht ist, namentlich einer vorsätzlichen Körperverletzung, § 223 StGB, oder gegen Sachen von bedeutendem Wert werden einem objektivierten Eignungsmaßstab zur Störung des individuellen Rechtsfriedens regelmäßig nicht gerecht. Das In-Aussicht-Stellen einer einfachen Körperverletzung, einer sexuellen Belästigung oder einer Sachbeschädigung dient vielfach nur der rhetorischen Ausschmückung und ist Teil von Alltagskommunikation. Strafwürdig ist es nur, wenn mit der Drohung eine Forderung oder eine herabsetzenden Äußerung verknüpft ist. Dann aber ist die Tat de lege lata bereits nach anderen Vorschriften, namentlich nach § 240 StGB oder als Ehrschutzdelikt, mit Strafe bedroht.
Die uferlose Ausweitung des Bedrohungstatbestands führt zudem zu einem Aufweichen der Deliktskonturen, insbesondere in Abgrenzung zur Nötigung,
wenn mehr oder weniger jede Drohung mit einem empfindlichen Übel auch als Bedrohung unter Strafe gestellt wird.
Vermieden werden kann die ausufernde Pönalisierung verbaler Auseinandersetzungen, wenn auf die Ausweitung des Bedrohungstatbestandes auf Taten gegen die körperliche Unversehrtheit oder sexuelle Selbstbestimmung ohne ein im Mindestmaß erhöhtes Strafmaß abzusehen. In diesen Fällen werden die Äußerungen in der Regel ohnehin nicht zu einer gerichtlichen Befassung und Bestrafung führen, weil jedenfalls ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung fehlen und eine Verweisung auf den Privatklageweg geboten sein dürfte.
Mit einer Ausweitung des Tatbestandes auf diese Tatbegehungen würden letztlich nicht zu befriedigende Straferwartungen in der Öffentlichkeit geweckt und nicht unerhebliche Kapazitäten bei den Strafverfolgungsbehörden für Verfahren gebunden, die letztlich absehbar der Einstellung unterliegen.
Wenn allerdings die Äußerungen eine besondere Reichweite erfahren, weil sie einem unbestimmten Empfängerkreis zur Kenntnis gelangen, besteht die Gefahr der Nachahmung und der Steigerung der Aggressivität. Entsprechend den Erwägungen in dem Gesetzentwurf zu Artikel 1 Nummer 5 (Änderung des § 185 StGB) ist auch hier zu bedenken, dass "Äußerungen wegen der eingeschränkten Löschungsmöglichkeiten oftmals über einen langen Zeitraum durch einen großen Personenkreis abgerufen werden" und "für die Betroffenen deshalb besonders schwer" wiegen (vgl. BR-Drucksache 087/20 (PDF), Seite 35). Bei der öffentlichen, in einer Versammlung oder durch die Verbreitung von Schriften begangenen Bedrohung mit einer einfachen Körperverletzung oder einer Tat gegen eine Sache von bedeutendem Wert wird deshalb unter Zugrundelegung eines objektiven Maßstabs von einer Eignung zur Störung des individuellen Rechtsfriedens auszugehen sein. In diesem Falle schließt auch die von der Rechtsprechung auf lediglich 750 Euro festgesetzte Untergrenze für eine "Sache von bedeutendem Wert" die generelle Eignung zur individuellen Friedensstörung nicht aus.
Das Erfordernis der öffentlichen, in einer Versammlung oder durch Verbreitung von Schriften Tatbegehung entspricht der allgemeinen Zielsetzung des Gesetzentwurfs, einer im Internet und insbesondere in den sogenannten sozialen Medien zunehmend zu beobachtenden Verrohung der Kommunikation zu begegnen und die freie Meinungsäußerung als Grundpfeiler der demokratischen pluralistischen Gesellschaft verteidigen.
Zu Buchstabe b:
Es handelt sich um eine Folgeänderung, da die Voraussetzungen der in § 241 Absatz 4 StGB-E vorgesehenen Strafschärfung bereits Tatbestandsvoraussetzungen des Grunddelikts nach § 241 Absatz 1 Nummer 3 StGB-E sind.
10. Zu Artikel 1 Nummer 9 Buchstabe d (§ 241 Absatz 4 Satz 2 - neu - StGB)
In Artikel 1 Nummer 9 Buchstabe d ist dem § 241 Absatz 4 folgender Satz anzufügen:
"Wird die Tat gegen eine in § 188 genannte Person aus Beweggründen begangen, die mit der Stellung der bedrohten Person im öffentlichen Leben zusammenhängen und ist die Tat geeignet, ihr öffentliches Wirken erheblich zu erschweren, so ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis fünf Jahren zu erkennen."
Begründung:
§ 241 Absatz 4 StGB-E soll um einen neuen Satz 2 ergänzt werden, der eine weitere Strafrahmenerhöhung enthält für die Fälle, in denen die Bedrohung im Zusammenhang mit der Wahrnehmung eines politischen Amtes im Zusammenhang steht (§ 188 StGB). Politikerinnen und Politiker sehen sich aufgrund ihres in der Öffentlichkeit wahrnehmbaren und wirkenden handeln verstärkt Bedrohungen ausgesetzt.
Wie vom Bundesverfassungsgericht festgestellt, ist es sachlich gerechtfertigt und nicht willkürlich, wenn der Gesetzgeber der stärkeren Gefährdung und der sich daraus ergebenden höheren kriminalpolitischen Schutzbedürftigkeit der Ehre aktiv politisch tätiger Personen durch höhere Mindeststrafen Rechnung trägt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. November 1955 - 1 BvL 120/53 , NJW 1956, Seite 99).
Da diese höhere kriminalpolitische Schutzbedürftigkeit aus der Amts- bzw. Mandatsträgerschaft folgt, ist eine Erhöhung des Strafrahmens indes nur in den Fällen angezeigt, in denen die Straftaten unmittelbar mit der Wahrnehmung des politischen Amtes im Zusammenhang stehen. Bedrohungen, die gegenüber einem entsprechenden Amts- oder Mandatsträger im privaten Umfeld, also ohne Bezug zu dessen öffentlichem Amt, geäußert werden, sollen nicht erfasst werden.
Medienberichten zufolge (vgl. der SPIEGEL vom 10. März 2020) sind etwa 64 Prozent und damit fast zwei Drittel der Bürgermeister in Deutschland nach eigenen Angaben bereits beleidigt, beschimpft, bedroht oder tätlich angegriffen worden. Gemäß einer Umfrage der Zeitschrift "Kommunal" im Auftrag des ARD-Politmagazins "report München" sollen neun Prozent der Bürgermeister bespuckt oder geschlagen worden sein. In Städten mit mehr als 100 000 Einwohnern hätten sogar 32 Prozent von tätlichen Angriffen berichtet.
11. Zu Artikel 2 Nummer 2 und 3 (§§ 100g und 100j StPO), Artikel 4 Nummer 1 und 2 (§ 10 BKAG), Artikel 5 (§§ 14, 15a, bis 16 TMG), Artikel 6 (NetzDG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die vorgesehenen strafprozessualen und telemedienrechtlichen Änderungen auf Soziale Netzwerke im Sinne von § 1 NetzDG und interpersonelle Kommunikationsdienste zu beschränken sind, um Strafverfolgungslücken zu vermeiden.
Angesichts des unterschiedlichen Aussagegehalts von Nutzungsdaten, die bei den Anbietern unterschiedlicher Telemediendienste anfallen, sind nicht alle Nutzungsdaten aller Anbieter in gleicher Weise schutzbedürftig. Zudem fehlt es an einer Abstimmung mit den weitergehenden Reformbedürfnissen, denen im Zuge der bevorstehenden Umsetzung des Europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation, Richtlinie (EU) Nr. 2018/1972
, zum 21. Dezember 2020 im Telemedien- und Telekommunikationsrecht Rechnung zu tragen sein wird.
Begründung:
Ziel des geplanten Gesetzes ist die effektive Strafverfolgung von Hasskriminalität, insbesondere bei einer Tatbegehung mittels sozialer Netzwerke im Internet. Dadurch soll der freie Meinungsaustausch im Internet geschützt und gestärkt werden. Zum Schutz der Kommunikationsfreiheit hebt der Gesetzentwurf zugleich die gesetzlichen Hürden für die Auskunftserteilung über Nutzungsdaten im Sinne von § 15 TMG, die bislang auf Grundlage der Ermittlungsgeneralklauseln der §§ 161, 163 StPO erfolgte, deutlich an.
Eine Nutzungsdatenerhebung bei Telemediendiensten soll nur noch mit Gerichtsbeschluss nach Maßgabe des § 100g StPO möglich sein.
Dabei verkennt der Entwurf, dass der Anwendungsbereich des Telemediengesetzes nicht auf Dienste zur Übermittlung kommunikativer Inhalte begrenzt ist. Dem bewusst entwicklungsoffen gehaltenen TMG unterfallen vielmehr Massen- und Individualkommunikationsorientierte Dienste zur Übermittlung von Inhalten jeglicher Art, insbesondere auch von Computerprogrammen. Eine interaktive Kommunikation ist nicht erforderlich (vgl. Heckmann in: JurisPK Internetrecht, 3. Aufl. 2011, Kapitel 1, Rdz. 35). Damit schränkt der Gesetzentwurf die Ermittlungsmöglichkeiten für die Strafverfolgungsbehörden in weitem Umfang ein, obwohl die Nutzungsdaten der verschiedenen Telemediendienste nicht alle in gleichem Maße schutzbedürftig sind.
Im Einzelnen:
- a) Das Telemediengesetz gilt gemäß § 1 Satz 1 TMG für alle elektronischen Informations- und Kommunikationsdienste, soweit sie nicht Telekommunikationsdienste, telekommunikationsgestützte Dienste oder Rundfunk sind. Telemediendienste treten in vielfältigen Erscheinungsformen des Wirtschaftslebens und zivilgesellschaftlichen Informationsaustausches auf. Umfasst sind unter anderem Online-Angebote von Waren/Dienstleistungen mit unmittelbarer Bestellmöglichkeit (zum Beispiel Börsen-, Umwelt-, Verkehrs- und Wetterdaten-, Newsgroups, Chatrooms, elektronische Presse, Fernseh-/Radiotext, Teleshopping), Angebote von Video on Demand, Dienste, die online Instrumente bereitstellen, um Daten zu suchen, abzufragen oder Zugang zu ihnen zu erhalten (zum Beispiel Internet-Suchmaschinen) sowie Dienste, die Informationen über Waren-/Dienstleistungsangebote mit elektronischer Post kommerziell zu verbreiten wie zum Beispiel Werbe-Mails (vgl. BT-Drucksache 016/3078, 13; BeckOK InfoMedienR/Martini, 26. Ed. 1.8.2019, TMG § 1 Rn. 7). Diensteanbieter ist nach der in § 2 Satz 1 Nummer 1 TMG enthaltenen Definition jede natürliche und juristische Person, die eigene oder fremde Telemedien zur Nutzung bereithält oder den Zugang zur Nutzung vermittelt.
Demgegenüber gilt das Netzwerkdurchsetzungsgesetz nach § 1 Absatz 1 NetzDG nur für solche Telemediendiensteanbieter, die mit Gewinnerzielungsabsicht Plattformen im Internet betreiben, die dazu bestimmt sind, dass Nutzer beliebige Inhalte mit anderen Nutzern teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich machen (soziale Netzwerke). Plattformen mit journalistischredaktionell gestalteten Angeboten, die vom Diensteanbieter selbst verantwortet werden, gelten nicht als soziale Netzwerke im Sinne des Gesetzes (§ 1 Absatz 1 Satz 2 NetzDG). Das Gleiche gilt für Plattformen, die zur Individualkommunikation oder zur Verbreitung spezifischer Inhalte bestimmt sind (§ 1 Absatz 1 Satz 3 NetzDG).
- b) Da sich die beabsichtigten Änderungen in der StPO und im TMG nicht auf Kommunikationsdienste wie Soziale Netzwerke beschränken, sondern unterschiedslos für alle Diensteanbieter gelten sollen, hätten sie zur Folge, dass die auf Soziale Netzwerke passende Auskunftsregelung auch auf alle anderen Telemediendienste erstreckt wird, obwohl die bei anderen Anbietern als Sozialen Netzwerken anfallenden Nutzungsdaten wesentlich weniger schutzbedürftig sind.
Das Bundesverfassungsgericht (vgl. Beschluss vom 13. 11. 2010 − 2 BvR 1124/10) hat in der sogenannten "Fiducia-Entscheidung" aus dem Jahr 2010 zur Abfrage von Nutzungsdaten nach dem TMG (hier: des letzten Nutzerlogins bei einem Telemediendienst) ausgeführt:
"Auch unter Berücksichtigung der im Urteil zur Vorratsdatenspeicherung aufgestellten Grundsätze lässt sich nicht sagen, dass die Herausgabe einer einzelnen IP-Adresse losgelöst von den angesprochenen Fragen in jedem Fall einen derart schwerwiegenden Eingriff in den Schutzbereich des Artikels 10 des Grundgesetzes darstellen würde, dass eine auf die allgemeine Ermittlungsgeneralklausel des § 161 StPO gestützte Auskunftserteilung in jedem Fall unzulässig wäre".
- c) Gegenwärtig werden etwa bei Amazon oder Ebay durch die Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften in einer Vielzahl von Ermittlungsverfahren Nutzungsdaten nach § 15 TMG auf Grundlage der Ermittlungsgeneralklauseln (§§ 161, 163 StPO, gegebenenfalls auch nach § 95 StPO) abgefragt, vor allem bei Betrugsstraftaten im Online-Versandhandel. Warenbetrug ist das häufigste Delikt im Bereich der Internetkriminalität. Im Jahr 2018 handelte es sich ausweislich der PKS bei 75,7 Prozent (205 735 Fälle) aller Straftaten mit dem Tatmittel Internet um Betrug (2017: 74,4 Prozent; 183 529 Fälle). Darunter waren 154 773 Fälle von Waren- und Warenkreditbetrug (2017: 134 476 Fälle), bei denen Tatverdächtige über das Internet Waren zum Verkauf anboten, diese jedoch entweder nicht oder in minderwertiger Qualität lieferten oder bei denen Tatverdächtige die Waren bestellten und nicht bezahlten.
Wenn nun, wie im Gesetzentwurf vorgesehen, in allen Fällen, in denen zur Täterermittlung in Betrugsfällen über Internet Nutzungsdaten im Sinne von § 15 TMG erhoben werden müssen, diese Abfragen nur noch auf Grundlage des § 100g StPO zulässig sein sollten, hätte dies eine erheblichen Mehrbelastung der Gerichte und Staatsanwaltschaften zur Folge, ohne dass dies verfassungsrechtlich geboten wäre oder das geltende Recht Schutzlücken für Betroffene offenbart hätte.
- d) Es ist weder sachgerecht noch verfassungsrechtlich geboten, die Abfrage von Nutzungsdaten bei allen Telemediendiensten an die erhöhten Anforderungen - insbesondere den Richtervorbehalt - des § 100g StPO zu knüpfen. Denn der maßgebliche Unterschied zwischen der bei einem Telemediendienst erhobenen IP-Adresse und der eines Telekommunikationsdienstes liegt darin, dass diese IP-Adresse nicht aus einer - besonders grundrechtsrelevanten und damit besonders schützenswerten - Individualkommunikation, sondern aus einem bloßen Aufruf der Webseite des Telemediendienstes stammt.
Das besondere Schutzniveau des § 100g StPO rechtfertigt sich, weil die verdeckte Verkehrsdatenerhebung bei einem Telefon- oder Internetzugangs-Provider nicht auf einzelne, punktuelle Kommunikationsverbindungen beschränkt ist, sondern die gesamte Kommunikation des Betroffenen retrograd oder in Echtzeit über einen längeren Zeitraum erfasst. Damit ermöglicht § 100g StPO die Erstellung von Bewegungs- oder Nutzungsprofilen eines Anschlussinhabers. Die Eingriffsintensität einer nur punktuellen Abfrage einer IP-Adresse, über die eine Webseite lediglich aufgerufen wurde und durch die kein weiterer durch Artikel 10 des Grundgesetzes geschützter Kommunikationspartner betroffen ist, ist damit nicht im Ansatz vergleichbar. Gleiches gilt für andere Arten von Nutzungsdaten nach § 15 TMG wie zum Beispiel die Listen über getätigte Verkäufe eines Shopbetreibers auf einer Online-Versandhandelsplattform oder Ähnliches.
- e) Zu den Telemedien zählen allerdings auch internetbasierte Dienste, die keinen Internetzugang vermitteln, sondern bei der Versendung und dem Empfang von Nachrichten aktiv tätig werden, indem sie Nachrichten in Datenpakete zerlegen und über ihre Server in das offene Internet einspeisen und aus dem offenen Internet empfangen - so genannte Overthe-Top oder OTT-Kommunikationsdienste wie etwa VoIP-Telefonie und Instant-Messaging (zum Beispiel WhatsApp oder Telegram).
Bei diesen und bei Sozialen Netzwerken lässt sich eine erhöhte Schutzbedürftigkeit von aggregierten Nutzungsdaten im Sinne von § 15 TMG rechtfertigen. Denn diese umfassen häufig auch interpersonelle Kommunikationsmöglichkeiten wie zum Beispiel Messenger-Dienste (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 24.9.2019 - VI ZB 39/18, NJW 2020, 536). Daher ist eine Gleichbehandlung mit Telekommunikationsdiensten und eine Erstreckung von § 100g StPO auf aggregierte Nutzungsdaten Sozialer Netzwerke nicht fernliegend, zumal die häufig mobil erfolgende Nutzung derartiger Angebote auch Standortdaten erzeugt, aus denen sich gegebenenfalls Bewegungsprofile ableiten lassen könnten.
- f) Für eine Gleichbehandlung nur der Sozialen Netzwerke und der interpersonellen Kommunikationsdienste (OTT-Dienste) mit Telekommunikationsdiensten, nicht aber der anderen Telemediendienste wie zum Beispiel der Online-Versandhändler sprechen auch die bis zum 21. Dezember 2020 umzusetzenden Vorgaben des Europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation, Richtlinie (EU) Nr. 2018/1972
. Angesichts der Verschmelzung von Telekommunikation, Medien und Informationstechnologien soll für alle elektronischen Kommunikationsnetze und -dienste ein einheitlicher europäischer Kodex für die elektronische Kommunikation gelten, der auf einer einzigen Richtlinie beruht.
Ziel ist dabei, die Regulierung der elektronischen Kommunikationsnetze und -dienste von der Regulierung von Inhalten zu trennen. Die Richtlinie unterscheidet zwischen "elektronischen Kommunikationsdiensten", wozu ausweislich Artikel 2 Nummer 4 Richtlinie (EU) Nr. 2018/1972
auch interpersonelle Kommunikationsdienste zählen, und Diensten, die Inhalte über elektronische Kommunikationsnetze und -dienste anbieten oder eine redaktionelle Kontrolle über sie ausüben.
Auch aus den europäischen Vorgaben folgt mithin, dass die im Gesetzentwurf angelegte Gleichbehandlung aller Telemediendienste, also auch von Online-Versandhändlern, mit Telekommunikationsdiensten nicht sachgerecht ist.
- g) Zur Aufrechterhaltung einer funktionstüchtigen Strafrechtspflege bei der Betrugsbekämpfung im Internet müssen die geplanten Neuregelungen auf die sensibleren Nutzungsdaten von Sozial Netzwerken und interpersonellen Kommunikationsdiensten, die kommunikationsorientiert sind, beschränkt werden. Für andere Telemediendienste, die weniger sensible Nutzungsdaten verarbeiten, muss der derzeitige Rechtzustand beibehalten werden.
12. Zu Artikel 2 Nummer 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb (§ 100j Absatz 1 Satz 2 StPO), Buchstabe b1 - neu - (§ 100j Absatz 3 Satz 4 StPO)
Artikel 2 Nummer 3 ist wie folgt zu ändern:
- a) Buchstabe a Doppelbuchstabe bb ist wie folgt zu fassen:
"bb) Satz 2 wird wie folgt gefasst:
"Bezieht sich das Auskunftsverlangen nach Satz 1 auf Daten, mittels derer der Zugriff auf Endgeräte oder auf Speichereinrichtungen, die in diesen Endgeräten oder hiervon räumlich getrennt eingesetzt werden, geschützt wird ( § 113 Absatz 1 Satz 2 des Telekommunikationsgesetzes und § 15b des Telemediengesetzes), darf die Auskunft nur verlangt werden,
- 1. in den Fällen des Satzes 1 Nummer 1, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Nutzung der Daten vorliegen,
- 2. in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Nutzung der Daten vorliegen und der Sachverhalt, der erforscht werden soll, den Verdacht einer Straftat gemäß § 100b Absatz 2 begründet oder der Beschuldigte, dessen Aufenthaltsort ermittelt werden soll, im Verdacht einer solchen Straftat steht, oder sie zur Abwehr einer konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für den Bestand des Bundes oder eines Landes erforderlich ist." "
- b) Nach Buchstabe b ist folgender Buchstabe b1 einzufügen:
"b1) In Absatz 3 ist Satz 4 wie folgt zu fassen:
"Im Falle des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1 finden die Sätze 1 bis 3 keine Anwendung, wenn die betroffene Person vom Auskunftsverlangen bereits Kenntnis hat oder haben muss oder wenn die Nutzung der Daten bereits durch eine gerichtliche Entscheidung gestattet wird." "
Begründung:
Nach der Begründung des Gesetzentwurfs soll die Abfrage von Passwörtern nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen:
"Die Zugangsdaten sollen nur zur Verfolgung besonders schwerer Straftaten, wie sie im Katalog des § 100b Absatz 2 StPO genannt werden, sowie zur Abwehr einer konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für den Bestand des Bundes oder eines Landes übermittelt werden dürfen; die Übermittlung muss durch ein Gericht angeordnet worden sein. Der Katalog des § 100b Absatz 2 StPO wurde gewählt, weil er die Voraussetzungen einer Online-Durchsuchung regelt und wegen seiner hohen Grundrechtsrelevanz gemeinsam mit der Wohnraumüberwachung den engsten aller Straftatkataloge in der StPO darstellt." (vgl. BR-Drucksache 087/20 (PDF), Seite 43).
Dieser Ansatz ist im Gesetzentwurf der Bundesregierung jedoch nicht konsequent umgesetzt. Zwar enthält die vorgeschlagene Fassung des § 15b Absatz 2 TMG-E einen Verweis auf den Straftatenkatalog des § 100b Absatz 2 StPO bzw. die Abwehr einer konkreten Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder für den Bestand des Bundes oder eines Landes. Der korrespondierende Verweis in § 100j Absatz 1 Satz 2 StPO fehlt jedoch.
Nach dem Doppeltürmodell des Bundesverfassungsgerichts muss für entsprechende Ermittlungsmaßnahmen sowohl eine Befugnisnorm der Diensteanbieter für die Herausgabe, als auch eine Befugnisnorm der Strafverfolgungsbehörden für die Anforderung solcher Daten existieren. Folgerichtig müssen sich die Voraussetzungen aus der jeweiligen Befugnisnorm erschöpfend ergeben. Insofern ist es erforderlich, die vom Bundesgesetzgeber offenbar beabsichtigten Voraussetzungen aus § 15b Absatz 2 TMG-E auch in § 100j Absatz 1 Satz 2 StPO-E zu übernehmen. Durch den Änderungsantrag soll ein inhaltlicher Gleichlauf zwischen den beiden Vorschriften geschaffen und vermieden werden, dass die strafprozessuale Ermächtigungsnorm nur unter Heranziehung weiterer Gesetze, auf die ein hinreichender Bezug fehlt, rechtskonform angewendet werden kann.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf die unterschiedliche Eingriffsintensität offensichtlich unterschiedliche Voraussetzungen für die Herausgabe von Passwörtern für Telemediendienste einerseits und die Herausgabe von Passwörtern für Telekommunikationsdienste andererseits schaffen wollte. Diese Differenzierung ist in der dem Änderungsantrag zugrunde gelegten Formulierung des § 100j Absatz 1 Satz 2 StPO-E berücksichtigt worden.
Dasselbe gilt für eine Neufassung des § 100j Absatz 3 StGB-E. Auch hier ist eine Differenzierung zwischen Telekommunikationsdiensten und Telemediendiensten erforderlich.
13. Zu Artikel 2a - neu - (§ 18 - neu - StPOEG)
Nach Artikel 2 ist folgender Artikel 2a einzufügen:
"Artikel 2a
Änderung des Einführungsgesetzes zur Strafprozessordnung
Im Einführungsgesetz zur Strafprozessordnung in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 312-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, das zuletzt durch ... geändert worden ist, ist folgender § 18 anzufügen:
§ 18 Übergangsregelung zum Gesetz zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität
Die Übersichten nach § 101b Absatz 5 der Strafprozessordnung in der Fassung des Artikels 2 des Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität vom ... [einfügen: Ausfertigungsdatum und Fundstelle dieses Gesetzes] sind erstmalig für das Berichtsjahr 2021 zu erstellen. Für die vorangehenden Berichtsjahre ist § 101b Absatz 5 der Strafprozessordnung in der bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität geltenden Fassung anzuwenden."
Begründung:
Hinsichtlich der Erweiterung der statistischen Erfassung und Berichtspflichten in § 101b Absatz 5 StPO-E um Nutzungsdaten im Sinne des § 15 Absatz 1 TMG sollte eine Übergangsregelung dergestalt getroffen werden, dass die Erhebung erst ab dem Berichtsjahr 2021 erfolgt. Dies ermöglicht eine bessere Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen Jahresberichten.
14. Zu Artikel 3 Nummer 1 (§ 51 Absatz 1 Satz 4 - neu - BMG)
In Artikel 3 Nummer 1 ist dem § 51 Absatz 1 folgender Satz anzufügen:
"Tatsachen im Sinne des Satzes 1 können beispielswiese durch eine schriftliche Bestätigung über die Erstattung einer Strafanzeige insbesondere wegen Nötigung, Bedrohung, Nachstellung, Beleidigung oder Körperverletzung oder durch eine Bescheinigung einer öffentlichen Stelle in dem Sinne des § 2 Absatz 1 bis 3 und 4 Satz 2 BDSG glaubhaft gemacht werden."
Begründung:
Um den Schutz vor Gefährdungen durch Melderegisterauskünfte noch zusätzlich zum BMG-E zu erweitern, sieht die weitergehende Änderung vor, dass das Verfahren für die Eintragung einer Auskunftssperre erleichtert wird. Es wird eine erleichternde Glaubhaftmachung der Tatsachen, die eine Gefahr im Sinne des § 51 Absatz 1 BMG annehmen, eingefügt. Diese Glaubhaftmachung kann durch eine Strafanzeige oder eine Bescheinigung einer öffentlichen Stelle erbracht werden.
Die Ergänzung des § 51 Absatz 1 BMG-E erhält die bislang bestehende Gefahrenschwelle bei, sodass auch weiterhin diejenigen Personen eine Auskunftssperre erhalten, bei denen tatsächlich eine konkrete Gefährdung glaubhaft gemacht wird. Gleichzeitig wird den betroffenen Personen die Glaubhaftmachung der Tatsachen, aus denen sich die Gefährdung ergibt, gegenüber den Meldebehörden erleichtert.
15. Zu Artikel 4 (Änderung des BKAG), Artikel 6 Nummer 3 (§ 3a Absatz 2 NetzDG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen,
- a) ob die Aufgaben, die dem Bundeskriminalamt (BKA) als Zentralstelle nach § 3a Absatz 2 NetzDG-E zukommen, präziser gefasst werden können,
- b) ob im Zuge der Präzisierung klargestellt werden kann, dass die zur Entgegennahme der auf Grundlage der Meldepflicht nach § 3a NetzDG-E übermittelten Meldungen zuständige Zentralstelle die Aufgabe hat, lediglich die ihr gemeldeten und nach dortiger Einschätzung strafrechtlich relevanten Inhalte an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden zur Ermöglichung der Strafverfolgung weiterzuleiten.
Begründung:
Zu Buchstabe a:
Sofern der Aufgabenzuschnitt des BKA eine Filterfunktion der Zentralstelle nicht umfassen sollte, erscheint dies überprüfungsbedürftig.
Mit der Implementierung der Meldepflicht für Plattformbetreiber soll verhindert werden, dass strafbare Inhalte im Netz gelöscht und damit der strafrechtlichen Würdigung und gegebenenfalls Verfolgung entzogen werden. Die Meldung ist keine Strafanzeige, denn sie enthält kein eigenes Prüfungsbegehren des Plattformbetreibers. Sie erfolgt gleichsam "neutral" in Erfüllung einer dem Plattformbetreiber auferlegten gesetzlichen Pflicht.
Auch in der analogen Welt übermittelt die Polizei nicht sämtliche ihr zugetragenen Erkenntnisse ungefiltert der Staatsanwaltschaft. Zur Übernahme laienhafter rechtlicher Bewertungen verpflichtet sie auch das Legalitätsprinzip nicht, solange keine Strafanzeige erstattet wird und zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat nicht erkennbar sind. Die Vorlage aller Meldungen zur Bewertung an eine Staatsanwaltschaft - ungeachtet ihres Inhalts - hätte deshalb eine Vertiefung des Eingriffs in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung der Nutzer zur Folge, die mangels Erforderlichkeit auch datenschutzrechtlich bedenklich ist. Im Vergleich zur analogen Welt, in der der Informationsfluss nur in den Grenzen des Erforderlichen erfolgt, führte dies zu einer Überregulierung der Netzkommunikation.
Schließlich spricht auch der Gesetzentwurf selbst davon, dass die Meldepflicht den Zweck verfolge, den zuständigen Behörden die Verfolgung etwaiger Straftaten zu "ermöglichen" (§ 3a Absatz 2 NetzDG-E). Hierfür spricht auch die Regelung in § 1 Absatz 4 NetzDG-E, wonach eine Beschwerde über einen rechtswidrigen Inhalt durch das Begehren seiner Entfernung oder der Sperrung des Zugangs zu ihm charakterisiert ist. Folgerichtig sieht § 2 Absatz 2 Nummer 5 NetzDG-E vor, dass die Netzbetreiber die Beschwerdeführer künftig gesondert auf die Möglichkeit einer Strafanzeige hinzuweisen haben.
Zu Buchstabe b:
Der Gesetzentwurf enthält keine eindeutige Bestimmung, welche Aufgaben das BKA als Zentralstelle wahrnehmen soll, wenn es nach § 3a Absatz 2 NetzDG-E die Meldungen der Netzwerkanbieter entgegen genommen hat.
§ 3a Absatz 2 NetzDG-E sieht hierzu lediglich vor, dass die Übermittlung der Meldungen an die Zentralstelle zum Zwecke der "Ermöglichung der Verfolgung von Straftaten" erfolgt. Auch unter Berücksichtigung der Begründung des Gesetzentwurfs ergibt sich daraus keine eindeutige Aufgabenbeschreibung.
Einerseits wird ausgeführt (vgl. BR-Drucksache 087/20 (PDF), Seite 12), dass die Meldungen von der Zentralstelle im BKA "...nach Feststellung der zuständigen Strafverfolgungsbehörde im Rahmen der Zentralstellenfunktion des BKA an die örtlich zuständige Ermittlungsbehörde zur Strafverfolgung übermittelt werden. Die Tätigkeit des BKA im Rahmen der Zentralstellenfunktion zur Unterstützung bei der Verfolgung von Straftaten beschränkt sich im Hinblick auf das vorliegende Verfahren auf die Maßnahmen, die erforderlich sind, um die zuständige Strafverfolgungsbehörde auf Landesebene festzustellen. Das BKA übernimmt insoweit selber keine Strafverfolgung."
Danach käme der Zentralstelle die Aufgabe zu, mit den erforderlichen Maßnahmen die örtlich zuständige Ermittlungsbehörde zu bestimmen. Andererseits geht der Gesetzentwurf aber davon aus (vgl. BR-Drucksache 087/20 (PDF), Seite 14), dass das BKA "...nach Einschätzung, ob es sich um einen strafbaren Inhalt handelt, die beim sozialen Netzwerk gespeicherten Daten, soweit sie zur Identifizierung des Verfassers erforderlich sind, anfordern und diese Daten der zuständigen Strafverfolgungsbehörde in den Ländern übermitteln (soll)".
Diese Maßnahmen soll das BKA demnach lediglich in den Fällen ergreifen, in denen nach einer dortigen Prüfung strafrechtliche Relevanz besteht, um die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft festzustellen. In den übrigen Fällen bleibt offen, wie - und auch ob - eine zuständige Strafverfolgungsbehörde in den Ländern bestimmen wird.
Nach dem Gesetzentwurf ist es folglich nicht ausgeschlossen, dass das BKA bei der Auswertung der Meldungen eine Filterfunktion wahrnimmt und nur die nach dortiger Bewertung strafrechtlich relevanten Inhalte an die Strafverfolgungsbehörden weiterleitet. Dies findet Bestätigung in den zur Kostenbemessung zugrunde gelegten prognostizierten Verfahrenszahlen. Der Gesetzentwurf geht von 250 000 Meldungen, jedoch nur rund 150 000 neuen Ermittlungsverfahren jährlich aus, "da sich nicht nach allen Meldungen Ermittlungsverfahren anschließen werden" (vgl. BR-Drucksache 087/20 (PDF), Seite 30). In den Berechnungen des zusätzlichen Personalbedarfs bleiben die übrigen 100 000 Meldungen unberücksichtigt. Danach dürfte davon auszugehen sein, dass sie auch nicht als Anzeigesachen einen beachtlichen zusätzlichen Erfüllungsaufwand bei den Strafverfolgungsbehörden verursachen, sondern von der Zentralstelle eigenständig und abschließend bearbeitet werden. Hierfür sprechen auch die weiteren Ausführungen zu den Kosten im Gesetzentwurf (vgl. BR-Drucksache 087/20 (PDF), Seite 30):
"Durch das BKA werden im Rahmen der Zentralstellentätigkeit die Inhalte unter anderem auf ihre strafrechtliche Relevanz und die Aktualität der IP-Adresse geprüft. Hierdurch wird sich die Zahl der Meldungen, in denen bei den Staatsanwaltschaften Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, reduzieren."
16. Zu Artikel 5 Nummer 1 (§ 14 Absatz 2 TMG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, inwieweit der Begriff der "zuständigen Stelle" in § 14 Absatz 2 TMG konkreter gefasst werden kann.
Begründung:
Die Formulierung in § 14 Absatz 2 TMG-E erscheint unabhängig von den vorgesehenen Änderungen klarstellungsbedürftig, soweit Auskünfte zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum betroffen sind.
§ 14 Absatz 2 TMG und ebenso § 14 Absatz 2 TMG-E erlauben es Diensteanbietern, Auskunft über Bestandsdaten zu erteilen, soweit dies zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum erforderlich ist.
Die Erteilung dieser Auskunft setzt jedoch nach dem Wortlaut der Vorschrift eine "Anordnung der zuständigen Stellen" voraus. Bei Auskünften zur Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum stellt sich die Frage, wer diese "zuständigen Stellen" sein sollen.
In den einschlägigen Kommentierungen wird die Formulierung als "unpassend" (vgl. Hullen/Roggenkamp in: Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, § 14 TMG, Rn. 24) und "unklar" (vgl. Beck TMG/Dix, 1. Auflage 2013, TMG § 14 Rn. 54) kritisiert. Teilweise wird dabei vertreten, dass auch Private "zuständige Stellen" im Sinne von § 14 Absatz 2 TMG sein und eine Auskunftserteilung gegenüber dem Diensteanbieter "anordnen" können (vgl. Hullen/Roggenkamp in: Plath, DSGVO/BDSG, 3. Aufl. 2018, § 14 TMG, Rn. 24). Überwiegend wird dagegen davon ausgegangen, dass lediglich öffentliche Stellen "zuständige Stellen" im Sinne von § 14 Absatz 2 TMG sein können (vgl. Beck TMG/Dix, 1 Auflage 2013, TMG § 14 Rn. 54; Hanno Schmücker in: Paschke/Berlit/Meyer, Hamburger Kommentar Gesamtes Medienrecht, 3 Auflage 2016, 53. Abschnitt : Rechtsfragen der Internetplattformen, Rn. 84, 86; Eßer/Kramer/von Lewinski: Auernhammer DSGVO/BDSG, 5 Auflage 2017, § 14 TMG Rn. 21; Heckmann in: Heckmann, jurisPK-Internetrecht, 5. Auflage 2017, Kap. 9, Rn. 395).
Im Normtext sollte eine Klarstellung erfolgen, zumal der Anwendungsbereich von § 14 Absatz 2 TMG-E auf die Durchsetzung der Rechte am geistigen Eigentum begrenzt werden soll.
17. Zu Artikel 5 Nummer 2 (§ 15a Absatz 1 Satz 2, § 15b TMG)
Artikel 5 Nummer 2 ist wie folgt zu ändern:
- a) In § 15a Absatz 1 Satz 2 ist das Wort "nicht" durch das Wort "auch" zu ersetzen.
- b) § 15b ist zu streichen.
Folgeänderung:
Artikel 5 ist wie folgt zu ändern:
- a) In Nummer 2 sind im Änderungsbefehl die Wörter "werden die folgenden §§ 15a und 15b" durch die Wörter "wird folgender § 15a" zu ersetzen.
- b) Nummer 3 ist zu streichen.
Begründung:
Das in § 15a Absatz 1 Satz 2 und § 15b TMG-E vorgesehene Auskunftsverfahren bei Passwörtern und anderen Zugangsdaten steht im Widerspruch zur namensgebenden Zielsetzung des Gesetzentwurfs, den Rechtsextremismus und die Hasskriminalität zu bekämpfen, da die nach derzeitiger Rechtslage geltenden Voraussetzungen für solche Auskünfte nicht erleichtert, sondern im Gegenteil drastisch erhöht werden, indem künftig das Auskunftsverfahren nur noch unter den hohen Hürden zugelassen wird, wie sie für eine technische Wohnraumüberwachung oder eine Online-Durchsuchung gelten.
Wie die Begründung des Gesetzentwurfs im Ausgangspunkt zutreffend ausführt, haben die von den Betroffenen von Hasskriminalität, zu denen insbesondere auch Repräsentanten des Staates und Politiker gehören, die berechtigte Erwartung, dass der Staat zu ihrem Schutz tätig wird und sie den Bedrohungen in sozialen Netzwerken nicht reaktionslos ausgesetzt sind (vgl. BR-Drucksache 087/20 (PDF) Seite 14). Für eine effektive Sanktionierung ist es unverzichtbar, dass die Ermittlungsbehörden über die relevanten Inhalte informiert werden und den Verfasser identifizieren können (vgl. BR-Drucksache 087/20 (PDF) Seite 12). Dazu bedarf es mitunter bestimmter Zugangsdaten, die erst den Zugriff auf ein Endgerät oder eine Speichereinrichtung (Cloud) eröffnen.
Nach geltender Rechtslage gehören Passwörter und andere Zugangsdaten zu den Bestandsdaten im Sinne von § 14 Absatz 1 TMG (vergleiche Polenz, in: Kilian/Heussen, Computerrechts-Handbuch, Stand 34. Ergänzungslieferung Mai 2018, Teil 13: Telekommunikation und Telemedien Randnummer 20 [mit weiteren Nachweisen]). Das BVerfG hat diese Zuordnung für das parallele Auskunftsverfahren nach § 113 Absatz 1 Satz 2 TKG ausdrücklich gebilligt und die insoweit geltenden verfassungsrechtlichen Anforderungen wie folgt formuliert:
"Erforderlich für eine effektive Strafverfolgung und Gefahrenabwehr ist lediglich, die Auskunftserteilung über solche Zugangssicherungen an diejenigen Voraussetzungen zu binden, die bezogen auf den in der Abfragesituation damit konkret erstrebten Nutzungszweck zu erfüllen sind" (Entscheidungssammlung des BVerfG Band 130, Seite 151, hier Seite 209). Zugleich hat das BVerfG aber auch klargestellt:
"Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet allerdings auch nicht umgekehrt, die Erhebung der Zugangscodes ausnahmslos unter die Voraussetzungen zu stellen, die für deren eingriffsintensivste ("maximale") Nutzungsmöglichkeit gegeben sein müssen".
Genau von dieser "maximalen" Nutzungsmöglichkeit geht jedoch der Gesetzentwurf aus, indem er für die Auskunft über Zugangsdaten an die Voraussetzungen der Online-Durchsuchung knüpft (vergleiche BR-Drucksache 087/20 (PDF) Seite 42 f.). Soweit die Entwurfsbegründung die gegenüber der Beauskunftung von Zugangsdaten nach dem TKG "deutlich eingeschränkt[e]" Auskunft nach § 15b TMG-E mit einer höheren "Missbrauchsgefahr" rechtfertigen will, überzeugt dies nicht: Es gibt keinen Anlass, den Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden mit besonderem Misstrauen zu begegnen (vergleiche auch Masing Zeitschrift für das gesamte Sicherheitsrecht 2018, Seite 7). Die von der Begründung unterstellte "Missbrauchsgefahr" steht im Widerspruch zur besonderen beamtenrechtlichen Treuepflicht, die entsprechend der verfassungsrechtlichen Bindung der Exekutive an Recht und Gesetz ( Artikel 20 Absatz 3 des Grundgesetzes) die volle persönliche Verantwortung der Beamtinnen und Beamten für die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen umfasst (§ 36 Absatz 1 BeamtStG). Die Begründung des Gesetzentwurfs bleibt demgegenüber mit der Begründung, bei Telemediendienste scheine die Missbrauchsgefahr höher als bei Telekommunikationsdiensten, "weil diese so vielgestaltig sind" (BR-Drucksache 087/20 (PDF) Seite 42), unklar. Warum die Vielgestaltigkeit der Telemediendienste eine besondere Missbrauchsgefahr durch Beamte von Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden begründet, erhellt sich nicht. Obwohl entsprechende Auskunftsbefugnisse bereits seit dem Terrorismusbekämpfungsergänzungsgesetz vom 5. Januar 2007 (BGBl. I Seite 2) bestehen, sind aus der Praxis keine Fälle eines "Missbrauchs" bekannt geworden.
18. Zu Artikel 6 Nummer 1 Buchstabe a1 - neu - (§ 1 Absatz 1 Satz 1 NetzDG), Buchstabe b (§ 1 Absatz 2 NetzDG), Nummer 1a - neu - (§ 2 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Nummer 1, 8 NetzDG), Nummer 2 (§ 3 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Nummer 2, 3,Absatz 4 Satz 1, 3, Absatz 6 Nummer 3, 5, Absatz 9 NetzDG), Nummer 3a - neu - (§ 3b - neu - NetzDG), Nummer 4 (§ 4 Absatz 1a - neu - NetzDG), Nummer 5 - neu - (§ 5 Absatz 1 NetzDG), Nummer 6 - neu - (§ 6 Absatz 1, 2 Satz 2, Absatz 3 - neu - NetzDG)*
Artikel 6 ist wie folgt zu ändern:
a) In Absatz 1 Satz 1 werden nach dem Wort "Netzwerks" die Wörter "und der Anbieter einer Spieleplattform" eingefügt und das Wort "muss" durch das Wort "müssen" ersetzt.
b) Absatz 2 wird wie folgt geändert:
- aa) Nach dem Wort "Netzwerks" werden die Wörter "oder der Anbieter einer Spieleplattform" angefügt.
- bb) In Nummer 2 werden nach dem Wort "Netzwerk" die Wörter "oder die Spieleplattform" eingefügt.
- cc) Nummer 3 wird wie folgt geändert:
- aaa) In Buchstabe a werden die Wörter "das soziale Netzwerk kann" durch die Wörter "das soziale Netzwerk und die Spieleplattform können" ersetzt.
- bbb) In Buchstabe b werden nach dem Wort "Netzwerk" die Wörter "oder die Spieleplattform" eingefügt.
- dd In Nummer 5 ...
< weiter wie Vorlage >
c) Absatz 4 wird wie folgt geändert:
- aa) In Satz 1 werden nach dem Wort "Netzwerks" die Wörter "oder der Leitung der Spieleplattform" eingefügt.
- bb In Satz 3 werden nach dem Wort "Netzwerks" die Wörter "und der Leitung der Spieleplattform" eingefügt.
d) Absatz 6 wird wie folgt geändert:
- aa) In Nummer 3 werden nach dem Wort "Netzwerke" die Wörter "und der Spieleplattformen" eingefügt.
- bb) Nummer 5 wird wie folgt gefasst:
"5. die Einrichtung von mehreren Anbietern sozialer Netzwerke, Anbietern von Spieleplattformen oder Institutionen getragen wird, die eine sachgerechte Ausstattung sicherstellen. Außerdem muss sie für den Beitritt weiterer Anbieter insbesondere sozialer Netzwerke oder Anbieter von Spieleplattformen offenstehen."
e) In Absatz 9 werden nach dem Wort "Netzwerken" die Wörter "oder für einen Anbieter von Spieleplattformen" eingefügt."
d) Nummer 3 ist wie folgt zu fassen:
"3. Nach § 3 werden folgende §§ 3a und 3b eingefügt:
" § 3a...
< weiter wie Vorlage >
" § 3b Identifizierungspflicht
(1) Anbieter sozialer Netzwerke und Anbieter von Spieleplattformen sind verpflichtet, die Nutzer bei der Registrierung zu identifizieren. Bei der Identifizierung haben die Anbieter sozialer Netzwerke und die Anbieter von Spieleplattformen folgende Angaben zu erheben:
- 1. den Namen und die Anschrift des Nutzers sowie
- 2. bei natürlichen Personen deren Geburtsdatum.
(2) Die Identifizierung hat in den Fällen des Absatzes 1 Satz 2 bei natürlichen Personen zu erfolgen anhand
- 1. eines gültigen amtlichen Ausweises, der ein Lichtbild des Inhabers enthält und mit dem die Pass- und Ausweispflicht im Inland erfüllt wird, insbesondere anhand eines inländischen oder nach ausländerrechtlichen Bestimmungen anerkannten oder zugelassenen Passes, Personalausweises oder Pass- oder Ausweisersatzes,
- 2. eines elektronischen Identitätsnachweises nach § 18 des Personalausweisgesetzes, nach § 12 des eID-Karte-Gesetzes oder nach § 78 Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes,
- 3. einer qualifizierten elektronischen Signatur nach Artikel 3 Nummer 12 der Verordnung (EU) Nummer 910/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt und zur Aufhebung der Richtlinie 1999/93/EG (ABl. L 257 vom 28.8.2014, Seite 73) oder
- 4. eines nach Artikel 8 Absatz 2 Buchstabe c in Verbindung mit Artikel 9 der Verordnung (EU) Nummer 910/2014 notifizierten elektronischen Identifizierungssystems.
Im Fall der Identitätsüberprüfung anhand einer qualifizierten elektronischen Signatur gemäß Satz 1 Nummer 3 hat der Anbieter des sozialen Netzwerks oder der Anbieter einer Spieleplattform eine Validierung der qualifizierten elektronischen Signatur nach Artikel 32 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nummer 910/2014 vorzunehmen. Die Überprüfung kann auch durch andere geeignete Verfahren erfolgen; das Bundesamt der Justiz legt nach Anhörung der betroffenen Kreise durch Verfügung im Amtsblatt fest, welche anderen Verfahren zur Überprüfung geeignet sind, wobei jeweils zum Zwecke der Identifikation ein Dokument im Sinne des Satzes 1 genutzt werden muss." "
e) Nummer 4 ist wie folgt zu fassen:
"4. § 4 Absatz 1 wird wie folgt geändert:
f) Folgende Nummern sind anzufügen:
"5. In § 5 Absatz 1 Satz 1 werden nach dem Wort "Netzwerke" die Wörter "und Anbieter von Spieleplattformen" eingefügt.
6. § 6 wird wie folgt geändert:
- a) Absatz 1 wird wie folgt gefasst:
(1) Der Bericht nach § 2 wird für Anbieter von Spieleplattformen erstmals [erstes abgeschlossenes Halbjahr nach Inkrafttreten] fällig."
- b) In Absatz 2 Satz 2 werden die Wörter "Erfüllt der Anbieter" durch die Wörter "Erfüllen der Anbieter eines sozialen Netzwerkes und der Anbieter einer Spieleplattform" ersetzt.
- c) Folgender Absatz wird angefügt:
(3) Bezüglich ihrer bei Inkrafttreten dieses Gesetzes angemeldeten Nutzer müssen die Anbieter sozialer Netzwerke und die Anbieter von Spieleplattformen die Pflicht zur Identifikation nach § 3b erst [zwei Jahre nach Inkrafttreten] erfüllen." "
Begründung:
Das Internet wird zunehmend zur Verbreitung von Hass und Hetze benutzt. Diese Hasskriminalität gefährdet das friedliche Zusammenleben einer freien, offenen und demokratischen Gesellschaft.
Hasskriminalität taucht hierbei nicht nur in sozialen Netzwerken auf, sondern auch auf Spieleplattformen, insbesondere im Zusammenhang mit der Nutzung der Messenger-Funktionen. Daher müssen Meldungen nach § 2 NetzDG bzw. Löschungen von rechtswidrigen Inhalten auch durch Anbieter von Spieleplattformen durchgeführt werden und nicht, wie im NetzDG bislang vorgesehen, nur von Anbietern sozialer Medien. Diese Gesetzeslücke sollte insbesondere vor dem Hintergrund der rasant steigenden Beliebtheit der Spieleplattformen daher umgehend geschlossen werden.
Durch die Erweiterung des Anwendungsbereichs des NetzDG, von welchem bisher nur Anbieter sozialer Netzwerke erfasst sind, auch auf Anbieter von Spieleplattformen, wird eine umfassendere Möglichkeit zur Bekämpfung der Hasskriminalität geschaffen, da so an verschiedenen Orten im Internet gegen die Täterinnen und Täter vorgegangen werden kann.
Zudem hat derzeit jede das Internet nutzende Person die Möglichkeit, sich in sozialen Netzwerken und Spieleplattformen weitgehend anonym zu bewegen, sofern der Anbieter nicht zu eigenen geschäftlichen Zwecken persönliche Daten erhebt und verifiziert. Es ist deshalb sowohl für die Gefahrenabwehrbehörden als auch die Strafverfolgungsbehörden schwer nachzuvollziehen, wer welches Posting zu verantworten hat. Die Anonymität führt dazu, dass die Hemmschwelle herabgesetzt ist, Äußerungen zu tätigen, die vermutlich ohne die Anonymität nicht abgeben würden und die daher oftmals einen strafrechtlichen Inhalt haben, da die Nutzerinnen und Nutzer oftmals keine Konsequenzen zu befürchten haben. So wird das Internet als eine Art rechtsfreier Raum wahrgenommen.
Mithilfe der im vorgeschlagenen § 3b Absatz 1 NetzDG eingeführten Pflicht für Anbieter sozialer Netzwerke und für Anbieter von Spieleplattformen, die Nutzerinnen und Nutzer bei der Registrierung durch Erhebung von Name und Anschrift sowie bei natürlichen Personen von deren Geburtsdatum zu identifizieren, wird die Identifizierbarkeit der Täterinnen und Täter beschleunigt und so die Durchführung von Ermittlungen erleichtert. Eine Pflicht, Postings unter dem jeweiligen Klarnamen einzustellen, ist damit nicht verbunden.
Diese Identifizierungspflicht des hier vorgeschlagenen § 3b NetzDG - die neben die in § 3a NetzDG-E vorgesehene Meldepflicht treten soll - ist damit weitgehender als die in § 3a NetzDG-E vorgesehene bloße Meldepflicht von IP-Adresse und Portnummer und erleichtert die Strafverfolgung somit wesentlich stärker.
19. Zu Artikel 6 Nummer 2 (§ 3 Absatz 2 Nummer 5 NetzDG)*
Artikel 6 Nummer 2 ist wie folgt zu fassen:
"2. In § 3 Absatz 2 Nummer 5 werden nach dem Wort "begründet" ein Semikolon und die Wörter "dabei ist der Beschwerdeführer oder der von einem beanstandeten Inhalt Betroffene darauf hinzuweisen, dass gegen den Nutzer, für den der beanstandete Inhalt gespeichert wurde, Strafanzeige und erforderlichenfalls Strafantrag gestellt und auf welchen Internetseiten hierüber weitere Informationen erhalten werden können" eingefügt."
Begründung:
Die bisherige Formulierung des Gesetzentwurfs setzt voraus, dass der Beschwerdeführer zugleich derjenige ist, der von dem rechtswidrigen Inhalt betroffen ist. Nach den bisherigen Erfahrungen mit dem NetzDG ist dies jedoch oftmals nicht der Fall (so genannte "Third Party Complaints"). Diesem Umstand soll dadurch Rechnung getragen werden, dass neben dem Beschwerdeführer alternativ der von dem beanstandeten Inhalt Betroffene bzw. dessen Angehörige (im Fall der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener) über die Möglichkeiten der Strafanzeige und gegebenenfalls eines erforderlichen Strafantrags zu informieren sind.
20. Zu Artikel 6 Nummer 3 (§ 3a NetzDG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob das gemäß § 3a NetzDG vorgeschlagene Verfahren zur Einführung einer Meldepflicht für Anbieter sozialer Netzwerke an das Bundeskriminalamt zwingend notwendig und angemessen ist oder durch mildere Maßnahmen ersetzt werden kann.
Begründung:
Die Mitwirkung der Anbieter sozialer Netzwerke zu Zwecken der Strafverfolgung und die Bekämpfung von Kriminalität im Internet sind nachvollziehbare und sehr berechtigte Anliegen. Auf beiden Gebieten wurden in jüngerer Vergangenheit bereits deutliche Anstrengungen unternommen und wesentliche Verbesserungen erzielt, welche es bei der Frage, ob § 3a NetzDG erforderlich und angemessen ist oder durch mildere Maßnahmen modifiziert werden kann, in den Blick zu nehmen und zu berücksichtigen gilt.
Wie sich aus den Transparenzberichten der Anbieter sozialer Netzwerke ergibt, lieferten diese in der weit überwiegenden Zahl der Fälle Daten an Strafverfolgungsbehörden weltweit. Der Prozentsatz der Fälle, in denen Daten geliefert wurden, hat sich etwa bei Google im letzten Berichtszeitraum noch erhöht. Dass nicht alle Ersuchen positiv beschieden werden, liegt nicht zuletzt daran, dass nicht jeder Ersuchende eine ausreichende Legitimation erkennen lässt, oder dass mitunter auch gefälschte gerichtliche Verfügungen eingereicht werden. Es erscheint nachvollziehbar, wenn die Anbieter sozialer Netzwerke in solchen Fällen eine Datenübermittlung ablehnen, und geboten, dies beim Verständnis der in den Berichten angegebenen Prozentsätze zu berücksichtigen. In Bezug auf Deutschland ist den Berichten zu entnehmen, dass im Vergleich zu Ländern mit einer ähnlichen Bevölkerungszahl auffallend viele Auskunftsersuchen gestellt werden, die in den meisten Fällen in einer Herausgabe der angeforderten Daten resultieren. Dies kann als Beleg für die hohe Leistungsfähigkeit der deutschen Strafverfolgungsbehörden dienen, gibt aber zugleich zu bedenken, ob punktuelle, niederschwelligere Maßnahmen dem vorgeschlagenen Meldeverfahren vorzuziehen wären.
Durch die vorgeschlagene Meldepflicht an das Bundeskriminalamt würden private Unternehmen mit Hauptsitz auch und gerade außerhalb der Bundesrepublik Deutschland noch stärker in die Strafverfolgung eingebunden werden und mithin in einen Prozess, der eine ureigene staatliche Aufgabe darstellt. Auch in Anbetracht dessen sollte geprüft werden, ob dieses Verfahren durch andere Maßnahmen ersetzt oder modifiziert werden sollte, etwa in Richtung einer stärkeren und zu sanktionierenden Selbstkontrolle der Anbieter sozialer Netzwerke oder eines exakt definierten Auskunftsrechts der Strafverfolgungsbehörden gegenüber den Anbietern bei Verdachtsfällen.
Da Zuwiderhandlungen gegen ein unzureichend etabliertes Meldeverfahren bußgeldbewehrt sind, besteht die Gefahr, dass die Anbieter sozialer Netzwerke in Zweifelsfällen Daten tendenziell regelmäßig an das Bundeskriminalamt übermitteln würden, um einer Sanktionierung vorzubeugen. Auch diese Auswirkung sollte bei einer Überprüfung der Notwendigkeit des vorgesehenen Meldeverfahrens unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten berücksichtigt werden.
21. Zu Artikel 7 (Einschränkung eines Grundrechts)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob die Aufzählung grundrechtseinschränkender Vorschriften in Artikel 7 um Artikel 4 Nummer 2 und Artikel 6 Nummer 3 zu ergänzen ist, um dem Zitiergebot des Artikels 19 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes vollumfänglich Rechnung zu tragen.
Begründung:
Artikel 7 nennt das Fernmeldegeheimnis (Artikel 10 des Grundgesetzes) als eingeschränktes Grundrecht, weil durch die Änderung des § 100j StPO-E (Artikel 2 Nummer 3) und des § 15a Absatz 1 TMG-E (Artikel 5 Nummer 2) die Zuordnung dynamischer IP-Adressen ermöglicht wird und dies nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen zitierbedürftigen Eingriff in das genannte Grundrecht darstellt (vgl. Einzelbegründung zu Artikel 7). Die Zuordnung dynamischer IP-Adressen wird jedoch auch durch die Änderung des § 10 Absatz 2 BKAG-E (Artikel 4 Nummer 2) und durch § 3a Absatz 4 Nummer 2 NetzDG-E (Artikel 6 Nummer 3) ermöglicht.
Artikel 7 ist daher entsprechend zu ergänzen.
22. Zu Artikel 8 (Inkrafttreten)
In Artikel 8 sind Absatz 2 und 3 durch folgenden Absatz zu ersetzen:
(2) Artikel 6 Nummer 1 bis 4 tritt am ... [einsetzen: Datum des ersten Tages des zehnten auf die Verkündung folgenden Kalendermonats] in Kraft."
Begründung:
Das vorgesehene Meldeverfahren gemäß § 3a NetzDG erfordert auf Seiten der Anbieter sozialer Netzwerke weitreichende technische und organisatorische Maßnahmen (Implementierung einer Schnittstelle, Schulung des Personals, Vorbereitung auf Auskunftsverlangen durch das Bundeskriminalamt). Auch das Bundeskriminalamt muss mit zusätzlichem Personal ausgestattet werden, um die Meldungen der Anbieter sozialer Netzwerke bearbeiten zu können. Um den beiderseits erforderlichen Vorbereitungshandlungen angemessen Zeit einzuräumen, soll die Frist für das Inkrafttreten der Neuregelungen von vier bzw. sieben Monaten auf einheitlich zehn Monate verlängert werden.
B
23. Der Ausschuss für Kulturfragen empfiehlt dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.
* Artikel 6 Nummer 2 (§ 3 Absatz 2 Nummer 5 NetzDG) wird bei Annahme von Ziffer 18 und 19 redaktionell zusammengeführt.