Der Bundesrat hat in seiner 943. Sitzung am 18. März 2016 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 5 Buchstabe a - neu - (§ 45 Absatz 1 Sätze 2 2c - neu - SGB III)
In Artikel 1 ist Nummer 5 wie folgt zu fassen:
'5. § 45 wird wie folgt geändert:
- a) In Absatz 1 werden nach Satz 2 folgende Sätze eingefügt:
"Arbeitslose, die nicht über am Arbeitsmarkt verwertbare Sprachkenntnisse verfügen, können Sprachförderung erhalten. Das Förderangebot der §§ 43 bis 44a und 45a des Aufenthaltsgesetzes geht den Maßnahmen nach Satz 3 vor. Der Bund erstattet dem Träger, der die Leistung nach Satz 3 tatsächlich erbringt, die Kosten im notwendigen Umfang, höchstens aber im Umfang der Kosten, die bei Anwendung der §§ 43 bis 44a und 45a des Aufenthaltsgesetzes entstehen würden."
- b) Folgender Absatz 8 wird angefügt:
(8) Abweichend von ... <weiter wie Vorlage> ..."
Begründung:
Der Erwerb von ausreichenden Sprachkenntnissen ist die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft. Um erfolgreich zu sein, muss die Sprachförderung für Menschen mit guter Bleibeperspektive sehr schnell erfolgen. Der Leistungsträger muss in die Lage versetzt werden, auftretende Bedarfe zeitnah umzusetzen und gegebenenfalls aus dem Eingliederungstitel vorzufinanzieren.
Es ist bei einer Vielzahl der betroffenen Personen nicht ausgeschlossen, dass die im Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz vorgesehenen Sprachkursangebote nicht ausreichen, um die Betroffenen im Einzelfall zur Integration in den Arbeitsmarkt zu befähigen. Dem trägt die Änderung Rechnung, indem eine Klarstellung dahin erfolgt, dass eine solche Förderung möglich ist. Gleichzeitig wird der Vorrang der einschlägigen Leistungen nach dem Aufenthaltsgesetz bestätigt.
Weiterhin wird eine Regelung zur Kostenträgerschaft getroffen. Da es sich bei den Sprachkursen nicht um Versicherungsleistungen nach dem SGB III handelt und auch der betroffene Personenkreis, gerade Flüchtlinge, oftmals keinen Anspruch auf diese Versicherungsleistungen erworben hat, ist dies notwendig. Da die Leistung nur erbracht werden soll, wenn keine entsprechenden Angebote des Bundes vorhanden sind, ist im Umkehrschluss die Sprachförderung wiederum durch den Bund zu finanzieren.
Über § 16 SGB II entfaltet diese Änderung auch Gültigkeit im Rechtskreis der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Nach § 16 SGB II sind Leistungen aus dem Leistungskatalog des SGB III Ermessensleistungen. Über den Abschluss einer entsprechenden Eingliederungsvereinbarung zwischen Leistungsempfänger und Grundsicherungsträger ist für den einzelnen Maßnahmeteilnehmer die Verbindlichkeit einer Teilnahme gegeben.
2. Zu Artikel 1 Nummer 13 (§ 142 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 SGB II) Nummer 13a - neu - ( § 143 Absatz 1 SGB III)
Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
- a) Nummer 13 ist wie folgt zu fassen:
'13. § 142 wird wie folgt geändert:
- a) In Absatz 1 Satz 1 wird die Angabe "12 Monate" durch die Angabe "sechs Monate" ersetzt.
- b) Absatz 2 wird aufgehoben.'
- b) Nach Nummer 13 ist folgende Nummer 13a einzufügen:
- '13a. In § 143 Absatz 1 wird die Angabe "zwei Jahre" durch die Angabe "drei Jahre" ersetzt.'
Folgeänderung:
In Artikel 1 ist nach Nummer 13a - neu - folgende Nummer 13b einzufügen:
'13b. § 147 wird wie folgt geändert:
In Absatz 2 wird die Tabelle durch folgende Tabelle ersetzt:
nach Versicherungspflichtverhältnissen mit einer Dauer von insgesamt mindestens ... Monaten | und nach Vollendung des ... Lebensjahres | ... Monate |
6 | | 3 |
8 | | 4 |
10 | | 5 |
12 | | 6 |
16 | | 8 |
20 | | 10 |
24 | | 12 |
30 | 50. | 15 |
36 | 55. | 18 |
48 | 58. | 24 |
- b) Absatz 3 wird aufgehoben.
Begründung:
Die im Gesetzentwurf vorgesehenen Änderungen zur Stärkung des Versicherungsschutzes werden nicht dazu beitragen können, dass die Arbeitslosenversicherung ihre Funktion als primäre soziale Sicherung gegen Arbeitslosigkeit und Hilfebedürftigkeit wirksamer wahrnehmen kann. Um allen Zielen eines Gesetzes zur Stärkung der beruflichen Weiterbildung und des Versicherungsschutzes in der Arbeitslosenversicherung Rechnung zu tragen, bedarf es nicht nur einer weiteren Stärkung der beruflichen Weiterbildung, sondern auch einer Anpassung des Arbeitslosenversicherungssystems an veränderte Arbeitsmarktbedingungen.
Im Zuge des technologischen und qualifikatorischen Strukturwandels werden die Anforderungen an Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen weiter steigen. Während die Nachfrage nach qualifizierten und hochqualifizierten Fachkräften weiter zunimmt, schwinden die Chancen auf eine dauerhafte Erwerbsintegration Geringqualifizierter. Damit einhergehend führt die anhaltende
Erosion des sogenannten Normalarbeitsverhältnisses und der damit verbundene Anstieg atypischer Beschäftigungsverhältnisse seit einigen Jahren vermehrt zu fragmentierten Erwerbsverläufen, in denen die Arbeitslosenversicherung in der derzeitigen Form ihre Funktion als primäres soziales Netz für Arbeitslose immer weniger erfüllt. In Reaktion auf die veränderten Rahmenbedingungen ist eine Erweiterung des Versicherungsschutzes erforderlich.
Zu Buchstabe a:
Mit dieser Änderung wird die Anwartschaftszeit von zwölf auf sechs Monate verkürzt. In der Folge greift die Arbeitslosenversicherung auch für kurzfristig Beschäftigte, so dass eine befristete Sonderregelung, die in der Praxis kaum Anwendung findet (§ 142 Absatz 2), entbehrlich ist.
Zu Buchstabe b:
Infolge der Ausweitung der Rahmenfrist für den Anspruch auf Arbeitslosengeld von zwei auf drei Jahre wird der Versicherungsschutz vor allem von Personen mit instabilen Beschäftigungsverhältnissen, zum Beispiel wegen Befristung der Arbeitsverhältnisse, Saisonbeschäftigung oder Leiharbeit gestärkt.
Zur Folgeänderung:
Mit den Änderungen zu § 147 SGB III bleibt der Grundsatz des Verhältnisses zwischen Vorbeschäftigungszeit und Leistungsanspruch von zwei zu eins bestehen. Die Verkürzung der Anwartschaftszeit von zwölf auf sechs Monate hat zur Folge, dass zum Beispiel bei einer Vorbeschäftigungszeit von sechs Monaten ein Leistungsanspruch für die Dauer von drei Monaten entsteht.
3. Zu Artikel 1 Nummer 17 Buchstabe c - neu - (§ 180 Absatz 4 Satz 2 SGB III)
In Artikel 1 ist der Nummer 17 folgender Buchstabe c anzufügen:
Folgeänderung:
In Artikel 1 ist nach Nummer 11 folgende Nummer 11a einzufügen:
- '11a. § 131b wird aufgehoben.'
Begründung:
Die Ergänzung hat zum Ziel, den Fachkräftebedarf in den Gesundheits- und Pflegeberufen auch durch die Förderung der beruflichen Weiterbildung von Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern decken zu können, ohne dass, wie bisher in § 180 Absatz 4 Satz 2 SGB III grundsätzlich vorgesehen, das dritte Jahr - in der Regel - durch die Länder finanziert werden muss.
Die Ausbildungszeit darf bei den meisten Gesundheits- und Pflegeberufen im Interesse der Qualität der Ausbildung aufgrund europarechtlicher Regelungen, die in entsprechenden Bundes- und Landesgesetzen umgesetzt wurden, nicht verkürzt werden.
§ 180 Absatz 4 Satz 1 SGB III erklärt die Dauer einer Maßnahme jedoch nur dann für angemessen, wenn sie gegenüber einer entsprechenden Berufsausbildung um mindestens ein Drittel der Ausbildungszeit verkürzt ist. Die Regelung in § 180 Absatz 4 Satz 2 SGB III, dass für das dritte, von der Bundesagentur für Arbeit (BA) nicht finanzierte, Ausbildungsjahr bereits vor Beginn der Maßnahme eine Finanzierungszusage - in der Regel des Landes - gegeben werden muss, ist ein bürokratisches Erfordernis, das die berufliche Weiterbildung von Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern in Gesundheits- und Pflegeberufen stark bremst. Entsprechende Verpflichtungsermächtigungen für die Finanzierung im übernächsten Jahr stehen in den Haushalten der Länder in der Regel nicht zur Verfügung. Angesichts der Finanzsituation der Länder und des Fachkräftemangels in der Altenpflege wurde diese Regelung des § 180 SGB III deshalb mehrfach befristet außer Kraft gesetzt, auch im Rahmen der von der Bundesregierung ins Leben gerufenen "Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive Altenpflege" (durch § 131b SGB III, dessen Befristung zuletzt bis zum 31. Dezember 2017 verlängert wurde).
Die ständige Notwendigkeit zur Verlängerung dieser Ausnahmeregel schafft Planungsunsicherheit bei den Ausbildungsstätten und Schulen und ist deshalb ein völlig unzureichender Beitrag zur Reduzierung des Fachkräftemangels in den Gesundheits- und Pflegeberufen. Die Dauer einer beruflichen Weiterbildung, die aufgrund europarechtlicher und bundes- bzw. landesgesetzlicher Vorgaben nicht verkürzt werden darf, ist auch in nicht verkürzter Form "angemessen". Sie ist deshalb vollständig durch die BA zu finanzieren. Das erspart viel Bürokratie, erleichtert den Quereinstieg in die sehr aufnahmefähigen Gesundheits- und Pflegeberufe und leistet so einen wichtigen Beitrag zu den Zielen dieses Gesetzes, die Weiterbildungsbeteiligung zu steigern, die Durchlässigkeit für einen beruflichen Aufstieg zu erhöhen, die Teilhabe am Arbeitsleben und in der Gesellschaft zu verbessern sowie die Förderregelungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch aktuellen und zukünftigen Herausforderungen anzupassen. Im Zusammenhang mit den anderen in diesem Gesetz vorgesehen Änderungen könnte so außerdem zum Beispiel die Integration von Flüchtlingen in Pflege- und Gesundheitsberufe erheblich erleichtert werden.
Die Einfügung von Nummer 11a ist eine Folgeänderung zur Änderung des § 180 Absatz 4 Satz 2 SGB III, durch die die Notwendigkeit für § 131b SGB III entfällt.
4. Zu Artikel 1 Nummer 17 Buchstabe c - neu - (§ 180 Absatz 4 Satz 3 - neu - SGB III)
In Artikel 1 ist der Nummer 17 folgender Buchstabe c anzufügen:
- 'c) Dem Absatz 4 wird folgender Satz angefügt:
"Abweichend von den Sätzen 1 und 2 ist eine Vollzeitmaßnahme im Sinne des § 179 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 angemessen, wenn die berechtigte Person in den 24 Monaten vor Beginn der Maßnahme für mindestens 21 Monate hilfebedürftig im Sinne des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch war und keine Berufsausbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes abgeschlossen hat." '
Begründung:
Die bisherige Festlegung in § 180 Absatz 4 SGB III, wonach Maßnahmen, die zu einem Abschluss in einem anerkannten Ausbildungsberuf führen, nur gefördert werden, wenn sie gegenüber der regulären Berufsausbildung um ein Drittel verkürzt durchgeführt werden, soll als Grundsatz erhalten bleiben. Die zugrunde liegenden Erwägungen treffen auf Beschäftigte und Arbeitslose zu, die bereits über eine (erste) Berufsausbildung verfügen.
Sie sind hingegen nicht sachgerecht für Personen, die nach der Schulpflicht keine Berufsausbildung absolviert haben und im Langzeitleistungsbezug nach dem SGB II bleiben.
Nach geltender Rechtslage sind Auszubildende als Personenkreis aus dem Leistungsbezug gemäß § 7 Absatz 5 SGB II ausgeschlossen. Ab Beginn einer Ausbildung sind sie damit, trotz der Möglichkeit Berufsausbildungsbeihilfe und Leistungen gemäß § 27 SGB II zu beantragen, gegenüber denjenigen schlechter gestellt, die ausschließlich SGB II-Leistungen beziehen. Damit entfällt bisher gerade für Personen im Langzeitleistungsbezug die Motivation, eine Berufsausbildung anzutreten. Sobald Auszubildende im SGB II nicht mehr generell vom Leistungsbezug ausgeschlossen sind (vergleiche Entwurf eines Neunten Änderungsgesetzes SGB II - Rechtsvereinfachung), sollte im SGB III die Möglichkeit eröffnet werden, eine Berufsausbildung mit regulärer Laufzeit für Personen im Langzeitleistungsbezug ohne Berufsabschluss zu ermöglichen. Diese Zielgruppe kann erfahrungsgemäß eine verkürzte Ausbildung nicht erfolgreich abschließen.