c) Der Einzelbegründung zu Artikel 1 (Änderung des JGG) sind folgende Einzelbegründungen zu den Nummern 3 und 4 anzufügen:
"Zu Nummer 3 ( § 106 JGG)
Das in § 106 Abs. 3 Satz 1 JGG immer noch enthaltene grundsätzliche Verbot der Anordnung von Sicherungsverwahrung gegen Heranwachsende auch bei Anwendung des allgemeinen Strafrechts hat sich nicht bewährt. In der Praxis treten zwar selten, aber doch immer wieder Fälle auf, in denen heranwachsende Täter bereits schwerste oder eine so große Zahl von schweren Straftaten begangen haben, dass von gravierender Gefährlichkeit für die Allgemeinheit ausgegangen werden muss. Dass das Gesetz die Anordnung von Sicherungsverwahrung bei einem Heranwachsenden ausschließt, bei dem die Voraussetzungen des Erwachsenenstrafrechts vorliegen, kann nicht überzeugen. Der Gedanke, dass auf die Sicherungsverwahrung bei einem frühkriminellen Hangtäter nicht verzichtet werden kann (vgl. BGH, NStZ 1989, 67; NStZ-RR 2001, 13) trifft auf ihn ebenso zu wie auf einen über 21 Jahre alten Erwachsenen.
Die seit dem 1. April 2004 durch das Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften vom 27. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3007) normierte Lösung einer Vorbehaltssicherungsverwahrung, die sich an § 66a StGB anlehnt, aber keine vorbehaltlose Anordnung gemäß § 66 StGB zulässt, ist inkonsequent und wird dem Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung nicht gerecht.
Es besteht kein durchgreifender Grund dafür, dass gegen Heranwachsende, bei denen sämtliche Voraussetzungen des § 66 StGB vorliegen, (vorbehaltlose) Sicherungsverwahrung nicht angeordnet werden kann. Die zudem im Gesetz vorgesehene Begrenzung der Möglichkeit der Anordnung vorbehaltener Sicherungsverwahrung auf Fälle, in denen der Verurteilung eine der in § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB genannten Straftaten zu Grunde liegt, darüber hinaus das Opfer schwer geschädigt oder gefährdet worden ist, die Anlasstat mit einer Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren geahndet wurde und die Voraussetzungen bezüglich der Art der Tat auch hinsichtlich der erforderlichen Vortat(en) vorliegen, schränkt den Anwendungsbereich so massiv ein, dass damit nahezu kein Sicherheitsgewinn zu erzielen ist.
Notwendig bleibt auch die ersatzlose Streichung des § 106 Abs. 4 JGG, wie er durch das oben genannte Gesetz zum 1. April 2004 eingeführt worden ist: Danach kann das Gericht anordnen, dass bereits die Strafe in einer sozialtherapeutischen Anstalt zu vollziehen ist. Gegen den Fortbestand dieser Regelung spricht insbesondere, dass die Gerichte bei der Auswahl therapiegeeigneter Sexualstraftäter in der kurzen Zeitspanne einer Hauptverhandlung in der Regel überfordert wären. Die Belegung teurer Therapieplätze mit ungeeigneten Sexualstraftätern und eine Vergeudung wichtiger Behandlungsressourcen wären die Folge. Deshalb ist es weitaus sachgerechter, die Therapiegeeignetheit eines Sexualstraftäters nach einer gewissen Beobachtung im Justizvollzug durch erfahrene Vollzugstherapeuten beurteilen zu lassen. Auf diese Weise werden die Aussichten verbessert, dass eine Therapie auch zum Erfolg führt. Darüber hinaus wäre den Justizvollzugsanstalten die Entscheidung über die Rückverlegung von therapieunwilligen und therapieresistenten Gefangenen entzogen. Bis zur Herbeiführung einer gerichtlichen Entscheidung müsste der Gefangene weiterhin in der sozialtherapeutischen Einrichtung verbleiben, mit entsprechend negativen Auswirkungen auf das Behandlungsklima für die übrigen Gefangenen. Letztlich sind auch keine Gründe dafür ersichtlich, warum hier eine andere Beurteilung als bei Erwachsenen (vgl. § 9 StVollzG) geboten sein soll.
Der durch das Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23. Juli 2004 (BGBl. I S. 1838) neu eingeführte Absatz 5, der eine nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung bei Heranwachsenden ebenfalls nur unter den vorgenannten unzulänglichen Voraussetzungen des § 106 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 JGG ermöglicht, ist aufzuheben. Auch insoweit stellt der Entwurf die Gleichbehandlung aller nach allgemeinem Strafrecht Verurteilten sicher.
Als Folge dieser Gleichstellung bleibt auch für die in § 106 Abs. 6 JGG geregelte nachträgliche Sicherungsverwahrung nach Erledigterklärung einer Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus neben § 66b Abs. 3 StGB kein eigenständiger Anwendungsbereich.
§ 108 Abs. 3 JGG begründet die sachliche Zuständigkeit der Jugendkammer in Fällen, in denen die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zu erwarten ist. Auch durch die Einbeziehung der Heranwachsenden in die Regelungen des allgemeinen Strafrechts über die Sicherungsverwahrung soll sich an der Zuständigkeit der Jugendkammer nichts ändern. Es genügt insoweit, die Verweisung auf die aufzuhebenden Absätze 3 und 5 des § 106 JGG zu streichen."
d) Die Einzelbegründungen zu den Artikeln 3 und 4 sind wie folgt zu fassen:
"Zu Artikel 3 (Änderung der Strafprozessordnung)
§ 275a StPO regelt das Verfahren zur Entscheidung über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung. Durch die Streichung der Sonderregeln der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung für Heranwachsende, die nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt wurden, in § 106 Abs. 3 bis 6 JGG sind die entsprechenden Verweisungen im Verfahrensrecht zu streichen. Durch die Neueinführung einer nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung auch für nach Jugendstrafrecht Verurteilte ist ein entsprechender Verweis auf den neu geschaffenen § 7 Abs. 2 JGG-E erforderlich. Der Begriff der Freiheitsstrafe umfasst ebenso wie in anderen Vorschriften der StPO (vgl. § 112a Abs. 1) auch die Jugendstrafe. Das Verfahren ist in jedem Fall der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung in § 275a StPO in gleicher Weise geregelt.
Dies gilt auch für den wohl seltenen Ausnahmefall, dass über die Verhängung der nachträglichen Sicherungsverwahrung nach § 7 Abs. 2 JGG-E bei einem - zu diesem Zeitpunkt - Heranwachsenden zu entscheiden ist. Die Vorschriften über das Jugendstrafverfahren, § 109 JGG, sind nicht anzuwenden.
Insbesondere die Beteiligung der Jugendgerichtshilfe erscheint nicht geboten. Im Rahmen der nach § 275a Abs. 4 Satz 2 StPO einzuholenden Sachverständigengutachten werden Tatsachen im Sinne des § 38 Abs. 2 Satz 2 JGG über die Persönlichkeit, die Entwicklung und die Umwelt des Verurteilten ohnehin zu erheben sein. Bei einem Verurteilten, der die letzten fünf Jahre in Haft verbracht hat, wird die Jugendgerichtshilfe auch eher selten über aktuelle Informationen zu den vorgenannten Gesichtspunkten verfügen. Im Bedarfsfalle steht es dem Gericht aber auch frei, im Rahmen einer umfassenden Sachaufklärung auch einen Vertreter der Jugendgerichtshilfe zu hören.
Die mit Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung vom 23. Juli 2004 (BGBl. I S. 1838) neu eingefügten §§ 74f und 120a GVG regeln die sachliche Zuständigkeit der Gerichte für die Entscheidung über die im Urteil vorbehaltene und über die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung.
Auch insoweit sind die durch die Streichung des § 106 Abs. 5 und 6 JGG erforderlichen Anpassungen des Textes vorzunehmen.
Ferner ist durch die Aufnahme von Verweisungen auf den neuen § 7 Abs. 2 JGG-E sicherzustellen, dass auch im Falle der zu Jugendstrafe Verurteilten jeweils das Tatgericht für die Entscheidung der nachträglichen Anordnung der Sicherungsverwahrung zuständig ist. Hat das Jugendschöffengericht als Tatgericht entschieden, ist für die Anordnung der nachträglichen Sicherungsverwahrung die Jugendkammer zuständig. § 74f Abs. 2 GVG bewirkt lediglich eine Zuständigkeitsverlagerung vom Amts- auf das Landgericht, lässt aber die Zuordnung zum Jugendgericht unberührt.
Da gemäß § 102 JGG die Zuständigkeit der Oberlandesgerichte durch die Vorschriften des JGG nicht berührt wird, kann es auch vorkommen, dass ein Strafsenat gegen einen Jugendlichen als Tatgericht entscheidet. Daher ist auch in § 120a Abs. 1 GVG die Verweisung auf § 7 Abs. 2 JGG-E anstelle der aufgehobenen Absätze 5 und 6 des § 106 JGG aufzunehmen.