Der Bundesrat hat in seiner 822. Sitzung am 19. Mai 2006 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
A. Zur Vorlage allgemein
- 1. Der Bundesrat begrüßt die von der Kommission ergriffene Initiative zur erleichterten Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen. Ein solches Regelwerk ist grundsätzlich geeignet und notwendig, um die Geltendmachung und Durchsetzung von Unterhaltsansprüchen in der Gemeinschaft zu vereinfachen und zu beschleunigen. Der Bundesrat unterstützt ausdrücklich die Auffassung der Kommission, dass gerade in diesem Bereich Maßnahmen notwendig sind, die die internationale Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung, die Zusammenarbeit und die Beseitigung von Hindernissen für einen reibungslosen Verfahrensablauf betreffen. Die Zusammenfassung der Regelungen dieser einzelnen Bereiche in einer einzigen Verordnung ist daher zu befürworten.
- 2. Der Bundesrat weist jedoch darauf hin, dass der Verordnungsvorschlag nicht in allen Teilen durch eine entsprechende Gemeinschaftskompetenz gedeckt ist.
Nach Artikel 61 Buchstabe c EGV erlässt der Rat zum schrittweisen Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen nach Artikel 65 EGV.
Diese Normen bestimmen, dass die Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen mit grenzüberschreitenden Bezügen, die, soweit sie für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich sind, nach Artikel 67 zu treffen sind, unter anderem die Vollstreckung gerichtlicher und außergerichtlicher Entscheidungen in Zivilsachen sowie die Förderung der Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden Kollisionsnormen und Vorschriften zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten einschließen.
- 3. Nach Auffassung des Bundesrates dürften die in dem Verordnungsvorschlag vorgesehenen Bestimmungen zum anwendbaren Recht (Kapitel III des Verordnungsvorschlags) und zur Vollstreckbarkeit und Vollstreckung von Entscheidungen (Kapitel V bzw. Kapitel VI) bzw. öffentlichen Urkunden und Vereinbarungen (Kapitel VII) sowie zur Zusammenarbeit in grenzüberschreitenden Fällen (Kapitel VIII) eine ausreichende Stütze in diesem Kompetenztitel finden.
- 4. Keine kompetenzrechtlichen Einwände bestehen nach Auffassung des Bundesrates auch gegen Kapitel II des Verordnungsvorschlags, soweit dort die internationale Zuständigkeit der Gerichte in Unterhaltssachen geregelt bzw. flankierende Maßnahmen zur Durchsetzung der internationalen Zuständigkeit getroffen werden. Die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen gemäß Artikel 65 Buchstabe b EGV gestattet auch Vorschriften zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten.
Dazu gehören zweifellos Bestimmungen über die internationale Zuständigkeit, aber auch - von der Gemeinschaft bereits mehrfach, etwa in der Brüssel-I-Verordnung, mit vergleichbarem Inhalt verabschiedete - flankierende Bestimmungen zu ihrer Durchsetzung, weil diese ebenfalls erforderlich sind, um Kompetenzkonflikte zu vermeiden.
- 5. Der Bundesrat wird, soweit Bedenken gegen eine Kompetenz der EU bestehen, im Rahmen seiner Stellungnahme zu den einzelnen Artikeln auf diese Problematik vertieft eingehen. In diesem Zusammenhang nimmt der Bundesrat Bezug auf seine Stellungnahme vom 24. September 2004 zum Grünbuch der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über Unterhaltspflichten - BR-Drucksache 361/04(B) .
- 6. Der Bundesrat weist darauf hin, dass aus dem Verordnungsvorschlag nicht hinreichend deutlich hervorgeht, ob die Verordnung auch gelten soll, wenn ein Unterhaltspflichtiger die Herabsetzung des Unterhalts gerichtlich geltend machen will. Seine Position ist nicht weniger schutzwürdig als die des Unterhaltsberechtigten.
Wenn eine grundsätzlich unterhaltspflichtige Person z.B. durch Arbeitslosigkeit nicht mehr in der Lage ist, die gegen sie geltend gemachten und titulierten Unterhaltsansprüche zu befriedigen, muss sie die Möglichkeit haben sich gerichtlich dagegen zu wenden. Aus Gründen der prozessualen Waffengleichheit muss es auch dem Unterhaltspflichtigen möglich sein, sich auf die Regelungen der Verordnung zu berufen. Die Erwägungsgründe in Nummer 7 und 8 des Vorschlags sprechen dafür, dass die Verordnung nur im Falle der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen durch den Unterhaltsberechtigten gelten soll. Die Regelung des Artikels 8 könnte jedoch so interpretiert werden dass auch Unterhaltsabänderungsanträge des Unterhaltspflichtigen darunter fallen. Der Bundesrat fordert daher die Bundesregierung auf sich für eine entsprechende Änderung der Erwägungsgründe einzusetzen und auf eine Klarstellung hinzuwirken, ob auch diese Fallkonstellationen von der Verordnung geregelt werden sollen.
- 7. Der Bundesrat weist weiter darauf hin, dass in dem Entwurf einige missverständliche und unklare Begriffe gebraucht werden, die der Korrektur bedürfen.
Hierauf wird in den Stellungnahmen zu den einzelnen Artikeln eingegangen.
- 8. Es wird nachdrücklich bedauert, dass die Kommission diesem Verordnungsvorschlag keine Begründung zu den einzelnen Artikeln beigefügt hat, sondern sich auf eine allgemeine Einführung beschränkt hat. Dies wird der Komplexität der Materie nicht gerecht und dürfte die Anwendung der Verordnung in der gerichtlichen Praxis deutlich erschweren.
- 9. Der Bundesrat hat gegen die gewählte Rechtsform der Verordnung keine grundsätzlichen Bedenken, weil allein über die unmittelbar geltende Verordnung die notwendige Einheitlichkeit des Kollisionsrechts, der Gerichtsstände und des Vollstreckungsverfahrens gewährleistet werden kann. Soweit allerdings auch rein innerstaatliche Verfahren geregelt werden sollen, also insbesondere bei den Artikeln 3, 22 und 24, bestehen aber - unbeschadet der ohnehin fehlenden Ermächtigungsgrundlage - auch Bedenken gegen die gewählte Rechtsform. Wenn schon rein nationale Verfahren geregelt werden, muss dies jedenfalls aus Gründen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit in Form einer Richtlinie geschehen weil nur so den Mitgliedstaaten der erforderliche Spielraum bleibt, um die Vorgaben in das gewachsene System ihrer nationalen Zivilprozessordnungen umzusetzen.
- 10. Schließlich weist der Bundesrat noch auf die Gefahr der Inländerdiskriminierung hin: Soweit die Anwendung des Verordnungsvorschlags auf grenzüberschreitende Sachverhalte beschränkt ist, kann sich die Gefahr der Inländerdiskriminierung dadurch ergeben, dass die für nationale Sachverhalte geltenden Vorschriften des deutschen Rechts von den Regelungen der vorgeschlagenen Verordnung abweichen. Dies bezieht sich beispielsweise auf das in Artikel 26 Satz 2 des Verordnungsvorschlags vorgesehene Verbot, eine vorläufige Vollstreckung von der Erbringung einer Sicherheitsleistung abhängig zu machen.
Das deutsche Recht weist hier in den §§ 709, 711 und 708 Nr. 8 ZPO eine andersartige Regelungsstruktur auf. Entsprechend ist mit Blick auf Artikel 34 des Verordnungsvorschlags anzumerken, dass das ausländische Gericht nicht zwingend die Pfändungsschutzvorschriften der §§ 850 ff. ZPO zu beachten hat.
Der Bundesrat weist daher darauf hin, dass im Falle des In-Kraft-Tretens der Verordnung mit dem vorliegenden Inhalt eine entsprechende Anpassung des deutschen Zivilprozessrechts in Erwägung gezogen werden muss, um die Gefahr einer Inländerdiskriminierung zu vermeiden.
Zu den einzelnen Vorschriften:
11. Zu Artikel 1:
- - Der Bundesrat hält es für notwendig, den Begriff der Unterhaltsstreitigkeiten, der sehr weit und generalklauselartig gefasst wird, zu präzisieren. Es ist zweckmäßig, dass dieser Begriff auf die wichtigsten und in allen Gemeinschaftsstaaten anerkannten Fälle beschränkt wird, nämlich auf Ansprüche der Kinder gegen die Eltern, Ansprüche zwischen Ehegatten und gegebenenfalls auf Ansprüche, die aus eingetragenen Partnerschaften entstehen. Andernfalls besteht die Gefahr einer unterschiedlichen Interpretation des Anwendungsbereichs. Zudem spricht sich der Bundesrat dafür aus dass klargestellt wird, ob die Verordnung auch für Ansprüche Anwendung finden soll, die auf eine staatliche Stelle übergegangen sind, weil diese den Unterhaltsbedarf des Berechtigten sichergestellt hat.
- - Der Bundesrat kritisiert darüber hinaus, dass Artikel 1 keinerlei Regelungen hinsichtlich der Abänderung von Unterhaltstiteln enthält. Dies sollte noch in den Vorschlag aufgenommen werden.
12. Zu Artikel 2:
- - Der Bundesrat spricht sich aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit dafür aus, dass eine Begriffsdefinition der Unterhaltspflichten in die Verordnung aufgenommen wird. Denkbar wäre etwa eine generalklauselartige Definition wie "Unterhaltspflichten sind Leistungen des Schuldners, die den laufenden Unterhalt des Gläubigers sichern sollen und nicht der Vermögensbildung dienen" oder aber eine enumerative Aufzählung, welche Unterhaltspflichten erfasst sein sollen. Klargestellt werden sollte auch dass die Unterhaltspflicht auf Gesetz beruhen muss. Insoweit verweist der Bundesrat auf seine Stellungnahme vom 24. September 2004 - BR-Drucksache 361/04(B) - zu Frage 1 des Grünbuchs der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über Unterhaltspflichten.
- - Darüber hinaus regt der Bundesrat an, auch die in den nachfolgenden Normen gebrauchten Begriffe des "Antragstellers" und "Antragsgegners" sowie der "Parteien" entweder in Artikel 2 zu definieren oder die Diktion in diesen Normen zu vereinheitlichen. Beispielsweise wird im nachfolgenden Artikel 3 Buchstabe a und b der Begriff des "Antragsgegners" und der Begriff des "Unterhaltsberechtigten" gebraucht. Dies ist zumindest missverständlich: Auch der Unterhaltsberechtigte kann Antragsgegner sein, wenn der Unterhaltspflichtige einen Antrag auf Herabsetzung des Unterhalts stellt. Artikel 4 wiederum verwendet den Begriff der "Parteien", in Artikel 5 wird der Begriff "Antragsgegner" verwendet, in Artikel 9 werden die Begriffe des "Antragstellers" und des "Antragsgegners" gebraucht. Des Weiteren ist in Artikel 14 die Rede vom "Unterhaltsberechtigten" und vom "Unterhaltspflichtigen", die entsprechende Anträge stellen können. Schließlich wird in Artikel 17 Abs. 1 dem Begriff des "Unterhaltsberechtigten" der Begriff des "Anspruchsgegners" gegenübergestellt. Diese unterschiedlichen Begriffe sind nicht geeignet, eine einfache Handhabung der Verordnung in der gerichtlichen Praxis zu gewährleisten.
- - Der Bundesrat spricht sich dafür aus, dass bei den Begriffsbestimmungen in Artikel 2 auch der Prozessvergleich ausdrücklich Erwähnung findet. In Artikel 37 findet sich die Formulierung der "in einem Mitgliedstaat vollstreckbaren Vereinbarungen zwischen den Parteien". Im Hinblick auf die große Bedeutung des Unterhaltsvergleichs sollte dieser auch bei den Begriffsbestimmungen aufgeführt werden.
13. Zu Artikel 3:
- - Der Bundesrat hat erhebliche Bedenken, ob diese Norm von einer Ermächtigungsgrundlage gedeckt ist, soweit dort über die internationale Zuständigkeit hinaus offenbar auch die örtliche Zuständigkeit der Gerichte bei nationalen Streitigkeiten ohne jeden grenzüberschreitenden Bezug geregelt werden soll. Im Gegensatz zur Begründung des Verordnungsvorschlags und zu Erwägungsgrund 10, die von der internationalen Zuständigkeit sprechen, ergibt sich aus der Formulierung in Artikel 3 eine derartige Begrenzung auf die internationale Zuständigkeit gerade nicht. Vielmehr ist von der gerichtlichen Zuständigkeit "in den Mitgliedstaaten" die Rede, während bei einer Regelung der internationalen Zuständigkeit, etwa in den Artikeln 2 ff. der Brüssel-I-Verordnung, üblicherweise von der Zuständigkeit der Gerichte eines bestimmten Mitgliedstaats gesprochen wird. Insoweit fehlt es an einer ausreichenden Kompetenzgrundlage. Artikel 65 Buchstabe b EGV gestattet dem Gemeinschaftsgesetzgeber allein die Vermeidung von Kompetenzkonflikten zwischen den Gerichten verschiedener Mitgliedstaaten, so dass sich hierauf lediglich eine Regelung der örtlichen Zuständigkeit bei Fällen mit grenzüberschreitendem Bezug stützen lässt, nicht hingegen Vorgaben für die örtliche Zuständigkeit in rein innerstaatlichen Fällen. Insoweit fehlt es sowohl an dem für Artikel 65 EGV erforderlichen Kompetenzkonflikt als auch an dem dort ebenfalls vorausgesetzten grenzüberschreitenden Bezug sowie an der gleichfalls notwendigen Erforderlichkeit einer Regelung für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts. Der Bundesrat spricht sich daher dafür aus, Artikel 3 dahin gehend klarzustellen, dass er lediglich Fälle mit grenzüberschreitendem Bezug erfasst.
- - Der Bundesrat weist weiter darauf hin, dass sich mit Blick auf Abänderungsklagen dadurch dass Artikel 3 Buchstabe a auf den gewöhnlichen Aufenthalt des Antragsgegners und nicht des Unterhaltspflichtigen abstellt, Artikel 3 Buchstabe b aber an den gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten und nicht des Antragstellers anknüpft, zwei unterschiedliche Gerichtsstände bei einer Abänderungsklage des Unterhaltsberechtigten ergeben können.
14. Zu Artikel 4:
- - Der Bundesrat beurteilt die vorgesehene Möglichkeit des Abschlusses einer Gerichtsstandsvereinbarung sehr kritisch. Es besteht die Gefahr, dass der schwächere Vertragspartner der Wahl eines Gerichtes zustimmt, zu dem er einen schlechteren Zugang hat. Sollte eine Gerichtsstandsvereinbarung zulässig sein so ist diese nur akzeptabel, wenn dies mit einer entsprechenden rechtlichen Beratung - wie zum Beispiel im Rahmen einer notariellen Beurkundung
- - verbunden ist. Keinesfalls ausreichend ist die Schriftform. Beweisunsicherheiten und Unklarheiten in einem Unterhaltsprozess wären die Folge.
- - Lässt man eine Gerichtsstandsvereinbarung zu, so sollte diese nur eingeschränkt zulässig sein: Zulässig sollte nur die Vereinbarung der Zuständigkeit eines Gerichts sein, zu dem eine der Parteien einen sachlichen Bezugspunkt (z.B. Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt, Staatsangehörigkeit) hat. Darüber hinaus muss bei einer Gerichtsstandsvereinbarung auch gewährleistet sein dass eine Kohärenz mit dem anzuwendenden materiellen Recht besteht. Die Artikel 4, 13 und 14 sollten daher so ausgestaltet werden, dass gewährleistet wird, dass das Gericht, dessen Zuständigkeit vereinbart wurde, auch das lex fori anwenden kann. Es würde den Parteien eines Unterhaltsstreits keinen Vorteil bringen, wenn sie die Zuständigkeit eines Gerichts vereinbaren könnten, das eine ihm fremde Rechtsordnung anwenden müsste. Die gesetzliche Regelung sollte einen "Gleichlauf" zwischen gerichtlicher Zuständigkeit und dem anzuwendenden materiellen Recht gewährleisten.
- - Darüber hinaus regt der Bundesrat auch an, in Artikel 4 den - je nach Wahl des sachlichen Bezugspunkts - relevanten Zeitpunkt für maßgebliche Anknüpfungstatsachen festzulegen (Zeitpunkt des Wohnsitzes bei Abschluss der Gerichtsstandsvereinbarung oder Anhängigwerden des Rechtsstreits).
15. Zu Artikel 8:
Der Bundesrat spricht sich für eine Klarstellung dieser Vorschrift aus: Um das Missverständnis zu vermeiden, dass auch Verfahren verschiedener Personen miteinander in Zusammenhang stehen können (z.B. Verfahren über den Kindes- und Ehegattenunterhalt), sollte Artikel 8 Abs. 1 dahin gehend formuliert werden dass "Verfahren zwischen denselben Personen" vom Regelungsbereich erfasst werden.
16. Zu Artikel 13:
- - Der Bundesrat beurteilt die in Artikel 13 Abs. 2 Buchstabe b vorgesehene Wahlmöglichkeit des Unterhaltspflichtigen kritisch. Das bisher im Haager Unterhaltsübereinkommen und entsprechend in Artikel 18 EGBGB durch subsidiäre Anknüpfungen normierte Günstigkeitsprinzip betrifft den Fall, dass der Unterhaltsberechtigte nach den primär berufenen Rechtsordnungen keinen Unterhaltsanspruch geltend machen kann. Demgegenüber soll Artikel 13 Abs. 2 Buchstabe b dem Unterhaltsberechtigten, der bereits nach dem von Artikel 13 Abs. 1 primär anwendbaren Recht seines gewöhnlichen Aufenthalts einen Unterhaltsanspruch hat, die Möglichkeit einräumen, eine andere ihm wohlmöglich im Hinblick auf die Höhe oder zeitliche Befristung des Unterhalts günstigere Rechtsordnung zu wählen. Dafür ist keine Rechtfertigung erkennbar.
- - Der Bundesrat weist darauf hin, dass der vorliegende Verordnungsvorschlag keine Regelung für den Fall des Wechsels des gewöhnlichen Aufenthalts durch den Unterhaltsberechtigten enthält.
- - Schließlich spricht sich der Bundesrat dafür aus, eine dem Artikel 18 Abs. 5 EGBGB entsprechende Regelung aufzunehmen. Die in dieser Norm vorgesehene Anwendbarkeit des deutschen Rechts, wenn sowohl der Berechtigte als auch der Verpflichtete Deutsche sind und der Verpflichtete seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, beruht auf einem Vorbehalt der Bundesrepublik Deutschland zum Haager Unterhaltsübereinkommen. Ein solcher Vorbehalt dürfte nach wie vor angezeigt sein, da bei einem solch starken Inlandsbezug die Anwendung deutschen Rechts sachgerecht und für die inländische Gerichtsbarkeit praktikabler ist.
17. Zu Artikel 14:
Nach Auffassung des Bundesrates können Rechtswahlvereinbarungen wegen der häufigen Dominanz eines Partners im Unterhaltsrecht im Einzelfall problematisch sein. Lässt man eine an sachlichen Anknüpfungspunkten orientierte Rechtswahl zu, so dürfte es nicht ausreichend sein, dass die Ausübung des Wahlrechts durch bloße schriftliche Vereinbarung oder durch übereinstimmende Erklärung der Parteien gegenüber dem Gericht erfolgen kann. Es sollte gewährleistet sein, dass die Parteien vor dem Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung bzw. der Abgabe einer entsprechenden Erklärung gegenüber dem Gericht eine entsprechende unabhängige Beratung in Anspruch nehmen müssen.
Insbesondere sollte auch der Abschluss einer Vereinbarung, die nicht im Zusammenhang mit einer Trennung oder Scheidung erfolgt, von der vorangehenden notariellen Beurkundung abhängig gemacht werden. Dadurch könnte auf effektive Weise der Schutz eines schwächeren Vertragspartners gewährleistet und zugleich den Partnern die Möglichkeit eingeräumt werden, etwaige künftige unterhaltsrechtliche Probleme vorausschauend zu regeln.
18. Zu Artikel 15:
Der Bundesrat spricht sich dafür aus, dass Artikel 15 Abs. 2 gestrichen wird.
Die Anknüpfung an das Recht des Landes, zu dem die Eheschließung den engsten Bezug aufweist, erscheint als Fremdkörper unter den übrigen gewählten Anknüpfungspunkten. Es bleibt unklar, wie das Recht bestimmt werden soll, zu dem die Eheschließung den engsten Bezug aufweist. Angesichts der Vielzahl von Eheverträgen könnte man darunter sowohl den Ort der Eheschließung als auch die Rechtsordnung des Staates verstehen, dessen Staatsangehörigkeit die Ehegatten haben. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Subsidiarität sollte daher auf diese Regelung verzichtet werden. Der Bundesrat weist ergänzend darauf hin dass diese Bestimmung keine Entsprechung in dem gegenwärtigen Arbeitsentwurf der Haager Konferenz hat.
19. Zu den Artikeln 16 und 17:
Der Bundesrat begrüßt, dass durch den vorliegenden Verordnungsvorschlag nach Artikel 16 die Unterhaltsvorschussstellen als öffentliche Stellen nunmehr befugt sind, auf das Land übergegangene Unterhaltsansprüche nach dem Übereinkommen geltend zu machen. Zudem wird es nach Artikel 17 zukünftig auch bei der Geltendmachung von übergegangenen Unterhaltsansprüchen im Ausland unerheblich sein, ob ein Anspruchsübergang vor oder nach einer Titulierung eingetreten ist.
20. Zu Artikel 22:
- - Der Bundesrat weist darauf hin, dass auch Artikel 22 nicht in vollem Umfang durch eine Kompetenzgrundlage gedeckt sein dürfte. Die dort vorgesehenen Verfahrensregelungen zur Zustellung würden nach der derzeitigen Fassung auch für rein nationale Verfahren Geltung beanspruchen. Zwar gestattet Artikel 65 Buchstabe c EGV auch die Förderung der Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden zivilrechtlichen Verfahrensvorschriften, wenn dies zur Beseitigung der Hindernisse für eine reibungslose Abwicklung von Zivilverfahren erforderlich ist. Voraussetzung hierfür ist jedoch ein grenzüberschreitender Bezug. Dieser ist hier zwar insoweit gegeben als Bestimmungen über die Zustellung und die Voraussetzungen bzw. die Anfechtung einer Entscheidung ohne Einlassung des Antragsgegners dazu beitragen können, das für eine später eventuell in einem anderen Mitgliedstaat erforderliche Anerkennung und Vollstreckung unter Verzicht auf das Exequaturverfahren notwendige gegenseitige Vertrauen in das der Entscheidung zu Grunde liegende Verfahren herzustellen. Diese theoretische Möglichkeit einer später erforderlichen Anerkennung und Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat rechtfertigt es indessen nicht, zugleich auch die - eine große Mehrzahl der Fälle ausmachenden - Verfahren zu regeln, die rein innerstaatlich sind und es auch bleiben. Wie der Juristische Dienst des Rates bereits mehrfach festgestellt hat (vgl. Gutachten zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und Rates zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen vom 30. Juni 2005, Ratsdokument 10748/05), müssen die grenzüberschreitenden Bezüge tatsächlich und unmittelbar gegeben sein. Die Tatsache, dass ein innerstaatlicher Rechtsstreit zu einem späteren Zeitpunkt theoretisch grenzüberschreitende Folgen haben könnte, ist in diesem Zusammenhang nicht ausreichend. Der Anwendungsbereich der oben genannten Regelung muss daher auf Sachverhalte beschränkt werden, die von vornherein einen grenzüberschreitenden Bezug aufweisen.
- - Der Bundesrat weist weiter darauf hin, dass die Anforderungen an die Zustellung von verfahrenseinleitenden oder gleichwertigen Schriftstücken, soweit sie grenzüberschreitende Zustellungen betreffen, besser mit der hierfür an sich geltenden Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten abgestimmt werden sollten. Die in Artikel 22 vorgesehenen Regelungen sind teilweise strenger als die Vorschriften der Zustellungsverordnung, was dazu führt, dass bei grenzüberschreitenden Unterhaltsverfahren ein eigenes Zustellungsverfahren gilt - mit der Folge einer erheblichen zusätzlichen Belastung für die Praxis, ohne dass die Abweichungen zugleich im Interesse der Unterhaltsgläubiger notwendig wären. So sollte in der Verordnung weiterhin die Möglichkeit einer nach dem Recht der meisten Mitgliedstaaten zulässigen und in der Praxis häufigen Ersatzzustellung offen gehalten werden. Dementsprechend sollte bestimmt werden, dass es genügt, wenn ein Ersatzempfänger den Rückschein unterzeichnet.
- - Der Bundesrat regt weiter an klarzustellen, dass auch eine Unterzeichnung des Zustellungsnachweises durch den Postzusteller den Anforderungen genügt. Da es in vielen Mitgliedstaaten der Üblichkeit entspricht, dass der Zustellungsnachweis bei der Postzustellung nach Artikel 14 der Zustellungsverordnung nicht durch die zum Empfang berechtigte Person, sondern durch den Postzusteller unterzeichnet wird, könnte ansonsten der für die Praxis wichtige Weg der Postzustellung nach Artikel 14 der Zustellungsverordnung in Unterhaltssachen nicht mehr gewählt werden.
- - Darüber hinaus bittet der Bundesrat zu prüfen, ob es im Interesse größerer Übersichtlichkeit der Rechtsmaterie erwägenswert ist, in vollem Umfang auf die Zustellungsverordnung zu verweisen und in Artikel 22 lediglich unabdingbare Ausnahmen zu regeln.
- - Außerdem bittet der Bundesrat zu prüfen, ob in Artikel 22 auch die Zustellung gegen Postzustellungsurkunde und die Möglichkeit der Niederlegung vorgesehen werden sollten, da sich diese Zustellungsarten im deutschen Recht bewährt haben. Die demgegenüber vorgesehene Zustellung gegen Empfangsbestätigung ermöglicht es dem Empfänger, den Zugang und damit einen materiellrechtlich wesentlichen Zeitpunkt durch einfache Maßnahmen - wie z.B. bloße Untätigkeit oder Bestreiten des Empfangs - zu verzögern. Die persönliche Zustellung, bei der gegebenenfalls die unberechtigte Annahmeverweigerung dokumentiert wird, dürfte daher vielfach erforderlich werden und wegen häufigen Nichtantreffens des Adressaten zu einem erhöhten Arbeitsaufwand für Zusteller und Gerichte führen.
21. Zu Artikel 24:
- - Der Bundesrat hat zu dieser Regelung die gleichen kompetenzrechtlichen Bedenken wie zu Artikel 22.
- - Darüber hinaus bestehen folgende weitere rechtliche Bedenken:
- -- Der Erlass einer Entscheidung ist von vornherein nur dann gerechtfertigt, soweit der Klageantrag den geltend gemachten Unterhaltsanspruch rechtfertigt. Ist dies nicht der Fall, so darf keine entsprechende Entscheidung ergehen, auch wenn sich der Unterhaltspflichtige nicht auf den Antrag eingelassen hat. Diese Voraussetzung geht aus dem Wortlaut der Norm jedoch nicht hervor. Allein die Tatsache, dass sich nicht zweifelsfrei feststellen lässt, ob der Antragsgegner das verfahrenseinleitende Schriftstück erhalten hat, rechtfertigt noch nicht den Erlass einer entsprechenden Entscheidung.
- -- Darüber hinaus hat der Bundesrat gegen Artikel 24 Abs. 1 auch Bedenken im Hinblick auf das Erfordernis der Gewährung rechtlichen Gehörs. Ungewissheiten darüber, ob den Antragsgegner das verfahrenseinleitende Schriftstück erreicht hat oder nicht, sind gegebenenfalls vom Gericht von Amts wegen zu berücksichtigen und gegebenenfalls aufzuklären. Diese Ungewissheiten dürfen wegen der grundlegenden Bedeutung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs nicht zu Lasten des Antragsgegners gehen.
- -- Schließlich bittet der Bundesrat um Überprüfung, ob Artikel 24 Abs. 1 Buchstabe b an der systematisch richtigen Stelle steht: Die Antwort auf die Frage, ob der Antragsgegner infolge nicht zu vertretender außergewöhnlicher Umstände daran gehindert war, die Unterhaltsforderung zu bestreiten kann keine Voraussetzung für den Erlass einer Entscheidung sein. Die Frage, ob solche Umstände gegeben sind, stellt sich vielmehr erst im Rahmen eines entsprechenden Überprüfungsantrags. Hat das Gericht Kenntnis von den außergewöhnlichen, nicht zu vertretenden Umständen in der Person des Antragsgegners, so darf nach dem Grundsatz des fairen Verfahrens, des Justizgewährungsanspruchs und aus Gründen der Gewährung rechtlichen Gehörs keine Entscheidung ergehen. Diese Norm verstößt damit auch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil sie unter Missachtung der Verfahrensgrundrechte des Unterhaltspflichtigen dem geltend gemachten Unterhaltsanspruch und dessen Durchsetzung weit gehenden Vorrang einräumt.
- -- Ergänzend weist der Bundesrat noch darauf hin, dass nach Artikel 24 Abs. 3 ein Überprüfungsantrag zwingend die Aussetzung aller in einem Mitgliedstaat getroffenen Vollstreckungsmaßnahmen zur Folge hat, während Artikel 33 Buchstabe b zum Inhalt hat, dass in diesem Fall die Vollstreckung ganz oder teilweise ausgesetzt oder verweigert werden kann. Mit Rücksicht auf die schwache Stellung des Schuldners durch Wegfall des Exequaturverfahrens sollte auch in Artikel 33 Buchstabe b unmissverständlich klargestellt werden, dass in diesem Falle die Vollstreckungsmaßnahmen zwingend auszusetzen sind.
22. Zu Artikel 25:
Der Bundesrat weist darauf hin, dass Probleme bei solchen Titeln auftreten könnten die keinen numerisch bestimmten Unterhaltsbetrag aufweisen, sondern den zu zahlenden Unterhaltsbetrag nur nach abstrakten Merkmalen bestimmen.
Ein solcher Unterhaltstitel dürfte für die Vollstreckungsorgane des Vollstreckungsmitgliedstaats möglicherweise nicht ohne Weiteres verständlich sein.
Gegebenenfalls müsste daher der deutsche Gesetzgeber klarstellen, in welchen Fällen und wie die Bezifferung des zu vollstreckenden Betrags bei einem dynamischen Titel erfolgen soll.
23. Zu Artikel 26:
Der Bundesrat spricht sich für die Streichung dieser Vorschrift aus. Es ist zu beachten dass in den Fällen, in denen sich der Titelgläubiger im EU-Ausland befindet die Durchsetzung der Rückzahlung im Fall der Aufhebung mit gegenüber Inlandsfällen größeren Schwierigkeiten verbunden sein wird. Dies gilt insbesondere im Fall einer vorläufigen Vollstreckung von Rückständen, da das Geld für den Unterhalt regelmäßig verbraucht sein wird und die Rückzahlung im Fall der Aufhebung der Entscheidung unwahrscheinlich sein wird.
24. Zu Artikel 29:
- - Der Bundesrat spricht sich für eine Überarbeitung dieser Regelung aus. Es sollte auch im Rahmen dieser Verordnung einer Prüfung im Einzelfall nach den Kriterien der Richtlinie 2002/8/EG vom 27. Januar 2003 bedürfen, ob der Antragsteller auch im Rahmen der Vollstreckung Anspruch auf Gewährung von Prozesskostenhilfe hat.
- - Im Übrigen ist nicht klar, was es bedeuten soll, dass der Antragsteller hinsichtlich der Prozesskostenhilfe für das Vollstreckungsverfahren "die günstigste Behandlung, die das Recht des Vollstreckungsmitgliedstaats vorsieht", genießen soll. Sollte hiermit etwa gemeint sein, dass selbst bei Ratenanordnungen im Erkenntnisverfahren im nachfolgenden Vollstreckungsverfahren dem Antragsteller ratenfreie Prozesskostenhilfe zu gewähren wäre so lehnt der Bundesrat dies ab.
25. Zu Artikel 34:
- - Der Bundesrat lehnt die vorliegende Regelung ab. Diese gibt keine Antwort auf die Frage, ob und inwieweit Pfändungsschutzvorschriften - im deutschen Recht die §§ 850 ff. ZPO - von dem Erstgericht beachtet werden müssen und können. Die §§ 850 ff. ZPO enthalten einen Mindestschutz des Schuldners und sollten auch weiterhin, auch bei einer durch ein ausländisches Gericht angeordneten Pfändung, berücksichtigt werden. Wäre das nicht der Fall, würde bei einem rein inländischen Sachverhalt eine geringere Vollstreckung möglich sein als bei Vorliegen eines ausländischen Titels. Damit läge eine Inländerdiskriminierung vor. Auch die Kontensperrung durch ein ausländisches Gericht stellt einen bisher in keiner Verordnung vorgesehenen Eingriff in das Hoheitsrecht eines anderen Staats dar. Unter dem Gesichtspunkt der Wahrung des Verhältnismäßigkeits- und des Subsidiaritätsgrundsatzes ist es zweifelhaft, ob eine gemeinschaftsrechtliche Regelung hier möglich ist. Der Grundsatz der Territorialität bei Vollstreckungsmaßnahmen muss gewahrt bleiben, da es kein einheitliches europäisches Vollstreckungsrecht gibt.
- - Darüber hinaus weist der Bundesrat darauf hin, dass Artikel 34 keine Regelungen hinsichtlich der Voraussetzungen enthält, unter denen das Erstgericht eine entsprechende Anordnung erlassen kann. Es ist unklar, ob es ausreicht dass der Unterhaltsschuldner erklärt, er könne nicht zahlen, oder ob tatsächlich Unterhaltsrückstände vorliegen müssen.
26. Zu Artikel 35:
- - Der Bundesrat hat gegen den in Artikel 35 Abs. 2 Satz 1 vorgesehenen zwingenden Ausschluss der Gewährung rechtlichen Gehörs Bedenken. Es muss im pflichtgemäßen Ermessen des jeweiligen Gerichts stehen, ob und auf welche Weise es bereits unmittelbar nach der Stellung eines entsprechenden Anordnungsantrags rechtliches Gehör gewährt oder ob dieses erst später gewährt wird.
- - Unklar ist bei dieser Norm, in welchem Zeitpunkt ein entsprechender Antrag gestellt werden kann: Einerseits liegt die Auslegung nahe, dass bereits ein Gericht "in der Hauptsache" entschieden haben muss, bevor ein entsprechender Antrag gestellt werden kann. In Absatz 6 wird andererseits ausgeführt dass die Anordnung wirkungslos wird, "sobald eine Entscheidung in der Hauptsache" ergangen ist. Diese letztere Formulierung lässt vermuten dass bereits vor Erlass einer Hauptsacheentscheidung ein entsprechender Antrag gestellt werden kann. Der Bundesrat regt eine Klarstellung an.
- - Der Bundesrat merkt darüber hinaus an, dass in dieser Norm die Verpflichtung, dem Kreditinstitut von Amts wegen mitzuteilen, dass die Anordnung einer vorübergehenden Kontensperrung wirkungslos geworden ist, fehlt. Vorgesehen ist nur die Zustellung des Aufhebungsbeschlusses per Einschreiben mit Rückschein. Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung wird angeregt eine entsprechende Mitteilungspflicht der Gerichte aufzunehmen.
27. Zu Artikel 36:
Der Bundesrat merkt an, dass Artikel 36 den ausländischen Gläubiger deutlich besser stellt als § 850d ZPO den Inhaber eines deutschen Unterhaltstitels. Auch hier stellt sich insoweit das Problem der Inländerdiskriminierung. Auf die Stellungnahme zu Artikel 34 wird verwiesen.
28. Zu Artikel 40:
Der Bundesrat spricht sich dagegen aus, dass zur Erfüllung der in Satz 1 beschriebenen Aufgaben der Zentralen Behörden nach Satz 2 das Europäische Justizielle Netz für Zivil- und Handelssachen (EJN) genutzt werden soll. Das mit der Entscheidung 2001/470/EG vom 28. Mai 2001 eingerichtete Netz dient vornehmlich der Unterhaltung eines aktuellen Informationssystems für die Mitglieder des Netzes, das der Öffentlichkeit zum Teil schrittweise zugänglich gemacht werden soll. Das EJN eignet sich jedoch im Hinblick auf die Vertraulichkeit der auszutauschenden Daten nicht als Plattform für den Austausch konkreter Einzelfälle.
29. Zu den Artikeln 41 bis 45:
- - Der Bundesrat lehnt - unbeschadet der bereits zu Artikel 40 geäußerten Bedenken - eine umfassende Zuständigkeit der Zentralen Behörde für Ermittlungen als unverhältnismäßig ab. Auf die Stellungnahme des Bundesrates vom 24. September 2004 - BR-Drucksache 361/04(B) - zu den Fragen 24 bis 27 des Grünbuchs der Kommission der Europäischen Gemeinschaften über Unterhaltspflichten wird verwiesen. Nach dem deutschen Recht ist der Unterhaltsprozess ein Parteiprozess. Dem ist in der Ausgestaltung der Verordnung Rechnung zu tragen. Die deutschen Gerichte berücksichtigen grundsätzlich nur Tatsachen, die eine der Prozessparteien vorgetragen hat (Beibringungsgrundsatz). Umfassende Ermittlungs- und Ausforschungstätigkeiten von Behörden sind im deutschen Unterhaltsprozess unbekannt und mit seinem Charakter unvereinbar. Derartige Maßnahmen sind Teil der Beweiserhebung und damit dem Gericht vorzubehalten.
Die angedachten umfassenden Unterstützungsmaßnahmen können angesichts der Diskussion um die Reduzierung staatlicher Tätigkeit auf Kernbereiche auch nicht in Aussicht gestellt werden. Sie würden darüber hinaus zu einer ungerechtfertigten Bevorzugung der Unterhaltsgläubiger im Vergleich zu Inlandsfällen und damit zu einer Inländerdiskriminierung führen.
- - In der Bundesrepublik Deutschland besteht eine entsprechende Auskunftspflicht durch die Behörden nur in den Grenzen des § 1605 BGB und des § 643 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Absatz 2 ZPO, weswegen diese die Auskunft gegenüber den Zentralen Behörden möglicherweise verweigern werden. Der Bundesrat hält es für eine effektive Durchsetzung von grenzüberschreitenden Unterhaltsansprüchen grundsätzlich für ausreichend, wenn sich die Aufgabe der Zentralen Behörde darauf beschränkt, den Aufenthaltsort des Unterhaltspflichtigen ausfindig zu machen. Jedenfalls sollte eine umfassende Ermittlungspflicht der Zentralen Behörde, wie in dem Entwurf vorgesehen - unbeschadet der übrigen bestehenden Bedenken - nur dann bestehen, wenn der Unterhaltsberechtigte alles Zumutbare getan hat, um selbst die erforderlichen Informationen zu erlangen.
- - Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass die vorgesehenen Ermittlungstätigkeiten der Zentralen Behörde Maßnahmen darstellen, die allenfalls im Bereich der Strafverfolgung zulässig und auch in diesem Rahmen teilweise nur mit Richtervorbehalt verhältnismäßig sind. Derart weit gehende Eingriffe des Staates sind mit - nur möglicherweise - gegebenen Unterhaltsforderungen nicht zu rechtfertigen; eine Grundrechtsabwägung enthält der Verordnungsvorschlag nicht.
- - Der Verordnungsvorschlag sieht dagegen nicht vor, dass die Zentralen Behörden die öffentlichen Stellen beteiligen, wenn die Zentralen Behörden Maßnahmen treffen, um eine Einigung zwischen Unterhaltsberechtigten und Unterhaltspflichtigen durch Vermittlung oder auf sonstige Weise zu erleichtern und zu diesem Zweck die grenzüberschreitende Zusammenarbeit zu fördern.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei den weiteren Beratungen dafür einzusetzen, dass bei der Zusammenarbeit in konkreten Fällen sowohl eine Einigung zwischen dem Unterhaltspflichtigen und dem Unterhaltsberechtigten als auch den öffentlichen Stellen und dem Unterhaltsberechtigten erleichtert wird. Eine entsprechende Vermittlung zwischen öffentlichen Stellen, auf die die Unterhaltsansprüche der Unterhaltsberechtigten übergegangen sind und Unterhaltspflichtigen herbeizuführen, ist im Interesse der Länder, auf die die Unterhaltsansprüche nach § 7 des Unterhaltsvorschussgesetzes (UhVorschG) übergehen, erstrebenswert, da damit die Geltendmachung der Rückgriffsansprüche nach § 7 UhVorschG erleichtert wird.
- - Neben diesen grundsätzlichen Bedenken weist der Bundesrat noch auf folgende Gesichtspunkte hin:
- -- Artikel 41 Abs. 1 Buchstabe a Nr. i begegnet datenschutzrechtlichen Bedenken. Für eine Erhebung, Nutzung und Verwendung von personenbezogenen Daten bedarf es einer inhaltlich konkreten Zweckbestimmung, die sowohl das Gebot der Normenklarheit als auch den
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beachten muss. Die Zweckbestimmung in diesem Artikel "um die Ziele dieser Verordnung zu verwirklichen" ist zu unbestimmt und zu weitgehend.
- -- Die in Artikel 41 in Verbindung mit Artikel 42 Abs. 3 und 4 vorgesehene Mittler- und Vertretungstätigkeit der Zentralen Behörde für den Unterhaltsberechtigten wird abgelehnt. Damit würde den Zentralen Behörden die Ausübung einer quasianwaltlichen Tätigkeit übertragen.
Die Kombination einer Ausforschungsaufgabe mit einer Vermittlungs- und Vertretungsaufgabe ist jedoch auch aus Sachgründen völlig unzweckmäßig.
- -- Aus Artikel 44 Abs. 2 Buchstaben a bis f ist nicht ersichtlich, ob unmittelbar eine Auskunftspflicht der dort genannten Behörden gegenüber der Zentralen Behörde normiert werden soll. Die Normierung entsprechender Auskunftspflichten für Finanzämter, Grundbuchämter, Kfz-Zulassungsstellen usw. dürfte kaum von der Ermächtigungsgrundlage und von dem Verhältnismäßigkeitgrundsatz gedeckt sein, zumal Artikel 44 den Umfang der zu beschaffenden Informationen nicht begrenzt.
- -- Daran anschließend ist anzumerken, dass Artikel 44 auch deshalb abzulehnen ist weil die Informationsbeschaffungspflichten der Zentralen Behörde viel zu weit gefasst sind: Eine Abfrage aller vorhandenen Eigentumsverzeichnisse oder bei den sozialen Sicherungssystemen usw. erfordert die Einrichtung eines Behördenapparates mit entsprechenden personellen und sachlichen Kapazitäten. Die Schaffung solcher Verwaltungsstrukturen stünde aber im Gegensatz zu dem Prinzip der Entbürokratisierung, das gerade auch von den Institutionen der EG verfolgt wird.
Darüber hinaus wird der Begriff der "Beitreibung" in Artikel 45 verwendet, ohne dass definiert wird, was darunter zu verstehen ist. Aus dem Gesamtkontext der Regelung, insbesondere aus Artikel 45 Abs. 3, ergibt sich möglicherweise, dass eine Ermittlung der Vermögensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen durch die Zentrale Behörde erst im Stadium der Zwangsvollstreckung stattfinden soll. Durch einen einheitlichen Sprachgebrauch und durch Klarstellung sollte deutlich gemacht werden dass eine eventuelle Ermittlungstätigkeit einer zentralen Stelle - unbeschadet der Frage, ob eine solche Tätigkeit an sich rechtlich zulässig ist - allenfalls im Vollstreckungsstadium in Betracht kommt.