Siehe Drucksache 767/11(B) .
Brüssel, den 8.1.2013
C(2012) 9640 final
Herrn Winfried KRETSCHMANN
Präsident des Bundesrates
Leipziger Straße 3 - 4
D- 10117 Berlin
Sehr geehrter Herr Präsident,
Die Kommission dankt dem Deutschen Bundesrat für seine Stellungnahme zum Vorschlag für eine Verordnung zur Einrichtung des EU-Programms " Erasmus für alle" ( KOM (2011) 788 endgültig) und bedauert die verspätete Antwort.
Die Kommission möchte zunächst auf die nötige Kohärenz und Vereinfachung der derzeitigen Programme hinweisen, die durch ein einziges Programm für sämtliche Bildungsbereiche (Hochschulbildung, berufliche Aus- und Weiterbildung, Schule und Jugend) erreicht würde, in einer Perspektive des lebenslangen Lernens, unter Einbeziehung der derzeitigen internationalen Programme (Erasmus Mundus, Tempus, Alfa und Edulink).
Nach Überzeugung der Kommission wird die allgemeine und berufliche Bildung eine Schlüsselrolle in der Strategie "Europa 2020" spielen. Das Programm "Erasmus für alle" wird maßgeblich dazu beitragen, die zentralen Europa-2020-Ziele unter Wahrung des Grundsatzes der Subsidiarität zu erreichen.
In diesem Zusammenhang erinnert die Kommission an Artikel 165 EGV, wonach die Union zur Entwicklung einer qualitativ hochstehenden Bildung dadurch beizutragen hat, dass sie die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten fördert und die Tätigkeit der Mitgliedstaaten unter strikter Beachtung der Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte und die Gestaltung des Bildungssystems sowie der Vielfalt ihrer Kulturen und Sprachen erforderlichenfalls unterstützt und ergänzt. Auf dieser Grundlage erlässt die Kommission "Fördermaßnahmen unter Ausschluss jeglicher Harmonisierung". Der Verordnungsvorschlag " Erasmus für alle" entspricht diesen Kriterien voll und ganz unter Wahrung der vertraglich festgelegten Verteilung der Zuständigkeiten.
Die Kommission möchte dem Bundesrat ferner versichern, dass die Entscheidung für eine Verordnung - im Gegensatz zu einem Beschluss - als Rechtsgrundlage für das neue Programm vollkommen in Einklang mit den Bestimmungen des Vertrags, insbesondere mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach Artikel 296, steht. Eine Erläuterung zu der Wahl des Instruments wurde im Rahmen der Antwort auf die Stellungnahme des Deutschen Bundesrates zum Programm "Kreatives Europa" gegeben:
Die Vertragsbestimmungen, auf die sich das Programm " Erasmus für alle" stützt (Artikel 166, 167 und 173 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union), sehen keine rechtlichen Beschränkungen für die Regelungsform des Rechtsaktes vor. Zwar schließen diese Artikel jegliche Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten aus, schreiben aber nicht vor, in welcher Form der Rechtsakt erlassen werden sollte. Der Rückgriff auf eine Verordnung ist also als solcher nicht untersagt, auch nicht für die Annahme eines Finanzrahmens. Dieser Ansatz wurde bereits im Bereich des öffentlichen Gesundheitswesens verfolgt, das gemäß dem Vertrag von Lissabon nunmehr unter Artikel 168 Absatz 5 AEUV fällt.
Außerdem ist eine Verordnung ein geeignetes Instrument, um die allgemeine und unmittelbare Anwendung zweifelsfrei sicherzustellen. Auch im Sinne einer intelligenteren Regulierung ist dieser Ansatz zu befürworten. Selbst wenn das Programm " Erasmus für alle" in Form eines allgemeinen Beschlusses eingerichtet werden sollte, würde der Gerichtshof der Europäischen Union Dritten Rechte zuerkennen und diese schützen, wie dies im Falle einer Verordnung geschieht.
In Bezug auf die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit ändert sich also nichts, wenn das Programm in Form einer Verordnung eingerichtet wird.
Die Kommission begrüßt die positiven Rückmeldungen zum neuen Ansatz in der allgemeinen und beruflichen Bildung, einschließlich der Erwachsenenbildung und der Jugendpolitik in Form einer konsequenten Ausrichtung des Programmvorschlags auf die Strategie Europa 2020, den strategischen Rahmen für die europäische Zusammenarbeit in der allgemeinen und beruflichen Bildung (, ET 2020") und den erneuerten Rahmen für die jugendpolitische Zusammenarbeit in Europa.
Sie teilt die Auffassung, dass die allgemeine und berufliche Bildung innerhalb der Erwachsenenbildung (einschließlich der Jugendpolitik) von entscheidender Bedeutung für die Entwicklung der europäischen Wirtschaft ist, und nimmt die Bedenken zur Kenntnis, dass sich die Unterstützung für Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung nicht nur auf eine Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit beschränken, sondern auch die persönliche Entwicklung umfassen sollte.
Die Kommission nimmt die geäußerten Bedenken im Hinblick auf eine Änderung der Bestimmungen betreffend Leistungskriterien und nationale Agenturen durch Erlass delegierter Rechtsakte zur Kenntnis. Die Kommission kann dem Bundesrat versichern, dass delegierte Rechtsakte kein Blankoscheck der Mitgliedstaaten an die Europäische Kommission sind Die systematische Konsultation von Sachverständigen wird dafür sorgen, dass die Meinungen der Mitgliedstaaten und der Interessengruppen berücksichtigt werden. Diese Konsultation kann erforderlichenfalls auch auf vom Europäischen Parlament ernannte Sachverständige ausgeweitet werden, um ein hohes Maß an Vertretung der Interessen der europäischen Bürger zu gewährleisten. Schließlich ist das im EG-Vertrag verankerte Widerspruchsrecht des Rates und des Europäischen Parlaments eine weitere Gewähr gegen einen möglichen Missbrauch bei der Übertragung von Befugnissen. Zudem wird die Verwendung delegierter Rechtsakte für eine mögliche (aber nicht zwingend vorgeschriebene) Änderung spezifischer Bestimmungen im Vorschlag selbst eindeutig angegeben, um für die Flexibilität zu sorgen, die in den derzeitigen Programmen bemängelt wurde.
In Bezug auf die Bedenken hinsichtlich der Ziele und Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Sport und die Gefahr, dass hier EU-Zuständigkeiten überschritten werden, möchte die Kommission darauf hinweisen, dass die Einzelziele des Sportkapitels auf den Interventionsbereichen beruhen, die bei den vorbereitenden Maßnahmen 2009-2011 getestet wurden. Ausschließlich Bereiche, in denen EU-Maßnahmen nachweislich für einen Mehrwert sorgen, wurden als Einzelziele berücksichtigt. In diesen Bereichen soll " Erasmus für alle" die Maßnahmen der Mitgliedstaaten koordinieren, ergänzen und unterstützen, und zwar in voller Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit.
Die Kommission erinnert daran, dass aus Artikel 12 des Verordnungsentwurfs deutlich hervorgeht, dass die Förderung transnationaler Kooperationsprojekte das wichtigste Instrument der EU ist, um die Einzelziele im Bereich Sport zu erreichen. Dieses Instrument fördert die Vernetzung und den Austausch bewährter Verfahren zwischen den Akteuren in den verschiedenen Mitgliedstaaten. Die vorgeschlagenen Ziele und Instrumente sollen daher nicht zu einer Änderung der besonderen Merkmale des Sports oder der bestehenden nationalen Strukturen führen, sondern zu einer engeren grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, um Probleme im Zusammenhang mit dem Sport auf EU-Ebene besser lösen zu können.
Die Kommission nimmt auch die Bedenken hinsichtlich der Finanzierungsmodalitäten für Mobilitätsmaßnahmen zur Kenntnis, insbesondere im Hinblick auf die Garantiefazilität für Studiendarlehen. Die Kommission versichert dem Bundesrat, dass die Förderung der Mobilität von Leistungspunkten (credit mobility) wie bisher erfolgt: Studierende, die einen Teil ihres Studiums bzw. Fortbildungsmaßnahmen im Ausland absolvieren, erhalten weiterhin nichtrückzahlbare Stipendien. Nur im Falle der vollen Mobilität zum Erwerb eines Studienabschlusses auf Master-Ebene bietet das Programm Darlehensmöglichkeiten für das Auslandsstudium. Die Garantiefazilität für Studiendarlehen ersetzt somit nicht bestehende Stipendien, sondern soll zu zusätzlichen Formen der Finanzierung führen, um stärker als bislang die Mobilität von Abschlüssen und weniger die Mobilität von Leistungspunkten zu fördern.
Die Kommission stimmt dem Grundsatz einer verstärkten sozialen Staffelung der Stipendien zu und weist darauf hin, dass Hochschulen bereits im Rahmen des jetzigen Erasmus-Programms die Möglichkeit haben, ärmeren Studierenden höhere Stipendien zu gewähren. Allerdings wird dies in den verschiedenen teilnehmenden Ländern und auch innerhalb desselben Lands von Hochschule zu Hochschule unterschiedlich gehandhabt.
Die Kommission sieht die Bedenken Deutschlands gegenüber einer zentralen nationalen Koordinierungsagentur und einem zentralen Ausschuss ebenso wie den Wunsch nach Beibehaltung eines sektoralen Ansatzes (mit einem separaten Jugendkapitel) und der gängigen Bezeichnungen mit einer Mindestmittelausstattung je Sektor. Bei den Gesprächen über diese Themen, die zu einer partiellen Einigung im Rat geführt haben und gegenwärtig im Europäischen Parlament fortgesetzt werden, werden alle Stellungnahmen zu dieser Angelegenheit berücksichtigt.
Die Kommission stimmt der Notwendigkeit zu, die Bestimmungen des Vorschlags über zu fördernde spezifische Aktivitäten genauer zu formulieren. Wie in der Verordnung angegeben, geschieht dies im Rahmen der jährlichen Arbeitsprogramme in Gestalt von Durchführungsrechtsakten.
Die Kommission geht davon aus, dass die angesprochenen Fragen im Zuge der laufenden Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament und dem Rat weiter geklärt werden, und sieht der Fortführung des politischen Dialogs mit dem Bundesrat erwartungsvoll entgegen.
Mit freundlichen Grüßen