953. Sitzung des Bundesrates am 10. Februar 2017
Der federführende Ausschuss für Frauen und Jugend (FJ) und der Ausschuss für Arbeit, Integration und Sozialpolitik (AIS) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
A
1. Zu Artikel 1 (§ 3 Absatz 1, Absatz 1
Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
Begründung:
Ungleiches Entgelt für gleiche oder gleichwertige Arbeit wird aus unterschiedlichen Gründen gewährt. Die gezielte Benachteiligung weiblicher Beschäftigter mag eine Rolle spielen, unbewusste und aus hergebrachten Rollenbildern resultierende sowie mittelbare Formen der Lohndiskriminierung dürften aber die Hauptgründe für unterschiedliches Entgelt sein.
Mit der bisherigen Formulierung wird suggeriert, das Geschlecht sei das durchgängige Motiv für ungleiches Entgelt. Die vorgeschlagene positive Formulierung ist aus den oben genannten Gründen besser und klarer.
2. Zu Artikel 1 (§ 3 Absatz 3 Satz 2 EntgTranspG)
In Artikel 1 ist § 3 Absatz 3 Satz 2 zu streichen.
Begründung:
§ 3 Absatz 3 Satz 2 EntgTranspG ist verzichtbar, da nur bestehende Rechtsprechung wiedergegeben wird, allerdings ohne die explizite Einzelfallbezogenheit dieser Rechtsprechung zu erwähnen.
Überdies sind die potenziellen Ausnahmetatbestände sehr breit und interpretationsoffen verfasst, so dass der Eindruck einer quasi beliebigen Interpretation des Lohngleichheitsauftrags entstehen kann. Ein solcher Eindruck widerspräche den Intentionen des vorgeschlagenen Gesetzes.
3. Zu Artikel 1 (§ 4 Absätze 5 und 6 und § 11 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 und Satz 3 - neu - und Absatz 4 EntgTranspG)
Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
- a) In § 4 sind die Absätze 5 und 6 zu streichen.
- b) § 11 ist wie folgt zu ändern:
- aa) Absatz 3 ist wie folgt zu ändern:
- bb) In Absatz 4 ist die Angabe "und Absatz 3 Nummer 1" zu streichen.
Begründung:
Der mit dem Gesetzentwurf vorgeschlagene Auskunftsanspruch läuft ins Leere. Wenn sich der Auskunftsanspruch nur auf dieselbe Entgeltgruppe beziehen darf, wird die grundlegende Eingruppierung der Beschäftigten einer Überprüfung entzogen; Differenzen können dann allenfalls noch bei den Zulagen und sonstigen Gratifikationen entstehen.
Die bisherige Formulierung geht davon aus, dass nicht nur die tariflichen Regelwerke vollkommen diskriminierungsfrei sind, sondern dass darüber hinaus auch die tariflichen Vorgaben für die Eingruppierung in der betrieblichen Praxis in jedem Fall fehlerfrei umgesetzt werden.
Vor allem die Annahme, jede Eingruppierung in einer tariflich definierten Entgeltgruppe sei fehlerfrei, ist realitätsfern. So stellte sich beispielsweise bei der Einführung der reformierten Entgeltrahmenabkommen (ERA) in der Metall-und Elektroindustrie heraus, dass es zuvor vielfach "personalpolitische" Eingruppierungen gab, die von den tariflichen Vorgaben keineswegs ableitbar waren, sondern aufgrund beispielsweise von Loyalität, der Betriebszugehörigkeit, der Verbindung zu den Betriebsräten bzw. zu Gruppen von Führungskräften zugestanden wurden.
Es ist zudem äußerst zweifelhaft, ob die Regelungen des § 4 Absatz 5 und 6 EntgTranspG EU-rechtskonform sind. Hierauf weist auch der Deutsche Juristinnenbund hin. In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof ist eine Angemessenheitsvermutung bei Tarifverträgen und die daraus resultierende Kontrollzurückhaltung nicht enthalten, auch kennt das EU-Recht grundsätzlich keine Begrenzung des Anspruchs auf gleiches Entgelt bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit.
4. Zu Artikel 1 (§ 6 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 - neu - EntgTranspG)
In Artikel 1 ist § 6 wie folgt zu ändern:
Begründung:
Die in § 6 EntgTranspG genannten Aufgaben von Arbeitgebern, Tarifvertragsparteien und betrieblichen Interessenvertretungen werden neu geordnet, verbindlicher ausgestaltet und um eine Verpflichtung zur Überprüfung von Tarifverträgen ergänzt.
Die bislang vorgesehene allgemeine Aufforderung an Arbeitgeber, Tarifvertragsparteien und betriebliche Interessenvertretungen, an der Verwirklichung der Entgeltgleichheit mitzuwirken, wird kaum eine praktische Bedeutung entfalten, vielmehr sind die Arbeitgeber- und die Arbeitnehmervertretungen zur Mitwirkung zu verpflichten.
Tarifverträge bilden in vielen Betrieben die Basis betrieblicher Entgeltstrukturen. Insbesondere bei älteren Tarifverträgen zeigen Analysen eine teilweise Unterbewertung frauentypischer Tätigkeiten. Aber auch bei Tarifverträgen jüngeren Datums können fortschreitende Rationalisierungs- und Digitalisierungsprozesse dazu führen, dass Tätigkeiten nicht mehr zutreffend von den Tarifverträgen abgebildet werden. Wegen dieser und anderer potenzieller lohndiskriminierender Elemente dürfen Tarifverträge nicht von vornherein von einer Überprüfung ausgeschlossen werden.
5. Zu Artikel 1 (§ 9 Absatz 1 und Absatz 2 - neu - EntgTranspG)
In Artikel 1 ist § 9 wie folgt zu ändern:
- a) Dem bisherigen Wortlaut ist die Absatzbezeichnung "(1)" voranzustellen.
- b) Folgender Absatz ist anzufügen:
(2) Vereinbarungen oder Klauseln in Arbeitsverträgen, die Beschäftigten verbieten, Auskunft über das eigene Arbeitsentgelt zu geben, sind nichtig. Der Arbeitgeber darf Beschäftigte, die andere über ihr eigenes Arbeitsentgelt informieren, nicht benachteiligen."
Begründung:
In deutschen Unternehmen ist es häufig aufgrund von Vereinbarungen, entsprechenden Klauseln in Arbeitsverträgen oder der jeweiligen Unternehmenskultur untersagt, dass die beschäftigten Kolleginnen oder Kollegen Auskunft über ihr Gehalt geben. Wenn, wie in der Einleitung zum Gesetzentwurf ausgesagt, transparente Entgeltstrukturen Voraussetzung sind für eine diskriminierungsfreie Bewertung von Fähigkeiten und Kompetenzen, für individuelle Gehaltsverhandlungen auf Augenhöhe und für eine offene, wertschätzende Unternehmenskultur, muss auch außerhalb der formalen Auskunftsbegehren ein Austausch über das jeweilige individuelle Entgelt möglich sein.
6. Zu Artikel 1 (§ 11 Absatz 3 Satz 2 EntgTranspG)
In Artikel 1 sind in § 11 Absatz 3 Satz 2 die Wörter "hochgerechneter statistischer Median" durch die Wörter "hochgerechnetes statistisches arithmetisches Mittel" zu ersetzen.
Begründung:
Das Auskunftsbegehren der Beschäftigten kann durch die Mitteilung eines Median-Wertes nicht in befriedigender Weise beantwortet werden. Der Median ist statistisch gesehen der Wert, der an der mittleren, zentralen Stelle steht, wenn die Werte der Größe nach sortiert werden. Der Median und seine Bedeutung dürfte den meisten Beschäftigten unbekannt sein. Die Interpretation einer Auskunft in Form des Medians ist ohne besondere Expertise nicht möglich.
Viel bekannter und damit auch besser interpretierbar ist hingegen das arithmetische Mittel als Durchschnittswert aller einbezogenen Werte, in diesem Falle aller einbezogenen Entgelte. Für den Vergleich des Entgelts für gleiche oder gleichwertige Arbeit ist das arithmetische Mittel zudem aussagekräftiger, weil es auch das jeweils höchste und niedrigste Entgelt mit abbildet und so eine bessere Verortung der eigenen Entgeltposition ermöglicht.
7. Zu Artikel 1 (§ 12 Absatz 1 EntgTranspG)
In Artikel 1 ist in § 12 Absatz 1 die Zahl "200" durch die Zahl"100" zu ersetzen.
Begründung:
Frauen sind überproportional häufig in kleineren Betrieben beschäftigt. Durch die vorgesehene Begrenzung des Auskunftsrechts auf Betriebe mit mehr als 200 Beschäftigten sind diese Frauen von dem neuen Auskunftsanspruch ausgeschlossen, obwohl sie in besonderem Maße von Lohndiskriminierung bedroht sind, da in kleineren Betrieben häufig weder ein Tarifvertrag angewendet wird noch eine betriebliche Interessenvertretung existiert.
Angesichts der hohen Bedeutung kleiner Betriebe für die Frauenbeschäftigung wäre ein Auskunftsrecht auch für die Beschäftigten in Unternehmen mit weniger als 100 Beschäftigten durchaus wünschenswert. Allerdings ist es aus datenschutzrechtlichen Gründen für die Benennung des Vergleichsentgelts erforderlich, dass die Vergleichstätigkeit von einer Mindestanzahl von Personen (4 bis 6) des anderen Geschlechts ausgeübt wird. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Voraussetzung erfüllt wird, sinkt bei kleineren Betriebsgrößen. Deshalb wird trotz der hohen Bedeutung kleiner Betriebe für die Frauenerwerbstätigkeit eine Betriebsgrößengrenze von mehr als 100 Beschäftigten vorgeschlagen.
8. Zu Artikel 1 (§§ 17 bis 20 und 20a bis 20c - neu - EntgTranspG)
In Artikel 1 sind die §§ 17 bis 20 durch folgende §§ 17 bis 20c zu ersetzen:
" § 17 Zertifizierung betrieblicher Prüfverfahren, Aufgaben der Antidiskriminierungsstelle des Bundes
- (1) Betriebliche Prüfverfahren im Sinne dieses Abschnitts sind ausschließlich solche, die die allgemeinen Anforderungen nach § 18 und die besonderen Anforderungen nach § 19 erfüllen und die von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes aufgrund dessen zertifiziert worden sind. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes kann die Gültigkeit des Zertifikates befristen.
- (2) Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes informiert auf ihrer Internetseite über das Verfahren zur Erlangung des Zertifikats. Sie veröffentlicht auf ihrer Internetseite eine Liste der von ihr zertifizierten Verfahren und den Stellen, die diese Verfahren anbieten. Die Angabe enthält auch allgemeine Verfahrensbeschreibungen zu den zertifizierten Verfahren. Diese Liste wird regelmäßig aktualisiert.
§ 18 Allgemeine Anforderungen an betriebliche Prüfverfahren
Betriebliche Prüfverfahren erfüllen die allgemeinen Anforderungen, wenn sie
- 1. die Entgeltregelungen und ihre Anwendung auf die Beachtung des Verbotes der Entgeltbenachteiligung im Sinne des § 3 überprüfen und dazu
- a) die Bestimmungen des § 4 in Bezug auf die Prüfung gleicher oder gleichwertiger Tätigkeiten anwenden und
- b) die Begriffsbestimmungen nach § 5 berücksichtigen,
- c) die verschiedenen im Betrieb gezahlten Entgeltbestandteile separat berücksichtigen;
- 2. aus Bestandsaufnahme, Analyse und Ergebnisbericht bestehen,
- 3. bei der Bearbeitung von Daten
- a) valide, statistische Methoden verwenden,
- b) die verwendeten Daten nach Geschlecht aufschlüsseln und
- c) den Schutz personenbezogener Daten gewährleisten,
- 4. eine Dokumentation der Abläufe und Ergebnisse des betrieblichen Prüfverfahrens nachvollziehbar gewährleisten.
§ 19 Besondere Anforderungen an betriebliche Prüfverfahren
Betriebliche Prüfverfahren erfüllen die besonderen Anforderungen, wenn
- 1. die Bestandsaufnahme mindestens die Darstellung der aktuell verwendeten Verfahren zur Arbeitsbewertung, die Entgeltregelungen und deren Geltungsbereiche, die Verfahren zur Vergabe der Entgeltbestandteile sowie deren Wirkungen mit nach Geschlecht aufgeschlüsselten Angaben erfasst und hierzu insbesondere die Daten nach § 21 vorsieht,
- 2. die Analyse mindestens
- a) die Auswertung der in der Bestandaufnahme gemachten Angaben im Hinblick auf die Beachtung des Verbotes der Entgeltbenachteiligung im Sinne des § 3 umfasst,
- b) eine vertiefende Überprüfung mittels zusätzlicher statistischer Auswertungen ermöglicht sowie
- c) Methoden umfasst, die die geeigneten Tätigkeiten oder Tätigkeitsgruppen im Hinblick auf ihre Gleichwertigkeit identifizieren und überprüfen können;
- 3. aus der Bestandsaufnahme und der Analyse ein Ergebnisbericht erstellt wird, der Hinweise zur Durchführung weiterer erforderlicher Maßnahmen sowie, soweit notwendig, Anhaltspunkte für die Anpassung der Entgeltregelungen enthält.
§ 20 Anwendung und Durchführung betrieblicher Prüfverfahren
§ 20a Information der Tarifvertragsparteien
Enthält der Ergebnisbericht eines betrieblichen Prüfverfahrens objektive Anhaltsunkte für Benachteiligungen auf Grund des Geschlechts in Bezug auf das Entgelt, die unmittelbar auf tarifrechtliche Entgeltregelungen zurückzuführen sind, sind die zuständigen Tarifvertragsparteien hierüber unverzüglich zu informieren.
§ 20b Beseitigung der Entgeltbenachteiligungen, Umsetzungsplan
- (1) Weist der Ergebnisbericht eines betrieblichen Prüfverfahrens Benachteiligungen auf Grund des Geschlechts in Bezug auf das Entgelt auf, die auf betriebliche oder individuelle Entgeltregelungen zurückzuführen sind, sind diese unverzüglich zu beseitigen. Bis die Benachteiligungen nach Satz 1 beseitigt sind, hat eine Anpassung an die günstigere Regelung oder Einstufung zu erfolgen.
- (2) Im Übrigen hat der Arbeitgeber einen Umsetzungsplan zu erstellen, der dokumentiert, welche Änderungen er auf Grund des Ergebnisberichts vornehmen wird. Dies gilt insbesondere bei Änderungen der Verfahren der Arbeitsbewertung, der Einstufung von Tätigkeiten oder den Entgeltregelungen. Der Umsetzungsplan ist betriebsintern durch Aushang zu veröffentlichen.
- (3) Beseitigt der Arbeitgeber die Entgeltbenachteiligung innerhalb von sechs Monaten nach betriebsinterner Veröffentlichung des Ergebnisberichtes des Prüfverfahrens, erlischt der Erfüllungsanspruch der oder des Beschäftigten drei Monate nach betriebsinterner Veröffentlichung der benachteiligungsfreien Entgeltregelung.
§ 20c Rechte der Beschäftigten und des Betriebs- oder Personalrates
- (1) Die Beschäftigten sind über die Durchführung sowie über die Ergebnisse des betrieblichen Prüfverfahrens zu informieren.
- (2) Der Arbeitgeber hat den Betriebs- oder Personalrat an der Durchführung des betrieblichen Prüfverfahrens zu beteiligen. Dazu hat er ihn insbesondere über die Planung des betrieblichen Prüfverfahrens rechtzeitig unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen zu unterrichten, unter anderem über die Auswahl und den Ablauf des betrieblichen Prüfverfahrens. Der Arbeitgeber hat mit dem Betriebs- oder Personalrat das vorgesehene betriebliche Prüfverfahren so rechtzeitig zu beraten, dass Vorschläge und Bedenken des Betriebs- oder Personalrats bei der Planung berücksichtigt werden können. Der Betriebs- oder Personalrat ist regelmäßig über den Ablauf des Verfahrens sowie über die Ergebnisse des betrieblichen Prüfverfahrens zu informieren.
- (3) Die Beteiligung des Betriebs- und Personalrates an der Aufstellung und der Ausführung des Umsetzungsplans nach § 20b Absatz 2 ist nach den Vorgaben des Betriebsverfassungs- sowie des Bundespersonalvertretungsgesetzes sicherzustellen. Liegt ein Fall des § 87 Absatz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes vor, ist § 87 Absatz 2 des Betriebsverfassungsgesetzes zu beachten. § 71 des Bundespersonalvertretungsgesetzes findet Anwendung.
- (4) Soweit der Arbeitgeber nicht bereits nach § 20 Absatz 1 oder 2 zur Anwendung eines betrieblichen Prüfverfahrens verpflichtet ist, kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber die Durchführung eines nach § 17 Absatz 1 zertifizierten betrieblichen Prüfverfahrens verlangen, wenn
- 1. ein individuelles Auskunftsverlangen nach § 10 Absatz 1 objektive Anhaltspunkte auf eine Benachteiligung auf Grund des Geschlechts beim Entgelt ergeben hat, die über das individuelle Anliegen hinaus Bedeutung haben oder
- 2. mehrere voneinander unabhängige individuelle Auskunftsverlangen nach § 10 Absatz 1 objektive Anhaltspunkte auf eine Benachteiligung auf Grund des Geschlechts beim Entgelt ergeben haben."
Begründung:
Eine bloße gesetzliche Aufforderung zur Durchführung betrieblicher Prüfverfahren ist nicht geeignet, das angestrebte Ziel einer größeren Transparenz über geschlechtsspezifische Lohnstrukturen zu erreichen und damit Diskriminierungen entgegen zu wirken. Bereits jetzt stehen erprobte Verfahren zur Verfügung, um die geschlechtsspezifischen Lohnstrukturen im Betrieb mit relativ geringem Aufwand zu überprüfen; Unternehmen entwickeln gleichwohl keine diesbezüglichen Initiativen.
Unerlässlich ist daher eine Verpflichtung zur Durchführung betrieblicher Verfahren zur Überprüfung und Herstellung von Entgeltgleichheit, wie sie im Referentenentwurf des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vom 9. Dezember 2015 bereits vorgesehen war. Die dortigen Regelungen, unter anderen zur Zertifizierung betrieblicher Prüfverfahren, zur Verpflichtung von Unternehmen zur Durchführung dieser Prüfverfahren in regelmäßigen zeitlichen Abständen und zur Beseitigung der festgestellten Entgeltbenachteiligung, sollten in das Gesetz aufgenommen werden.
Nur auf der Grundlage von qualitativen Prüfverfahren auf betrieblicher Ebene kann festgestellt werden, ob und welche strukturellen Unterschiede bei der Entgeltbemessung zwischen Männern und Frauen bestehen.
Verzichtet das Gesetz auf eine derartige Verpflichtung, hinge die Minderung der Lohnlücke ausschließlich von den - für diese durchaus hochschwelligen - Auskunftsverlangen der weiblichen Beschäftigten und den von ihnen anschließend ergriffenen Schritten ab. Dies ist angesichts der erschreckend hohen Lohnlücke in Deutschland und der grundgesetzlichen Verpflichtung des Staates zur Herstellung von Gleichheit zwischen den Geschlechtern vollkommen unzureichend.
9. Zum Gesetzentwurf allgemein
Der Bundesrat erkennt die dem vorliegenden Gesetzentwurf zugrunde liegende Zielstellung der Bundesregierung an, das Gebot des gleichen Entgelts von Frauen und Männern für gleiche und gleichwertige Arbeit umzusetzen. Der vorliegende Entwurf des Entgelttransparenzgesetzes schwächt sein Vorhaben jedoch in entscheidenden Punkten selbst ab. Angesichts der insbesondere in der Privatwirtschaft bestehenden geschlechtsspezifischen Lohnlücke muss den weiblichen Beschäftigten in angemessener Form die Möglichkeit gegeben werden, gegen diese Entgeltbenachteiligung vorzugehen.
Der Bundesrat bittet daher, im weiteren Gesetzgebungsverfahren dafür Sorge zu tragen, dass mehr Beschäftigten ein Auskunftsanspruch zum Vergleichsentgelt der Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts zuteil wird, durch
[10.] [
- a) die Einführung des individuellen Auskunftsanspruches für Beschäftigte in Unternehmen mit deutlich unter den im Gesetzentwurf vorgesehenen 200 Beschäftigten,]*
- b) die Anwendung des Auskunftsanspruchs auf Entgeltregelungen bei demselben (gesamten) Unternehmen,
- c) die Senkung der erforderlichen Beschäftigtenzahl des jeweils anderen Geschlechts zur Angabe des Vergleichsentgelts in § 12 Absatz 3 EntgTranspG, die eine Vergleichstätigkeit ausüben, auf drei.
Ferner soll nach Auffassung des Bundesrates die Berichtspflicht für Unternehmen, die zur Erstellung eines Lageberichts nach den §§ 264 und 289 des * Wurde im FJ als Hilfsempfehlung zu Ziffer 7 beschlossen.
Handelsgesetzbuches verpflichtet sind, auf Unternehmen mit in der Regel mehr als 249 Beschäftigten ausgeweitet werden.
Begründung:
In Deutschland beträgt die statistische Entgeltlücke zwischen Frauen und Männern, bezogen auf das durchschnittliche Bruttoentgelt, immer noch rund 21 Prozent. Werden erklärbare Faktoren für diese Entgeltungleichheit abgezogen, verbleibt bei gleicher Qualifikation und ansonsten gleichen Merkmalen die messbare Entgeltbenachteiligung bei ungefähr sieben Prozent. Diese sogenannte "bereinigte" Entgeltlücke geht insbesondere auf die bestehende Intransparenz für Frauen (und Männer) über die Entgeltgleichheit/-ungleichheit ihres eigenen Gehaltes zurück. Der Faktor Intransparenz bei der Entstehung der "bereinigten" Entgeltungleichheit lässt sich in der Mehrheit der Analysen zu dieser Thematik wiederfinden, dieser Umstand wird auch in der Studie "Transparenz für mehr Entgeltgleichheit" des BMFSFJ explizit benannt.
Mit den vorgesehenen Regelungen des Gesetzentwurfs der Bundesregierung wird jedoch entsprechend der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit nur etwa ein Drittel der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten von einem individuellen Auskunftsanspruch erreicht. In Ländern mit einer kleinteiligeren Betriebsstruktur beträgt die Reichweite bei den Beschäftigten zum Teil sogar deutlich weniger als 30 Prozent. Berücksichtigt man die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst, so dürfte sich der Betroffenheitsgrad bei den Beschäftigten weiter verkleinern. Im Sinne des Gesetzesvorhabens sollten mehr Beschäftigte von der Möglichkeit eines individuellen Auskunftsanspruches partizipieren können. Die Mindestzahl der Beschäftigten in § 12 Absatz 1 EntgTranspG sollte dementsprechend gesenkt werden.
Um eine größere und validere Entgeltvergleichsgruppe zu generieren und gleichzeitig mehr Beschäftigte zu erreichen, sollte die Auskunftspflicht nach § 10 EntgTranspG gemäß § 12 Absatz 2 Nummer 1 EntgTranspG auf das gesamte Unternehmen erweitert werden. Ein zusätzlicher Vorteil einer Erweiterung der Beschränkung von der Betriebs- auf die Unternehmensebene ergebe sich hinsichtlich des Beschäftigtendatenschutzes. Über die Betriebsgrenzen hinaus wären sensible Daten durch Anonymisierung umfassender abgesichert.
Gemäß § 12 Absatz 3 EntgTranspG wird bei weniger als sechs Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts, die eine Vergleichstätigkeit ausüben, die Auskunft über das Vergleichsentgelt verwehrt. Die Bundesregierung begründet dies vorrangig als notwendige Vorgabe für den Beschäftigtendatenschutz. Mit der Erstellung von Durchschnittswerten können die individuellen Vergleichsentgelte sowie bis zu zwei weitere Entgeltbestandteile gemäß § 10 Absatz 1
EntgTranspG anonymisiert werden. Aus diesem Grund sollte bei gleichzeitiger Wahrung des Beschäftigtendatenschutzes im Sinne der Ausweitung des Auskunftsanspruches der Beschäftigten die notwendige Anzahl Beschäftigter des jeweils anderen Geschlechts, die eine Vergleichstätigkeit ausüben, auf nicht weniger als drei reduziert werden.
Der Bundesrat hält es dabei für richtig, die kleineren und mittleren Unternehmen (KMU) von einer Berichtspflicht entsprechend dem Abschnitt 4 zu befreien, um Bürokratiebelastungen für diese Unternehmen zu vermeiden. Allerdings sollte sich die Begrenzung in § 21 Absatz 1 EntgTranspG an der Definition der EU-Kommission für KMU orientieren. Daher wird empfohlen, die Berichtspflicht auf Unternehmen mit in der Regel mehr als 249 Beschäftigten, die zur Erstellung eines Lageberichts nach den §§ 264 und 289 des Handelsgesetzbuches verpflichtet sind, auszudehnen. Es ist davon auszugehen, dass diese Arbeitgeber mit Hilfe von technischen Systemen schnell und verhältnismäßig unkompliziert auf die für die Berichtspflicht notwendigen Daten zurückgreifen können.
11. Zum Gesetzentwurf allgemein
Der Bundesrat geht davon aus, dass das vorgeschlagene Gesetz ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Entgeltgleichheit zwischen Männern und Frauen ist, dem weitere folgen müssen.
Der Bundesrat teilt die Bedenken eines Übermaßes an Bürokratie für die Unternehmen durch das vorgeschlagene Gesetz nicht, sondern geht davon aus, dass es im Interesse der Unternehmen selbst liegen muss, fair zu bezahlen und sich auch als Unternehmen präsentieren zu können, welche die Einkommen ihrer Beschäftigten diskriminierungsfrei gestalten.
B
- 12. Der Wirtschaftsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.