umwelt-online: Wirkung hochfrequenter Felder auf das Genom: Genotoxizität und Genregulation (3)

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5.2.2.2 Transformierte Blutzellen

In einer Studie [Hook et al., 2004b] wurden exponentiell wachsende Molt-4-Zellen einer menschlichen Leukämiezelllinie für 2, 3 und 21 Stunden HF-Feldern unterschiedlicher Pulsung und Frequenz (CDMa (847,74 MHz; 3,2 W/kg), FDMa (835,62 MHz; 3,2 W/ kg), iDEN (813,56 MHz; 2,4 oder 24 mW/kg) und TDMa (836,55 MHz; 2,6 oder 26 mW/kg)) in einer radialen Wellenleitung ausgesetzt. Als Positivkontrollen wurden die Zellen Gamma-Strahlen (1 Gy) oder einer Erwärmung (44 °C für 20 min) ausgesetzt. Als Endpunkte wurden die Kometen mit dem alkalischen "Comet-Assay" sowie die Apoptosehäufigkeit über Annexinbindung mit Cytofluorimetrie untersucht (vgl. Kap. 3.3.2). Es ergaben sich unabhängig von Befeldungsmodalität, Modulationsformen und SAR-Werten keine Unterschiede zwischen exponierten und scheinexponierten Proben.

Im Rahmen der REFLEX-Studie [European Union, 2004a] wurde ein Teilprojekt (Participant 2, Arbeitsgruppe Tauber) an exponentiell wachsenden Zellen einer menschlichen Leukämie-Zelllinie (HL-60) durchgeführt, dessen Ergebnisse bisher nicht publiziert wurden. Als biologische Endpunkte wurden MN, Kometen, Zellzyklus, Apoptose und Sauerstoffradikale (ROS) untersucht. Die Exposition fand in dem in Kap. 2.1 beschriebenen Wellenleiter-Resonator statt [Schuderer et al., 2004b]. Die Zellen wurden bei 1.800 MHz mit unterschiedlichen Modulationen (CW, GSM 217 Hz und GSM-Talk) für Zeiten zwischen zwei und 72 Stunden bei SAR-Werten von 0,2 bis 3 W/kg exponiert. Das wesentliche Resultat dieser Studie ist ein SAR-abhängiger Anstieg der MN und des "Comet Tail Moments". Es handelt sich jedoch nicht um eine einfache Abhängigkeit, sondern es kommt nur bei mittleren SAR-Werten 1,3, 1,6 und 2 W/kg zu einer Erhöhung, nicht jedoch bei niedrigeren oder höheren SAR-Werten, was als eine Art "Fenstereffekt" interpretiert wird. Apoptose, Zellzyklus und die Überlebensfähigkeit der Zellen waren dagegen nicht beeinflusst. Die Autoren beschreiben eine Steigerung der ROS und eine Reduktion der Effekte durch Zugabe von Ascorbinsäure als Radikalfänger bei Exposition über 24 h.

Zwei weitere Studien [Lantow et al., 2006; Simko et al., 2006] haben die Produktion von freien Radikalen in Zellen des menschlichen Immunsystems, einer Monozyten-Zellline (Mono Mac 6) und einer Leukämielinie von Erythroid-Zellen (K562) unter dem Einfluss von 1.800 MHz-Feldern untersucht und keine erhöhte Produktion von Radikalen nachweisen können. Die Arbeiten sind im Einzelnen im Kapitel 6.1 behandelt, da diese Arbeiten sich auch mit der Frage der Expression von "Heat Shock"-Proteinen beschäftigen. Diese Frage spielt im Kapitel 6 eine wichtige Rolle.

5.2.3 In-vitro-Exposition: Fibroblasten und Zelllinien

Die Arbeitsgruppe Rüdiger untersuchte im Rahmen des REFLEX-Projekts u. a. genotoxische Wirkungen in menschlichen Fibroblasten sowie Ratten-Granulosa-Zellen [European Union, 2004a]. Die Expositionsapparatur war - wie in den meisten REFLEX-Studien - der von Schuderer et al. (2004b) entwickelte Wellenleiter-Resonator. Bei einer Frequenz von 1.800 MHz wurden SAR-Werte von 1,2 und 2 W/kg in verschiedenen Modulationen und zeitlichen Expositionsmustern bis zu 24 Stunden eingesetzt. Als Testverfahren dienten alkalischer und neutraler "Comet-Assay", außerdem wurden Mikrokerne sowie Chromosomenaberrationen bestimmt. Die Autoren geben bei allen untersuchten Parametern signifikante Steigerungen im Vergleich zu "Sham"-Kontrollen nach 4- und 24-stündiger Exposition an. Ein Teil der im REFLEX-Report berichteten Ergebnisse ist veröffentlicht [Diem et al., 2005], ihre Gültigkeit ist von Vijayalaxmi et al. (2006) aus methodischen Gründen in Zweifel gezogen worden. Speit et al. (2007) haben in Zusammenarbeit mit dem REFLEX-Konsortium die Experimente mit gleichem Zellmaterial und einer identischen Expositionsapparatur repliziert. Dabei konnten die ursprünglichen Ergebnisse nicht bestätigt werden. In derselben Arbeit wurden zum Vergleich auch V79-Zellen des chinesischen Hamsters untersucht, die ein "Standardobjekt" zytologischer Forschung in Säugerzellen darstellen. Auch bei ihnen gab es bei den untersuchten Parametern in keinem Fall eine Änderung durch den Einfluss von HF-Feldern.

Eine vergleichbare Studie wurde von Sakuma et al. (2006) durchgeführt. Sie exponierten sowohl Humanfibroblasten aus fetalen Lungen (Linie IMR90) als auch menschliche Gliomzellen (A172) in verschieden modulierten Signalen der Grundfrequenz 2142,5 MHz bei SAR-Werten von bis zu 0,8 W/kg. DNA-Schäden wurden mit Hilfe des alkalischen "Comet-Assays" quantifiziert. In keinem Fall zeigten sich statistisch signifikante Unterschiede zwischen exponierten und nicht exponierten Proben. Allerdings muss auf die relativ geringe SAR in diesen Experimenten hingewiesen werden.

In einer Arbeit von Zhang et al. (2006), die nur als Zusammenfassung vorliegt, wurden Hamsterlungenfibroblasten 1 bzw. 24 Stunden mit 1.800 MHz-Signalen bei 3 W/kg exponiert und in Bezug auf die Induktion von DNA-Doppelstrangbrüchen untersucht, wobei die empfindliche Methode des Immunnachweises von γ-H2AX benutzt wurde. Eine gerade signifikante Erhöhung ergab sich lediglich bei der längeren Expositionsdauer.

Lagroye et al. (2004b) untersuchten in der Maus-Fibroblastenzelllinie 10T1/2 die Ausbeute an Alkalilabilen DNA-Schäden und DNAProtein-Vernetzungen. Als Positivkontrolle wurden Cisplatin und Gammastrahlen benutzt. Die Exposition mit 2.450 MHz erfolgte über 2 Stunden bei einer SAR von 1,9 W/kg. Die ausführlich belegten Ergebnisse geben keinen Hinweis auf die Induktion von Alkalilabilen Läsionen oder DNA-Protein-Vernetzungen durch HF-Exposition.

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