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TRGS 910-74: 4,4'-Methylen-bis(N,N-dimethylanilin)

(BArbBl. 12/89 S. 73)


Krebserzeugender
Stoff

Gruppen

I
(sehr stark gefährdend)
II
(stark gefährdend)
III
(gefährdend)

Massengehalte im Gefahrstoff in v. H.

4,4'-Methylen-bis(N,N-dimethylanilin)     > 5

Erläuterung:

Über die toxische Wirkung von 4,4'-Methylen-bis(N,N-dimethyl-anilin) beim Menschen liegen keine Erfahrungen vor. Im Tierversuch scheint der Stoff akut nur wenig giftig zu sein. Die nahe Verwandtschaft zum 4,4'-Methylendianilin (dieser Stoff ist mit> 1 % in Gruppe III eingestuft unter der Bezeichnung 4,4'-Diaminodiphenylmethan) stellt aber die Frage der krebserzeugenden Wirkung des 4,4'-Methylen-bis(N,N-dimethylanilin) eindeutig in den Vordergrund.

4,4'-Methylen-bis(N,N-dimethylanilin) ist in zahlreichen verschiedenartigen Testsystemen auf Mutagenität geprüft worden. Vielen negativen Ergebnissen stehen einige (meist als "schwach" bezeichnete) positive Befunde gegenüber. Nach den vorliegenden Ergebnissen muß das mutagene Potential von 4,4'-Methylen-bis(N,N-dimethylanilin) deshalb als nicht stark ausgeprägt beurteilt werden.

Zur Frage der krebserzeugenden Wirkung von 4,4'-Methylen-bis(N,N-dimethylanilin) liegt ein Versuch mit Fischer-344-Ratten vor und ein Versuch mit B6C3F1-Mäusen. In dem Versuch mit Ratten wurde der Stoff über 59 Wochen (+45 Wochen Nachbeobachtung) in den Konzentrationen 375 bzw. 750 mg/kg Futter verabreicht.

Dabei kann die höhere Konzentration als im Bereich der maximal verträglichen liegend angesehen werden. Unter diesen Versuchsbedingungen wurden bei beiden Geschlechtern Follikellzell-Tumoren (gutartige und bösartige) der Schilddrüse induziert; das Ergebnis war allerdings nur für die hohe Konzentration statistisch signifikant (s. Tabelle). In dem Versuch mit Mäusen wurden die Konzentrationen 1250 bzw. 2500 mg/kg Futter über 78 Wochen (+13 Wochen Nachbeobachtung) eingesetzt. Beide Konzentrationen müssen aufgrund der deutlich verminderten Körpergewichtszunahmen als für beide Geschlechter toxisch angesehen werden, dennoch wichen die Überlebenszeiten nur wenig von denen der Kontrollmäuse ab. Bei den männlichen und den weiblichen Mäusen (ähnlich auch bei den Ratten) fielen als nicht-neoplastische Schädigungen durch die Testsubstanz proliferative Läsionen in der Schilddrüse auf. Durch die Testsubstanz wurde die Rate der gutartigen (nicht aber der bösartigen) Lebertumoren signifikant erhöht. Dies gilt nur für die weiblichen Mäuse; bei den männlichen Mäusen war das Ergebnis nicht eindeutig (s. Tabelle).

Ratte
Konzentration 0 375 750 mg/kg Futter
Schilddrüsen-Tumoren
gutartig m 0/18 0/50 13/46
W 0/20 1/46 13/45
bösartig m 1/18 4/50 21/46
w 0/20 3/46 23/45
Maus
Konzentration 0 1250 2500 mg/kg Futter
Leber-Tumoren
gutartig m 2/20 3/50 16/48
w 1/19 18/49 22/48

In einem 2-Stufen-Experiment an der Ratte wurde der Promotor-Effekt von 4,4'-Methylen-bis(N,N-dimethylanilin) auf die durch N-bis(2-hydroxypropyl)-nitrosamin initiierte Schilddrüsentumor-Induktion untersucht. 4,4'Methylen-bis(N,N-dimethylanilin) hatte dabei, allein appliziert und auch in Kombination mit dem Initiator, folgende Effekte: Diffuse Hyperplasie der Schilddrüse, Vermehrung der Zellen mit Nachweis an Schilddrüsen-stimulierendem Hormon in der Hypophyse, Erhöhung des Spiegels an Schilddrüsen-stimulierendem Hormon im Serum, Absenkung des Schilddrüsen-Hormons T4. Unter diesen Bedingungen (375 mg/kg Futter über 19 Wochen) wirkte 4,4'-Methylen-bis(N,N-dimethylanilin) als starker Promotor auf die durch N-bis(2-hydroxypropyl)nitrosamin initiierte Schilddrüsenkanzerogenese. Bei der Schilddrüsentumor-Induktion durch 4.4'-Methylen-bis(N,N-dimethylanilin) handelt es sich somit wohl um einen hormonabhängigen indirekten Mechanismus (Kitahori et al., 1988).

Zusammenfassend läßt sich sagen, daß bei den Ratten nur bei der hohen Konzentration (= maximal toleriert) die Rate der Schilddrüsentumoren signifikant erhöht war. Bei den Mäusen wurden nur toxische Konzentrationen eingesetzt, dennoch waren die Überlebenszeiten ähnlich wie bei den Kontrollmäusen. Trotz der harten Versuchsbedingungen ergab sich nur für die gutartigen Tumoren der Leber eine statistisch signifikant erhöhte Rate, und zwar für die weiblichen Mäuse; bei den männlichen Mäusen war der Effekt nicht so deutlich. Da auch das mutagene Potential von 4,4'-Metbylen-bis(N,N-dimethylanilin) nicht stark ausgeprägt zu sein scheint und zumindest bei der Schilddrüsen-Tumor-Induktion hormonabhängige sekundäre Mechanismen eine Rolle spielen, wird der Stoff in die Gruppe III eingestuft, und zwar mit der Konzentration von> 5 %.

Literatur:

"Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe" (Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten) der Arbeitsstoff-Kommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Verlag Chemie, Weinheim

IARC Monograph on the Evaluation of the Carcinogenic Risk of Chemicals to Humans; Vol. 27.S.119-126. 1982

Kitahori, Y., Y. Hiasa, Y. Katoii, N. Konishi, M. Ohshima, H. Hashimoto, S. Minami, Y. Sakaguchi; Cancer Lett. 40, 275-281,1988

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