Begründung zur Bewertung von Stoffen als sensibilisierend
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32. Terpentinöl
(CAS-Nr.: 8006-64-2)

Ausgabe: Juli 1999
(BArbBl. 8/1999 S. 87)



Stand: Mai 1999

Vorkommen:

Terpentinöle (CAS-Nr. 8006-64-2) sind etherische Öle, die durch verschiedene Destillationsverfahren aus dem Harz (Terpentin) von Nadelhölzern (Pinusarten) gewonnen werden. Hauptbestandteile der Terpentinöle sind mono- und bicyclische gesättigte und ungesättigte Terpene wie α -Pinen, β -Pinen, d- und 1-Limonen, δ -3-Caren und Camphen. Die quantitative Zusammensetzung der Terpene variiert z.T. erheblich, wofür im wesentlichen die botanische Spezies und die geographische Herkunft der Ursprungspflanze sowie das Herstellungsverfahren maßgebend sind. (z.B. hoher δ -3-Caren-Anteil in ost- und nordeuropäischen, niedriger in südeuropäischen oder ostasiatischen Spezies). Unter allergologischen Gesichtspunkten sind von den Inhaltstoffen die verschiedenen Terpene bedeutsam. Terpentinöl und seine Derivate finden sich in Lacken, Farben, Schuhcremes, Lösungsmittel, Bodenreinigungsmitteln, Harzen, antirheumatischen Mitteln, Insektiziden und Hustenmitteln [1].

Arbeitsmedizinische und experimentelle Daten:

Terpentinöle erwiesen sich sowohl bei humanen als auch bei tierexperimentellen Untersuchungen als sensibilisierend durch Hautkontakt. Im Maximierungstest reagierten 16 von 25 Meerschweinchen, im Maximierungstest am Menschen 18 von 25 Probanden positiv [1]. Als allergene Inhaltsstoffe wurden nicht nur δ -3-Caren, sondern auch α -Pinen, β -Pinen und Dipenten (Limonen) ermittelt, wobei dem α -Pinen bei δ -3-Caren -armem oder -freiem Terpentinöl Bedeutung zukommt [2-5]. Es stellte sich weiterhin heraus, daß nicht die genannten Terpene, sondern ihre Oxidationsprodukte (Hydroperoxide und Epoxide) sensibilisierend wirken [6-10].

Die Sensibilisierungsraten von Terpentinöl sind in den letzten 30 Jahren stetig zurückgegangen. Bis Mitte der siebziger Jahre in verschiedenen Untersuchungen mit Raten von weit über 1 % noch als bedeutendes Allergen eingestuft [11-13], nahm die Sensibilisierungshäufigkeit in der Folge ab [14, 15] und lag bei Auswertungen des IVDK (Informationsverbund Dermatologischer Kliniken) Anfang der neunziger Jahre unter 1 % [16, 17]. Das dürfte vor allem auf eine verminderte Exposition zurückzuführen sein, da Terpentinöl zunehmend durch andere Lösungsmittel ersetzt wurde, wie Testbenzin oder halogenierte Aliphate [18]. Zu berücksichtigen ist bei chronologischen oder geographischen Vergleichen allerdings, daß mit unterschiedlichen Produkten in unterschiedlichen Konzentrationen und unterschiedlichen Vehikeln getestet wurde.

Diese Entwicklung ließ den Gedanken aufkommen, Terpentinöl nicht mehr standardmäßig zu testen [14, 19]. Neuere, unveröffentlichte Auswertungen der Jahre 1996 und 1997 aus dem IVDK zeigen jedoch erneut einen Anstieg der Terpentinöl-Sensibilisierungen mit Raten zwischen 2 und 3 %. Diese Daten sind als Warnhinweis zu deuten, und zwar nicht in der Art, daß Terpentinöl als Allergen erneut eine Rolle spielen würde, als vielmehr, daß offenbar eine zunehmende berufliche und nicht berufliche Exposition gegen verschiedenen Terpene zu verzeichnen ist, die zu Terpen-Sensibilisierungen führt. In diesem Zusammenhang sind der "umweltverträgliche", industriell in großem Maßstab eingesetzte Lösungstoff Limonen [20] und z.B. das im privaten Bereich zunehmend geschätzte Teebaumöl [21, 22] zu nennen.

Bewertung:

Terpentinöl wirkt ungeachtet seiner Herkunft in seiner autooxidierten Form sensibilisierend durch Hautkontakt (R43). Terpentinöl-Allergien sind gegenwärtig weniger auf ein6 nennenswerte Terpentinöl-Exposition zurückzuführen, als wahrscheinlich auf andere Terpen-Expositionen im beruflichen und privaten Bereich.

Literatur:

[1] Kayser, D.; Schlede, E. (Hrsg.): Chemikalien und Kontaktallergie - eine bewertende Zusammenstellung. München: MMV Medizin Verlag, 1995, Losebl.-Ausg.

[2] Schubert, H.; Rudzki, E.; Berova, N. et al.: Kontaktallergie auf Terpentinöl - ein Rückblick (Vortragsabstrakt). Zbl. Haut 158 (1991), 672

[3] Cachao, P.; Menezes Brandao, F.; Carmo, M.; Frazao, S.; Silva, M.: Allergy to oil of tulpentine in Portugal. Contact Dermatitis 14 (1986), 205-208

[4] Romaguera, C.; Camarasa, J. M.; Grimalt, F.; Alomar, A.: Turpentine: an attempt to explain sensitization to this allergen in Spain. Contact Dermatitis 9 (1983), 384-386

[5] Lear, J. T.; Heagerty, A. H; Tan, B. B.; Smith, A. G.; English, J. S.: Transient re-emergence of oil of turpentine allergy in the pottery industry. Contact Dermatitis 35 (1996), 169-172

[6] Hellerström, S.; Lodin, A.; Rajka, G.; Swedin, B.; Widmark, G.: Sensitization of pigs with 3-carene. Acta Derm. Venereol. 43 (1963), 311-323

[7] Hellerström, S.; Thyresson, N.; Blohm, S.G.; Widmark, G.: On the nature of the eczematogenic component of oxidized delta3-carene. J. Invest. Dermatol. 24 (1955), 217-224

[8] Pirilä, V.; Kilpiö, O.; Olkkonen, A.; Pirilä, L.; Siltanen, E.: On the chemical nature of the eczematgens in oil of turpentine, V. Dermatologica 139 (1969), 183-194

[9] Grimm, W.; Gries, H.: Untersuchungen über die Terpentinöl-Allergie, III. Dermatosen 18 (1970), 165-177

[10] Karlberg, A.-Th.; Dooms-Goossens, A.: Contact allergy to oxidized d-limonene among dermatitis patients. Contact Dermatitis 36 (1997), 201-206

[11] Bandmann, H.J.; Calnan, C.D.; Cronin, E. Yregert, S.; Hort, N.; Magnusson, B.; Maibach, H.; Malten, K.E.; Meneghini, CL.; Pirilä, V.; Wilkinson, D.S.: Dermatitis from applied medicaments. Arch. Dermatol. 106 (1972), 335-337

[12] Magnusson, B.; Blohm, S.G.; Fregert, S.; Hjorth, N.; Hovding, G.; Pirilä, V.; Skog, E.: Routine patch testing. III. Frequency of contact allergy at six Scandinavian clinics. Acta Derm. Venereol. 46 (1966), 396-400

[13] Fregert, S.; Hjorth, N.; Magnusson, B.; Bandmann, H.-J.; Calnan, CD.; Cronin, E.; Malten, K.; Meneghini, C.L.; Pirilä, V.; Wilkinson, D.S.: Epidemiology of contact dermatitis. Transactions St John`s Hospital Derm. Soc. 55 (1969), 17-35

[14] Cronin, E.: Oil of turpentine - a disappearing allergen. Contact Dermatitis 5 (1979), 308-311

[15] Gollhausen, R.; Enders, F.; Przybilla, B.; Burg, G.; Ring, J.: Trends in allergic contact sensitization. Contact Dermatitis 18 (1988), 147-154

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