Begründung zur Bewertung von Stoffen als sensibilisierend
¨
17. Zierpflanzenbestandteile

Primin
(CAS-Nr. 119-38-0)

Ausgabe: Juli 1999
(BArbBl. 8/1999 S. 75)



Stand: Mai 1999

Vorkommen:

Primin kommt in den feinen Drüsenhärchen an Blatt, Stengel und Blüte von diversen Primelarten vor. Allergien werden ganz überwiegend durch die bei uns als topfpflanze gehaltene Primula obconica (Becherprimel) verursacht. Der Allergengehalt der einzelnen Pflanze ist stark von Jahreszeit, Licht, Wetter und anderen Wachstumsbedingungen abhängig. Die Züchtung völlig priminfreier Sorten ist bisher nicht gelungen. Die Substanz wurde um 1900 isoliert und 1927 als "Primin" bezeichnet [11]. Von SCHILDKNECHT u. a. (1967) wurde die Struktur aufgeklärt und die Substanz synthetisiert [16].

Die Vermutung, daß 2 verschiedene Allergene an der Primelallergie beteiligt sind, hat sich nicht bestätigt. Das "zweite Allergen" wurde als eine Vorstufe des Primins erkannt [II].

Primin wurde auch in Miconia spez. [zit. bei 18] und im See-Igel [II] nachgewiesen.

Arbeitsmedizinische und experimentelle Daten:

Bald nach der Einführung der Becherprimel 1880 von China nach England und ihrer Verbreitung in Amerika und Europa häuften sich Berichte über allergischen und irritativen Hautaussehlag durch Umgang mit der "Giftpflanze". SHELMIRE [zit. bei 19] fand 1939 bei 8 % der von ihm untersuchten Gärtner Primeldermatitis. ROOK et al. [19] berichteten über 25 Fälle (24 Frauen, 1 Mann), die durchschnittlich nach 17 Monaten eine Primelallergie entwikelten. Testungen mit nativem Material (Blätter) waren bei allen positiv. HAUSEN [9] gab einen historischen Überblick über die Primelallergie, in dem auf 420 Publikationen und über 4000 publizierte Fälle von Primelallergie hingewiesen wird. 1928 sei die Zahl der überempfindlichen Personen in der Allgemeinbevölkerung mit 6 % angegeben worden. Die Testung mit nativem Pflanzenmaterial und Pflanzenextrakten kann wegen des schwankenden Allergengehaltes zu falsch positiven oder falsch negativen Ergebnissen und zur aktiven Sensibilisierung nach einmaliger Testung führen [1, 2, 7]. 9 % (22/234) der Patienten, die bei der ersten Testung mit Primelextrakt negativ waren, reagierten nach einer Test-wiederholung positiv [1]. Deshalb wird die Testung mit synthetischem Primin in Vaseline in einer Konzentration von 0,01 % empfohlen [2, 7, 17]. Aktive Sensibilisierungen durch die Testung sind durch diese Testsubstanz selten [13]. Das klinische Bild der Primeldermatitis kann sehr variabel sein. Überwiegend sind Gesicht, Hände und Arme betroffen [13, 20]. Es werden jedoch auch Streuungen auf Körperstellen, die keinen direkten Kontakt hatten und Photodermatitis und erythemaexudativum-multiforme-ähnlicher Ausschlag beschrieben [12, 14, 21]. Die Übertragung des Allergens kann durch direkten und indirekten Kontakt und auch aerogen erfolgen [6].

In den sechziger Jahren wurde aus Skandinavien von 5,7 % Primelallergie und bis zu 11 % positiven Testergebnissen bei Frauen in den Sommermonaten berichtet [1, 12]. In Abhängigkeit von der Beliebtheit und Verbreitung der Becherprimel sind diese Zahlen rückläufig. Bei routinemäßiger Testung von Primin in der Standardreihe reagierten 1972 in München 0,9 % von 691 Ekzempatienten positiv [2]. In Spanien nahmen die Zahlen der positiven Testungen mit Primin von 1970 bis 1980 (1 Fall) und 1981-1984 (0,45 %) bis 1987 (4/79 = 5 % Frauen, 0/38 Männern) zu, insgesamt wurden 15 Fälle von Primeldermatitis (14 Frauen, 1 Mann) in diesem Zeitraum beobachtet [5]. 1994 waren die Fallzahlen (1,8 % = 8 Frauen mit Primeldermatitis von 444 Patienten mit Kontaktekzem) wieder rückläufig [20]. INGBER et al. [13] fanden von 1984 bis 1989 in Dänemark in 1,8 % (57 von 3075), LOGAN u.a. 1988 [15] in England in 1 % (34/3462) und DOOMSGOOSSENS et al. [4] in Belgien von 1985 bis 1989 in 0,3 % (13/ 4253) positive Testreaktionen auf Primin. Ganz überwiegend waren jeweils Frauen älterer Jahrgänge betroffen, die sich offenbar besonders der Pflege der topfpflanzen widmeten. Über beruflich verursachte Primelallergie bei Floristen und Gärtnern wird nur noch in Einzelfällen berichtet [8, 13, 17, 20]. Von 64 Beschäftigten auf dem Hamburger Blumengroßmarkt, die arbeitsbedingte Hautveränderungen angegeben hatten, wurden 16 auch mit Primin (0,01 %) getestet und Allergie in 2 Fällen (3,1 % von 64) nachgewiesen [10].

Kreuzreaktionen mit strukturähnlichen Chinonen, die in anderen Pflanzen oder Holzarten vorkommen, z.B. Dalbergia-Arten, Teak (Tectona grandis) oder Pao ferro (Macherium skleroxylon) sind möglich, werden jedoch selten beobachtet [11, 18].

Primin ist eines der stärksten bekannten Allergene. Es wurde deshalb früher auch beim Menschen häufig als Modellsubstanz zum Studium allergischer Reaktionen eingesetzt und eine beträchtliche Probandenzahl experimentell sensibilisiert [9]. In Abhängigkeit von der Zubereitung und dem Allergengehalt sensibilisierten BLOCH et al. [3] durch ein- oder mehrmaliges Einreiben mit Primelextrakt 40 (10/24) bis 100 % (12/12) der freiwilligen Probanden. In tierexperimentellen Untersuchungen an Meerschweinchen des Pirbright-white-Stammes erwies es sich als stärkstes Allergen von 7 natürlich vorkommenden Benzochinonen. Im Epikutantest (Induktion mit 1/100 molarer Lösung täglich 3 Wochen) waren mit einer molaren Challangekonzentration von 1/500 10/10 Tiere positiv, mit 1/2000 noch 7/10 Tiere. Nach subcutaner Induktion (1/100 molare Lösung mit FCA, 2mal im Intervall von 4 Tagen) reagierten auf eine molare Challangekonzentrationen von 1/500 27/27 Tieren positiv und bei 1/2000 7/10 Tieren. Aufgrund seiner Struktur wird Primin als ein ideales Allergen angesehen [18]. HAUSEN [11] gibt eine mittlere Reaktionsstärke (Summe der Reaktionen/Zahl der Tiere) von mR >3 für den OET, GPMT und FCAT an (keine weiteren Angaben).

Die Benzochinonstruktur weist auf eine ausgeprägte Sensibilisierungspotenz hin, die durch Länge, Position und Konfiguration der aliphatischen Seitenkette modifiziert wird [18].

Bewertung:

Sensibilisierungen von Exponierten und Probanden, die starke Sensibilisierungspotenz in Tierversuchen und Struktur-Wirkungsvergleiche begründen die Bewertung als sensibilisierend durch Hautkontakt (R43).

Literatur:

[1] Agrup, G.; Fregert, S.; Hjorth, N.; Ovrum, P.: Routine patch testing with ether extract of Primula obconica. Brit. J. Dermatol. 80(1968), 497-502

umwelt-online - Demo-Version


(Stand: 20.08.2018)

Alle vollständigen Texte in der aktuellen Fassung im Jahresabonnement
Nutzungsgebühr: 90.- € netto (Grundlizenz)

(derzeit ca. 7200 Titel s.Übersicht - keine Unterteilung in Fachbereiche)

Preise & Bestellung

Die Zugangskennung wird kurzfristig übermittelt

? Fragen ?
Abonnentenzugang/Volltextversion