Begründung zur Bewertung von Stoffen als sensibilisierend
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17. Zierpflanzenbestandteile
Tulipalin A
(CAS-Nr. 547-65-9)

Ausgabe: Juli 1999
(BArbBl. 8/1999 S. 74)



Stand: Mai 1999

Vorkommen:

Tulipalin a kommt in einer Reihe von Pflanzen der Familien der Liliacea und Alstroemeriaceae (Ordnung Liliales) vor. Es gibt mehrere Tulipaline (A-D), welche in der Pflanze glycosidisch gebunden vorkommen (Tuliposide A-D) und durch hydrolytische Spaltung z.B. nach Verletzung des Pflanzengewebes und Lactonisierung gebildet werden. Tulipaline wirken auch fungizid, antibakteriell und hautreizend. Das instabile l-Tuliposid a kann in das stabilere, antibiotisch inaktive 6-Tuliposid-a umgewandelt werden [7, 19, 20, 22, 23]

Arbeitsmedizinische und experimentelle Daten:

Seit langem sind typische Hautveränderungen bei intensivem Kontakt mit Tulpenzwiebeln beim Roden. Putzen und Sortieren bekannt und wurden besonders aus den Niederlanden als klassisches Land der Blumenzwiebelzucht beobachtet. Auf den Fingerbeeren und in der Fingernagelumgebung, unter die freien Nagelränder greifend, treten Rötung, Schuppung, Hyperkeratosen und schmerzhafte Einrisse auf. Abszesse und Nagelveränderungen wurden beschrieben [5, 8, 15, 25]. BERTWISTLE [2] prägte 1935 den Begriff "Tulpenfinger". Die Hautveränderungen können auch auf den Händen Unterarmen, im Gesicht (aerogene Dermatitis) und generalisiert auftreten. Reaktionen der Atemwege und Konjunktivitis wurden beschrieben [12, 26]. Van der WERFF [26] fand in Abhängigkeit von den berarbeiteten Tulpensorten bei bis zu 40 % der Beschäftigten Beschwerden. KLASCHKa et al. sahen bei besonders intensivem Kontakt, weil die Zwiebeln zur Gewinnung langer Stengel zerschnitten wurden, bei 8 von 12 Exponierten Hauterscheinungen. 7 davon reagierten auf einen Pflastertest mit Pflanzenmaterial aller verwendeten Sorten (auf Zwiebeln stärker als auf Blütenblätter) [11]. Kontakturtikaria mit respiratorischen Symptomen durch Tulpen und Lilien traten bei einer Floristin auf. Da Epikutantests mit Pflanzenmaterial negativ und Scratchtests mit nativen Proben und nur mit wässerigem Pflanzenextrakt positiv waren, wurde ein bislang unbekanntes Protein als Ursache vermutet [12].

VERSPYCK MINJSSEN wies Tulipalin A, welches bereits durch andere Forschungsgruppen isoliert und in der Struktur aufgeklärt worden war, durch positive Epikutantests in Konzentrationen bis 0,005 % als Ursache der Tulpendermatitis nach [1, 3, 24]. Alle untersuchten Kultursorten enthielten das Allergen in vergleichbaren Mengen. Hohe Konzentrationen wurden in der Epidermis der weißen Zwiebelschalen, in den Narben und abnehmend in Stengeln, Blättern und Blütenblättern gefunden. Tulipalin a war identisch mit dem α -methylen-γ -butyrolacton, welches 1946 bereits aus Erythronium americanum isoliert worden war und sich auch aus Erythronium dens-canis (Hundszahnlilie) darstellen ließ [24].

Tuliposid a ließ sich in unterschiedlicher Konzentration in mehreren Arten der Familien der Liliaceae (Tulpen, Kaiserkrone, Lilien-, Alliumsorten u.a.) und allen Alstroemeriaceae nachweisen. Krokusse, Hyazinthen und Narzissen haben kein Tuliposid a [19, 20]. Das ebenfalls fungizide Tuliposid B (Tulipalin B) soll keine allergene Bedeutung haben [7, 20].

Alle Pflanzenarten, die Tuliposid a enthalten, zeigen in Abhängigkeit von der Konzentration, die auch saisonalen Schwankungen unterliegt, Gruppenreaktionen. Primärsensibilisierungen werden ganz überwiegen durch Tulpen und bald nach der Verbreitung von Alstroemerien (Inka-Lilie, Peru-Lilie) als beliebte Schnittblume auch durch diese berichtet [5, 10, 14, 16, 17, 18]. Rook [15] hatte bereits 1961 Unverträglichkeit von Alstroemerien bei einer Floristin mit Tulpenallergie beschrieben. Tulipalin a wurde in Konzentrationen bis zu 18 % in Extrakten von Blütenblättern und Stengeln aller Alstroemeriensorten nachgewiesen und verursacht allergisches Kontaktekzem bei Gewächshausgärtnern und Floristen auf Händen, Armen und im Gesicht. In Erfurt waren 7 von 8 Frauen, die seit 3 Jahren Alstroemerien unter Glas bearbeiteten, an schwerem Kontaktekzem erkrankt. In 6 Fällen waren positive Testreaktionen mit verschiedenen Pflanzenextrakten und 0,01 % Tuliposid a und Tulipalin a in Vaseline nachweisbar. Bei höheren Testkonzentrationen soll die Gefahr "falsch" positiver" (irritativer) Reaktionen oder aktiver Sensibilisierung bestehen, ebenso bei der Testung mit Pflanzenmaterial oder Extrakten [6]. SANTUCCI et al. fanden unter 50 Gärtnern mit Alstroemerienkontakt 3 mit allergischer Dermatitis (positive Tests mit 0,01 % 6-Tuliposid a und auf Tulipalin a in Verdünnungen bis 10-5). In den Pflanzen konnte nur 6-Tuliposid a und kein 1-Tuliposid a nachgewiesen werden [4, 18]. Die Methylengruppe in α -Stellung wird als wesentlich für die sensibilisierende Wirkung angesehen [4]. Auf steigende Prävalenz von allergischem Kontaktekzem durch die Verbreitung von Alstroemerien wird auch in den USa hingewiesen. Bei Floristen und Gärtnern wurde mittels einer Fragebogenaktion eine Prävalenz von 26 % für eine Dermatitis der Hände gefunden. Von 8 Floristen mit Handekzem hatten 3 eine Allergie gegen Alstroemerien [21].

Mehrere Untersucher empfehlen die Züchtung allergenarmer Tulpen und Alstroemerien, die bisher jedoch nicht gelungen ist [4, 18]. PVC-Handschuhe werden durch Tulipalin a leicht penetriert, Handschuhe aus Nitrilkautschuk sollen zum Schutz geeignet sein [13].

Über erfolgreiche experimentelle Sensibilisierungen am Probanden durch Tulpensaft wird in der Literatur berichtet (keine näheren Angaben) [zit. bei 7].

10 von 10 Meerschweinchen (Pirbright-Stamm) konnten im offenen Epikutantest (OET) mit verschiedenen Extrakten von Blütenblättern von Alstroemerien sensibilisiert werden (Auslösung mit 0,3 bis 10 %igen Extrakten und 1 % Tulipalin a (offen) und 0,1 % (okklusiv) [6]. α -Methylen-γ -butyrolacton wird als starkes Allergen eingeschätzt [7,9].

Bewertung:

Allergische Reaktionen bei Exponierten und die starke Sensibilisierungspotenz im Tierversuch begründen die Bewertung als sensibilisierend durch Hautkontakt (R43).

Literatur:

[1] Bergmann, B.H.H.; Beijersbergen, J.c.M.; Overeem, J.C., Kaars-Sijpesteijn, A.: Isolation and identification of a α -methylene butyrolactone, fungitoxic substance from tulips. Rec. Trav. Chim. Pays-Bas 86 (1967), 709-714

[2] Bertwistle, A.P.: Tulip Fingers. Br. J. Dermatol. (1935), 255

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(Stand: 20.08.2018)

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