Begründung zur Bewertung von Stoffen als sensibilisierend
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1-Chlor-2,4-dinitrobenzol (CAS-Nr: 97-00-7)
(1-Chlor-2,4-dinitrobenzol, DNCB)
Ausgabe: Oktober 2002
Vorkommen:
In der industriellen Produktion dient DNCB als Ausgangsprodukt für Explosiv-, Farb-, Gummihilfsstoffe und Fotochemikalien. Es entsteht als Zwischenprodukt bei der Herstellung von Chloramphenicol. Als Nachweisreagenz für Nikotinsäure und andere Pyrdinverbindungen sowie bei der Qualitätskontrolle ist DNCB auch gelegentlich in analytischen und als experimenteller Sensibilisator in immuntoxikologischen Laboratorien anzutreffen. Zeitweise war die Substanz auch als Algizid in Klimaanlagen im Handel. [4, 5, 9]. Außerdem wird DNCB zur Feststellung des Immunstatus bei Immundefizienten Patienten und zur Immuntherapie bei verschiedenen Erkrankungen eingesetzt [1]. Die Jahresproduktion beträgt > 1.000 t. Die Produktion und Verwendung erfolgt in geschlossenen Systemen. Beim Umladen oder Verladen können Personen jedoch mit dem Stoff in Berührung kommen [4].
Arbeitsmedizinische und experimentelle Daten:
DNCB verfügt über ausgesprochen stark sensibilisierende Eigenschaften, die gut dokumentiert und am Menschen schon im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts nachgewiesen wurden [5, 9]. Bei experimentell durchgeführten Untersuchungen ergab sich eine eindeutige Dosis-Wirkungsbeziehung: 62,5 µg führten bei 8 %, 500 µg bei 100 % der Probanden zu Sensibilisierungen [2]. Prädisponierte Individuen, nämlich solche mit multiplen Sensibilisierungen [8], und Frauen [7, 10] sind empfindlicher Die DNCBReaktivität bleibt auch nach einem Zeitraum von über 10 Jahren bestehen [7]. Untersuchungen zur Struktur-Wirkungsbeziehung zeigten, dass 1-Chlor-2,4-dinitrobenzol (DNCB) stark, und 1,2,4, Trinitrobenzol schwach wirksam sind, hingegen 1,2-Dichlor-4-nitrobenzol, 2-Chlor-1,4-dinitrobenzol und 1,3,5-Trinitrobenzol keine Allergien induzieren (Sulzberger und Baer 1938, zit. nach 9]. Mit allergischen Kreuzreaktionen auf chemisch verwandte halogenierte Nitrobenzole ist bei beruflichem Kontakt zu rechnen, insbesondere auf 1-Fluor-2,4,-dinitrobenzol und 1-Chlor-2,4,6trinitrobenzol [3]). Über den therapeutischen Einsatz der Substanz als Immunmodulator wird zusammenfassend bei [1] berichtet. Klinisch äußert sich die Sensibilisierung gegen DNCB fast ausschließlich unter dem Bild eines Kontaktekzems. Es sind aber auch Fälle von Kontakturticaria bekannt geworden [11].
Die nahezu nur beruflich bedingten Sensibilisierungen, meist in chemischen Betrieben (Laboratorien, Gummi-, Farben-, Keramik-, Sprengstoff-Industrie), stammen aus der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts (4, 9), und traten auch nach nur aerogenem Kontakt beim Be- oder Entladen - auch bei Büroangestellten - auf [4]. Als die Substanz in den siebziger Jahren als Algizid in Kühlsystemen eingesetzt wurde, traten bei einigen mit der Wartung beschäftigten Arbeitern Sensibilisierungen auf [9]. Weitere Fälle traten bei Arbeitern in der Chemie-Industrie, der Textilindustrie und der Gummindustrie sowie bei Transportarbeitern auf [4-6, 9].
Das starke Sensibilisierungsvermögen von DNCB wurde erstmalig 1935 an Meerschweinchen nachgewiesen. Die Substanz wurde im Tierexperiment häufig als Positivkontrolle und zur Validierung von Testmethoden eingesetzt. Bei verschiedenen Testmethoden mit und ohne Adjuvans kam es bei Meerschweinchen zu Sensibilisierungsraten von bis zu 100 % [5, 9]
Bewertung:
2,4-Dinitrochlorbenzol (DNCB) besitzt starke hautsensibilisierende Eigenschaften (R43), die sowohl beim Menschen als auch im Tierexperiment nachgewiesen wurden.
Literatur:
[1] Epstein, W. L., Stricker, R. B.: Immunomodulation by Allergic Contact Sensitization: The Dinitrochlorobenzene Story. Am. J. Contact Derm. 6 (2), 117-121, (1995)
[2] Friedmann, P.S., Moss, C., Shuster, S., Simpson, J.M.: Quantitative relationships between sensitizing dose of DNCB and reactivity in normal subjects. Clin. Exp. Immunol. 53, 709-715 (1983)
[3] Garcia-Perez, A: Occupational dermatitis from DNFB with cross sensitivity to DNCB. Contact Dermatitis 4, 125-7 (1978)
[4] Hausen, B.M., Kiehn, M.: Berufsbedingte Kontaktallergie auf Dinitrochlorbenzol (DNCB). Akta Dermatol. 16, 84-87 (1990)
[5] Kayser D., Schlede E., (Hrsg.): Chemikalien und Kontaktallergie - eine bewertende Zusammenstellung, MMV Medizin Verlag, München (1995/97/ 2001)
[6] Lübbe, D.: Professionelle Dinitrochlorbenzol-Kontaktdermatitis - elf Fälle in der Nitrieranlage eines Chemiewerkes. Derm. Beruf Umwelt 41, 19-24 (1993)
[7] Lübbe, D., Fiedler, H.: Experimentelle DNCB-Kontaktallergie, eine 10-Jahresstudie bei 137 Probanden. Z. Hautkr. 66, 954-956 (1991)
[8] Moss, C., Friedmann, P. S., Shuster, S., Simpson, J. M.: Susceptibility and amplification of sensitivity in contact dermatitis. Clin. Exp. Immunol. 61, 232-41 (1985)
[9] Greim H (Hrsg): Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe - Toxikologischarbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten. N.N., 1-Chlor-2,4dinitrobenzol. Weinheim: Verlag Chemie, 22. Lfg (1996)
[10] Rees, J. L., Friedmann, P. S., Matthews, J. N. S.: Sex differences in susceptibility to development of contact hypersensitivity to dinitrochlorobenzene (DNCB). Br. J. Dermatol. 120, 371-4 (1989)
[11] Valsecchi, R., Foiadelli, L., Reseghetti, A., Cainelli, T.: Generalized urticaria from DNCB. Contact Dermatitis 14, 254-5 (1986)
(Stand: 20.08.2018)
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