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8. α-Chlortoluol
(CAS-Nr.: 100-44-7)

(BArbBl. 3/97 S. 64)


α-Chlortoluol (Benzylchlorid; aCT) wirkt reizend an Haut und Schleimhaut. Als Hauptmetaboliten treten im Säugerstoffwechsel Benzylmercaptursäure, Hippursäure und Benzylcystein auf. Die Exkretion erfolgt nahezu ausschließlich über den Harn. Im neutralen Milieu (pH 7; 25 °C) hydrolysiert aCT mit einer Halbwertszeit von 15 Stunden [1].

Genotoxizität,

aCT ist ein direkt wirkendes Alkylans und zeigt dementsprechend auch ohne Zusatz von S9-Mix eine mutagene Wirkung im Ames-Test. Bei Hefe und bei Fadenpilzen führt aCT zu Punkt-mutationen, alkalilabilen DNA-Strangbrüchen und Crossingover. An CHO- und an V 79-Zellen, nicht jedoch bei Humanlymphozyten, treten nach aCT-Behandlung in vitro Chromosomenaberrationen und Schwesterchromatidaustausche auf. Ebenfalls positiv verliefen ein Punktmutationstest und ein Test auf DNA-Strangbrüche an Maus-Lymphom-Zellen [1]. Im SLRL-Test an Drosophila blieb die aCT-Verabreichung mit dem Futter ohne Effekt; ein Test auf Störungen der Zellsegregation an somatischen Zellen ("Eye Sectoring Assay") war bei aCT-Konzentrationen von 0,5-2,0 mM (63-253 µg/ml) positiv [2]. Ein Zelltransformationstest [4] und Mikronucleus-Tests [9,10] an Embryozellen des Syrischen Hamsters sowie ein SOS/umu-Test an S. typhimurium Ta 1535/pSK 1002 [15] erbrachten ebenfalls positive Resultate.

Im Host-mediated Assay an Mäusen mit intramuskulärer Applikation (4400 mg/kg KGW) zeigt aCT an den Indikatorstämmen S. typhimurium Ta 1530, Ta 1535 und Ta 1538 keine mutagenen Effekte. Ebenfalls negativ verliefen Mikronucleus-Tests an der Maus mit oraler, subkutaner und intraperitonealer Gabe von aCT [1]. Bereits 1 Stunde nach i.v.-Injektion konnte bei Mäusen eine Bindung von aCT besonders an Hämoglobin sowie an die DNa in Gehirn und Hoden nachgewiesen werden. Eine schwächere DNA-Bindung erfolgte in Leber, Lunge und Milz. Während die DNA-Bindung in Hoden, Gehirn und Leber innerhalb von 24 Stunden deutlich abnahm, zeigte sich für Lunge und Milz eher ein Anstieg der Bindung [3]. Ein Spermienkopf-Anomalie-Test an der Maus verlief sowohl mit subkutaner als auch mit intra-peritonealer Gabe negativ [2].

Kanzerogenität:

Zur Frage der kanzerogenen Wirkung von aCT liegt eine neuere Studie an Ratte und Maus mit Schlundsondenapplikation vor [1,5]. Dabei erhielten dreimal wöchentlich über einen Zeitraum von 2 Jahren je 52 männliche und weibliche F 344-Ratten bzw. C57BL/6JxBALB/cFl-Mäuse je 0; 15 oder 30 (Ratten) bzw. je 0; 50; oder 100 mg (Mäuse) aCT/kg KGW, gelöst in Maisöl, verabreicht. Körpergewichtsentwicklung und Überlebensrate waren bei beiden Spezies vergleichbar mit den Kontrollen.

Während bei den männlichen Ratten keine signifikant erhöhten Tumorinzidenzen auftraten, war bei den weiblichen Ratten die Inzidenz für C-Zell-Adenome und -Karzinome (kombiniert) der Schilddrüse mit 27 % bei der höchsten Dosis signifikant erhöht gegenüber den Kontrollen 8 %) und auch gegenüber den historischen Kontrollen (ca. 10 %) (siehe Tabelle 1). Die Anzahl der C-Zell-Hyperplasien der Schilddrüse als mögliches Vorstadium der Schilddrüsentumoren war bei den mit aCT-behandelten weiblichen Ratten jedoch nicht erhöht. Aufgrund der Tatsache, daß nur bei sehr wenigen Männchen der höchsten Dosis Vormagentumoren auftraten trotz der recht hohen Inzidenz an Vormagenschädigungen (Gastritis, Ulceration, Hyperplasie, Hyperkeratosis) in der subchronischen Dosisfindungsstudie, kommen die Autoren zu der Überzeugung, daß die MTD für die Ratten bei der mit 30 mg/kg KGW höchsten eingesetzten Dosis noch nicht erreicht war.

Tabelle 1: Tumor-Inzidenzen bei Ratten nach chronischer oraler Gabe von α-Chlortoluol [1,5]

Tumoren

Kontrolle

15 mg/kg

30 mg/kg

    m w m w m w
Mononukleäre  Leukämie 15/52 12/52 19/52 11/52 23/51 6/52
neoplast. Knoten/Leber 3/52 2/52 4/52 5/52 2/51 3/52
C-Ze1l-Aden.+ Karz./Schilddrüse 12/52 4/52 7/52 8/51 6/51 14/52*
Inselzell-Aden.+ Karzi./Pankreas 14/52 3/52 22/52 8/52 21/51 3/52
Vormagen-Karzinome 0 0 0 0 2/51 0
Vormagen-Karz. u. -Papillome 0 0 0 0 3/51 0
squam. Zellpapillom/ Mundhöhle 0 0 0 0 0 1/51
*) signifikanter Unterschied zur Kontrolle

Bei den mit aCT behandelten Mäusen kam es bei den hochdosierten Tieren zu einer signifikant erhöhten Rate an Tumoren des Vormagens, der Lunge (nur Weibchen) und der Blutgefäße (nur Männchen). Die Relevanz der nur bei den Männchen der niedrigen Dosisgruppe signifikant erhöhten Lebertumor-Inzidenz ist besonders angesichts der relativ hohen Spontanrate unklar (siehe Tabelle 2). Bei den Tieren ohne Vormagentumoren wurden in der Regel Hyperplasien des Magenepithels festgestellt [1,5].

Die Applikation von je 10 µl aCT (11 mg/Tier; ca. 550 mg/kg KGW) auf die geschorene Rückenhaut, dreimal wöchentlich für 4 Wochen und anschließend zweimal wöchentlich bis zur Tötung der Tiere nach 9,8 Monaten, führte bei den eingesetzten 11 weiblichen ICR-Mäuser (3 Wochen alt bei Studienbeginn) zu keinen Tumoren, wahrscheinlich bedingt durch die zu kurze Laufzeit der Studie [6].

Nach Applikation von je 2,3 µl aCT (2,53 mg/Tier; ca. 127 mg/kg KGW; jeweils verdünnt mit Benzol auf 25 µl) auf die geschorene Rückenhaut, zweimal wöchentlich über 50 Wochen (Tötung der Tiere nach 18,7 Monaten), traten bei weiblichen ICR-Mäusen (7 Wochen alt bei Versuchsbeginn) vermehrt Tumoren der Haut auf (siehe Tabelle 3). Die Tiere der Kontrollgruppe erhielten je 25 µl Benzol/Applikation [6].

Tabelle 2: Tumor-Inzidenzen bei Mäusen nach chronischer oraler Gabe von α-Chlortoluol [1,5]

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