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46. Polychlorierte Biphenyle (PCB)
(CAS-Nr.: 53469-21-9)
(BArbBl. 5/98 S. 92)
(Stand: November 1997)
I. Vorbemerkungen
Es gibt 209 PCB-Kongenere, von denen rund 100 in kommerziellen PCB-Produkten gefunden wurden. Handelsnamen sind z.B. Aroclor (Monsanto), Clophen (Bayer), Fenclor (Caffaro), Kanechlor (Kanegafuchi) und Phenoclor (Prodelec). Der von den Herstellern verwendete Nummerncode gibt im allgemeinen Aufschluß über den Chloranteil des Gemischs. So enthält Aroclor 1260 ca. 60 Gew.-% Chlor. Bei Chlophen gibt die vorletzte Ziffer (Bsp.: Clophen A40), bei Kanechlor die drittletzte Ziffer (Bsp.: Kanechlor300) die Zahl der im Mittel vorhandenen Chloratome pro Molekül an. Mit Ausnahme von Aroclor 1016 (das übrigens abweichend von der Regel 42 Gew.-% Chlor enthält) sind in allen kommerziellen PCB-Gemischen auch geringe Mengen polychlorierter Dibenzofurane (PCDFs) nachweisbar. In der Literatur finden sich PCDF-Konzentrationsangaben bis zu 50 mg/kg bzw. ppm (Clophen A60; Fiedler et al., 1992); Erhitzen von PCBs auf Temperaturen über 100 °C in Gegenwart von Sauerstoff kann einen deutlichen Anstieg des PCDF-Gehalts zur Folge haben (Vgl. Fiedler et al., 1995).
Besonders die "koplanaren" nicht ortho-substituierten PCB-Kongeneren zeichnen sich durch eine hohe Affinität gegenüber dem zellulären Ah-Rezeptor aus (McFarland u. Clarke, 1989; McKinney u. Waller, 1994). Neuere Zusammenfassungen über die (reproduktions-)toxikologischen Eigenschaften der PCBs finden sich z.B. bei Popp et al. (1993), DFG (1994), Brouwer et al. (1995), Kimbrough (1995), Swanson et al. (1995), Schantz (1996), Seegal (1996), Jacobson u. Jacobson (1997) sowie in einem ausführlichen Expertenbericht von 1994.
Die bislang vorliegenden Daten lassen die Aufstellung detaillierter Struktur-Wirkungs-Beziehungen und damit eine relative Wichtung einzelner Kongenere hinsichtlich ihrer reproduktionstoxischen Potenz nicht zu. Verschiedene Vertreter dieser Stoffklasse können sogar gegensätzliche Effekte auf einzelne Aspekte der Fortpflanzung ausüben.
Aroclor 1242 und das diorthosubstituierte 2,2`,5,5`-Tetrachlorbiphenyl sowie der Metabolit 2,4,6-trichlor-4-hydroxybiphenyl entfalteten östrogenanaloge Wirksamkeit in unreifen Sprague-Dawley-Rattenweibchen (Uteruszell-Proliferation). Dies steht im Einklang mit Resultaten aus In-vitro-Experimenten, wonach ortho- und ortho-para-substituierte PCB-Hydroxy-Metaboliten in Mäuseuterus-Präparationen die Estradiol-Bindung an den cytosolischen Östrogen-Rezeptor stärker hemmten als die entsprechenden meta- oder para-substituierten Verbindungen. Antiöstrogene Aktivität wurde dagegen für das nicht ortho-substituierte 3,3`, 4,4`-Tetrachlorbiphenyl in vivo nachgewiesen, was als Ah-Rezeptor-vermittelter Effekt gedeutet wird. Die östrogene Wirksamkeit von PCB-Gemischen stellt somit wahrscheinlich einen Nettoeffekt aus östrogenen und antiöstrogenen Eigenschaften der einzelnen Kongenere dar (Battershill, 1994).
PCBs verändern den Schilddrüsenhormonstatus. Sie reduzieren den Gesamtgehalt an Trijodthyronin (T3) und Thyroxin (T4) im Blutplasma und binden an den Transthyretrin-Rezeptor. Möglicherweise kommt es dadurch im Gehirn zu einer T4- und T3-Unrerversorgung, welche die Hirnentwicklung bei Föten und Kindern negativ beeinflussen könnte (Koopman-Essebohm et al., 1994; Brouwer et al., 1995).
In Europa ist der Einsatz von PCBs seit 1976 durch EG-Richtlinien auf geschlossene Systeme beschränkt. Mit einer Verordnung vom 18.07.1989 wurden Herstellung, Inverkehrbringen und Verwendung von PCBs in der Bundesrepublik Deutschland verboten. Nicht unter dieses Verbot fallen u.a. die Herstellung und Verwendung für Forschungs- oder Analysezwecke sowie unter bestimmten Umständen die Reinigung von Transformatoren mit PCB-haltigen Isolierflüssigkeiten.
II. Daten zur Reproduktions- und Entwicklungstoxizität
1. Folgen unfallartiger Ereignisse
Im Jahre 1968 erkrankten über 1000 von schätzungsweise 1800 Japanerinnen und Japanern, die über mehrere Monate mit Kanechlor 400 (48 % Chloranteil) verunreinigtes Reisöl zum Zubereiten von Speisen verwendet hatten ("Yusho"-Krankheit). Zu einer ähnlichen Vergiftungsepisode durch Kanechlor 400 und 500, bei der mehr als 2000 Menschen betroffen waren, kam es 1978/79 (Konsumperiode 8 - 9 Monate) in Taiwan ("Yu-Cheng"). Das Reisöl enthielt vergleichsweise hohe Konzentrationen an thermischen Zersetzungsprodukten der PCBs, darunter polychlorierte Quaterphenyle (PCQs) und polychlorierte Dibenzofurane (PCDFs). Für Japan wird ein Gehalt von 430 - 920 ppm PCBs, 630 - 870 ppm PCQs und 2,0 - 2,5 ppm PCDFs angegeben, in Taiwan lagen die Werte bei 44 -108 ppm PCBs, 17 - 48 ppm PCQs und 0,1 - 0,4 ppm PCDFs. Daneben wurden in den kontaminierten Kochölen auch chlorierte Terphenyle und Naphthaline gefunden. Man hat errechnet, daß von japanischen Yusho-Patienten durchschnittlich 630 mg PCBs und 3,4 mg PCDFs aufgenommen worden waren. Für betroffene Erwachsene in Taiwan werden im Mittel 970 mg PCBs und 3,8 mg PCDFs geschätzt (Masuda et al., 1986; Hsu et al., 1985).
Kinder, deren Mütter vor oder während der Schwangerschaft kontaminiertes Reisöl genossen hatten, wiesen z.T. vermindertes Geburtsgewicht und -größe sowie unproportional kleinen Kopfumfang auf, ferner Hyperpigmentierungen von Haut und Mundschleimhaut, Nagelverfärbungen, Hyperplasie des Zahnfleisches, abnorme Verkalkung der Schädelknochen, vorzeitiges Zähnen, Störungen des Immunsystems, verzögerte mentale und psychomotorische Entwicklung, Anfälligkeit für Infektionskrankheiten u.a. auf. Die Überlebensrate war erniedrigt (Kuratsune et al., 1972; Harada et al., 1976; Rogan et al., 1988). In den meisten Fällen waren auch bei den Müttern äußere Vergiftungssymptome diagnostiziert worden.
Eine im Jahre 1976 veröffentlichte Follow-up-Studie mit intrauterin exponierten Kindern in Japan beschreibt fortgesetzte Wachstumsstörungen, Hypotonie, Langsamkeit, Mangel an Ausdauer, Unbeholfenheit, Apathie und geringe Intelligenzquotienten (Harada, 1976).
(Stand: 20.08.2018)
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