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12. 1,4-Dihydroxybenzol (Hydrochinon)
(CAS-Nr.: 123-31-9)

(BArbBl. 3/97 S. 68)


Hydrochinon (HQ) wird über den Magen-Darm-Trakt gut resorbiert; die Aufnahme über die Haut wurde bei verschiedenen Spezies nachgewiesen und liegt für den Menschen bei 1,6-2,5 % der Dosis pro Stunde Expositionszeit [Bucks et al. 1988]; bei einer in vitro-Studie an menschlichem Stratum corneum wurde eine Resorptionsrate von 0,52 0,13 g/cm2/h gemessen [Barber et al. 1995]. Die Exkretion erfolgt rasch zu ca. 90 % mit dem Urin; nur ca. 3 % der Dosis werden mit den Faeces ausgeschieden. Neben geringen Mengen des unveränderten HQ wurden im Urin hauptsächlich Glukuronide und Sulfate nachgewiesen.

Als Mechanismus für die genotoxische Wirkung von HQ wird die Autoxidation von HQ zu p-Benzochinon über die intermediäre Bildung eines Semichinonradikal sowie die enzymatische Reduktion von p-Benzochinon zum Semichinonradikal vermutet [Greim 1994].

In einer neueren Studie wurde die Geschwindigkeit der Bildung von Hydrochinon-Glukuronid in vitro vergleichend an Mikrosomenfraktionen aus der Leber von Ratte, Maus und Mensch be-stimmt. Die Bildungsrate war beim Menschen (0,191 (0,101-0,281) nMol/mg Protein/min) und bei der Maus (0,218 nMol/mg Protein/min) in etwa vergleichbar, bei der Ratte aber deutlich niedriger (0,077 nMol/mg Protein/min). Für eine kontinuierliche Benzol-Exposition gegenüber 1 ppm (entsprechend einem Blut-Benzolgehalt von 0,01 µM) wurden folgende Hydrochinon-Blutspiegel im Fließgleichgewicht berechnet: Mensch 6,66-31,44 nM; Maus: 42,44 nM; Ratte: 17,99 nM [Seaton et al. 1995].

Genotoxizität:

Zur Frage der genotoxischen Wirkung von HQ liegt eine Fülle von Daten vor (Tabelle 1). Im Ames-Test ist HQ sowohl mit als auch ohne S9-Mix mit nur wenigen Ausnahmen negativ. Mit dem Stamm Ta 1535 wurde ein positives Resultat ohne S9-Mix erhalten Positive Ergebnisse wurden in allen Tests an Säugerzellen in vitro (Genmutationen, Chromosomenaberrationen, DNA-Schädigung) erhalten.

In einer neueren in vitro-Studie [Dobo & Eastmond 1994] wird bestätigt, daß HQ in V 79-Zellen zu Chromosomenbrüchen sowie zu Chromosomenverlusten führt. Alle bisher durchgeführten in vivo-Tests auf punktmutagene Wirkung waren negativ (Fellfleckentest, Rezessiv-Letal-Test an Drosophila). In einigen Testsystemen auf Chromosomen- bzw. DNA-Schädigungen oder Zellzyklusstörungen wurden sowohl nach i .p.-Gabe (Chromosomenaberrationen/Keimzellen, Mikronukleustest/Knochenmark, Zellzyklusinhibition/Keimzellen, Hyperploidie/ Keimzellen) als auch nach oraler Verabreichung (Mikronukleustest/ Knochenmark, DNA-Einzelstrangbrüche{Leber) positive Ergebnisse erhalten. Die Resultate nach i.p.-Gabe waren deutlich, die nach oraler Gabe dagegen nur schwach positiv. Ein Dominant-Letal-Test (indirekter Test auf Chromosomenschäden) mit oraler Verabreichung von HQ verlief jedoch negativ [Greim 1994].

DNA-Addukte wurden in vitro mit isolierten Zellsystemen von Geweben verschiedener Spezies mit Peroxidase-Aktivität wie Zymbaldrüse [Reddy et al. 1989] und Knochenmark [Greim 1994; Pathak et al. 1995] nachgewiesen. In vivo konnte in einem Experiment an weiblichen Ratten nach 10-wöchiger oraler HQ-Gabe von 500 mg/kg KGW/Tag (an 5 Tagen pro Woche; in der 4. Woche wegen starker Toxizität abgesenkt auf 200 mg/kg KGW/Tag) eine schwache DNA-Adduktbildung in der Zymbaldrüse, nicht aber in anderen Organen wie Niere, Leber, Knochenmark oder Brustdrüse gezeigt werden; die Addukte waren jedoch mit den unter in vitro-Bedingungen erhaltenen nicht identisch [Reddy et al. 1989]. Demhingegen führte bei der Maus die i.p.-Gabe von Benzol (2 x 440 mg/kg KGW/Tag, 1-7 Tage) zu den gleichen 3 DNA-Addukten im Knochenmark wie die Behandlung von Maus-Knochenmark in vitro mit HQ (250 µM; 24 Std.) [Pathak et al. 1995].

Die geringere Empfindlichkeit des Knochenmarks von Ratten gegenüber Hydrochinon ist wahrscheinlich auch durch den gegenüber der Maus doppelt so hohen Glutathiongehalt und die 28-fache Aktivität der Chinonreduktase in den Stromazellen von Ratten bedingt [Zhu et al. 1995].

Die vorliegenden Untersuchungen deuten insgesamt darauf hin, daß in vivo vor allem die klastogene Wirkung von HQ zum Tragen kommt. Die Chromosomenschädigungen sind vermutlich auf die Bildung reaktiver Sauerstoffradikale zurückzuführen, Chromosomenverluste werden offenbar durch andere Mechanismen, z.B. durch eine Störung der Funktion des Spindelapparats (Bindung an chromosomale Proteine wie Tubulin) hervorgerufen.

Tabelle 1: Daten zur Genotoxizität von Hydrochinon

1) In vitro:
Testsystem; Aktivierung Befund
Ames-Tests/S. typh. +/- negativ
Ames-Test/S.typh. Ta 1535 A - positiv
Fluktuationstest/Ta 100 + positiv
Mutationstest/Streptomyces ? negativ
Mitot.Malsegreg./Hefe ? negativ
Mitot.Malsegreg./Aspergillus ? positiv
Mutationstest/V 79-Zellen +/- positiv
Maus-Lymphom-Test +/- positiv
Chromosomenaberrationstest + positiv
Schwesterchromatidaustauschtest +/- positiv
Mikronucleus-Tests   positiv
DNA-Einzelstrangbrüche   positiv
DNA-Synthesehemmung   positiv
oxidative Schädigung der DNA   positiv
DNA-Adduktbildung   positiv
Zellzyklus-Inhibition   positiv
Tubulin-Bindung   positiv
m-RNA-Synthesehemmung   positiv
2) In vivo:
Testsystem Befund Literatur*
Rezessiv-Letal-Test/Drosophila/Injektion negativ Foureman et al. 1994
Rezessiv-Letal-Test/Drosophila/Fütterung ? Foureman et al. 1994
Chromos.Aberr./KM, Keimzellen Maus i.p. positiv  
Schwesterchrom.Austausch/KM Maus i.p. negativ  

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