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9. TRK-Wert für Acrylnitril

(BArbBl. 5/83 S. 54)


3 ml/m3(7 mg/m3)

Im Verzeichnis krebserzeugender Arbeitsstoffe der Verordnung über gefährliche Arbeitsstoffe, Anhang II Nr. 1, ist Acrylnitril bei Gehalten von> 1 Gew.-% in Gruppe II (stark gefährdend), bei Gehalten von < 1 bis 0,1 Gew.-% in Gruppe III (gefährdend) eingeordnet.

Arbeitsmedizinisch-toxikologische Erfahrungen

Acrylnitril wird über die Atemwege und die Haut in den Organismus aufgenommen. Bei Hautkontakt mit flüssigem Acrylnitril kommt es über eine Hautreizung bis zur Blasenbildung. Nach Aufnahme in den Organismus steht die Wirkung auf das zentrale Nervensystem im Vordergrund. Über ein Erregungsstadium tritt eine zentral-depressive Wirkung mit Atemlähmung, Bewußtlosigkeit und Krämpfen auf. Neuere Erkenntnisse weisen darauf hin, daß nach Aufnahme über die Haut oder Atemwege diese Wirkungen wahrscheinlich dem Gesamtmolekül, jedoch nicht der davon abgespaltenen CN-Gruppe zuzuschreiben sind.

Trotz jahrzehntelanger Verwendung der Substanz waren aus klinisch-arbeitsmedizinischer Erkenntnis auffällige Häufungen von Krebserkrankungen unter den Beschäftigten nicht zu beobachten. Die Ergebnisse von tierexperimentellen Studien gaben 1976 und in den folgenden Jahren Veranlassung, epidemiologische Studien durchzuführen. Die Aussagefähigkeit aller dieser Studien wird in mehr oder weniger großem Umfang durch folgende Punkte eingeschränkt bzw. in der Deutung unsicher:

Zu den epidemiologischen Studien läßt sich folgende Gesamtwertung geben: Die genannten Probleme haben für alle Studien Gültigkeit gehabt. Ein Zielorgan, außer einem schwachen Hinweis auf die Atmungsorgane, konnte auch in den Studien, in denen gewisse Anzeichen einer Überhöhung der Krebsrate gefunden wurden, nicht erkannt werden. Der Verdacht, daß Acrylnitril ein krebserzeugendes Risiko auch für den Menschen darstellen kann, bleibt bestehen.

Es liegen die Ergebnisse zweier Versuche mit oraler Applikation von Acrylnitril an Ratten vor. In dem einen Versuch wurde Acrylnitril über zwei Jahre dem Trinkwasser in den Konzentrationen 35 bzw. 100 bzw. 300 mg/l zugegeben. In dem anderen Versuch erhielten die Ratten über ein Jahr dreimal wöchentlich mit der Schlundsonde je 5 mg Acrylnitril pro kg Körpergewicht.

In letzterem Versuch ließ sich weder eine eindeutige krebserzeugende Wirkung noch eine andere toxische Wirkung nachweisen. In dem anderen Versuch war die (auf einen Zeitraum von 2 Jahren bezogene) Tagesdosis schon bei der niedrigen Konzentration (35 mg/l) etwa 3mal höher. In diesem Versuch ergaben sich bei allen Konzentrationen Zeichen einer toxischen Wirkung von Acrylnitril. Bei allen Konzentrationen (35, 100, 300 mg/l) ließ sich aber auch eine krebserzeugende Wirkung nachweisen, wobei Tumoren des zentralen Nervensystems, des Vormagens und des Dünndarms in den Vordergrund traten.

Auch für die Inhalation von Acrylnitril liegen die Ergebnisse zweier Versuche mit Ratten vor. In dem einen Versuch wurden die Tiere 6 Std./Tag, 5mal pro Woche über zwei Jahre den Konzentrationen von 20 bzw. 80 ml/m3 ausgesetzt. Im zweiten Versuch war die Exposition 4 Std./ Tag, 5mal die Woche über ein Jahr (Nachbeobachtung über die Lebenszeit) gegenüber Konzentrationen von 5, 10, 20 bzw. 40 ml/m3. In diesem letzteren Versuch ließ sich keine eindeutige krebserzeugende Wirkung und auch keine andere toxische Wirkung erkennen. In dem ersten Versuch war die (auf einen Zeitraum von 2 Jahren bezogene) Tagesdosis schon bei der niedrigsten Konzentration (20 ml/m3) etwa doppelt so hoch wie in dem zweiten Versuch bei der höchsten Konzentration (40 ml/m3). In diesem Versuch . mit den höheren Gesamtdosen fanden sich bei beiden Konzentrationen (20 bzw. 80 ml/m3) Zeichen einer toxischen Wirkung von Acrylnitril. Bei beiden Konzentrationen ließ sich aber auch eine krebserzeugende Wirkung nachweisen, die sich besonders im vermehrten Auftreten von Tumoren des zentralen Nervensystems, des Gehörgangs und der Brustdrüse zeigte. Bei der Ratte erwies sich demnach eine Acrylnitrilkonzentration von 20 ml/m3noch als toxisch und auch als krebserzeugend, allerdings waren beide Wirkungen bei dieser Konzentration nur wenig ausgeprägt. In diesem Falle wäre eine Versuchszeit über 2 Jahre hinaus wünschenswert gewesen.

Bei oraler Aufnahme von Acrylnitril ergab sich eine vergleichbare Wirkung.

Im Ames-Test ist Acrylnitril mutagen.

Bei gemeinsamer Betrachtung der Ergebnisse der epidemiologischen Studien sowie der bisher durchgeführten Tierversuche bleibt der Verdacht bestehen, daß Acrylnitril ein krebserzeugendes Risiko auch für den Menschen darstellen kann.

Aus den vorliegenden toxikologischen Ergebnissen läßt sich - abgesehen von den bekannten grundsätzlichen Erwägungen - kein Einwand gegen den technisch begründeten TRK-Wert von 3 ml/m3ableiten.

Analytik

Zur Messung von Acrylnitril in Luft und Arbeitsbereichen eignet sich die Probenahme durch Adsorption von Aktivkohle und die anschließende analytische Bestimmung des Sorbates mit Hilfe der Gaschromatographie. Die Nachweisgrenze beträgt unter Praxisbedingungen 0,5 ml/m3. Außerdem kann die Prozeßgaschromatographie eingesetzt werden. Hierbei ist die in der Praxis erreichbare Nachweisgrenze 0,5 ml/m3(Lit.: Von den Berufsgenossenschaften anerkannte Analysenverfahren zur Feststellung der Konzentration krebserzeugender Arbeitsstoffe in der Luft in Arbeitsbereichen, ZH 1/120).

Herstellung und Verwendung

In der Bundesrepublik Deutschland sind es 40 Betriebe, die Acrylnitril herstellen bzw. zu Polymerisaten und anderen Produkten verarbeiten. Diese Betriebe lassen sich in 5 Bereiche nach Art der Produktion unterteilen:

Herstellungskapazität (Bundesrepublik Deutschland): ca. 360000 t/Jahr.
Inlandsverbrauch (Bundesrepublik Deutschland): ca. 250000 - 280000 t/Jahr.

Ergebnisse von Arbeitsbereichs-Messungen

1 Monomerherstellung (2 Hersteller)
1.1 8stündige personenbezogene Messungen ergaben in der Regel Werte unter 1 ml/m3
1.2  8stündige personenbezogene Messungen ergaben in der Regel Werte unter 1 ml/m3(zwischen 2 - 8 % der Meßwerte lagen > 3 ml/m3)
2 Polyacrylnitril-Faserherstellung (3 Hersteller) Arbeitsbereiche: Kesselentleerung, Tanklager
2.1 Monatsmittelwerte < 3 ml/m3
2.2 Personenbezogene Messungen ergaben: 72 % der Messungen < 1 ml/m3, 20 % im 1 - 3 ml/m3-Bereich, 8 % > 3 ml/m3
3 Latexherstellung (5 Anlagen)
3.1 8stündige personenbezogene Messungen ergaben bei 85 % der Messungen Werte <1 ml/m3, 10 % im 1 - 3ml/m3-Bereich, 5 % > 3 ml/m3(höhere Werte insbesondere bei Kesselfahrern und Schlossern)
4. Dispersionen (4 Hersteller)
4.1 8stündige personenbezogene Messungen ergaben bei 95 % der Messungen Werte < 1 ml/m3
4.2 Bei 2 kleineren Herstellern ergaben 40 % der Messungen Werte < 1 ml/m3, 25 % im 1 - 3 ml/m3-Bereich, 30 % > 3 ml/m3
5 Mischpolymerisate (2 Hersteller)
5.1 Prozeß-Gaschromatographie Jahresmittelwert < 1 ml/m3personenbezogene 8-Std.-Messungen ergaben:
5.2 Personenbezogene 8-Std.-Messungen ergaben: 86 % der Messungen < 1 ml/m3, 10 % 1 - 3 ml/m3-Bereich, 4 % > 3 ml/m3.


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