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81. Erläuterung zu Polybromierten Dibenzodioxinen und Dibenzofuranen

(BArbBl. 5/98 S. 64)


Ein Luftgrenzwert für polybromierte Dibenzodioxine und Dibenzofuranen (PBDD/PBDF) wird nicht festgelegt, da diese Stoffe an Arbeitsplätzen bei weitem nicht so häufig auftreten wie dichlorierten Dioxine und Dibenzofurane. Ihr Vorkommen ist auf wenige eng begrenzte und bekannte Bereiche beschränkt. Darüber hinaus kann in vielen Fällen die Bildung der PBDD/PBDF an diesen Arbeitsplätzen durch die Wahl geeigneter Ersatzstoffe stark reduziert werden.

Eine Einstufung von PBDD/PBDF als krebserzeugend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend liegt in der Gefahrstoffverordnung und der TRGS 905 nicht vor. Im Anhang 1 der TRGS 557 [1] "Polyhalogenierte Dioxine" sind acht polybromierte Dioxine/Furane genannt, für die ab einer Konzentration von 0,1 mg/kg in Stoffen und Zubereitungen beim Umgang die besonderen Schutzmaßnahmen der TRGS 557 gelten.

Einleitung

Theoretisch sind 75 kongenere PBDD und 135 kongenere PBDF möglich. Analog zu den chlorierten Verbindungen besitzen die 2,3,7,8-substituierten Kongenere die höchste Toxizität. PBDD und PBDF kommen aus natürlichen Quellen in der Umwelt nicht vor. Sie werden jedoch bei einigen Prozessen als unerwünschte Nebenprodukte in Spuren gebildet. So wurden PBDD/PBDF in organischen Chemikalien wie Tribromphenol oder in bestimmten bromierten Flammschutzmitteln wie polybromierten Diphenylethern im Spurenbereich nachgewiesen. Die thermische Zersetzung von bestimmten bromierten Flammschutzmitteln ist ebenfalls eine Quelle für PBDD und PBDF, wobei insbesondere bei der Thermolyse von polybromierten Diphenylethem eine hohe Ausbeute an Dioxinen und Furanen erzielt wurde. Optimale Bildungstemperaturen liegen im Bereich zwischen 600 und 900 °C [2]. Diese Temperaturen liegen aber weit über den normalen Verarbeitungstemperaturen für Thermoplaste von 200 bis max. 300 °C.

Arbeitsmedizinische Erfahrungen

Auf Grund ihrer mit den Chlorverbindungen (PCDD, PCDF) vergleichbaren toxikologischen Eigenschaften kann für die Bromanaloga (PBDD, PBDF) das gleiche Wirkungsspektrum am Menschen erwartet werden. Aussagefähige epidemiologische Studien sind noch nicht bekannt.

Zwei Fälle gesundheitlicher Beeinträchtigung nach Einwirkung von PBDD/PBDF sind in der Literatur beschrieben. Ein Fall betrifft einen amerikanischen Chemiker, bei dem nach Versuchen mit Tetrabrom(TBDD) und Tetrachlordibenzodioxin (TCDD) eine Erkrankung, einschließlich Chlorakne, auftrat [3]. Der zweite Fall betrifft einen japanischen Studenten, bei dem nach der Synthese von PCDF und PBDF ebenfalls akute Chlorakne im Gesichtsbereich beobachtet wurde [4]. In einer Morbiditätsstudie an Extruderpersonal, das mit der Herstellung von flammgeschützten Kunststoffen (Flammschutzmittel Decabromdiphenylether) beschäftigt war, wurden einige individuelle Trends bei immunologischen Parametern in Bezug auf die Exposition festgestellt. Darüber hinaus wurden keine weiteren Hinweise auf adverse Effekte auf das Immunsystem der Exponierten gefunden [5, 6].

Hinweise zur Toxikologie

Toxizitätsäquivalente (TEQ) - wie sie im Falle der chlorierten Dioxine und Furane vorliegen [14] - wurden für die bromierten Dioxine bisher nicht veröffentlicht. Der Unterausschuß V des AGS hat jedoch beschlossen, vorläufig auf bromierte (und auch für gemischt halogenierte) Dioxine und Furane diesselben Toxizitätsäquivalent-Faktoren wie bei den chlorierten Kongeneren anzuwenden.

Generell wird davon ausgegangen, daß die polybromierten Dibenzodioxine und Dibenzofurane hinsichtlich ihres toxikologischen Wirkungsspektrums mit den entsprechenden polychlorierten Verbindungen vergleichbar sind. Allerdings deuten die quantitativen Unterschiede hinsichtlich der Toxizität von TCDD und TBDD (LD50-Werte, NOEL in subchronischen Versuch) darauf hin, daß die polybromierten Verbindungen im Vergleich zu den polychlorierten um den Faktor 5 - 10 schwächer wirksam sind. Wegen der wahrscheinlich durch Bindung an Rezeptoren bedingten Toxizität müssen bei quantitativen Vergleichen die molaren Mengen zugrundegelegt werden [7, 17].

Insgesamt muß davon ausgegangen werden, daß die polybromierten Dibenzodioxine und Dibenzofurane ähnlich wie die entsprechenden polychlorierten Verbindungen (z.B. TCDD) nicht oder nur sehr schwach gentoxisch jedoch krebserzeugend im Tierversuch sind [7].

Meßverfahren

Ende der achtziger Jahre wurden Analysenverfahren zur Bestimmung von PBDD und PBDF entwickelt. Mittlerweile ist ein geeignetes Analysenverfahren in der BIA-Arbeitsmappe veröffentlicht [8]. Die Analytik der PBDD und PBDF stellt hohe Anforderungen an die Analysenlabors (Ultraspurenbereich), so daß derzeit nur wenige Institute in der Lage sind, die gestellten Aufgaben mit der notwendigen Genauigkeit und Reproduzierbarkeit zu erfüllen. Geeignete und gemäß § 18 Abs. 2 GefStoffV anerkannte Meßstellen zur Ermittlung der Konzentrationen an polybromierten Dibenzodioxinen und -furanen in der Luft am Arbeitsplatz sind im Verzeichnis der akkreditierten Meßstellen aufgeführt (Veröffentlichung im Bundesarbeitsblatt). Die Anerkennung erfolgt durch die Akkreditierungsstelle der Länder für Meß- und Prüfstellen zum Vollzug des Gefahrstoffrechts (AKMP).

Die Bestimmungsgrenzen liegen teilweise beim zehnfachen der Bestimmungsgrenzen für die chlorierten Verbindungen. Erschwert wird die Analytik der bromierten Dioxine außerdem dadurch, daß nicht für alle PBDD und PBDF13C - markierte Standards vorhanden sind.

Vorkommen

Die Entstehung von PBDD und PBDF und damit ein Auftreten dieser Verbindungen in der Luft am Arbeitsplatz ist auf wenige Industriezweige und sonstige Bereiche begrenzt [14, 18]:

Ergebnisse von Arbeitsplatzmessungen

Ergebnisse von Arbeitsplatzmessungen wurden bisher nur von wenigen Autoren veröffentlicht.

Brenner et al. veröffentlichten zu Beginn der 90er Jahre Meßergebnisse von Arbeitsplätzen, an denen bromierte Flammschutzmittel bei der Batchherstellung von flammgeschützten Kunststoffgranulaten eingesetzt wurden. Hierbei wurden bei der Verwendung von Decabromdiphenylether neben polybromierten Dioxinen insbesondere polybromierte Furane gefunden, deren Summenkonzentration, berechnet mit den Toxizitätsäquivalent-Faktoren der PCDD/PCDF, den Luftgrenzwert für chlorierte Dioxine und Furane (50 pg/m3) um mehr als zwei Zehnerpotenzen übertraf [9]. Bei entsprechenden Luftmessungen beim Einsatz der Flammschutzmittel Tetrabrom-bisphenol a und Bis(tetrabromphthalimid)ethylen (Ersatzstoffe) wurden keine bromierten Dioxine nachgewiesen. Die Konzentration der Furane lag bei maximal 10 % des Luftgrenzwertes für die chlorierten Verbindungen [10, 11, 12].

In einem weiteren Projekt wurden von Kieper in drei Betrieben bei der Herstellung von flammgeschützten Kunststoffen Luftmessungen bezüglich PBDD und PBDF durchgeführt. Als Flammschutzmittel wurden Decabromdiphenylether, Polydi- und Polytribromstyrol, Tetrabombisphenol-A-Oligocarbonat und 1,2-Bis(tribromphenoxy)-ethan eingesetzt. Bis auf eine Messung im Bereich der thermischen Verarbeitung wurden auch bei diesen Untersuchungen keine Werte festgestellt, die den Luftgrenzwert für die chlorierten Verbindungen überschritten [13].

Weitere Meßergebnisse von Arbeitsplätzen bei der Extrusion von flammgeschützten Kunststoffen sowie bei Lötarbeiten an flammgeschützten Leirerplarinen sind in dem Report "Dioxine am Arbeitsplatz" veröffentlicht [14].

Empfehlung

Nach heutigem Kenntnisstand ist bis auf die o.g. Bereiche (s. Abschnitt Vorkommen) an Arbeitsplätzen nicht mit dem Auftreten von PBDD/PBDF zu rechnen. Daher kann hier auf die aufwendigen (insbesondere Kosten) Arbeitsplatzmessungen verzichtet werden. Dies gilt auch für Abfallverbrennungsanlagen. Studien bei der Verbrennung von flammgeschützten Kunststoffen in Abfallverbrennungsanlagen haben kein erhöhtes Auftreten von PBDD und PBDF gezeigt [15, 16]. Auch beim Umgang mit bromierten Flammschutzmitteln kann unter folgenden Randbedingungen auf eine meßtechnische Überwachung verzichtet werden.

Sind die genannten oder andere Randbedingungen, die nachweislich zu vergleichbaren Reduzierungen möglicher PBDD/PBDF-Konzentrationen führen, nicht erfüllt, so sind im Rahmen der Arbeitsbereichsanalyse und evtl. Messungen für die Beurteilung von Meßergebnissen die Toxizitätsäquivalent-Faktoren der entsprechenden chlorierten Dioxine und Furane heranzuziehen. Als Orientierungswert für einzuleitende Maßnahmen kann der Luftgrenzwert für PCDD/PCDF von 50 pg TEQ/m3 verwendet werden. Hierbei sind jedoch nur die acht in der Chemikalienverbotsverordnung genannten bromierten Kongenere zu berücksichtigen. Bei Meßergebnissen für einzelne Kongenere unterhalb der Bestimmungsgrenze ist für die Summenbildung der Wert für die halbe Bestimmungsgrenze heranzuziehen.

Literatur

[1] TRGS 557 Dioxine (polyhalogenierte Dibenzo-p-Dioxine und Dibenzo-Furane) BArbBl. Heft 3/1996 S. 65

[2] Clausen, E; Lahaniatis, E.S.; Bahadir, M.; Bienik, D.: Bestimmung von bromierten Dibenzofuranen, die bei der Thermolyse von Polymeren mit Decabromdiphenylether als Flammschutzmittel gebildet werden Fresenius Z.Anal.Chem. (1987) 327 S. 297-300

[3] Schecter, A. u. Ryan, J.J. (1992) Persistent brominared and chlorinated dioxin blood levels in a chemist. 35 years after dioxin exposure. J.Occup.Med. 34; 702 - 707

[4] Asahi, M. u. Urabe, H. (1987) a case of "yosho"-like skin eruptions due to halogenated PCB-analogue compounds. Chemosphere, 16; 2069-2072

[5] Zober, A.; Ott, M.G.; Päpke, O.; Senft, K.; Germann, C. Morbidity study of extruder personal with potential exposure to brominated dioxins and fumans. I Results of blood monitoring and immunological tests. British Journal of Industrial Medicine 49 (1992) S. 532 - 544

[6] Ott, M.G.; Zober, A. Morbidity study of extruder personal with potential exposure to brominated dioxins and furans. II Results of clinical laboratory studies Occupational and Environmental Medicine, Vol 53 (1996) No. 12, P 844 - 846

[7] Appel, K.E. Polybromierte Dibenzodioxine und Dibenzofurane - Toxikologische Bedeutung, Bundesgesundheitsblatt 10/91

[8] Messung von Gefahrstoffen - BIa - Arbeitsmappe Dibenzofurane und dibenzo-p-dioxine, polychloriert PCDD/PCDF und polybromiert PBDD/PBDF Nr. 6880 S. 13 - 26

[9] Brenner, K.S.; Knies, H. Formation of polybrominated dibenzo-furans and dioxins during extrusion production of a Polybutyleneterephthalate/glassfibre resin blended with Decabromodiphenylether/Sb2O3. Product and workplace analysis. Organohalogenated compounds, Vol 2 Bayreuth, Germany, Ecoinforma Press, pp 319-325

[10] Brenner, K.S.; Knies, H. Workplace monitoring of polybrominated dibenzofurans and dioxins during extrusion production and injection molding of a Polybutyleneterephthalate/glassfibre resin blended with Tetrabromobisphenol a carbonate oligomer (BC 52)/ Sb203. Air sampling train and product analysis. Toxicological ans Environmental Chemistry, Vol. 38, pp. 8 1-94

[11] Brenner, K.S.; Knies, H. Workplace monitoring of polybrominated dibenzofurans and dioxins during extrusion production and injection molding of a Polybutyleneterephthalate/glassfibre/ Tetrabromobisphenol a carbonate oligomer(BC 52)/ Sb2O3 - resin; Part II Chemosphere, Vol. 26, pp. 1953-1963, 1993

[12] Workplace monitoring of polybrominated dibenzofurans and dioxins, Part m. Extruder production and injection molding of Bistetrabromophthalimid-ethylen/ Sb2O3-blende Polybutyleneterephthalat. Presented at the Symposium "Dioxin ,94", Kyoto, Japan

[13] Kieper, H. Belastung durch polybromierte Dibenzofurane und -dioxine in Sekundärkupferhütten bei der Herstellung flammengeschützter Kunststoffe (Fb 734), ISBN 3-89429-670-4, 1996

[14] Report "Dioxine am Arbeitsplatz" Hauptverband der gewerblichen Berufsgenossenschaften (1997)

[15] APME, Brussels, October 1995, Co-combustion of building insulation Foams (containing CFC`s, Brominated flame retardens)

[16] APME, Brussels, February 1997, Electrical and electronic plastic waste combustion (containing Brominated flame retardens)

[17] Mennear, J. H. u. Lee, C.-C.: Polybrominated dibenzo-p-dioxins und dibenzofurans: Literature review and health assessment. Environ. Health Perspect. 102, Suppl. 1, 265-274 (1994)

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