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32. TRK-Wert für o-Toluidin

(BArbBl. 6/92 S. 59)


0,5 mg/m3(0,1 ml/m3)

o-Toluidin ist im Verzeichnis der krebserzeugenden Gefahrstoffe bei Massengehalten> 1 % in Gruppe II (stark gefährdend) und bei Massengehalten < 1 % bis 0,1 % in Gruppe III (gefährdend) eingeordnet.

Arbeitsmedizinische Erfahrungen

o-Toluidin verursacht schon nach kurzfristiger Exposition gegenüber 40 ppm schwere Vergiftungserscheinungen [1]. Es sind zwei Fälle von gewerblichen Vergiftungen beschrieben, bei denen es zur Zyanose, Hämaturie und Obligurie kam. Die beiden Arbeiter klagten noch wochenlang über schmerzhafte Blasenentleerungen [2, 3].

Die vorliegenden epidemiologischen Studien beziehen sich auf Kollektive, die neben o-Toluidin auch gegenüber anderen Substanzen exponiert waren. Bei einer unzureichend dokumentierten Studie an einem Kollektiv von 35 zwischen 1929 und 1953 gegenüber o-Toluidin exponierten Männern wurden keine Malignome beobachtet [4]. Insgesamt 18 Blasentumoren wurden bei 97 Beschäftigten zweier Produktionsstätten für o- und p-Toluidin gefunden [5]. Eine italienische Studie hat die Mortalität zwischen 1946 und 1976 von 868 von 906 Arbeitern der Farbstoffindustrie untersucht, die zwischen 1922 und 1970 eingestellt worden waren. 36 Personen aus diesem Kollektiv waren an einem Blasenkrebs verstorben. Bei dem Teilkollektiv von 53 Beschäftigten der Fuchsin- und Safranin-T-Herstellung, die neben o-Toluidin auch gegenüber Toluol, o-Nitrotoluol, 4,4`-Methylen-bis-(2-methylanilin), Anilin, Fuchsin und Safranin-T exponiert waren, wurden 5 Todesfälle an einem Blasencarcinom beobachtet. Der Erwartungswert für dieses Teilkollektiv lag bei 0,08. Die übrigen Fälle waren gegenüber Benzidin, 1- und 2-Naphthylamin exponiert [6].

Toxikologische Erfahrungen

Mit o-Toluidin sind Versuche zur kanzerogenen Wirkung mit subkutaner Injektion und mit Applikation im Futter an verschiedenen Tierspezies durchgeführt worden.

Nach subkutaner Applikation wird bei Kaninchen, Ratten, Meerschweinchen und Mäusen, nicht jedoch beim Hamster eine erhöhte Tumorinzidenz berichtet. Vor allem die älteren Versuche sind jedoch schwer zu beurteilen, da oft wesentliche Angaben, wie Dosis, Tumorinzidenz. Tumorart und Toxizität der verabreichten Dosis, fehlen. In den gut dokumentierten neueren Versuchen ließen sich nach relativ hohen Gesamtdosen (2,6 - 7,8 g/kg Körpergewicht während 104 Wochen + Nachbeobachtung bis zum Lebensende) bei 23 % der Ratten maligne Tumoren an der Einstichstelle induzieren (12 % bei der Kontrolle). Beim Hamster bewirkte die subkutane Injektion einer ähnlichen hohen Gesamtdosis (9,5 g/kg Körpergewicht) während einer kürzeren Zeit (53 Wochen) und Beobachtung bis zum spontanen Tod keine erhöhte Tumorinzidenz.

Fütterungsversuche an mehreren Ratten- und Mäusestämmen wurden ausschließlich mit Konzentrationen durchgeführt, bei denen toxische Reaktionen in Form von verzögerter Körpergewichtsentwicklung und/oder erhöhte Mortalität der Versuchstiere zu verzeichnen waren. Die Tagesdosen bei der Maus lagen ungefähr zwischen 250 und 8 000 mg/kg Körpergewicht, die der Ratte zwischen 225 und 1 200 mg/kg Körpergewicht. Diese Bedindungen induzierten bei der Maus und der Ratte in den verschiedensten Geweben eine zum Teil sehr deutlich erhöhte Anzahl von Tumoren. Ein bevorzugtes Zielorgan ist nicht zu erkennen [7].

Analytik

Zur Messung von o-Toluidin in der Luft in Arbeitsbereichen wurde ein Analysenverfahren entwickelt, dessen Aufnahme als anerkanntes Verfahren in die ZH 1/120 in Kürze bevorsteht.

Es sind personenbezogene und ortsfeste Messungen zur Beurteilung der Arbeitsbereiche möglich.

Die Probename erfolgt mittels einer Pumpe, wobei o-Toluidin in einem nachgeschalteten Kieselgelröhrchen adsorbiert wird. Der Desorption schließt sich der gaschromatographische Nachweis an. Die Bestimmungsgrenze des Verfahrens liegt bei 0,01 mg/m3 o-Toluidin bei einem Probenahmevolumen von 25 Litern.

Herstellung und Verbindung

o-Toluidin wird in geschlossenen Anlagen durch katalytische Hydrierung von o-Nitrotoluol hergestellt.

Verwendet wird o-Toluidin als Ausgangsstoff für chemische Synthesen, wobei die Herstellung von Farbstoffen im Vordergrund steht.

Ergebnisse von Arbeitsbereichsmessungen

Herstellung von o-Toluidin:

Aus dem Bereich der Herstellung von o-Toluidin liegen 35 Schichtmittelwerte (ab 1986) vor. 60 % der Werte sind unter der Nachweisgrenze (0,01 mg/m3). 30 % der Meßergebnisse liegen im

Bereich zwischen 0,01 und 1 mg/m3. Die restlichen Werte erreichen maximal 3 mg/m3.

Verwendung als Einsatzstoff bei Synthesen:

Es liegen 43 Schichtmittelwerte vor. In 34 Fällen wurde die Nachweisgrenze nicht erreicht. Die restlichen Ergebnisse liegen zwischen 004 und 0,2 mg/m3.

Abfüllen und Umfüllen von o-Toluidin:

Aus den Bereichen Faßabfüllung und Entleerung von Fässern und Kesselwagen liegen 10 Schichtmittelwerte vor. 50 % der Werte liegen unter der Nachweisgrenze. Es wurden Spitzkonzentrationen bis zu 20 mg/m3gemessen. Bei der Abfüllung tragen die Arbeitnehmer persönliche Schutzausrüstung (Atemschutz. Schutzanzug) .

Hinweis:

Neben der inhalativen Aufnahme kann o-Toluidin auch über die Haut aufgenommen werden. Dem ist durch geeignete Körperschutzmaßnahmen Rechnung zu tragen.

Literatur

[1] Goldblatt, M.W.: Brit. j. industr. Med. 12, 1 (1955)

[2] Stark. M.: Ther. Mh. 6, 376 (1892)

[3] Leichtenstein. O.: Dtsch. med. Wschr. 24. 709 (1898)

[4] Uebelin, F., A. Pletscher: Schweiz. med. Wschr. 84. 917 (1954)

[5] Khlebnikova, M.T., E.V. Gladkova. L.. Kurenko. A.V. Pshenitsyn. B.M. Shalin: Gig. Tr. prof. Zabol. No 8, 7 (1970)

[6] Rubino, G.F., G. Scansetti, G. Piolatto, E. Pira: Environm. Res 27, 241 (1982)

17] Henschler, D.: Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe: Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründungen von MAK-Werten; Arbeitsstoff-Kommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Verlag Chemie, D-6940 Weinheim

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