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28.TRK-Wert für N-Nitrosamine

(BArbBl. 6/92 S. 55)


2,5 µg/m3:
  • Vulkanisation und nachfolgende Arbeitsverfahren einschließlich der Lagerung für technische Gummiartikel und Reifen (für den Bereich "Reifen" gültig bis Juni 1992)
  • Herstellung von Polyacrylnitril nach dem Trockenspinnverfahren unter Einsatz von Dimethylformamid
  • Befüllen von Kesseln und Reaktoren mit Aminen
1 µg/m3:
  • im übrigen

Die TRK-Werte gelten für die Summe der Konzentrationen der in der Gefahrstoffverordnung eingestuften N-Nitrosamine mit Ausnahme von N-Nitrosomethylphenylamin und N-Nitrosoethylphenylamin.

Zur Anwendung der Auslöseschwelle erfolgt eine besondere Regelung.

Im Anhang II, Nr. 1 der Gefahrstoffverordnung sind 12 N-Nitrosamine in der Liste krebserzeugender Gefahrstoffe aufgeführt (Tabelle 1) und vom Ausschuß für Gefahrstoffe gemäß ihrer Wirkungsstärke der Gruppe 1 (sehr stark gefährdend) zugeordnet worden.

Arbeitsmedizinische Erfahrungen

Epidemiologische Untersuchungen von Gruppen, die nur gegenüber N-Nitrosaminen exponiert waren, liegen nicht vor. Zwar sind zahlreiche Studien von Kollektiven publiziert, die neben anderen Karzinogenen auch gegenüber N-Nitrosaminen exponiert waren, doch läßt sich aus diesen Studien das Risiko einer Krebserkrankung und deren Lokalisation durch die verschiedenen N-Nitrosamine nicht hinreichend exakt bestimmen. Bislang liegen auch keine Auswertungen der zahlreichen Vorsorgeuntersuchungen bei entsprechend Exponierten vor, aus denen sich das toxikologische Wirkprofil der N-Nitrosamine für den Menschen quantitativ wie qualitativ abschätzen ließe.

Toxikologische Erfahrungen

Bei den nachfolgenden toxikologischen Erfahrungen über die einzelnen N-Nitrosamine wurden die wesentlichen Arbeiten berücksichtigt und bewertet. Eine ausführliche Dokumentation der bedeutsamen veröffentlichten Arbeiten ist in der Sammlung "Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe" (Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten) der Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe der Deutschen Forschungsgemeinschaft zu entnehmen [1].

Einige der in der Luft an Arbeitsplätzen nachgewiesenen N-Nitrosamine (s. Tabelle 2) sind tierexperimentell sehr gründlich auf ihre krebserzeugende Wirkung untersucht worden, andere weniger und eines (N-Nitrosoethylphenylamin) noch gar nicht.

Nach der vorliegenden Erfahrung sind etwa 90 % aller bisher untersuchten N-Nitrosamine im Tierversuch krebserzeugend, und zwar unabhängig von der Art der Aufnahme in den Körper (über den Atemtrakt, den Verdauungstrakt oder die Haut). Bei den besonders gut untersuchten N-Nitrosodimethylamin und N-Nitrosodiethylamin konnten bei der Ratte bzw. der Maus selbst noch orale Gesamtdosen im Bereich von 1 mg/kg Körpergewicht als schwach krebserzeugend nachgewiesen werden. Dem entspricht eine tägliche Aufnahme von etwa 1-2 µg/g Körpergewicht über den größten Teil der Lebenszeit.

Nach Inhalation (120 µg/m3 = 0,04 ppm) erwies sich Dimethylnitrosamin nach täglichen Dosen von 10 µg/kg und einer Gesamtdosis von 1-2 mg/kg Ratte als stark kanzerogen (13 Nasen-Tumoren und 3 Leber-Tumoren bei insgesamt 36 Ratten). Damit erwies sich Dimethylnitrosamin nach oraler oder inhalativer Aufnahme ähnlich kanzerogen.

Bei etwa gleicher Gesamtdosis war die tägliche Dosis nach Inhalation = 10 x höher als nach oraler Aufnahme. dafür war die Gesamtexpositionszeit im Inhalationsversuch wesentlich kürzer und umfaßte mit 1 Jahr nur einen Teil der Lebenszeit (4 x /Woche, 4-5 Std./Tag) [2].

N-Nitrosodi-i-propylamin, N-Nitrosodiethanolamin und N-Nitrosopyrrolidin werden zwar als schwächer wirksam als die anderen 9 N-Nitrosamine angesehen, und zwar etwa um den Faktor 5, dennoch wurden aufgrund der vorliegenden Ergebnisse (Tabelle 2) und der Strukturähnlichkeit beim bisher nicht ausreichend untersuchten N-Nitrosoethylphenylamin alle 12 N-Nitrosamine als sehr stark wirkende Kanzerogene eingestuft (Gruppe I der GefStoffV). Von allen N-Nitrosaminen ist das N-Nitrosodiethylamin bisher am besten untersucht. Dabei zeigte es sich bei allen 18 bisher untersuchten Spezies (u.a. vom Fisch über die Schlange, den Igel und das Schwein, bis hin zum Hund und Affen) als ähnlich stark wirksam.

Im Tierexperiment wirken die N-Nitrosamine insgesamt in einer Vielzahl von Organen und Geweben krebserzeugend. Das gilt in der Regel auch für die einzelnen N-Nitrosamine, wobei die Tumorlokalisation häufig von der Spezies und der Dosierung abhängt. Allerdings läßt sich meist ein bevorzugtes Zielorgan (oder auch mehrere) erkennen. Sehr häufig ist dies die Leber (Tabelle 3). Es wurden nur die Ergebnisse dargestellt, welche den besten Vergleich zwischen den einzelnen N-Nitrosaminen erlauben. Die angegebenen Werte haben sich - soweit noch weitere Versuche vorlagen - durch den Vergleich mit den Ergebnissen noch höherer oder niedrigerer Dosen oder auch anderen Applikationsarten jeweils als plausibel herausgestellt.

Nach den Ergebnissen von Kombinationsversuchen an der Ratte mit verschiedenen N-Nitrosoverbindungen muß für die hier behandelten strukturähnlichen und mit ähnlicher Organotropie wirkenden N-Nitrosamine eine additive krebserzeugende Wirkung angenommen werden.

Bei einer Konzentration von 1 µg/m3 in der Luft am Arbeitsplatz (als Summe der verschiedenen auftretenden N-Nitrosamine) würde ein Mensch eine geschätzte Tagesdosis von etwa 0,1 µg/kg Körpergewicht aufnehmen.

Im Tierversuch war bei den am stärksten kanzerogen N-Nitrosaminen, wie z.B. Dimethyl- bzw. Diethylnitrosamin, eine Tagesdosis von 1-2 µg/kg bei Aufnahme über die gesamte Lebenszeit noch als schwach wirksam gefunden worden. Bei den drei schwächer eingestuften N-Nitrosaminen (N-Nitrosodi-i-propylamin. N-Nitrosodiethanolamin. N-Nitrosopyrrolidin) kann angenommen werden, daß die im Tierversuch noch schwach wirksamen Dosen etwa fünfmal höher liegen [1].

Analytik

Zur Messung von N-Nitrosaminen in der Luft in Arbeitsbereichen stehen Verfahren nach ZH 1/120 zur Verfügung [3]. Die Verfahren erlauben Stichprobenmessungen mit ortsfester und personengetragener Probenahme. Für N-Nitrosoethylphenylamin und N-Nitrosomethylphenylamin gibt es derzeit kein valides Meßverfahren.

Die analytische Bestimmung erfolgt gaschromatographisch mit Detektion durch einen Chemolumineszenz-Detektor.

Die relative Bestimmungsgrenze für N-Nitrosodiethanolamin (ZH 1/129.36) liegt bei 0,2 µg/m3. Die relativen Bestimmungsgrenzen der anderen N-Nitrosamine (ZH 1/120.23) liegen im Bereich von 0,1-6,2 µg/m3.

Beide Verfahren werden zur Zeit überarbeitet. Die Bestimmungsgrenzen werden zukünftig 0,035 µg/m3 (N-Nitrosodiethanolamin) und 0,03-0,08 µg/m3 (andere N-Nitrosamine) betragen.

Herstellung, Verwendung und Entstehung

N-Nitrosamine werden weder hergestellt noch verwendet. NNitrosamine sind in der Regel nicht oder nur in sehr kleinen Mengen in den Ausgangsmaterialien enthalten und entstehen erst während technischer Vorgänge.

N-Nitrosamine entstehen durch die Nitrosierung von sekundären Aminen mit einem nitrosierenden Reagenz, wie z.B. Nitriten oder nitrosen Gasen. Es gibt eine Reihe weiterer Bildungsreaktionen von N-Nitrosaminen [4].

Ergebnisse von Arbeitsbereichsmessungen

N-Nitrosamine kommen an verschiedenen Arbeitsplätzen in unterschiedlichen Industriezweigen vor. Aus der chemischen Industrie liegen Erfahrungen von mehreren Großunternehmen vor; in der Regel wird ein Wert von 1 µg/m3 unterschritten. Es gibt Bereiche, bei denen die Meßergebnisse mehrheitlich oberhalb von 1 µg/m3 liegen. Bei der Herstellung von Polyacrylnitrilfasern nach dem Trockenspinnverfahren unter Einsatz von Dimethylformamid wurden für zwei Betriebe mit acht Arbeitsbereichen 37 ortsfeste und personenbezogene Messungen durchgeführt. 15 Meßergebnisse liegen unterhalb von 1 µg/m3, 19 im Bereich zwischen 1 und 2,5 µg/m3 sowie 3 oberhalb von 2,5 µg/m3.

In den Arbeitsbereichen Befüllen, Umfüllen und Abfüllen von Aminen liegen 21 Meßergebnisse vor, 9 davon liegen im Bereich von 1 bis 2.5 µg/m3, die restlichen 12 oberhalb von 2,5 µg/m3 mit einem Spitzenwert von 4,9 µg/m3.

Im Bereich der Gummiindustrie liegen aus den Jahren 1989 und 1990 insgesamt 1 184 Meßergebnisse aus personengetragenen Messungen vor. Die Meßergebnisse umfassen alle Verarbeitungsvorgänge, die bei der Herstellung von Reifen und von technischen Gummiartikeln anfallen.

68 % aller Meßergebnisse lagen unterhalb von 1 µg/m3, ca. 19 % zwischen 1 und 2,5 µg/m3 und ca. 13 % oberhalb von 2,5 µg/m3. In den Produktionsbereichen Abwiegen, Mischen, Lagerung der Rohmischung und Halbzeugherstellung liegen die Meßergebnisse überwiegend unterhalb von 1 µg/m3. In den Produktionsbereichen Vulkanisation, Kontrolle, Nachbearbeitung und Lagerung der Endprodukte liegen die Meßergebnisse in der Regel oberhalb von 1 µg/m3.

Beim Umgang mit wassergemischten oder wassermischbaren Kühlschmierstoffen liegen beim Einsatz von Rezepturen, die nur schwer nitrosierbare Amine und keine Nitrite enthalten, die Meßergebnisse für N-Nitrosodiethanolamin in der Regel unterhalb von 1 µg/m3.

Literatur

[1] Henschler. D.: Gesundheitsschädliche Arbeitsstoffe: Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten; Arbeitsstoff-Kommssion der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Verlag Chemie, D-6940 Weinheim (1987).

[2] Klein, R.G.; I. Janowsky. B.L. Pool. P. Schmezer, R Hermann. F. Amelung, B, Spiegelhalder und W.J. Zeller: Effect of Long-Term Inhalation of N-Nitrosodimethylamine in Rats. IARC. Lyon. in Vorbereitung,

[31 Von den Berufsgenossenschaften anerkannte Analyseverfahren zur Feststellung der Konzentrationen krebserzeugender Arbeitsstoffe in der Luft in Arbeitsbereichen - ZH 1/120. Carl Heymanns Verlag, Köln.

[4] Hill, M.J.: Nitrosamines - Toxicology and Microbiology, VCH-Weinheim (1988).

Tabelle 1 Einstufung von N-Nitrosaminen nach Anhang II, GefStoffV

Krebserzeugender Stoff

Gruppen

I
(sehr stark gefährdend)
II
(stark gefährdend)
III
(gefährdend)

Massengehalte im Gefahrstoff in v. H

N-Nitrosodimethylamin
(bereits seit längerem eingestuft)
> 0,01 < 0,01-0,001 < 0,001-0,0001
N-Nitrosomethylethylamin > 0,01 < 0,01-0,00l < 0,001-0,0001
N-Nitrosodiethylamin > 0,01 < 0,01-0,001 < 0,001-0,0001
N-Nitrosodi-n-propylamin > 0,01 < 0,01-0,001 < 0,001-0,0001
N-Nitrosodi-i-propylamin > 0,05 < 0,05-0,005 < 0,005-0,0005
N-Nitrosodi-n-butylamin > 0,01 < 0,01-0,001 < 0,001-0,0001
N-Nitrosodiethanolamin > 0,05 < 0,05-0,005 < 0,005-0,0005
N-Nitrosomethylphenylamin > 0,01 < 0,01-0,001 < 0,001-0,000l
N-Nitrosoethylphenylamin > 0,01 < 0,01-0,001 < 0,001-0,0001
N-Nitrosomorpholin > 0,01 < 0,01-0,001 < 0,001-0,0001
N-Nitrosopiperidin > 0,01 < 0,01-0,001 < 0,001-0,0001
N-Nitrosopyrrolidin > 0,05 < 0,05-0,005 < 0,005-0,0005

Bei gleichzeitigem Vorliegen von mehr als einem der o.g. N-Nitrosamine sind die entsprechenden Einzelwerte gewichtet zu addieren.

Tabelle 2 Kanzerogene Wirkung von 12 N-Nitrosaminen

Nitrosamin Applikation Spezies

Gesamtdosis [mg/kg]

Tiere mit Tumor der Hauptzielorgane
N-Nitrosodiemthylamin Trinkwasser Ratte  » 45 27 % Leber-Tu.
N-Nitrosomethylethylamin Trinkwasser Ratte  » 55 15 % Leber-Tu.
N-Nitrosodiethylamin Trinkwasser Ratte  » 65 8 % Leber-Tu.
5 % Speiseröhren-Tu.
N-Nitrosodi-n-propylamin
(wenig untersucht)
Trinkwasser Ratte  » 400 100 % Speiseröhren-Tu.
60 % Vormagen-Tu.
30 % Zungen-Tu.
30 % Leukämie
N-Nitrosodi-i-propylamin
(sehr wenig untersucht)
Trinkwasser Ratte  » 1400 53 % Nasenhöhlen-Tu.
7 % Lungen-Tu.
N.Nitrosodi-n-butylamin Futter Ratte  » 7000 60 % Blasen-Tu.
40 % Speiseröhren-Tu.
30 % Pharynx-Tu.
30 % Leber-Tu.
10 % Vormagen-Tu.
Trinkwasser Meer-
schweinchen
 » 2000 68 % Leber-Tu.
37 % Blasen-Tu.
Schlundsonde Maus
(10 Monate)
 » 90 27 % Leber-Tu.
Verdauungstrakt-Tu.
N-Nttrosodiethanolamin Trinkwasser Ratte  » 860 10 % Leber-Tu.
 » 1800 63 % Leber-Tu.
8 % Nieren-Tu.
N-Nitrosomethylphenylamin Trinkwasser Ratte  » 60 80 % Speiserohren-Tu.
N-Nitrosoethylphenylamin Es liegen keine chronischen Versuche vor. In vergleichend eingesetzten in-vitro-Zelltransformationssystemen ähnlich wirksam wie Nitrosodimethylamin und N-Nitrosodiethylamin
N-Nitrosomorpholin Trinkwasser Ratte  » 70 37 % Leber-Tu.
N-Nitrosopiperidin Trinkwasser Ratte  » 20 4 % Leber-Tu.
» 90 7 % Leber-Tu.
3 % Verdauungs-Tu.
N-Nitrosopyrrolidin Trinkwasser Ratte  » 200 5 % Leber-Tu.
Trinkwasser Goldhamster  » 100 2 % Leber-Tu.

Tabelle 3: Wesentliche Zielorgane der hier behandelten N-Nitrosamine

N-Nitrosodimethylamin Leber, Niere, Lunge, Blutgefäße
N-Nitrosomethylethylamin Leber, Speiseröhre, Blutgefäße, Nasenhöhle, Gallengang, blutbildendes System
N-Nitrosodiethylamin Leber, Niere, Speiseröhre, Respirationstrakt, Vormagen.
N-Nitrosodi-n-propylamin Leber, Niere, Speiseröhre, Respirationstrakt, oberer Verdauungstrakt, Hirn, blutbildendes System
N-Nitrosodi-i-propylamin Leber, Respirationstrakt
N-Nitrosodi-n-butylamin Leber, Speiseröhre, Harnblase, Verdauungstrakt. Respirationstrakt
N-Nitrosodiethanolamin Leber, Niere, Respirationstrakt
N-Nitrosomethylphenylamin Speiseröhre, Harnblase, Lunge, oberer Verdauungstrakt
N-Nitrosoethylphenylamin nicht untersucht
N-Nitrosomorpholin Leber, Niere, Respirationstrakt, blutbildendes System
N-Nitrosopiperidin Leber, Speiseröhre, Respirationstrakt, oberer Verdauungstrakt
N-Nitrosopyrrolidin Leber, Gallengang. Nasenhöhle

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