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24. TRK-Wert für 4,4'-Diaminodiphenylmethan: 0,1 mg/m3

(BArbBl. 10/89 S. 61)


Im Verzeichnis der krebserzeugenden Gefahrstoffe ist 4,4'-Diaminodiphenylmethan bei Massengehalten von³ 1 % in Gruppe III (gefährdend) eingeordnet. Synonyme für 4,4'-Diaminodiphenylmethan sind: DDPM, Phenylbase, 4,4'-Methylendianilin, MDA

Arbeitsmedizinische Erfahrungen

4,4'-Diaminodiphenylmethan wird inhalativ, über die Haut und aus dem Magen-Darm-Kanal aufgenommen.

Auf die Notwendigkeit der Einhaltung von Schutzmaßnahmen bei der industriellen Verarbeitung von 4,4'-Diaminodiphenylmethan wurde schon 1966 hingewiesen [5].

Eine Gelbverfärbung von Haut, Haaren und Fingernägeln ist ein Hinweis auf unzureichende Arbeitshygiene [3].

Es gibt Beobachtungen über eine sensibilisierende Wirkung am Bronchialbaum [2] und eine Photosensibilisierung der Haut im Sinne eines Kontaktallergens [8].

Im Vordergrund der systemischen Wirkung nach Resorption stehen toxische Wirkungen an der Leber. Kopelman u.a. [6] berichteten 1966 über 84 Fälle von fieberhafter Gelbsucht, die in England, in der Gegend von Epping, durch 4,4'-Diaminodiphenyl-methan-kontaminiertes Mehl verursacht waren. ("Epping Jaundice").

Die Höhe der Aufnahme von 4,4`-Diaminodiphenylmethan war nicht mehr festzustellen, eine Brotanalyse ergab etwa 0,26 % 4,4'-Diaminodiphenylmethan.

Trotz zum Teil ausgeprägter Erhöhungen der Leberenzyme, des Bilirubins und in einigen Fällen nachgewiesenen histologischen Leberveränderungen bildeten sich alle Symptome zurück. Nachuntersuchungen nach 2 Jahren ergaben keinen pathologischen Befund.

McGill [9] berichtete 1971 über 12 Fälle "toxischer Hepatitis" bei der Herstellung von Kunstharzen auf Basis von 4,4'-Diaminodiphenylmethan. Als wesentliches Aufnahmeorgan wurde die Haut angesehen. Nachuntersuchungen nach 9 Monaten bis 5½ Jahren ergaben keine Dauerschäden.

Vergleichbare Erfahrungen an 4 von 6 bei der Verarbeitung von 4,4'-Diaminodiphenylmethan eingesetzten Personen wurden 1984 veröffentlicht [1].

Bei arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen von Mitarbeitern der Herstellung und Verarbeitung von

4,4'-Diaminodiphenylmethan wurden keine verwertbaren produktbezogenen pathologischen Befunde erhoben [7].

Toxische Nierenschäden wurden nur in einem der Fälle der Epping Jaundice [6] beobachtet; sie scheinen von einer hohen Exposition abhängig zu sein.

Gesicherte Erkenntnisse über eine krebserzeugende Wirkung beim Menschen liegen nicht vor.

In der EPA-Studie [4] wird lediglich eine Untersuchung von Scott-Siegel von 1984 referiert. Bei der Berechnung der proportionalen Mortalitätsrate (PMR) und proportionalen Krebs-Mortalitätsraten (PCMR) an 179 Arbeitern, die u.a. Umgang mit 4,4`-Diaminodiphenylmethan hatten, wurden erhöhte PMR-Werte für Krebs der Blase, des Dickdarms und für Lymphosarkom errechnet.

Signifikant bei der PCMR war nur die Erhöhung der Blasenkrebse. Die Beobachtung wird auf die "Strukturähnlichkeit zu Benzidin" zurückgeführt. In der Gesamtwertung wird die Aussagefähigkeit der PMR- und PCMR-Berechnung für die Feststellung eines Ursachenzusammenhanges allgemein und für die vorliegende Studie zwischen erhöhter Blasenkrebsrate und Exposition gegenüber 4,4'-Diaminodiphenylmethan als unzureichend eingeschätzt.

Weitere epidemiologische Studien zur Frage der Carcinogenität von 4,4`-Diaminodiphenylmethan beim Menschen liegen nicht vor.

Toxikologische Erfahrungen

4,4`-Diaminodiphenylmethan wirkt bei Mensch und Tier schon bei niedriger Dosierung lebertoxisch. so bei längerdauernder ora1er Verabreichung an der Katze bei täglich 3 mg/kg und an der Ratte bei 8 mg/kg Körpergewicht. 4,4`-Diaminodiphenylmethan dringt durch die intakte Haut.

In verschiedenen in vitro Testsystemen ließ sich eine DNA-schädigende Wirkung nachweisen (Ames-Test. DNA-Strangbrüche an Säugerzellkulturen. Mutationen an Hefe). Nach intraperitonealer Injektion an der Maus fand sich Schwester-Chromatid-Austausch an Knochenmarkzellen. Im Rezessiv-Letal-Test an Drosophila und in cytogenetischen Untersuchungen an menschlichen Lymphocyten in vitro (Chromosomenaberrationen und Schwester-Chromatid-Austausch) konnte dagegen keine DNA-Schädigung gefunden werden [10].

In mehreren Tierversuchen zeigte 4,4'-Diaminodiphenylniethan eine krebserzeugende Wirkung. Die Konzentrationen 150 und 300 ppm im Trinkwasser führten bei F344-Ratten vermehrt zu Schilddrüsentumoren und neoplastischen Knoten in der Leber. An der B6C3F1-Maus fanden sich unter solchen Bedingungen ebenfalls vermehrt Schilddrüsentumoren wie auch erhöhte Zahlen an Lebertumoren. Lymphomen. Phäochromocytomen und Lungenadenomen, allerdings erwiesen sich beide Konzentrationen schon als deutlich toxisch. Die orale Verabreichung von 30 mg/Tier jeden 3. Tag über 30 Tage mit 9monatiger Nachbeobachtung führte bei weiblichen Sprague-Dawley-Ratten vermehrt zu Brustdrüsentumoren. Nach subkutaner Injektion war 4,4'-Diaminodiphenylmethan an der Wistar-Ratte schwach krebserzeugend. während es unter ähnlichen Bedingungen an der gegenüber aromatischen Aminen meist empfindlicheren Sprague-Dawley-Ratte trotz doppelt so hoher Gesamtdosis einen solchen Effekt nicht erkennen ließ. Die Gabe von 70 mg 4,4'-Diaminodiphenylmethan an 9 weibliche Beagle-Hunde dreimal pro Woche über 4 - 7 Jahre führte zwar zu einer Verschlechterung des Allgemeinzustandes und zu Leberschäden. nicht aber zu Tumoren [10].

Die Ergebnisse von Initiations-/Promotionsversuchen sind uneinheitlich: Nach Initiation mit N-bis(2-Hydroxypropyl)nitrosamin förderte 4,4'-Diaminodiphenylmethan die Entstehung von Schilddrüsentumoren, nicht aber die von Leber- und Nierentumoren. Nach Initiation mit N-Ethyl-N-hydroxyethylnitrosamin oder N-Butyl-N(4-hydroxybutyl)nitrosamin führte 4,4'-Diaminodiphenylmethan sogar zu einer Verminderung der Zahl der Leber-, Nieren- bzw. Blasentumoren. Auch ergab sich nach Vorbehandlung mit N-Nitrosomorpholin keine klare promovierende Wirkung auf die Leber [10].

Insgesamt ist die krebserzeugende Wirkung von 4,4'-Diaminodiphenylmethan nach dem Stande des Wissens relativ schwach.

Analytik

Zur Messung von 4,4'-Diaminodiphenylmethan in der Luft in Arbeitsbereichen steht ein anerkanntes Verfahren nach ZH1/120 zur Verfügung [11].

Die Bestimmungsgrenze des Verfahrens (Probenahme durch Adsorption an mit Schwefelsäure imprägniertem Kieselgel, Elutson, Diazotierung und Kupplung und anschließende photometrische Bestimmung) beträgt 0,1 mg/m3bei 80l Probeluft bzw. 0,025 mg/m3320l Probeluft (8 Stunden).

Herstellung und Verwendung

4,4'-Diaminodiphenylmethan wird durch Umsetzung von Anilin mit Formaldehyd in großtechnischen Anlagen hergestellt (Menge: ca. 100000 t/Jahr) und größtenteils durch Umsetzung mit Phosgen weiterverarbeitet. Kleinere Mengen werden u.a. zur Herstellung von Farbstoffen. Kunststoffen und als Epoxidhärter in Drahtlacken eingesetzt.

Ergebnisse der Arbeitsplatzmessungen

Herstellung von 4,4'-Diaminodiphenylmethan

Aus den Betrieben zur Herstellung von 4,4'-Diaminodiphenylmethan liegen 24 Schichtmittelwerte (ortsfeste und personenbezogene Probenahme) vor. 19 Werte liegen unterhalb der Bestimmungsgrenze (0,025 mg/m3). In 5 Fällen wurden Werte von 0,1 bis 1 mg/m3 ermittelt.

Verwendung von 4,4'-Diaminodiphenylmethan

Literatur

[1] Bastian, P. G. (1984) Occupational hepatitis caused by methylendianiline .

Med. J. Aus. 8: 533 - 535

[2] Belin, L., Wass. U., Audunsson, G., Matthiasson, L.(1983) Amines: possible causative agents in the development of bronchial hyperreactivity; Brit. J. Ind. Med . 40: 251 - 257

[3] Deutsche Forschungsgemeinschaft (1987) Toxikolog.-arbeitsmediz. Begründung von MAK-Werten

Hrsg. D. Henschler, VCH Verlagsgesellschaft mbH, D-6940 Weinheim

[4] Environmental Proteetion Agency (USA) (2.2.1985) Risk assessment for 4,4'-Methylendianiline. Office of Toxic substances

[5] Hofmann, H. Th., Frohberg, H., Meinecke, K. H., Oettel, H., v. Schilling, B., Zeller, H. (1966) Potentielle Gesundheitsschädigung durch 4,4'-Diaminodiphenylmethan, ihre rechtzeitige Erkennung und Verhütung.
15. Internat. Kongr. f. Berufskrankheiten. Proc-a III 194: 849 - 851 Wien

[6] Kopelmann, H., Robertson, M. H., Sanders, P. G., Ash, J. (1966) The Epping-Jaundice. Brit. Med. J. I: 514 -516

[7] Korallus, U. (1988) Unveröffentlichte Beobachtungen

[8] Levine, M. J. (1983) Occupational photosensitivity to diaminodiphenylmethane.

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