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2,4-Dichlortoluol
(CAS-Nr.: 95-73-8)

Ausgabe: Januar 2006
Stand: Mai 1994



30 mg/m3 (5 ml/m3) H Spitzenbegrenzung: Kategorie II,1

1 Substanzcharakteristik

Substanzname: 2,4-Dichlortoluol
Synonyma: 1-Methyl-2,4-dichlorbenzol 1,3-Dichlor-4-methylbenzol Strukturformel:
Summenformel: C7H6Cl2
CAS-Nummer: 95-73-8
BG-Stoffliste Nr.: 148 EG-Nummer:
molare Masse: 161,03 g/mol
Schmelzpunkt: -13,5°C
Siedepunkt: 200°C
Flammpunkt: 89°C
Dampfdruck: 400 Pa (50°C)
Luftsättigungskonzentration: 23.992 mg/m3 (50°C)
spezifisches Gewicht: 1,250 g/cm3 (20°C)
Löslichkeit: 8 mg/l in Wasser; löslich in Ethanol, Polyethylenglykol 400 und Propylenglykol
n-Octanol-Wasser-Verteilungskoeffizient: log Po/w = 4,24
Aussehen: farblose Flüssigkeit mit charakteristischem Geruch
Umrechnungsfaktoren (20°C): 1 ml/m3 (ppm) = 6,682 mg/m3
1 mg/m3 = 0,150 ml/m3 (ppm)

2 Grenzwerte, Einstufungen, Regelungen

MAK (UdSSR): 10 mg/m3 H
VbF: Klasse a III
Transportregelungen:  
GGVE/GGVS: Kl. 3 Zi. 32 C
RID/ADR: Kl. 3 Zi. 32 C
ADNR: Kl. 3 Zi. 4 Kat. 3

3 Herstellung und Verwendung

2,4-Dichlortoluol entsteht u. a. bei der Chlorierung von Toluol.2,4-Dichlortoluol wird als Lösungsmittel verwendet und dient als Zwischenprodukt bei chemischen Synthesen.

4 Analytische Bestimmungsmethode

Probenahme: Adsorption an Aktivkohle SKC 700/300 mg
Pumpe: Compur 4903
(0,06 l/min, ca. 3,6 l in einer Stunde)
Desorption: 3 ml Schwefelkohlenstoff 30 min bei Raumtemperatur stehen lassen
Gaschromatographische Bestimmung: Injektionsvolumen 2 µl Kapillarsäule 30 m, DB-5 Ofentemperatur 70°C isotherm FID
Kalibrierung: externer Standard
Bestimmungsgrenze: 1 mg/m3 bei 30 l Probeluft

5 Metabolismus, Toxikokinetik

Beim Hund kommt es nach oraler Gabe von Dichlortoluol zu keiner Merkaptursäurebildung [1].

6 Erfahrungen am Menschen Keine Informationen vorhanden

7 Experimentelle Toxizitätsdaten

7.1 Akute Toxizität, lokale Verträglichkeit, Sensibilisierung

7.1.1 Akute Toxizität

Die Daten zur akuten Toxizität von 2,4-Dichlortoluol sind in der Tabelle 1 zusammengestellt.

Die einmalige orale Gabe von 2,4-Dichlortoluol führte bei Ratten ab einer Dosis von 1875 mg/kg KGW zu Sedation, Bauch/Seitenlage und zu herabgesetztem Allgemeinzustand. Die Symptome hielten teilweise bis zum 14. Nachbeobachtungstag an; die Todesfälle traten vom 2.-4. Versuchstag auf. Die Dosis von 1250 mg/kg KGW wurde symptomlos vertragen. Die Sektion einiger während des Versuchs gestorbener sowie einiger bei Versuchsende getöteter Tiere blieb ohne auffälligen Befund [2].

Tabelle 1: Daten zur akuten Toxizität von 2,4-Dichlortoluol

Spezies Geschl. Applikationsweg LD50/LC50 Ref.
Ratte mnl./wbl. oral 2790 mg/kg KGW [2]
Ratte n oral 4600 mg/kg KGW [3]
Maus n oral 2900 mg/kg KGW [3]
Meerschweinchen n oral 5000 mg/kg KGW [3]
Ratte mnl./wbl. dermal > 2000 mg/kg KGW* [4]
Ratte mnl./wbl. inhalativ > 2669 mg/m3/4 h** [5]

n keine Angaben

*) Dichlortoluol-Isomerengemisch; keine Todesfälle **) symptomlos vertragen, keine Todesfälle

7.1.2 Lokale Verträglichkeit

2,4-Dichlortoluol wirkte mäßig reizend an der Kaninchenhaut (24 Stunden Einwirkzeit, okklusiv) [6] und nicht reizend am Kaninchenauge [7].

7.1.3 Sensibilisierung

Im Maximierungstest nach Magnusson und Kligman zeigte das Dichlortoluol-Isomerengemisch (u.a. enthaltend 25,9 % 2,4-Dichlortoluol) nach intradermaler (5 %ig) und topischer Induktion (100 %ig) und Provokation (25 und 50 %ig) bei Meerschweinchen keine hautsensibilisierende Wirkung [8].

7.2 Subakute, subchronische Toxizität

In einer aufgrund unzureichender Angaben nur bedingt bewertbaren Publikation wird berichtet, dass die 20-tägige orale Gabe von 920 mg2,4-Dichlortoluol/kg KGW/Tag (=1/5 LD50) bei Ratten (keine Angaben zu Anzahlund Geschlecht der Tiere) zu keinen Todesfällen führte. Die orale Gabe von 4600 mg/kg KGW (=LD50) über den gleichen Zeitraum bewirkte eine 80 %ige Mortalität (keine näheren Angaben) [3].

Im Rahmen einer ebenfalls nur sehr unvollständig dokumentierten subchronischen Toxizitätsstudie erhielten Ratten über einen Zeitraum von 2 Monaten tägliche orale Gaben von 4,6; 46 bzw. 460 mg2,4-Dichlortoluol/kg KGW. Bei den Tieren der 460 mg/kg-Gruppe kam es zu Veränderungen der für den funktionellen Zustand von Leber, Nieren und Zentralnervensystem charakteristischen Parameter. Bei der histopathologischen Untersuchung der Tiere wurden Veränderungen vorwiegend an Leber und Nieren, in geringerem Ausmaß auch am Zentralhirn festgestellt. Beiden Tieren der 46 mg/kg-Gruppe wurden die gleichen Effekte in geringerer Ausprägung beobachtet. Die Dosis von 4,6 mg/kg KGW/Tag wurde symptomlos vertragen. Aufgrund der fehlenden Angaben zum Versuchsaufbau sowie wegen der nur sehr pauschalen Darstellung der Befunde ist diese Studie nicht bewertbar [3].

Es wurde eine subakute orale Toxizitätsstudie mit dem Dichlortoluol-Isomerengemisch (2,4-Dichlortoluol-Gehalt: 25,9 %) an Ratten durchgeführt. Dabei erhielten je 5 männliche und 5 weibliche Ratten/Dosisgruppe über einen Zeitraum von 4 Wochen an 5 Tagen/Woche orale Gaben von 0; 20; 100 bzw. 500 mg Dichlortoluol/kg KGW/Tag mit der Magensonde. Die Behandlung wurde bis zu einer Dosis von 100 mg/kg KGW/Tag schädigungslos vertragen, wobei der ab 20 mg/kg KGW/Tag auftretenden hyalintropfigen Speicherung in den Tubulusepithelien der männlichen Tiere als spezies- und geschlechtsspezifischem Effekt keine Bedeutung für die 1Risikoabschätzung für den Menschen beigemessen wird (vgl. MAK-Begründung zu p-Dichlorbenzol). Bei allen Tieren der 500 mg/kg-Gruppewaren die Lebergewichte erhöht als Ausdruck einer Stoffwechseladaptation.Bei den Männchen dieser Dosisgruppe lag eine Hypertrophiezentrilobulärer Hepatozyten vor und außerdem waren als Folge der Hyalintröpfchenbildung in der Niere fokal meist leicht erweiterte Tubulusabschnitte vorhanden. Die Weibchen der 500 mg/kg-Gruppe zeigten eine leicht erhöhte Wasseraufnahme. Schädigungen des Gehirns oder anderer Organe wurden nicht festgestellt. Aussehen und Verhalten sowie die

Körpergewichtsentwicklung und die Futteraufnahme blieben in allen Dosisgruppen unbeeinflusst, Todesfälle traten nicht auf.

Damit ergibt sich in dieser Studie für die Männchen ein NOAEL von 100 mg/kg und für die Weibchen ein NOAEL von 500 mg/kg KGW/Tag [9].

7.3 Chronische Toxizität, Cancerogenität

Keine Informationen vorhanden

7.4 Genotoxizität

Im Ames-Test an den Salmonella typhimurium-Stämmen Ta 1535, Ta 100, Ta 1537 und Ta 98 zeigte 2,4-Dichlortoluol sowohl mit als auch ohne Zusatz von S9-Mix keine mutagene Wirkung (getesteter Konzentrationsbereich: 2,34-2500 µg/Platte) [10].

In Studien an trächtigen Ratten führte die orale Gabe von 920 bzw.92 mg 2,4-Dichlortoluol/kg KGW (= 1/5 bzw. 1/50 LD50) zu einer erhöhten Chromosomenaberrationsrate in somatischen Zellen; der NOEL lag bei 46 mg/kg KGW.

Die Behandlung von männlichen Ratten mit 46 mg 2,4-Dichlortoluol/kg KGW führte nach der Paarung mit unbehandelten Weibchen zu einer erhöhten Rate an Postimplantationsverlusten, was auf eine mutagene Wirkung der Substanz in vivo hinweist (dominante letale Mutationen). Als NOEL ergab sich 4,6 mg/kg KGW (= 1/1000 LD50). Aufgrund des unklaren Versuchsaufbaus und der völlig unzureichend dokumentierten Befunde sind diese Studien nicht bewertbar [3].

Im Mikronucleus-Test an NMRI-Mäusen beiderlei Geschlechts führte die einmalige i.p.-Injektion von 1500 mg Dichlortoluol-Isomerengemisch (u.a.enthaltend 25,9 % 2,4-Dichlortoluol)/kg KGW zu toxischen Effekten;Todesfälle traten nicht auf. Es ergaben sich keine Hinweise auf eine clastogene Wirkung des Prüfmusters (Aufarbeitung des Knochenmarks 16, 24 und 48 Stunden nach der Applikation [11].

7.5 Reproduktionstoxizität

Die orale Gabe von 92 bzw. 920 mg 2,4-Dichlortoluol/kg KGW/Tag (keine Angaben zu Versuchsaufbau und -dauer) führte bei trächtigen Ratten zum Tod der Embryonen im postimplantalen Entwicklungsstadium sowie zu V1erzögerungen im Wachstum der Feten und der Plazenta. Außerdem war die Fertilität der Tiere der 920 mg/kg-Gruppe reduziert; teratogene Effekte traten nicht auf. Als NOEL bezüglich der embryotoxischen Wirkung der Substanz wurde die Dosis von 9,2 mg/kg KGW angegeben. Aufgrund der völlig unzureichenden Darstellung des Versuchsaufbaus und der Befunde ist diese Studie nicht bewertbar [3].

Bei männlichen Ratten, die über einen Zeitraum von 2 Monaten tägliche orale Gaben von 46 bzw. 460 mg 2,4-Dichlortoluol/kg KGW erhalten hatten, wurden Anzeichen für Schädigungen der Gonaden (morphologische Veränderungen, verringerte Spermatogenese) festgestellt. Außerdem kam es bei den Tieren der 460 mg/kg-

Gruppe zu pathologisch veränderten Spermien. Die Dosis von 4,6 mg/kg wurde schädigungslos vertragen. Aufgrund der völlig unzureichenden Darstellung des Versuchsaufbaus und der Befunde ist diese Studie nicht bewertbar [3].

Die Ergebnisse der subakuten oralen Studie mit Dichlortoluol-Gemisch an Ratten [9] erbrachten keine Hinweise auf reproduktionstoxikologisch relevante Effekte.

7.6 Sonstige Wirkungen

Es wurde ein Zytotoxizitätstest an BALB/c 3T3 Mauszellen und an Bluegill Sunfish (Lepomis macrochirus) BF-2-Zellen durchgeführt. Dazu wurden die Zellen über einen Zeitraum von 24 Stunden mit verschiedenen2,4-Dichlortoluol-Konzentrationen inkubiert und anschließend die Vitalität der Zellen mit dem Neutralrot-Test bestimmt. Bei den BALB/c3T3-Zellen wurde eine 10 %ige Hemmung der lysosomalen Neutralrot-Aufnahme bei einer 2,4-Dichlortoluol-Konzentration von 0,15 mM (= ca. 24 mg/l) und bei den BF-2-Zellen eine 50 %ige Hemmung der Neutralrot-Aufnahme bei 0,64 mM (= ca. 103 mg/l) festgestellt [12].

8 Bewertende Zusammenfassung der toxikologischen Daten und Ableitung eines Arbeitsplatzrichtwertes (ARW)

2,4-Dichlortoluol wirkt nach akuter oraler oder inhalativer Aufnahme nur schwach toxisch. Als akute Vergiftungssymptome werden nach oraler Gabe inhoher Dosierung Sedation, herabgesetztes Allgemeinbefinden und Bauch/Seitenlage genannt; die 4-stündige Dampfinhalation (2669 mg/m3) wurde von Ratten symptomlos vertragen. 2,4-Dichlortoluol wirkt mäßig hautreizend und nicht reizend am Auge; das Dichlortoluol-Isomerengemisch zeigt im Magnusson-Kligman-Test an Meerschweinchen keine hautsensibilisierende Wirkung.

Zur Frage der Toxizität nach wiederholter Applikation liegen die Ergebnisse einer Studie zur subakuten oralen Toxizität des Dichlortoluol-Isomerengemischs an Ratten vor [9]. Demnach liegt der NOAELfür die männlichen Tiere bei 100 mg/kg KGW/Tag; bei höherer Dosierung kommt es bei den Männchen zu einer leichten Hypertrophie derläppchenzentralen Hepatozyten sowie zu Nierenveränderungen als Folge der Hyalintröpfchenbildung, die sich bereits in der 20 mg/kg-Gruppe manifestiert und als spezies- und geschlechtsspezifisches Phänomen anzusehenist. Bei den Weibchen liegt der NOAEL bei 500 mg/kg KGW/Tag. Es ergeben sichin dieser Studie keine Hinweise auf reproduktionstoxikologisch relevante Effekte. Die in einer Publikation [3] berichteten Effekte nach maximal2-monatiger oraler Behandlung von Ratten mit 2,4-Dichlortoluol bleiben aufgrund der mangelnden Validität der Studie unberücksichtigt.

Im Ames-Test ist 2,4-Dichlortoluol und auch das Dichlortoluol-Gemisch nichtmutagen und im Mikronucleus-Test an der Maus zeigt das Dichlortoluol-Gemisch keine clastogene Wirkung.

Für die Ableitung eines Richtwertes können lediglich die Ergebnisseder subakuten oralen Rattenstudie mit Dichlortoluol-Gemisch herangezogen werden, wonach der niedrigste (für den Menschen relevante) NOAEL bei100 mg/kg KGW/Tag liegt. Ausgehend von diesem NOAEL im subakuten Versuch(ca. 25 mg/Tier/Tag) wird unter Anwendung eines Faktors von 1/6 ein NOEL für die chronische Exposition von

ca. 4,2 mg/Tier/Tag extrapoliert. Unter Berücksichtigung des Allometrieprinzips (x 68) und bei Zugrundelegung eines Atemvolumens von 10m3/Tag ergibt sich ein damit ein Richtwert von ca. 29mg/m3. Dementsprechend wird für 2,4-Dichlortoluol ein Arbeitsplatzrichtwert (ARW) von 5 ppm = 30 mg/m3 mit Spitzenbegrenzung nach Kategorie II,1 und dem Zusatz H empfohlen. Dieser Richtwert wird als ausreichend angesehen, um den Schutz der Exponierten vor möglichen lebertoxischen Effekten von 2,4-Dichlortoluol zu gewährleisten.

9 Literatur

[1] Baumann, E.: Zeitschr. physiol. Chem. 8, 190-197 (1883)

[2] Löser, E.: Bayer AG, unveröffentlichter Bericht vom 19.02.1981

[3] Tolstopyatova, G.V., Korkach, V.I., Barilyak, I.R., Samoilov, A.P., Gudz, O.V. u. Bychkovskii, B.N.: Gig. Sanit. Nr. 2, 80-81 (1988)

[4] Bomhard, E.: Bayer AG, unveröffentlichter Bericht Nr. 21.337 vom 05.05.1992

[5] Pauluhn, J.: Bayer AG, unveröffentlichter Bericht Nr. 18.515 vom 13.11.1989

[6] Schreiber, G.: Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Aerosolforschung, unveröffentlichter Bericht vom 30.06.1981 an die Bayer AG

[7] Schreiber, G.: Fraunhofer-Institut für Toxikologie und Aerosolforschung, unveröffentlichter Bericht vom 30.06.1981 an die Bayer AG

[8] Dreist, M. u. Kolb, J.: Bayer AG, unveröffentlichter Bericht Nr. 21.470 vom 01.07.1992

[9] Bomhard, E. u. Rühl-Fehlert, C.: Bayer AG, unveröffentlichter Bericht Nr. 22.273 vom 25.05.1993

[10] Herbold, B.A.: Bayer AG, unveröffentlichter Bericht Nr. 18.017 vom 19.05.1989

[11] Herbold, B.A.: Bayer AG, unveröffentlichter Bericht Nr. 21.996 vom 21.01.1993

[12] Babich, H. u. Borenfreund, E.: Toxic. in Vitro 1, 3-9 (1987)

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