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Begründung zu 1,3-Dichlorbenzol (m-Dichlorbenzol)
(CAS-Nummer: 541-73-1)

Ausgabe: Januar 2006
Stand: September 1995



Chemischer Name: 1,3-Dichlorbenzol
ARW: 20 mg/m3 bzw. 3 ppm H (Gefahr der Hautresorption)
Spitzenbegrenzung: II, 1

Zusammenfassende toxikologische Bewertung von m-Dichlorbenzol

m-Dichlorbenzol ist akut gering toxisch (LD50 oral: 580-2306 mg/kgKG, Ratte) [1, 2]. Im Zeitsättigungstest (7stündige Inhalation eines bei 20 °C mit m-Dichlorbenzol gesättigten Luftstromes) überlebten alle eingesetzten Ratten. Neben unspezifischen Symptomen wurden motorische Unruhe, erhöhte Atemfrequenz, unregelmäßige Atmung, Hyporeflexie, Zittern und Gleichgewichtsstörungen beobachtet [3]. Nach 4 Stunden Inhalation konnte bei Ratten keine genaue LC50bestimmt werden (> 17,6 mg/l) [4]. Nach 24stündiger okklusiver Einwirkung von 0.5 ml m-Dichlorbenzol zeigten sich an der Kaninchenhaut deutliche Reizerscheinungen. Die 24stündige Einwirkung von 0,1 ml m-Dichlorbenzol führte am Kaninchenauge zu einer leichten bis deutlichen Schwellung der Bindehäute sowie zu einer leichten Corneatrübung [5, 6].

Nach 3tägiger oraler Verabreichung von m-Dichlorbenzol in einer Dosis von 250 mg/kg KG und Tag wurden bei Ratten Erhöhungen der relativen Lebergewichte, des mikrosomalen Gehalts an anorganischem Phosphor und des mikrosomalen Proteins festgestellt. Die Aktivität der Aminopyrin-Demethylase, der Anilin-Hydroxylase und der Aminolävulinsäure-Synthetase war erhöht (Hinweis auf Störung der Hämsynthese) [7]. Auch nach oraler Gabe von 800 mg m-Dichlorbenzol/kg KG und Tag, 1 bzw. 3 bzw. 5 Tage gab es bei Ratten Hinweise auf hepatische Porphyrie und Enzyminduktion in der Leber. Mikroskopisch wurde in der Leber eine minimale Vakuolisierung beobachtet. Die 9tägige orale Verabreichungvon 800 mg/kg KG und Tag führte zu einer Erhöhung der Koproporphyrin-III-Exkretion im Urin. Uroporphyrinurie wurde nicht nachgewiesen.Nach Applikation höherer Dosen (900-1000 mg/kg KG) trat starke Koproporphyrinurie und meßbare Uroporphyrinurie auf [8]. Nach Gabe von 4, 20, 100 oder 500 mg m-Dichlorbenzol/kg KG und Tag per Schlundsonde über 28 Tage kam es bei Ratten ab 100 mg/kg KG dosisabhängig zunehmend zu einer Lebergewichtserhöhung verbunden mit einer Induktionfremdstoffmetabolisierender Enzyme sowie hepatozellulären Hypertrophien ab 500 mg/kg KG. Bei den männlichen Ratten traten ab 100 mg/kg KG zusätzlich histopathologische Veränderungen an den Nieren auf (Messungen bezüglich einer ß2µ-Globulin-Nephropathie wurden nicht durchgeführt). Der NOEL wurde für beide Geschlechter auf 20 mg/kg KG festgelegt [9]. Die enzyminduzierende Wirkung ist wahrscheinlich nicht auf das m-Dichlorbenzol selbst, sondern auf die im Stoffwechsel gebildeten Metaboliten 3,5-Dichlorphenylmethylsulfoxid und 3,5-Dichlorphenylmethylsulfon zurückzuführen [10].

Untersuchungen zur gentoxischen Wirkung von m-Dichlorbenzol führten zu uneinheitlichen Ergebnissen. In mehreren Tests auf Punktmutationen an Bakterien (Ames-Test) erwies sich die Substanz mit und ohne metabolische Aktivierung (S9-Mix von Ratten bzw. Hamstern) als nicht mutagen [11, 12,13, 14, 15]. Dagegen kam es bei Eukaryonten zu mitotischen Rekombinationen (Saccharomyces cerevisiae D3) bzw. zu einer erhöhten Rückmutationsrate (Aspergillus nidulans) [14, 16]. Im DNA-repairassay mit Bakterien gab esunterschiedliche Ergebnisse (positiv mit E. coli polA+/polA-, negativ mit Bacillus subtilis rec+/rec-) [14, 15]. Nach Inkubation von Human-Lymphozyten bzw. Humanzellen der Linie A549 mit m-Dichlorbenzol wurde die DNA-Reparatur-Syntheserate nicht erhöht [17, 18, 19]. Beim chinesischen Hamster konnte nach oraler Gabe von 1000 mg/kg KG kein Anstieg der Chromosomenaberrationen festgestellt werden [20]. Bei Mäusen kam es- allerdings nach i.p.-Injektion (175, 350, 525 oder 700 mg/kg KG) - zu einer dosisabhängig erhöhten Anzahl von Mikrokernen in polychromatischen Erythrozyten [21]. Die Validität dieser Studie ist jedoch zweifelhaft,da unter den gleichen Versuchsbedingungen in einem Wiederholungsversuch mit p-Dichlorbenzol, das in dieser Publikation ebenfalls zu einer signifikanten Zunahme von Mikrokernen führte, kein derartiger Effekt nachgewiesen werden konnte [24].

In einem Rattenleber-Foci-Induktions-Test wurden keine Anzeichen für eine tumorpromovierende Wirkung von m-Dichlorbenzol festgestellt [22]. Langzeitstudien zur Kanzerogenität liegen nicht vor.

Gruppen von trächtigen Sprague-Dawley-Ratten erhielten vom 6.-15.Gestationstag 50, 100 oder 200 mg m-Dichlorbenzol/kg KG oral verabreicht.Es ergaben sich keine Hinweise auf ein maternaltoxisches, embryotoxisches oder teratogenes Potential (nähere Angaben sind der nur in einem Abstract publizierten Arbeit nicht zu entnehmen) [23].

Empfehlung eines Grenzwertes bei berufsbedingter Exposition

m-Dichlorbenzol kann als hochlipophile Substanz (log Pow = 3,6) Membransysteme leicht passieren und wird über Lunge, Gastrointestinaltrakt und Haut schnell aufgenommen und im oxidativen Stoffwechsel metabolisiert.Nach akuter oraler oder inhalativer Aufnahme wirkt m-Dichlorbenzol nur schwachtoxisch. Bei der wiederholten oralen Verabreichung von Dosen bis 1000 mg/kg KG an Ratten traten keine Todesfälle auf. Die Zielorgane bei der systemischen Toxizität waren Niere und Leber. Ab 500 mg/kg KG kam es zu hepatozellulären Hypertrophien. 100 mg/kg KG führten zu E1nzyminduktionen und leichten Lebergewichtserhöhungen ohne histopathologisches Korrelat. Nur bei männlichen Ratten kam es bei 100mg/kg KG zu pathologischen Veränderungen an den Nieren, wobei ein substanzbedingter Effekt nicht ausgeschlossen werden kann. Der NOEL wurde bei 20 mg/kg KG festgelegt.

Nach oraler Gabe von Dosen bis 200 mg/kg KG an trächtige Ratten gab es keine Hinweise auf eine maternal- bzw. reproduktionstoxische Wirkung.

Die vorliegenden in vitro- und in vivo-Daten liefern insgesamt keine überzeugenden Hinweise auf eine gentoxische Wirkung. Die Validität des aus der Literatur vorliegenden Mikrokerntests nach i.p.-Gabe ist fraglich,da sich das Ergebnis mit dem ebenfalls als positiv beschriebenen p-Dichlorbenzol nicht wiederholen ließ. In einem weiteren in vivo-Test zur Zytogenetik zeigte m-Dichlorbenzol nach oraler Gabe keine Anzeichen von Chromosomenschädigungen.

Analogieschlüsse zu o- und p-Dichlorbenzol sind möglich, da alle 3 Dichlorbenzol-Isomeren etwa den gleichen Metabolismus haben, i.e. es entstehen zwar unterschiedliche Mengen an Metaboliten, die jedoch in der Art sehr ähnlich sind (hauptsächlich Dichlorphenole, Dichlorcatechole,Glucuronide und etherische Sulfate). Alle 3 Isomeren haben nach wiederholter Applikation im wesentlichen die Zielorgane Leber, Niere (v.a. bei der männlichen Ratte) und Blut. Die NOEL der 90-Tage-Studien nach oraler Verabreichung liegen für o-Dichlorbenzol bei 60 mg/kg KG und für p-Dichlorbenzol bei 75-150 mg/kg KG. Studien zur wiederholten inhalativen Exposition liegen nur zu p-Dichlorbenzol vor. Bei Ratten, die 5-7 Monate(7 h/Tag, 5 Tage/Woche) gegenüber p-Dichlorbenzol exponiert waren, ergab sich ein NOEL von 580 mg/m3. Bei 950 mg/m3 kam es zu toxischen Effekten auf die Leber (25). Nach inhalativer Exposition gegenüber 450 mg/m3 (5 h/Tag, 5 Tage/Woche) über 76Wochen zeigten die behandelten Ratten nur eine leichte Lebergewichtserhöhung [26]. o- und p-Dichlorbenzol erwiesen sich als nicht kanzerogen (die beim p-Dichlorbenzol nach oraler Gabe nur bei männlichen Ratten aufgetretenen Nierentumoren werden auf den spezies- und geschlechtsspezifischen Mechanismus einer ß 2µ-Globulin-Nephropathie zurückgeführt).

Unter der Annahme, daß Analogieschlüsse zum p-Dichlorbenzol (NOEL nach wiederholter inhalativer Exposition an der Ratte: 450 mg/m3)und zum o-Dichlorbenzol möglich sind (NOEL nach 90tägiger oraler Verabreichung an der Ratte: 60 mg/kg KG, woraus ein ARW von 7 ppm ableitbar wäre) sowie unter Berücksichtigung des NOEL von 20 mg/kg KG aus der 28-Tage-Studie mit oraler Applikation von m-Dichlorbenzol an der Ratte(woraus sich ein ARW von 1 ppm ableiten ließe), wird für m-Dichlorbenzol ein ARW von 20 mg/m3 bzw. 3 ppm festgelegt.

Aufgrund der Lipophilie von m-Dichlorbenzol besteht die Gefahr der Hautresorption.

Literatur

[1] Unveröffentlichte Untersuchung der Bayer AG (1980)

[2] Unveröffentlichte Untersuchung der Hoechst AG; Bericht 79.020

[3] Unveröffentlichte Untersuchung der Hoechst AG; Bericht 79.024

[4] Unveröffentlichte Untersuchung der Hoechst AG; Bericht 92.011

[5] Unveröffentlichte Untersuchung der Hoechst AG; Bericht 79.0208

[6] Unveröffentlichte Untersuchung der Bayer AG (1980)

[7] Ariyoshi et al., Chem. Pharm. Bull. 23: 824-830 (1975)

[8] Poland et al., Biochem. Pharmacol. 20: 1281-1290 (1971)

[9] Unveröffentlichte Untersuchung der Hoechst AG; Bericht 88.1938

[10] Kimura et al., Toxicol. Appl. Pharmacol. 67: 338 (1983)

[11] Shimizu et al., Mutat. Res. 116: 217-238 (1983)

[12] Connor et al., Toxicol. Lett. 25: 33-40 (1985)

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[15] Momii et al., Iyakuhin Kenkyu 10: 351-357 (1979)

[16] Prasad, Canad. J. Microbiol. 16: 369-372 (1970)

[17] Unveröffentlichte Untersuchung der Hoechst AG; Bericht 88.0487

[18] Perocco et al., Toxicol. Lett. 16: 69-75 (1983)

[19] Andrae, GSF (1992); im Auftrag der Hoechst AG; Bericht 92.0146

[20] Unveröffentlichte Untersuchung der Hoechst AG; Bericht 88.0820

[21] Mohtashamipur et al., Mutagenesis 2: 111-113 (1987)

[22] Herren-Freund & Pereira, Environ. Health Perspect. 69: 59-65 (1986)

[23] Ruddick et al., Teratology 27: 73A-74a (1983)

[24] Unveröffentlichte Untersuchung der Bayer AG (1988); zitiert in:Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten, D. Henschler (Hrsg.), Verlag Chemie (1991)

[25] Hollingsworth et al., Arch. Ind. Health 14: 138 (1956); zitiert in:Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten, D. Henschler (Hrsg.), Verlag Chemie (1991)

[26] Löser & Litchfield, Fd Cosmet. Toxicol. 21: 825 (1983); zitiertin: Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begründung von MAK-Werten, D. Henschler (Hrsg.), Verlag Chemie (1991)

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