Nach § 19c Abs. 2 ist ein Projekt unzulässig, wenn es zu erheblichen Beeinträchtigungen eines "Natura 2000"-Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann.
Erheblich ist die Beeinträchtigung, wenn die Veränderungen oder Störungen in ihrem Ausmaß oder ihrer Dauer dazu führen, dass ein Gebiet seine Funktionen in Bezug auf die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck gar nicht mehr oder nur noch in deutlich eingeschränktem Umfang erfüllen kann.
Für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung ist die Störungsempfindlichkeit der Arten, um derentwillen das besondere Schutzgebiet eingerichtet wurde, ein wesentliches Kriterium. Besondere Bedeutung hat der Schutz von prioritären Biotopen und prioritären Arten. Prioritäre Biotope und Arten sind nur in den Anhängen I bzw. II der FFH-Richtlinie enthalten und mit einem Sternchen (*) gekennzeichnet ( § 19a Abs. 2 Nr. 5 und 6). Die Bewertung hat sich an dem betroffenen Schutzgebiet zu orientieren; über die Betrachtung des einzelnen Gebietes hinaus sind nicht die Auswirkungen auf das Natura 2000-Netz insgesamt abzuprüfen.
Projekte, die sich in der Umgebung des "Natura 2000"-Gebiets befinden, dürften nur durch Veränderungen des Wasserhaushaltes oder durch Stoffeinträge emittierender Anlagen ausnahmsweise Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele für das "Natura 2000"-Gebiet auslösen können.
b) Erheblichkeitseinschätzung, Verfahrensablauf und Beurteilungsgrundlagen
In der Regel werden erhebliche Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele oder der für den Schutzzweck wesentlichen Bestandteile eines Gebietes nur durch größere Vorhaben oder Planungen - ausgenommen bei kleineren Schutzgebieten - ausgelöst werden können. Der situationsangepasste Darlegungs- und Prüfaufwand verteilt sich regelmäßig wie folgt:
1.) Darlegungen durch die Behörde
Soweit eine Schutzgebietsausweisung im Sinne der §§ 19 ff. BbgNatSchG vorliegt, ergeben sich nach § 19c Abs. 1 Satz 2 die Maßstäbe für die Verträglichkeit aus dem darin genannten Schutzzweck. Der Schutzzweck wird in den Schutzerklärungen entsprechend den jeweiligen Erhaltungszielen und den erforderlichen Gebietsabgrenzungen bestimmt ( § 19b Abs. 3 Satz 1). In den Schutzerklärungen soll dargestellt werden, ob prioritäre Biotope oder Arten zu schützen sind ( § 19b Abs. 3 Satz 2). Sollten die "Natura 2000"-relevanten Erhaltungsziele noch nicht in eine Schutzgebietsverordnung aufgenommen worden sein, sind diese durch die Behörde vorzugeben. Die Behörde leitet diese aus dem vorliegenden Datenbestand ab, insbesondere aus den Standarddatenbögen oder Gebietssteckbriefen sowie vorhandenen Schutzgebietsgutachten.
Im Rahmen der Prüfung von Beeinträchtigungen einer bestimmten Art oder eines bestimmten Lebensraums sind nur diejenigen Bestandteile des Schutzgebiets maßgeblich, die einen günstigen Erhaltungszustand der jeweiligen Art oder des jeweiligen Lebensraums sicherstellen sollen. Gesamtschutzgebietsbezogerie Daten über die naturräumliche Ausstattung werden von der Behörde zur Verfügung gestellt.
Bestimmung des Untersuchungsrahmens durch die Behörde nach Abstimmung mit dem Vorhabenträger (gegebenenfalls im Rahmen eines Scoping-Verfahrens), bei der unter anderem der Wirkraum des Projekts näher bestimmt wird.
2.) Darlegungen durch der Vorhabenträger
Situationsangepasst können die inhaltlichen Prüfschritte nach folgenden Maßstäben - bei Bedarf im Rahmen einer Studie - erfolgen:
Bildung von Beeinträchtigungsbändern um den Projekt- oder den Planungsstandort herum, differenziert nach unterschiedlich starken (z.B. starken, mittleren und schwachen) Beeinträchtigungen;
Darlegung, ob die gemäß den Schutzgebietsausweisungen der Meldeliste als Erhaltungsziele genannten Arten und Lebensräume beeinträchtigt werden können. Untersuchung, ob sich diese Arten oder Lebensräume im beeinträchtigten Bereich (Wirkraum) befinden und wie empfindlich diese Arten oder Lebensräume angesichts der Beeinträchtigungen einzustufen sind (stark, mittel, wenig empfindlich);
Abgleich, in welchem anteiligen Maß das Verbreitungsgebiet der zu schützenden Populationen oder Lebensräume im gesamten Schutzgebiet beeinträchtigt wird. Soll die Trennungswirkung eines Projekts untersucht werden, ist die insoweit möglicherweise beeinträchtigte Population zu untersuchen; das Ausmaß derartiger Untersuchungen muss in angemessenem Verhältnis zum Eingriff stehen. Werden wesentliche Anteile des Verbreitungsgebietes der zu schützenden Art oder des zu schützenden Lebensraumes im Schutzgebiet beeinträchtigt, ist der günstige Erhaltungszustand nach Art. 1 Buchstabe e) bzw. i) FFH-Richtlinie nicht mehr gewährleistet.
Im Rahmen der Prüfung, ob die Beeinträchtigung erheblich ist, können Änderungen des Projekts zur Minderung der Eingriffsfolgen nach § 12 Abs. 1 BbgNatSchG berücksichtigt werden und im Ergebnis dazu führen, eine erhebliche Beeinträchtigung auszuschließen. Auf das Vorhaben bezogene Ausgleichsmaßnahmen nach § 12 Abs. 2 BbgNatSchG, die bereits zum Zeitpunkt des Eingriffs ihre kompensatorische Wirkung entfalten, können ebenfalls in der Erheblichkeitsprüfüng berücksichtigt werden. Nicht berücksichtigt werden können spätere Ausgleichsmaßnahmen nach § 12 Abs. 2 BbgNatSchG. Eine Ausnahme hiervon stellt insoweit die Vorschrift des § 19e dar, die speziell für Anlagen nach dem BImSchG die Berücksichtigung von Kompensationsmaßnahmen nach § 8 Abs. 2 ausdrücklich ermöglicht.
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