Regelwerk

Hinweise zur Anwendung der Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL)
für Tierhaltungen und zum vorsorgenden Immissionsschutz in der Bauleitplanung

- Schleswig-Holstein -

Vom 09. Mai 2008
(Amtbl. Nr. 24/25 vom 16.06.2008 S. 572; 04.09.2009 S. 1009aufgehoben)
Gl.-Nr.: 2129.17


Nachfolgend werden Anwendungshinweise für die Vollzugsbehörden zur Anwendung der Geruchsimmissionsrichtlinie ( GIRL) in der Landwirtschaft gegeben. Sie sind bei der Durchführung von Genehmigungsverfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz ( BImSchG) und der Landesbauordnung ( LBO) zu berücksichtigen (siehe auch VG Schleswig, Urteil vom 27. Juni 2007 - 8 a 56/05 -, und OVG Schleswig, Beschluss vom 13. März 2006 - 1 La 5/06 -).

Die in der GIRL genannten Immissionswerte gelten im landwirtschaftlichen Bereich in erster Linie für immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlagen. Bei der Anwendung bei nicht genehmigungsbedürftigen landwirtschaftlichen Anlagen ist in jedem Fall eine Einzelfallprüfung erforderlich, da z.B. aufgrund der Ortsüblichkeit gegebenenfalls höhere Geruchsimmissionen toleriert werden könnten.

1. Anwendung der Abstandskurven gemäß Nummer 1 der GIRL

Das Vorgehen im landwirtschaftlichen Bereich besteht im Allgemeinen darin, zunächst eine Abstandsprüfung vorzunehmen. Dabei ist auf Nummer 5.4.7.1 Ta Luft bzw. auf die Richtlinien VDI 3471 und VDI 3472 zurückzugreifen (die Entwürfe der Richtlinien VDI 3473 und VDI 3474 können zur Beurteilung nicht herangezogen werden; da sie nicht zum Weißdruck verabschiedet wurden, können sie nicht als "Bekanntmachung einer Sachverständigenstelle" angesehen werden).

Bei der Anwendung der Nummer 5.4.7.1 Ta Luft und der Richtlinien VDI 3471 und VDI 3472 sind unbedingt die darin angegebenen Randbedingungen zu beachten. Die Abstände der Ta Luft und der VDI-Richtlinien sind auf Grund des Vorsorgegrundsatzes entwickelt worden, der unabhängig von den Schutzpflichten zu beachten ist. Die Einhaltung der Abstände ist in der Regel ein Indiz dafür,. dass keine schädlichen Umwelteinwirkungen auftreten. Nach vorliegenden Erfahrungen reichen ab bestimmten Bestandsgrößen diese Abstände jedoch nicht mehr aus. Auf keinen Fall sollten daher die in der Ta Luft und in den genannten VDI-Richtlinien angegebenen Abstände über die in diesen Regelwerken maximal zu Grunde gelegten Bestandszahlen bzw. Großvieheinheiten (GV) hinaus extrapoliert werden.

Die Mindestabstände der Ta Luft (Nummer 5.4.7.1) bzw. die vollen Abstände der Richtlinien VDI 3471 und VDI 3472 sind regelmäßig gegenüber Wohngebieten einzuhalten. Der Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen allein aufgrund der Einhaltung dieser Abstände ist allerdings dann nicht gewährleistet, wenn im Beurteilungsgebiet nach Nummer 4.4.2 GIRL

Im Genehmigungsverfahren ist daher zu prüfen, ob im Beurteilungsgebiet nach Nummer 4.4.2 GIRL die maßgeblichen Immissionsorte im Einwirkungsbereich weiterer Tierhaltungen sowie anderer Geruchsquellen liegen.

Bei Nichteinhaltung der Abstände ist i.d.R. eine Ermittlung der Kenngrößen und Beurteilung nach Nummer 4 ff. GIRL durchzuführen. Dabei können auch Situationen auftreten, in denen - wegen der Windrichtungsverteilung - eine Genehmigung möglich ist, obwohl die Abstände der VDI-Richtlinien nicht eingehalten werden. In diesem Fall kann die Schutzpflicht als erfüllt angesehen werden.

In Dorfgebieten ist ein höheres Maß an Geruchsimmissionen zulässig als in Wohngebieten. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass dort auch eine Vorbelastung durch weitere Tierhaltungen vorhanden ist. Die Einhaltung der sogenannten halbierten Mindestabstände nach den

Richtlinien VDI 3471 und VDI 3472 allein kann dann nicht als Begründung für die Genehmigungsfähigkeit einer Tierhaltung genutzt werden.

Abstandsregelung für Rinderhaltungen in
Schleswig-Holstein

Für Rinderhaltungen kann unter Berücksichtigung der oben genannten Kriterien folgende Abstandsregelung angewendet werden:

  1. Zunächst werden die Großvieheinheiten (GV) Rinder (Milchkühe, Jungvieh einschließlich Kälberaufzucht, Mastbullen) mit dem Faktor 0,25 multipliziert und so auf Y4 rechnerisch verringert (Hintergrund: Die Geruchsemissionen von Rindern entsprechen nach der KTBL-333 * der Emissionen der Schweine).
  2. Mit der auf diese Weise bestimmten GV-Zahl wird entsprechend der Richtlinie VDI 3471 (Tierhaltung Schweine, 100 Punkt-Kurve) bzw. Abbildung 1 Nummer 5.4.7.1 Ta Luft (Schweine-Kurve) der Mindestabstand bestimmt.

Der Faktor 0,25 ist für die Beurteilung von Kälbermastbetrieben nicht anzuwenden. Hier ist ein Faktor 1 anzusetzen.

2. Ermittlung der belästigungsrelevanten Kenngröße bei Tierhaltungen (in Ergänzung zu Nummer 4.6 GIRL)

Für die Beurteilung der Immissionen aus Tierhaltungsanlagen ist die belästigungsrelevante Kenngröße IGb zu berechnen und anschließend mit den Immissionswerten nach Tabelle 1 der GIRL zu vergleichen. Für Dorfgebiete ist dabei der Immissionswert 0,15 anzusetzen (siehe Nummer 3.1 der GIRL).

Hierzu wird ,die Gesamtbelastung IG mit dem Faktor fgesamt multipliziert:

IGb = IG * fgesamt.

Der Faktor fgesamt ist nach der Formel

   
fgesamt =
   

zu berechnen. Dabei ist

Hi ite tierartspezifische Geruchshäufigkeit und
fi iter tierartspezifische Gewichtungsfaktor f. Für Tierarten, die nicht in der Tabelle enthalten sind, ist in der Regel die tierartspezifische Geruchshäufigkeit in die Formel ohne Gewichtungsfaktor einzusetzen. Wird im Einzelfall hiervon abgewichen, ist dies im Verfahren detailliert darzulegen und zu begründen.

Tabelle: Gewichtungsfaktoren f für die einzelnen Tierarten

Tierartspezifische Geruchsqualität Gewichtungsfaktor f
Mastgeflügel
(Puten, Masthähnchen)
1,5
Mastschweine, Sauen
(bis zu einer Tierplatzzahl von ca. 5.000 Mastschweinen bzw. unter Berücksichtigung der jeweiligen Umrechnungsfaktoren für eine entsprechende Anzahl von Zuchtsauen)
0,75
Milchkühe mit Jungtieren
(einschließlich Mastbullen und Kälbermast, sofern diese zur Geruchsimmissionsbelastung nur unwesentlich beitragen)
0,5

3. Zuordnung von Immissionswerten

Bei der Zuordnung von Immissionswerten ist eine Abstufung entsprechend der Baunutzungsverordnung ( BauNVO) nicht hilfreich. Deren Abstufungen sind viel zu detailliert und spiegeln nicht die Belästigungswirkung der Geruchsimmissionen wider. Bei einer Geruchsbeurteilung entsprechend der GIRL ist jeweils die tatsächliche Nutzung zugrunde zu legen.

In speziellen Fällen sind auch andere Zuordnungen als die in Tabelle 1 der GIRL aufgeführten möglich. Beispiele:

4. Erläuterungen zur Vorgehensweise und zur Einzelfallbeurteilung im landwirtschaftlichen Bereich nach Nummer 5 Geruchsimmissionsrichtlinie

Soweit im Genehmigungsverfahren aufgrund einer Immissionsprognose von Immissionswertüberschreitungen auszugehen ist, ist eine Einzelfallprüfung nach Nummer 5 GIRL vorzunehmen. Es ist in derartigen Fällen zu ermitteln, welche Geruchsimmissionen insgesamt auftreten können und welcher Anteil durch den Betrieb der zu beurteilenden Anlagen verursacht wird. Anschließend ist zu beurteilen, ob die Geruchsimmissionen als erheblich anzusehen sind und ob die betrachtete Anlage hierzu relevant beiträgt.

Dabei sind - unter Berücksichtigung der eventuell bisherigen Prägung eines Gebietes durch eine bereits vorhandene Geruchsbelastung - insbesondere folgende Beurteilungskriterien heranzuziehen:

Entscheidend ist, dass im Einzelfall eine sachgerechte Lösung gefunden wird.

Ortsüblichkeit

Im Zusammenhang mit der Ortsüblichkeit landwirtschaftlicher Gerüche ist zu beachten, dass die Herausbildung des ländlichen Raumes das Ergebnis historischer Entwicklungen unter verschiedenen naturräumlichen und sozioökonomischen Rahmenbedingungen ist. Historisch gewachsene Dorfgebiete sind durch die Parallelität der Funktionen Landwirtschaft, Kleingewerbe, Handwerk und Wohnen charakterisiert. Die zum Teil seit Generationen existierenden landwirtschaftlichen Hofstellen prägen den Dorfcharakter. Die Nutztierhaltung im Ortsbereich erfolgt meist auf Familienbetrieben im Voll- oder Nebenerwerb in Anlagen, die deutlich unterhalb der Genehmigungsbedürftigkeit nach BImSchG bleiben. Landwirtschaftliche Aktivitäten mit entsprechend häufigen Geruchsemissionen können in dieser unvermeidlichen Gemengelage bei gebotener gegenseitiger Akzeptanz und Rücksichtnahme der unterschiedlichen Nutzungen im Dorf als ortsüblich angesehen werden. Dabei ist auch darauf abzustellen, wie viele Quellen innerhalb des Dorfes zu den Geruchsimmissionen beitragen.

Betrachtung benachbarter Tierhaltungen

Es hat sich in der Praxis eingebürgert, die Wohnhäuser benachbarter Tierhaltungsbetriebe nicht in die Beurteilung der Geruchsimmissionssituation einzubeziehen. Dies hat auch Eingang in die Rechtsprechung gefunden, die von einer "Schicksalsgemeinschaft" der emittierenden landwirtschaftlichen Betriebe spricht (OVG Lüneburg, Urteil vom 25. Juli 2002 - 1 LB 980/01 -). Aus Wirkungsgesichtpunkten erscheint dies zumindest dann sinnvoll, wenn die Betriebe auch die gleiche/gleichen Tierart/Tierarten halten. Es ist messtechnisch äußerst aufwändig, immissionsseitig z.B. zwischen den Gerüchen des eigenen Schweinestalls und denen des Schweinestalls des Nachbarn zu unterscheiden. Hinzu kommt, dass es wirkungsseitig nicht nachvollziehbar ist, dass z.B. die Geruchsimmissionen des eigenen Schweinestalls nicht belästigend wirken (bzw. bei der Beurteilung nicht berücksichtigt werden) und die der benachbarten Schweinehaltung belästigend wirken sollen.

Im Allgemeinen ist davon auszugehen, dass die wesentliche Änderung einer Tierhaltung gegenüber benachbarten Tierhaltungen nicht zu erheblichen Belästigungen durch Geruchsimmissionen führt.

Handelt es sich um unterschiedliche Tierarten, deren Geruchsqualitäten sich eindeutig unterscheiden lassen, sollte man auch die Wohnhäuser benachbarter Tierhaltungsbetriebe in die Betrachtung einbeziehen. Allerdings ist in diesen Fällen davon auszugehen, dass die Grenze der erheblichen Belästigung deutlich über der liegt, die bei unbeteiligten Dritten anzusetzen wäre.

5. Vorsorgender Immissionsschutz, vorsorgende Bauleitplanung

Gemäß § 50 BImSchG sind "bei raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen die für eine bestimmte Nutzung vorgesehenen Flächen einander so zuzuordnen, dass schädliche Umwelteinwirkungen ... so weit wie möglich vermieden werden."

Im Hinblick darauf, dass Tierintensivhaltungen regelmäßig mit erheblichen Geruchsemissionen einhergehen, ergeben sich Konfliktlagen nicht allein mit den benachbarten Wohnnutzungen, sondern häufig auch mit den Planungen der Städte und Gemeinden zu ihrer weiteren Siedlungsentwicklung. Der Bauleitplanung der Gemeinden sind daher regelmäßig auch vergleichbare Studien oder Gutachten zur Immissionssituation zugrunde zu legen, die nach den oben genannten Kriterien aufzustellen sind.

Vorsorge zum Schutz empfindlicherer Nutzungen vor Immissionen kann auch durch die Festlegung von Immissionsgrenzwerten im Flächennutzungsplan getroffen werden (BVerwG, Urteil vom 18. August 2005 - 4 C 13/04 -), soweit eine entsprechende Vorsorge städtebaulich hinreichend begründbar ist. Eine derartige Situation kann dann gegeben sein, wenn besondere städtebauliche Situationen mit besonders schutzwürdigen Nutzungen wie Kur- und/oder Erholungsgebiete vorhanden sind. Ziel einer solchen Planung wäre das Fernhalten negativer Einflüsse von diesen schutzwürdigen Nutzungen. Dazu kann das Plangebiet in Zonen unterschiedlicher Schutzwürdigkeit aufgeteilt werden, in denen emittierende Betriebe - sowohl landwirtschaftliche als auch gewerbliche - abgestufte Nutzungsbeschränkungen einhalten müssen.

Im oben zitierten Fall der Entscheidung des BVerwG wurde u.a. festgelegt, dass bei vorhandenen Betrieben die Geruchsschwelle (eine Geruchseinheit/m3 Luft) in 200 Meter Entfernung zum Emissionsschwerpunkt des Betriebes z.B. in der am dichtesten an das zu schützende Gebiet heranreichende Zone (Zone 1) nur in maximal drei Prozent der Jahresstunden überschritten werden darf; zudem wurde ausgewiesen, dass der 1 h-Mittelwert der Schwebstaubkonzentration von maximal 500 Mikrogramm (p)/m3 Luft (MIK-Wert gemäß VDI 2310 Blatt 19) in allen drei Zonen in 50 Meter Entfernung zum Emissionsschwerpunkt des Betriebes nicht überschritten werden darf. Für die Neuansiedlung von Betrieben wurden für alle drei Zonen strengere Nutzungsbeschränkungen ausgewiesen.

Auf Grundlage einer derartigen Darstellung im Flächennutzungsplan wurde die Zulässigkeit von nach § 35 Abs. 1 Baugesetzbuch (BauGB) privilegierten Vorhaben beurteilt.

Das BauGB hat darüber hinaus mit der Regelung des § 35 Abs. 3 Satz 3 die Möglichkeit eröffnet, durch Flächenausweisungen im Flächennutzungsplan, gegebenenfalls auch in einem Teilflächennutzungsplan ( § 5 Abs. 2 b BauGB), sogenannte Konzentrationszonen darzustellen, in denen - allerdings beschränkt auf gewerbliche Tierintensivhaltungen - solche Anlagen zulässig, außerhalb aber ausgeschlossen sind. In dem Verfahren zur Genehmigung eines solchen Vorhabens kann die Gemeinde zur Sicherung eines derartigen Planungsansatzes nach § 15 Abs. 3 BauGB einen Antrag auf Zurückstellung des Baugesuchs für die Dauer von maximal einem Jahr stellen.

Derartige Planverfahren zum Schutz insbesondere von Kur- und Erholungseinrichtungen und zur Steuerung der Tierintensivhaltung erfordern eine intensive Auseinandersetzung mit den landwirtschaftlichen oder gewerblichen Belangen der Anlagenbetreiber, denen mit einer derartigen -Planausweisung eine (erstmalige oder verstärkte) Tierhaltung erschwert oder unmöglich gemacht werden könnte. Gegebenenfalls kann hier die Landwirtschaftskammer beratend und unterstützend tätig werden.

*) KTBL-Schrift 333: J. Oldenburg, "Geruchs- und Ammoniak-Emissionen aus der Tierhaltung", Kuratorium für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft e.V. (KTBL), Darmstadt, 1989.

ENDE

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