Regelwerk

GIRL M-V - Geruchsimmissions-Richtlinie
Richtlinie zur Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen in Mecklenburg-Vorpommern

- Mecklenburg-Vorpommern -

Vom 2. November 2006
(ABl. Nr. 50 vom 20.11.2006 S. 850; 15.08.2011 S. 534aufgehoben)


Zur aktuellenFassung

Unter Berücksichtigung der von der Bund/Länder Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz auf ihrer 108. Sitzung erarbeiteten Grundsätze zur Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen erlässt das Umweltministerium folgende Richtlinie:

1 Allgemeines

In der Umwelt können Geruchsbelästigungen vor allem durch Luftverunreinigungen aus Chemieanlagen, Mineralölraffinerien, Lebensmittelfabriken, Tierhaltungsanlagen und Abfallbehandlungsanlagen sowie aus dem Kraftfahrzeugverkehr, aus Hausbrand, Landwirtschaft und Vegetation verursacht werden.

Die Beurteilung dieser Belästigungen bereitet besondere Schwierigkeiten. In der Regel können Immissionen durch Luftverunreinigungen als Massenkonzentration mit Hilfe physikalischchemischer Messverfahren objektiv nachgewiesen werden. Der Vergleich gemessener oder gegebenenfalls berechneter Immissionskonzentrationen mit Immissionswerten bereitet dann im Allgemeinen keine besonderen Schwierigkeiten. Hingegen entzieht sich die Erfassung und Beurteilung von Geruchsimmissionen weitgehend einem solchen Verfahren. Da Geruchsbelästigungen meist schon bei sehr niedrigen Stoffkonzentrationen und im Übrigen durch das Zusammenwirken verschiedener Substanzen hervorgerufen werden, ist ein Nachweis mittels physikalischchemischer Messverfahren äußerst aufwendig oder überhaupt nicht möglich. Hinzu kommt, dass die belästigende Wirkung von Geruchsimmissionen stark von der Sensibilität und der subjektiven Einstellung der Betroffenen abhängt. Dies erfordert, dass bei Erfassung, Bewertung und Beurteilung von Geruchsimmissionen eine Vielzahl von Kriterien in Betracht zu ziehen ist.

So hängt die Frage, ob derartige Belästigungen als erheblich und damit als schädliche Umwelteinwirkungen anzusehen sind, nicht nur von der jeweiligen Immissionskonzentration, sondern auch von der Geruchsart, der Hedonik, der tages- und jahreszeitlichen Verteilung der Einwirkungen, dem Rhythmus, in dem die Belästigungen auftreten, der Nutzung des beeinträchtigten Gebietes sowie von weiteren Kriterien ab (vergleiche Nummer 3.1 und 5). Alle bisher vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse zeigen, dass mit der Geruchshäufigkeit eine sachgerechte und hinreichend genaue Beschreibung des Belästigungsgrades von Anwohnerinnen und Anwohnern möglich ist.

In der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft vom 24. Juli 2002 (GMBl. S. 511) - nachfolgend Ta Luft genannt - wird die Vorsorge gegen schädliche Umwelteinwirkungen durch Gerüche geregelt; sie enthält keine Vorschriften zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen. Daher sind bis zum Erlass entsprechender bundeseinheitlicher Verwaltungsvorschriften die in dieser Richtlinie beschriebenen Regelungen zu beachten, um sicherzustellen, dass bei der Beurteilung von Geruchsimmissionen und bei den daraus gegebenenfalls folgenden Anforderungen an Anlagen mit Geruchsemissionen im Interesse der Gleichbehandlung einheitliche Maßstäbe und Beurteilungsverfahren angewandt werden.

Für nicht genehmigungsbedürftige Anlagen kann diese Richtlinie sinngemäß angewandt werden.

Handelt es sich um eine Tierhaltung, so soll die Genehmigungsbehörde auf die Anwendung der Regelungen dieser Richtlinie verzichten und das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen mit der Einhaltung des Abstandsdiagramms (Nummer 5.4.7.1 Ta Luft) begründen, sofern nicht die besonderen Umstände des Einzelfalles (zum Beispiel besondere topografische Verhältnisse, Geruchsvorbelastung) eine andere Vorgehensweise erfordern. Bei nicht genehmigungsbedürftigen Tierhaltungen soll die Genehmigungsbehörde die Entscheidung auf die Einhaltung der Abstände nach den entsprechenden Richtlinien VDI 3471 (Emissionsminderung, Tierhaltung, Schweine) und VDI 3472 (Emissionsminderung, Tierhaltung, Hühner) gründen. In Problemfällen beziehungsweise besonderen Umständen des Einzelfalls kann diese Richtlinie sinngemäß angewandt werden.

Zur Beurteilung der Erheblichkeit der Geruchseinwirkung werden in dieser Richtlinie in Abhängigkeit von verschiedenen Baugebieten Immissionswerte als regelmäßiger Maßstab für die höchstzulässige Geruchsimmission festgelegt. Mit diesen Immissionswerten sind Kenngrößen zu vergleichen, die auch die durch andere Anlagen verursachte vorhandene Belastung berücksichtigen. Für die Ermittlung der vorhandenen Belastung sind im Allgemeinen olfaktorische Feststellungen im Rahmen von Begehungen in Anlehnung an die Richtlinie VDI 3940 (Bestimmung der Geruchsstoffimmission durch Begehungen) vorzunehmen.

Für die Ermittlung der zu erwartenden Zusatzbelastung gilt folgende Regelung (vergleiche auch Nummer 4.5):

Die Geruchsausbreitungsrechnung hat auf der Basis der Richtlinie VDI 3788 Blatt 1 (Umweltmeteorologie, Ausbreitung von Geruchsstoffen in der Atmosphäre, Grundlagen), des Anhangs 3 der Ta Luft und der speziellen Anpassungen für Geruch entsprechend dem Referenzmodell AUSTAL 2000 zu erfolgen. Vorhandene Belastung und zu erwartende Zusatzbelastung ergeben die Gesamtbelastung, die mit dem Immissionswert zu vergleichen ist.

Diese Richtlinie enthält auch Regelungen für die Fälle, in denen bereits die Kenngröße für die vorhandene Belastung auf einer Beurteilungsfläche einen Immissionswert überschreitet (vergleiche Nummer 3.3 und 5) oder Geruchsimmissionen durch andere als in Nummer 3.1 aufgeführte Quellen auf einer Beurteilungsfläche relevant sind (vergleiche Nummer 5).

In den Fällen der Nummer 3.3 soll eine Genehmigung wegen der Überschreitung der Immissionswerte nicht versagt werden, wenn die zu erwartende Zusatzbelastung durch die zu beurteilende Anlage die in Nummer 3.3 genannten Kriterien der Irrelevanz erfüllt oder eine Interessenabwägung mit anderen die Zumutbarkeit der Geruchsimmission beeinflussenden Kriterien ergibt, dass die Geruchsbelästigung nicht als erheblich zu qualifizieren ist. Darüber hinaus enthält diese Richtlinie Vorschriften, in welchen Fällen von der Ermittlung der vorhandenen Belastung abgesehen werden kann oder eine Abschätzung der vorhandenen Belastung mit Hilfe der Ausbreitungsrechnung zulässig ist.

2 Anforderungen an die Begrenzung und Ableitung der Geruchsemissionen

Grundsätzlich ist vor einer Immissionsbeurteilung zu prüfen, ob die nach dem Stand der Technik gegebenen Möglichkeiten zur Verminderung der Emissionen ausgeschöpft sind (vergleiche Nummer 5 Ta Luft) und die Ableitung der Restemissionen den Anforderungen der Nummer 5.5 Ta Luft entspricht [vergleiche BVerwG, Beschluss vom 10. Mai 1990 (Gew Arch 1991/8 S. 312)].

Als Abgase im Sinne der Nummer 2.4 Ta Luft gelten Luft und andere Trägergase mit geruchsintensiven Stoffen.

Die Schornsteinmindesthöhe ist in der Regel so zu bemessen, dass die Kenngröße der zu erwartenden Zusatzbelastung (IZ) (vergleiche Nummer 4.5) auf der Beurteilungsfläche maximaler Beaufschlagung den Wert 0,06 nicht überschreitet.

In atypischen Fällen können sich unverhältnismäßige Schornsteinhöhen ergeben; in diesen Fällen ist eine Stellungnahme der zuständigen Fachbehörde einzuholen.

3 Beurteilungskriterien

3.1 Immissionswerte

Eine Geruchsimmission ist nach dieser Richtlinie zu beurteilen, wenn sie gemäß Nummer 4.4.7 nach ihrer Herkunft aus Anlagen erkennbar, das heißt abgrenzbar ist gegenüber Gerüchen aus dem Kraftfahrzeugverkehr, dem Hausbrandbereich, der Vegetation, landwirtschaftlichen Düngemaßnahmen oder Ähnlichem. Sie ist in der Regel als erhebliche Belästigung zu werten, wenn die Gesamtbelastung (IG) (Nummer 4.6) die in Tabelle 1 angegebenen Immissionswerte (IW) überschreitet. Bei den Immissionswerten handelt es sich um relative Häufigkeiten der Geruchsstunden (vergleiche Nummer 4.4.1).

Tabelle 1: Immissionswerte (IW) für verschiedene Baugebiete

Wohn- / Mischgebiete Gewerbe- / Industriegebiete / Dorfgebiete 1
0,10 0,15

Sonstige Gebiete, in denen sich Personen nicht nur vorübergehend aufhalten, sind entsprechend den Grundsätzen des Planungsrechtes den Spalten 1 oder 2 zuzuordnen.

Gemäß § 3 Abs. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. September 2002 (BGBl. I S. 3830), das zuletzt durch Artikel 1 des Gesetzes vom 25. Juni 2005 (BGBl. I S. 1865) geändert worden ist, sind schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne dieses Gesetzes "Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen". In der Regel werden die Art der Immissionen durch die Geruchsqualität, das Ausmaß durch die Feststellung von Gerüchen ab ihrer Erkennbarkeit und über die Definition der Geruchsstunde (siehe Nummer 4.4.7) sowie die Dauer durch die Ermittlung der Geruchshäufigkeit hinreichend berücksichtigt.

Ein Vergleich mit den Immissionswerten reicht jedoch nicht immer zur Beurteilung der Erheblichkeit der Belästigung aus. Regelmäßiger Bestandteil dieser Beurteilung ist deshalb im Anschluss an die Bestimmung der Geruchshäufigkeit die Prüfung, ob Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer Prüfung nach Nummer 5 für den jeweiligen Einzelfall bestehen.

3.2 Anwendung der Immissionswerte

Die Immissionswerte gelten nur in Verbindung mit den im Folgenden festgelegten Verfahren zur Ermittlung der Kenngrößen für die Geruchsimmission. Über die Regelung in Nummer 4.4.1 hinausgehend berücksichtigt die Festlegung der Immissionswerte Unsicherheiten, die sich aus der olfaktometrischen Emissionsmessung sowie der Berechnung der zu erwartenden Zusatzbelastung nach Nummer 4.5 ergeben.

3.3 Erheblichkeit der Immissionsbeiträge

Die Genehmigung für eine Anlage soll auch bei Überschreitung der Immissionswerte dieser Richtlinie nicht wegen der Geruchsimmissionen versagt werden, wenn der von der zu beurteilenden Anlage zu erwartende Immissionsbeitrag (Kenngröße der zu erwartenden Zusatzbelastung) auf keiner Beurteilungsfläche den Wert 0,02 überschreitet. Bei Einhaltung dieses Wertes ist davon auszugehen, dass die Anlage die belästigende Wirkung der vorhandenen Belastung nicht relevant erhöht (Irrelevanz der zu erwartenden Zusatzbelastung - Irrelevanzkriterium).

4 Ermittlung der Kenngrößen der Geruchsimmission

4.1 Allgemeines

Grundsätzlich gibt es verschiedene Methoden zur Beurteilung der Erheblichkeit einer Geruchsimmission (Tabelle 2). In allen Fällen wird die Geruchsimmission durch einen Wert (Kenngröße) gekennzeichnet, der ihre zeitliche Wahrnehmbarkeit oberhalb einer bestimmten Intensität (Erkennungsschwelle) beschreibt.

Tabelle 2: Methoden zur Ermittlung der Geruchsimmission

Methode Vorhandene Belastung (Nummer 4.4) Zu erwartende Zusatzbelastung (Nummer 4.5)
Ausbreitungsrechnung

Berechnung der Geruchsimmission

möglich, aber Ermittlung der Emissionsdaten mit Hilfe von olfaktometrischen Emissionsmessungen oder auch Fahnenbegehungen erforderlich vorrangig anzuwenden
Rasterbegehung

Olfaktorische Ermittlung der Geruchsimmission

möglich nicht möglich

Die Ausbreitungsrechnung kann insbesondere dann vorgenommen werden, wenn aufgrund vorliegender Messungen oder Schätzungen anzunehmen ist, dass die vorhandene Belastung 70 vom Hundert des anzuwendenden Immissionswertes nach Tabelle 1 unterschreitet oder wenn die Ermittlung der Belastung durch Begehungen als unverhältnismäßig eingeschätzt werden muss. Wird die Ermittlung der vorhandenen Belastung rechnerisch vorgenommen, so sind alle für das Beurteilungsgebiet maßgeblichen Emittenten von Geruchsemissionen zu erfassen.

Um in speziellen Fällen auf Emissionen zurückrechnen zu können (nicht zur Bestimmung von Geruchshäufigkeiten), können Fahnenbegehungen nach der Richtlinie VDI 3940 verwendet werden.

4.2 Ermittlung im Genehmigungsverfahren

Unterschieden werden die Kenngrößen für die vorhandene Belastung (IV), die zu erwartende Zusatzbelastung (IZ) und die Gesamtbelastung (IG), die für jede Beurteilungsfläche in dem für die Beurteilung der Einwirkung maßgeblichen Gebiet (Beurteilungsgebiet) ermittelt werden. Die vorhandene Belastung ist die von vorhandenen Anlagen ausgehende Geruchsbelastung ohne die zu erwartende Zusatzbelastung, die durch das beantragte Vorhaben hervorgerufen wird. Die zu erwartende Zusatzbelastung ist nach Nummer 4.5 zu ermitteln.

Die Kenngröße für die Gesamtbelastung ist aus den Kenngrößen für die vorhandene Belastung und die zu erwartende Zusatzbelastung nach Nummer 4.6 zu bilden.

In die Ermittlung des Geruchsstoffstroms sind die Emissionen der gesamten Anlage einzubeziehen; bei einer wesentlichen Änderung sind die Emissionen der zu ändernden sowie derjenigen Anlagenteile zu berücksichtigen, auf die sich die Änderung auswirken wird.

Im Genehmigungsverfahren muss der Korrekturfaktor k bei Rasterbegehungen (vergleiche Nummer 4.4.1) berücksichtigt werden, weil die Einhaltung der Genehmigungsvoraussetzungen wegen der Unsicherheiten der Begehungsmethode anderenfalls statistisch nicht als gesichert (vergleiche § 6 Abs. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes) angesehen werden kann.

4.3 Ermittlung im Überwachungsverfahren

Ermittlungen im Überwachungsverfahren können erforderlich sein für die Entscheidung über eine nachträgliche Anordnung. Eine nachträgliche Anordnung kommt in Betracht, wenn der Vergleich der Kenngröße für die vorhandene Belastung mit den Immissionswerten nach Tabelle 1 ergibt, dass die Immissionswerte nicht eingehalten sind oder wenn sich in den Fällen der Nummer 5 herausstellt, dass erhebliche Belästigungen hervorgerufen werden.

Im Überwachungsverfahren können zur Feststellung, ob die Voraussetzungen für nachträgliche Anordnungen vorliegen, innerhalb der Beurteilungsfläche (Nummer 4.4.3) zusätzliche Messstellen (Nummer 4.4.6) oder eine höhere Messhäufigkeit (Nummer 4.4.7) gefordert werden. Darüber hinaus kommen zur Verursacheranalyse auch Fahnenbegehungen in Betracht (Nummer 4.1). Der Korrekturfaktor k wird in diesem Verfahren nicht berücksichtigt.

Ist es erforderlich, mehrere Emittenten nach Nummer 3.1 Abs. 1 mit gleicher Geruchscharakteristik der Emissionen voneinander zu unterscheiden, sind die für die Ausbreitung der Geruchsemissionen bedeutsamen meteorologischen Parameter zu ermitteln; die Sektoren der Windrichtung, die Lage und Dichte der Messstellen sowie die Aufpunkte sind dabei so zu wählen, dass die Immissionen den einzelnen Emittenten zugeordnet werden können.

4.4 Kenngröße für eine vorhandene Belastung

4.4.1 Allgemeines

Die Kenngröße für die vorhandene Belastung (IV) ergibt sich aus

IV = k · nv / N

Hierbei bedeuten N den Stichprobenumfang (N =52 oder 104) und n" die Summe der an den vier Eckpunkten der Beurteilungsfläche erhobenen Geruchsstunden (vergleiche Nummer 4.4.7).

Der Korrekturfaktor k nach Tabelle 3 berücksichtigt die unterschiedliche Aussagesicherheit der mit einem Stichprobenumfang N = 52 oder 104 ermittelten vorhandenen Belastung. Der Korrekturfaktor k basiert auf einer Hypothesenprüfung unter Anwendung der Binomialverteilung.

Tabelle 3: Auflistung der Korrekturfaktoren k

Stichprobenumfang N Wohn- / Mischgebiete Gewerbe- / Industriegebiete
52 1,7 1,6
104 1,5 1,3

Die Ermittlung der vorhandenen Belastung ist nach einem mit der zuständigen Behörde abgestimmten Messplan durchzuführen, in dem Beurteilungsgebiet, Beurteilungsflächen, Messobjekte, Messhöhe, Messzeitraum, Messzeit innerhalb des Tages, Messstellen, Messverfahren, Messhäufigkeit, Messdauer der Einzelmessungen und gegebenenfalls die Gründe für die Freistellung von Messungen anzugeben sind.

Soweit die vorliegende Richtlinie keine abweichenden Festlegungen trifft, können weitere methodische Hinweise der Richtlinie VDI 3940 entnommen werden.

Der Antragsteller kann von der Ermittlung der vorhandenen Belastung der Geruchsimmission für die Beurteilungsflächen freigestellt werden, für die durch Abschätzungen zum Beispiel mittels Windrichtungshäufigkeitsverteilung, mit Hilfe der Ausbreitungsrechnung, durch orientierende Begehungen oder Ähnlichem festgestellt wird, dass die Kenngröße für die vorhandene Belastung nicht mehr als 50 vom Hundert des Immissionswertes in Tabelle 1 beträgt.

In diesen Fällen ist in der Gleichung in Nummer 4.6 als IV die Hälfte des in Betracht kommenden Immissionswertes nach Tabelle 1 einzusetzen. Außerdem erübrigt sich die Ermittlung der vorhandenen Belastung der Geruchsimmission, wenn die Zusatzbelastung der zu genehmigenden Anlage das Irrelevanzkriterium nach Nummer 3.3 erfüllt.

Wenn das Vorhandensein anderer geruchsemittierender Anlagen auszuschließen ist, ist von einer vorhandenen Belastung IV = 0 auszugehen.

Zurückliegende Messungen oder Feststellungen über Immissionen und Emissionen dürfen nur herangezogen werden, wenn sich die für die Immissionssituation im Beurteilungsgebiet maßgeblichen Verhältnisse in der Zwischenzeit nicht erheblich verändert haben.

4.4.2 Beurteilungsgebiet

Das Beurteilungsgebiet ist die Summe der Beurteilungsflächen (Nummer 4.4.3), die sich vollständig innerhalb eines Kreises um den Emissionsschwerpunkt mit einem Radius befinden, der dem 30-fachen der nach Nummer 2 dieser Richtlinie ermittelten Schornsteinhöhe entspricht. Als kleinster Radius ist 600 Meter zu wählen.

Bei Anlagen mit diffusen Quellen von Geruchsemissionen mit Austrittshöhen von weniger als 10 Meter über der Flur ist der Radius so festzulegen, dass der kleinste Abstand vom Rande der emittierenden Fläche 600 Meter beträgt.

4.4.3 Beurteilungsfläche

Die Beurteilungsflächen sind quadratische Teilflächen des Beurteilungsgebietes, deren Seitenlänge bei weitgehend homogener Geruchsbelastung in der Regel 250 Meter beträgt. Eine Verkleinerung der Beurteilungsfläche soll gewählt werden, wenn außergewöhnlich ungleichmäßig verteilte Geruchsimmissionen auf Teilen von Beurteilungsflächen zu erwarten sind, so dass sie mit den Vorgaben nach Satz 1 auch nicht annähernd zutreffend erfasst werden können. Entsprechend ist auch eine Vergrößerung der Beurteilungsfläche zulässig, wenn innerhalb dieser Fläche eine weitgehend homogene Geruchsstoffverteilung gewährleistet ist. Die in dieser Richtlinie festgelegten Immissionswerte (Nummer 3.1) bleiben hiervon unberührt, da deren Ableitung von der Flächengröße unabhängig ist. Das quadratische Gitternetz ist so festzulegen, dass der Emissionsschwerpunkt in der Mitte einer Beurteilungsfläche liegt.

4.4.4 Messhöhe

Die Geruchsimmissionen sind in der Regel etwa in 1,5 bis 2,0 Meter Höhe über der Flur sowie in mehr als 1,5 Meter seitlichem Abstand von Bauwerken zu bestimmen.

4.4.5 Messzeitraum

Der Messzeitraum soll für das Gesamtjahr repräsentativ sein. Er kann in der Regel ein halbes Jahr betragen; eine Verkürzung auf drei Monate ist nur in besonderen Fällen zulässig.

Die Messungen sind repräsentativ auf die 24 Stunden des Tages zu verteilen. Sie können sich auch an der Betriebszeit der Emittenten orientieren, die für die vorhandene Belastung maßgeblich sind. Die ermittelten Zahlen der Geruchsstunden sind in diesem Fall mit einem Faktor zu korrigieren, der das Verhältnis von Betriebszeit zu Gesamtzeit berücksichtigt.

4.4.6 Messstellen

Die Messstellen sind möglichst nahe an den Schnittpunkten des quadratischen Gitternetzes festzulegen, das dem Beurteilungsgebiet zu Grunde liegt. Bei Abweichungen wegen besonderer örtlicher Verhältnisse ist der nächst benachbarte Punkt auszuwählen. Bei Flächenquellen sind die Messstellen außerhalb der Quellen festzulegen.

Grundsätzlich brauchen Messstellen nur in den Bereichen der Umgebung der Anlage festgelegt zu werden, in denen die Geruchsimmission für die Entscheidung relevant ist. Dies sind insbesondere Gebiete, die nicht nur zum vorübergehenden Aufenthalt von Menschen bestimmt sind. Messstellen sind daher zum Beispiel nicht erforderlich in Waldgebieten und auf zusammenhängenden landwirtschaftlich oder gartenbaulich genutzten Flächen.

4.4.7 Messverfahren und Messhäufigkeit

Die vorhandene Belastung ist in der Regel olfaktorisch im Rahmen einer Begehung zu ermitteln (vergleiche Nummer 4.1). Jeder Eckpunkt der Beurteilungsfläche ist im Messzeitraum je nach geforderter Aussagesicherheit (vergleiche Nummer 4.4.1) 13.- oder 26-mal durch Probandinnen oder Probanden zu begehen. Diese Begehungen sollten in zeitlich gleichen Abständen über den Messzeitraum verteilt sein. Aus den Ergebnissen, die an den vier Eckpunkten einer Beurteilungsfläche ermittelt wurden, ist durch Addition die Zahl der Geruchsstunden nv für die Beurteilungsfläche zu bestimmen. Die Begehung der Messstellen ist in ihrer Reihenfolge so festzulegen, dass benachbarte Messstellen an unterschiedlichen Tagen begangen werden. Dies stellt sicher, dass bei der räumlich gleitenden Auswertung für jede Beurteilungsfläche und Messperiode jeweils vier unterschiedliche Messtage in die Kenngrößenermittlung eingehen.

Die für jede einzelne Begehung einzusetzenden Probandinnen und Probanden sind aus einem festen Pool von mindestens zehn Personen auszuwählen. Die individuelle Geruchsempfindlichkeit der Probandinnen und Probanden ist vorab zu testen. Die Ergebnisse dieses Eignungstests sind entsprechend Anhang B darzustellen. Auf die Anforderungen des Anhangs C in Verbindung mit den Anforderungen der Bund/Länder Arbeitsgemeinschaft für Immissionsschutz (nachfolgend LAI genannt) an Messstellen für Geruchserhebungen im Rahmen der Bekanntgabe nach den § § 26, 28 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes wird verwiesen.

Es ist unbedingt darauf zu achten, dass nur deutlich wahrnehmbare Geruchsimmissionen registriert werden dürfen, das heißt solche Geruchsimmissionen, die mit hinreichender Sicherheit und zweifelsfrei ihrer Herkunft nach aus Anlagen oder Anlagengruppen erkennbar und damit abgrenzbar sind gegenüber Gerüchen aus dem Kraftfahrzeugverkehr, dem Hausbrandbereich, der Vegetation, landwirtschaftlichen Düngemaßnahmen oder Ähnlichem (vergleiche Nummer 3.1).

Im Übrigen sollen nur Stellen im Sinne der § § 26, 28 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes mit der Durchführung der olfaktorischen Erhebung der vorhandenen Belastung beauftragt werden, die eine Qualifikation auch auf diesem Gebiet nachweisen können.

Auf die differenzierte Erfassung von Geruchsintensitäten ist im Allgemeinen zu verzichten, da ein hinreichender Zusammenhang zwischen diesen Geruchsmerkmalen und der Ausprägung der Geruchsbelästigung nicht nachzuweisen ist. Bei der Anwendung der Immissionswerte nach Nummer 3.1 sind in jedem Fall alle anlagenbezogenen Geruchsimmissionen ab ihrer Erkennbarkeit zu berücksichtigen. Die Grundsätze der Richtlinie VDI 3940 sind zu beachten.

Die vorhandene Geruchsimmission wird durch eine Aufenthaltszeit von zehn Minuten an jeder Messstelle (Messzeitintervall) bei Beachtung der oben beschriebenen Vorgaben hinreichend genau erfasst. Werden während des Messzeitintervalls in mindestens zehn vom Hundert der Zeit (Geruchszeitanteil) Geruchsimmissionen der vorbezeichneten Art erkannt, ist dieses Messzeitintervall als "Geruchsstunde" zu zählen. Die Geruchswahrnehmungen sind gemäß dem Datenaufnahmebogen nach Anhang A festzuhalten.

4.5 Kenngröße für die zu erwartende Zusatzbelastung

Die Kenngröße für die zu erwartende Zusatzbelastung ist entsprechend Nummer 1 mit dem Referenzmodell AUS-TAL 2000 zu ermitteln. Die Festlegung der Seitenlänge der Beurteilungsflächen erfolgt gemäß Nummer 4.4.3. Bei der olfaktometrischen Ermittlung der Emissionen als Eingangsgröße für die Ausbreitungsrechnung müssen die Anforderungen nach Anhang C in Verbindung mit den Anforderungen des LAI an Messstellen für Geruchserhebungen im Rahmen der Bekanntgabe nach den § § 26, 28 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes beachtet werden.

4.6 Auswertung

Im Beurteilungsgebiet ist für jede Beurteilungsfläche die Kenngröße IV für die vorhandene Belastung aus den Ergebnissen der Begehungen der Probandinnen und Probanden oder der Ausbreitungsrechnung zu bestimmen. Bei der Bestimmung der zu erwartenden Zusatzbelastung IZ ist entsprechend Nummer 4.5 zu verfahren.

Die Kenngröße der Gesamtbelastung ergibt sich aus der Addition 2 der Kenngrößen für die vorhandene Belastung und die zu erwartende Zusatzbelastung entsprechend

IG = IV + IZ

Die Kenngröße der {3esamtbelastung ist zunächst auf zwei Stellen hinter dem Komma zu runden und anschließend mit dem Immissionswert (Tabelle 1) für das jeweilige Gebiet zu vergleichen.

5 Beurteilung im Einzelfall

Für die Beurteilung, ob schädliche Umwelteinwirkungen durch Geruchsimmissionen hervorgerufen werden, ist ein Vergleich der nach dieser Richtlinie zu ermittelnden Kenngrößen mit den in Tabelle 1 festgelegten Immissionswerten nicht ausreichend, wenn

  1. auf einzelnen Beurteilungsflächen in besonderem Maße Geruchsimmissionen aus dem Kraftfahrzeugverkehr, dem Hausbrandbereich oder anderen nicht nach Nummer 3.1 Abs. 1 zu erfassenden Quellen auftreten oder
  2. Anhaltspunkte dafür bestehen, dass wegen der außergewöhnlichen Verhältnisse hinsichtlich Hedonik und Intensität der Geruchswirkung, der ungewöhnlichen Nutzungen in dem betroffenen Gebiet oder sonstiger atypischer Verhältnisse

In derartigen Fällen ist zu ermitteln, welche Geruchsimmissionen insgesamt auftreten können und welchen Anteil daran der Betrieb von Anlagen verursacht, die nach Nummer 3.1 Abs. 1 zu betrachten sind. Anschließend ist zu beurteilen, ob die Geruchsimmissionen als erheblich anzusehen sind und ob die Anlagen hierzu relevant beitragen.

Im Falle hedonisch eindeutig angenehmer Gerüche besteht die Möglichkeit, deren Beitrag zur Gesamtbelastung mit dem Faktor 0,5 zu wichten. Die Entscheidung hierüber trifft die zuständige Behörde. Zur Feststellung eindeutig angenehmer Anlagengerüche ist die Methode zur hedonischen Klassifikation von Anlagengerüchen - Methode der Polaritätenprofile - anzuwenden.

Nur diejenigen Geruchsbelästigungen sind als schädliche Umwelteinwirkungen nach § 3 Abs. 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu werten, die erheblich sind. Die Erheblichkeit ist keine .absolut festliegende Größe, sie kann in Einzelfällen nur durch Abwägung der dann bedeutsamen Umstände festgestellt werden.

Dabei sind - unter Berücksichtigung der eventuell bisherigen Prägung eines Gebietes durch eine bereits vorhandene Geruchsbelastung - insbesondere folgende Beurteilungskriterien heranzuziehen:

Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Grundstücksnutzung mit einer gegenseitigen Pflicht zur Rücksichtnahme belastet sein kann, die unter anderem dazu führen kann, dass die Belästigte oder der Belästigte in höherem Maße Geruchseinwirkungen hinnehmen muss. Dies wird besonders dann der Fall sein, soweit einer emittierenden Anlage Bestandsschutz zukommt. In diesem Fall können Belästigungen hinzunehmen sein, selbst wenn sie bei gleichartigen Immissionen in anderen Situationen als erheblich anzusehen wären.

6 In-Kraft-Treten, Außer-Kraft-Treten

Diese Verwaltungsvorschrift tritt mit Wirkung vom 1. November 2006 in Kraft und am 31. Dezember 2011 außer Kraft. Mit dem In-Kraft-Treten dieser Verwaltungsvorschrift tritt die Geruchsimmissions-Richtlinie des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 7. Mai 1998 (unveröffentlicht) außer Kraft.

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Datenaufnahmebogen für Geruchsbegehungen Anhang A

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Angaben zum Kollektiv der Probandinnen und Probanden für Olfaktometrie und Begehung Anhang B

Tabelle 1: Ergebnismatrix des Eignungstestes einer Probandin/eines Probanden (mindestens 10, maximal 20 Durchgänge)

Probandin oder Proband Geruchsstoff: n-Butanol  
Name/ID H2S  
Datum Prüfgaskonz. Durchgangs-Nr. Nullproben Verdünnungsstufen ZITE yn
[ppb]
Log10
yn
    1                                    
    2                                    
    3                                    
    4                                    
    5                                    
    6                                    
    7                                    
    8                                    
    9                                    
    10                                    
    ...                                    
    ...                                    
    20                                    
  NFB %   γ'ITE
  SITE

Tabelle 2: Zusammenfassung der Ergebnisse des Eignungstestes des Kollektivs

   Probandin
Proband
Name/ID
Geruchsstoff: n-Butanol - Geruchsstoff: H2S
Letzter Test
(Datum) 
Anzahl der Durchgänge
Anzahl
ITE
Mittlere Geruchsschwelle
10γ'ITE
[ppb]
 SITE  NFB
[%]
 Letzter Test
(Datum)
Anzahl der Durchgänge
Anzahl
ITE
Mittlere Geruchsschwelle
10γ'ITE
[ppb]
 SITE  NFB
[%]
1                      
2                      
3                      
4                      
5                      
6                      
7                      
8                      
9                      
10                      
...                      

.

Anforderungen an das olfaktometrische Messverfahren zur Ermittlung von Geruchsemissionen Anhang C

Die Ermittlung von Geruchsemissionen hat entsprechend der europäischen Norm EN 13.725 "Luftbeschaffenheit - Bestimmung der Geruchsstoffkonzentration mit dynamischer Olfaktometrie" zu erfolgen. Darüber hinaus sind die Vorgaben der Nummer 5.3 Ta Luft zu beachten.

Soweit diese Richtlinien Wahlmöglichkeiten lassen, gilt für ihre Anwendung im Rahmen der Geruchsimmissions-Richtlinie Folgendes:

Je Betriebszustand und Emissionsquelle sollen mindestens drei Proben gewonnen werden. Die olfaktometrische Analyse hat unmittelbar nach der Probenahme zu erfolgen. Die Probenahmezeit beträgt in der Regel 30 Minuten.

Bei der Bildung von Probandinnen- und Probandengruppen sind nur solche Personen auszuwählen, die über eine durchschnittliche Geruchsempfindlichkeit verfügen. Diese Auswahl hat mit den Standardgeruchsstoffe n-Butanol und HZS zu erfolgen.

In Ergänzung zu den Ausführungen des Anhangs B sind die "Anforderungen des LAI an Messstellen für Geruchserhebungen im Rahmen der Bekanntgabe nach den § § 26, 28 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes" in Verbindung mit der Richtlinie für die Bekanntgabe und die Zulassung von sachverständigen Stellen im Bereich des Immissionsschutzes einzuhalten.

__________

1) Für Dorfgebiete gilt der Immissionswert 0,15 nur für den Fall, dass Gerüche aus Tieranlagen zu beurteilen sind.

2) Grundsätzlich können Häufigkeitswerte voneinander unabhängiger Verteilungen nicht auf einfache Weise addiert werden. Die algebraische Addition der vorhandenen Belastung und der zu erwartenden Zusatzbelastung stellt eine für die praktische Anwendung gebotene Vereinfachung dar; sie beruht auf dem Multiplikationstheorem der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Dabei wird davon ausgegangen, dass das Produkt pv * pz als Korrekturterm zu vernachlässigen ist, weil die Teilwahrscheinlichkeiten pv und pz deutlich unter 10 % liegen (Hierbei bedeuten: pv = Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Geruchsereignisses in der vorhandenen Belastung; pz = Wahrscheinlichkeit des Eintretens eines Geruchsereignisses in der zu erwartenden Zusatzbelastung).

ENDE

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