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Regelwerk; Gesundheitswesen

PsychHG - Gesetz zur Hilfe und Unterbringung von Menschen mit Hilfebedarf infolge psychischer Störungen
- Schleswig-Holstein -

Vom 11. Dezember 2020
(GVOBl. Schl.-H. Nr. 22 vom 23.12.2020 S. 1035, ber. S. 310)
Gl.-Nr.: 2126-15



Archiv: 2000

Teil 1
Allgemeines

§ 1 Anwendungsbereich, Grundsätze

(1) Dieses Gesetz regelt

  1. die Gewährung von Hilfen für Menschen, die aufgrund psychischer Störungen hilfsbedürftig sind (betroffene Menschen), und
  2. die Durchführung einer Unterbringung zur Abwendung von Eigen- oder Fremdgefährdungen aufgrund psychischer Störungen.

(2) Psychische Störung im Sinne dieses Gesetzes sind nur solche, die nach medizinischer Einschätzung behandlungsbedürftig sind, unabhängig von ihrer Ursache.

(3) Bei allen Hilfen und Schutzmaßnahmen aufgrund dieses Gesetzes ist die Würde des betroffenen Menschen und sein Recht auf Selbstbestimmung zu achten. Dabei sind besondere Bedürfnisse des betroffenen Menschen zu berücksichtigen und seine Persönlichkeit sowie seine individuelle Autonomie zu respektieren.

(4) Zur Stärkung des Rechts auf Selbstbestimmung soll die Partizipation des betroffenen Menschen gefördert werden. Dabei sind insbesondere die Erstellung von Patientenverfügungen, Behandlungsvereinbarungen, Vorsorgevollmachten und ähnlichen Instrumenten zu fördern.

(5) Maßnahmen gegen den natürlichen oder freien Willen des betroffenen Menschen sind nur in den in diesem Gesetz geregelten Ausnahmefällen zulässig. Auf Wunsch des betroffenen Menschen sind Personen seines Vertrauens in geeigneter Weise einzubeziehen.

(6) Ambulante und teilstationäre Formen der Hilfen haben Vorrang vor stationären und sollen frühzeitig und unter Ausschöpfung der verfügbaren erfolgversprechenden Möglichkeiten erbracht werden.

(7) Um eine Unterbringung nach diesem Gesetz zu vermeiden, soweit wie möglich zu verkürzen oder einem betroffenen Menschen nach Beendigung der Unterbringung die notwendige Hilfestellung mit dem Ziel einer gesundheitlichen Verbesserung und sozialen Eingliederung zu gewähren, sind alle vorhandenen vorsorgenden, begleitenden und nachsorgenden Hilfen im Sinne von § 4 auszuschöpfen.

§ 2 Sozialpsychiatrischer Dienst

(1) Träger der Aufgaben nach diesem Gesetz sind die Kreise und kreisfreien Städte. Sie nehmen die Aufgaben zur Erfüllung nach Weisung wahr.

(2) Die Kreise und kreisfreien Städte richten zur Erfüllung ihrer in diesem Gesetz genannten Aufgaben Sozialpsychiatrische Dienste ein. Mehrere Kreise und kreisfreien Städte können mit Zustimmung der für Gesundheit zuständigen obersten Landesbehörde einen gemeinsamen Sozialpsychiatrischen Dienst einrichten. Der Sozialpsychiatrische Dienst ist multiprofessionell zu besetzen. Dabei können qualifizierte Peers, EX-IN-Kräfte und Genesungsbegleitungen eingebunden werden, um die Peer-Beratung zu stärken.

(3) Der Sozialpsychiatrische Dienst steht unter Leitung einer Ärztin oder eines Arztes oder einer psychologischen Psychotherapeutin oder eines psychologischen Psychotherapeuten.

(4) Zu den Aufgaben des Sozialpsychiatrischen Dienstes zählen insbesondere

  1. die Beratung und Gewährung von Hilfen,
  2. die Krisenintervention und Unterbringungsmaßnahmen,
  3. die Koordinierung der psychiatrischen Versorgung in den Kommunen,
  4. die Fachaufsicht über die beliehenen Krankenhäuser,
  5. das Beschwerdemanagement und
  6. die ärztliche psychiatrische Beurteilung.

(5) Der Sozialpsychiatrische Dienst soll im Interesse des betroffenen Menschen zur Erreichung der Ziele dieses Gesetzes mit anderen Stellen zusammenarbeiten. Zu anderen Stellen zählen insbesondere Gemeinden, Krankenhäuser, niedergelassene Ärztinnen und Ärzte sowie niedergelassene Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, Einrichtungen und Dienste der gemeindepsychiatrischen Versorgung, Eingliederungshilfe- und Pflegeeinrichtungen, Träger der Sozial-, Eingliederungs- und Jugendhilfe sowie der Suchthilfe, Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, Betroffenen- und Angehörigenorganisationen, Betreuungsbehörden und -vereine, Polizei-, Ordnungs- und Justizbehörden sowie Stellen der Arbeitsverwaltung.

(6) Kinder- und jugendpsychiatrische Belange sowie die Belange von Kindern psychisch erkrankter Eltern sind besonders zu berücksichtigen.

§ 3 Arbeitskreise für gemeindenahe Psychiatrie

(1) Zur Koordination der Hilfsangebote für betroffene Menschen richten die Kreise und kreisfreien Städte Arbeitskreise für gemeindenahe Psychiatrie ein. Die für Gesundheit zuständige oberste Landesbehörde erlässt eine Empfehlung zur Zusammensetzung der Arbeitskreise.

(2) Der Arbeitskreis für gemeindenahe Psychiatrie wirkt auf eine Zusammenarbeit aller an der Versorgung von betroffenen Menschen beteiligten Personen, Behörden, Institutionen und Verbände innerhalb des Kreises oder der kreisfreien Stadt hin und unterstützt ihre Arbeit.

Teil 2
Hilfen

§ 4 Begriff und Ziel der Hilfen

(1) Hilfen nach diesem Gesetz sind Maßnahmen für betroffene Menschen, die sie befähigen sollen, menschenwürdig und selbstbestimmt in der Gemeinschaft zu leben. Sie sollen den betroffenen Menschen in Form von vorsorgenden, begleitenden sowie nachsorgenden Hilfemaßnahmen gewährt werden. Sie sind im Sinne von Subsidiarität und Vorrangigkeit von freier Wohlfahrtspflege entsprechend des § 17 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - zu leisten.

(2) Ziel der Hilfen ist es insbesondere

  1. die selbstbestimmte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu erhalten oder wiederherzustellen,

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