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Gesundheitliche Bewertung dioxinähnlicher polychlorierter Biphenyle in der Innenraumluft
(Bundesgesundheitsbl. Nr. 11 aus 2007 S. 1455)
Mitteilungen der Adhoc-Arbeitsgruppe der Innenraumlufthygiene-Kommission des Umweltbundesamtes und der Obersten Landesgesundheitsbehörden
Teil 1
Ableitung eines Prüfwertes für die zulässige PCB-TEQ-Konzentration in der Innenraumluft
Die bisherige gesundheitliche Bewertung der polychlorierten Biphenyle (PCB) stützt sich auf die Bewertung technischer Gemische (sog. Arochlor- bzw. Clophen-Muster) [1, 2, 3, 4, 5] . Die hauptsächlich als Transformatorenöl, als Kondensatorendielektrikum sowie als Additiv zu Flammschutzanstrichen und Fugenmassen eingesetzten PCB-Gemische unterscheiden sich in ihrer Zusammensetzung jedoch erheblich von dem Muster derjenigen PCB-Kongeneren, welche vom Menschen mit der Nahrung und über den Luftpfad aufgenommen werden. In der Nahrungskette reichern sich hauptsächlich die schwerflüchtigen höher chlorierten PCB an, während in der Raumluft in der überwiegenden Zahl der aufgetretenen Fälle die leichter flüchtigen niedrig chlorierten PCB dominieren.
Auch das in Deutschland bislang übliche Vorgehen bei der Beurteilung von PCB-Raumluftbelastungen beruht auf einem TDI (tolerable daily intake - duldbare tägliche Zufuhr), der sich aus tierexperimentellen Untersuchungen nach oraler Aufnahme technischer PCB-Gemische ableitete [1]. In der Folgezeit wurde dieses Ableitungsverfahren kritischer gesehen. Das Gemeinsame Expertenkomitee zu Lebensmittelzusätzen (Joint Expert Committee an Food Additives - JECFA) der Lebensmittel- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen und der Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization - WHO) stellte 1990 fest, dass für PCB keine vorläufige duldbare Aufnahme festgelegt werden kann, da sich die tierexperimentell verfütterten technischen PCB-Gemische in ihrer Zusammensetzung erheblich von den in der menschlichen Nahrung enthaltenen unterscheiden und keine Daten zur Körperlast und zur Kinetik der verfütterten PCB-Einzelverbindungen (sog. Kongenere) vorliegen [6]. Auch nach Ansicht einer Arbeitsgruppe der WHO sind die aus technischen PCBGemischen gewonnenen toxikologischen Erkenntnisse als Grundlage für eine gesundheitliche Bewertung der Expositionssituation des Menschen gegenüber umweltrelevanten PCB infrage zu stellen [7]. Sie empfahl daher, der Risikobewertung zukünftig solche Studien zugrunde zu legen, bei denen umweltrelevante PCB in rekonstituierten Gemischen eingesetzt wurden.
Ein weiterer Grund für die Überarbeitung der bisherigen Bewertungsgrundlagen ist die Erkenntnis, dass ein Teil der PCB-Kongenere eine dioxinähnliche Molekülstruktur aufweist und ihnen demzufolge eine dioxinähnliche Wirkung unterstellt werden kann. Das Vorkommen dioxinähnlicher PCB-Kongenere hängt dabei im Wesentlichen vom Chlorierungsgrad des technischen Gemisches und vom Herstellungsverfahren ab ( Tabelle 1). Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche gesundheitlichen Wirkungen mit den in der Innenraumluft vorwiegend auftretenden nichtdioxinähnlichen PCB verknüpft und wie diese in Relation zu den nachteiligen Effekten der sie begleitenden dioxinähnlichen PCB zu bewerten sind.
Im November 2001 stellte die WHO ein Verfahren zur Entwicklung eines Bewertungsmaßstabes für nichtdioxinähnliche PCB vor; dabei wurde jedoch eine Reihe von Kenntnislücken identifiziert [7]. Im April 2002 forderte der Ausschuss für Umwelt, Volksgesundheit und Verbraucherschutz des europäischen Parlaments die Kommission auf, Grenzwerte für nichtdioxinähnliche PCB in Lebensmitteln festzulegen. Die Europäische Kommission griff diese Forderung auf und beauftragte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safety Authority - EFSA) mit der Erstellung eines Berichtes zur gesundheitlichen Bewertung der nichtdioxinähnlichen PCB. Dieser Bericht wurde 2005 vorgelegt [8].
Konzentration von dioxinähnlichen PCB in deutschen und US-amerikanischen technischen Gemischen in Abhängigkeit vom Chlorierungsgrad und vom Herstellungsverfahren. Arochlor 1254 wurde zu Beginn der 1930er-Jahre bis 1973 mithilfe einer sog. Einstufenchlorierung (G 4), von 1974-76 mit der sog. 2-Stufenchlorierung (a 4) hergestellt, die zu einem deutlich höheren PCB-TEQ-Anteil führt. Obwohl die Produktionsmenge des A-4-Subtyps weniger als 1 % der Gesamtproduktionsmenge darstellte, wurden vor allem die Langzeitstudien und andere relevante toxikologische Studien mit dem TEQ-reicheren Arochlor-1254-A-4-Subtyp durchgeführt (Daten aus EFSa (2005) [8]).
Clophen-Typ (Deutschland) | Clophen a 30 | Clophen a 40 | Clophen a 50 | Clophen a 60 |
Gehalt (lag PCB-TEQ/g Clophen) | 2,6 | 6,9 | 114 | 472 |
Arochlor-Typ (USA) | Arochlor 1242 | Arochlor 1248 | Arochlor 1254 | Arochlor 1260 |
Gehalt (µg PCB-TEQ/g Arochlor) | 1,7-5,2 | 5,2-16 | 17-37 (G 4)
38-392 (a 4) |
2-15 |
Konzentration von dioxinähnlichen PCB in technischen Gemischen und Bezug zum TDI-Wert von 2 pg TEQ/kg Körpergewicht und Tag (EU-SCF 2001 [101). Aus dem PCB-TEQ-Gehalt der Clophen-Typen (Daten aus EFSa (2005) [8]) lässt sich der TDI-Wert für das jeweilige Clophen-Gemisch abschätzen. Der TDI-Wert in der unteren Zeile sinkt mit zunehmendem Gehalt an dioxinähnlichen Kongeneren des jeweiligen Clophen-Gemisches.
Clophen-Typ (Deutschland) | Clophen a 30 Niedrig chloriert |
Clophen a 40 Niedrig chloriert |
Clophen a 50 Höher chloriert |
Clophen a 60 Höher chloriert |
Gehalt an dioxinähnlichen PCB (µ g PCB-TEQ/g Clophen) |
2,6 | 6,9 | 114 | 472 |
TDI, bezogen auf PCB-TEQ (µ g Clophen/kg KG/d) |
0,8 | 0,3 | 0,02 | 472
0,004 |
(Stand: 06.07.2018)
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