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Regelwerk

2. Addendum zur Stoffmonographie Blei - Referenz- und "Human-Biomonitoring"-Werte der Kommission "Human-Biomonitoring"
- Stellungnahme der Kommission "Human-Biomonitoring" des Umweltbundesamtes -

(Bundesgesundheitsbl. Nr. 10/2009 S. 983)


Die Kommission hat 1996 die "Stoffmonographie Blei - Referenz- und Human- Biomonitoring-Werte" in dieser Zeitschrift publiziert, sich 2002 erneut zu den Wirkungen von Blei auf den Menschen in einem 1. Addendum und 2005 zur Aktualisierung der Referenzwerte geäußert [1, 2, 3].

Die Wirkungen von Blei sind umfassend untersucht und in mehreren Monografien zusammenfassend dargestellt worden [4, 5, 6]. Aktuelle Vergiftungsfälle unterstreichen, dass es als akut toxisches Schwermetall weiterhin Bedeutung hat [7]. Die kritische Bleiwirkung, insbesondere auf den sich entwickelnden Organismus, betrifft das Nervensystem. Es ist aber nicht möglich, Blutbleikonzentrationen beziehungsweise Schwellen anzugeben, ab denen die kritischen Wirkungen auftreten. Aufgrund der fehlenden Wirkungsschwelle, der Neubewertung des krebserzeugenden Potenzials [8] und neuerer Forschungsergebnisse bewertet die Kommission "Human-Biomonitoring" die Wirkungen von Blei im Blut erneut und setzt als Schlussfolgerung die HBM-Werte aus.

Neuere Erkenntnisse zu Wirkungen auf Kinder und Jugendliche

Wirkungen auf das Zentrale Nervensystem (ZNS)

Unter den neurotoxischen Bleiwirkungen bei Kindern sind Intelligenzleistungen, Aufmerksamkeits- und Reaktionsleistungen, Verhaltensstörungen sowie Hörschwellenverschiebungen als besonders empfindlich beschrieben worden [4, 9, 10]. Studien zur Wirkung im Niedrigdosisbereich unterhalb des bisherigen HBMI-Wertes von 100 µg/l liegen aus Längs- und Querschnittsuntersuchungen über Zusammenhänge zwischen Blutbleiwerten (PbB) und kognitiven und psychomotorischen Leistungen bei Kleinkindern vor. Dabei haben sich negative Zusammenhänge zwischen dem Intelligenzquotienten (IQ) und dem PbB als Surrogat der Körperlast bis in den Bereich unterhalb von 100 µg/l hinunter ergeben. Dies veranlasste die "centers for Disease Control and Prevention" (CDC) und in ihrem Gefolge auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) seinerzeit dazu, 100 µg/l als Warnschwelle zu definieren, bei deren Überschreiten zwar noch keine gesundheitlich nachteiligen Wirkungen zu erwarten, wohl aber Maßnahmen zur Expositionsminderung angezeigt sind. Die CDC haben 2004 als "level of concern" 100 µg/l Blut bestätigt [11]. Bei der Beibehaltung des HBM-I-Wertes war die Kommission 2002 von ähnlichen Überlegungen ausgegangen [2].

Die Annahme einer "Wirkschwelle" für Blei wird in neueren Arbeiten anhand linearer und nichtlinearer Extrapolation abgelehnt [12, 13, 14, 15]. Es kann inzwischen als gesichert angesehen werden, dass auch unterhalb eines Blutbleispiegels von 100 µg/l noch negative Zusammenhänge zwischendem PbB und neuropsychologischen Zielgrößen bestehen [16, 17, 18], und dass eine nichtlineare Extrapolation des Dosis-Wirkungsverlaufs in den Bereich unter 100 µg/l angemessen ist [19].

Einige Autoren berichten, dass die Zusammenhänge zwischen Bleibelastung und neuropsychologischen Zielgrößen bei Werten unterhalb 100 µg/l stärker ausgeprägt seien [19, 20, 21].

Zudem kommt der pränatalen Exposition eine größere Bedeutung zu, als bisher angenommen wurde [22, 23, 24].

Auch für das Hyperkinetische Syndrom ("Attention Deficit Hyperactivity Disorder", kurz ADHS) wurden kürzlich Zusammenhänge mit niedrigem Bleispiegel berichtet [25]. Das Risiko, an ADHS zu erkranken, lag bei Kindern im Alter von vier bis 15 Jahren, die PbB > 20110 hatten, vierfach höher als bei Kindern, die PbB < 10 µg/l aufwiesen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte bereits 1995 die Möglichkeit einer fehlenden Wirkungsschwelle diskutiert, einschränkend aber darauf hingewiesen, dass "die Auswirkung konfundierender Größen und messtechnische Ungenauigkeiten in der Erfassung analytischer und psychometrischer Daten die Unsicherheit der Effektgrößenschätzung in diesem Bereich vergrößert" [4]. Auch Wigg [26] und Koller et al. [27] weisen darauf hin, dass Blei nur als einer von mehreren Risikofaktoren anzusehen sei und kommen nach Auswertung der vorhandenen Studien zu der Annahme, dass 1 bis 4 % der Varianz der kognitiven Leistung auf Blei, hingegen 40 % auf soziale und familiäre Faktoren zurückzuführen sind. Bei dem Dosis-Wirkungs-Verlauf unterhalb 100 µg/l bestehen Unsicherheiten der Modellierung durch das variable Wirkungsausmaß. Deshalb muss auch der modifizierende Einfluss der sozioökonomischen Bedingungen [28, 29] ebenso wie eine erhöhte Suszeptibilität aufgrund von genetischen Determinanten [30] berücksichtigt werden.

Verglichen damit sind die mit sinkendem PbB rechnerisch zu erwartenden ,Verbesserungen um 0,75 beziehungsweise 1,5 IQ-Punkte auf Kollektive bezogen zwar darstellbar, aber für das Individuum als marginal anzusehen. Bei der Bewertung dieser Befunde ist zu beachten, dass die individuelle Intelligenzmessung mit einem Standardmessfehler von rund ±5 Punkten behaftet ist.

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